Sybilla hat geschrieben:(05 Aug 2021, 04:19)
Ein Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik ist
alternativlos. Nicht mehr sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung sind die Lösung der sozialen Schieflage, sondern eine Entlohnung der Arbeitnehmer*innen die sie aus der Armutsgefährdung befreit. Allerdings würde das zu einem geringer aber spürbaren Absinken des „Profits“ der Arbeitgeber führen. Ebenso ist eine Deckelung der Mieten in Ballungsräumen eine notwendige Maßnahme die der Bundesgesetzgeber auch umsetzen kann. Die fetten Jahre für die deutsche Wirtschaft sind vorbei. An die Politik gerichtet „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“
Solche Aussagen sind regelmäßig Bullshit. Es gibt so gut wie immer viele Alternativen - nur dann nicht, wenn man sich rein auf ideologische Denkschranken verlässt.
Nehmen wir als Beispiel die von ihnen angeführte "Deckelung der Mieten in Ballungsräumen". Das ist keine notwendige Maßnahme! Schon gar keine, die Alternativlos ist.
Eine Deckelung von Mieten ändert nichts aber auch gar nichts an der Angebotssituation. Die Mieten in Ballungsräumen steigen, weil viele Menschen in die Ballungsräume ziehen wollen und dort auch ausreichend viel Wohnraum haben wollen. Eine Deckelung von Mieten bringt nicht mehr Wohnraum, und ändert auch nichts an der Nachfragesituation. Eine klare Alternative dazu ist, dass die öffentliche Hand ausreichend in Wohnungsbau investiert und dafür sorgt, dass ausreichend preiswerter Wohnraum in Ballungsräumen verfügbar ist. Eine andere Alternative ist, dass die öffentliche Hand ausreichend dahin investiert, dass nicht nur die Ballungszentren, sondern eben auch das Wohnen auf dem Land hoch attraktiv ist und bleibt. Beispielsweise durch einen starken Ausbau der digitalen Infrastruktur.
Darüber hinaus gibt es einige weitere Alternativen - alle DENKWÜRDIG. Gibt es nun DIE BESTE LÖSUNG? Wohl eher nicht!
Die Situation in Hamburg ist anders als in Berlin, und anders als in München, Stuttgart oder Köln. Es gibt Gemeinsamkeiten - aber eben immer auch Unterschiede. Wer mal ins Ruhrgebiet schaut, erkennt dort Städte, die eher im sterben liegen - und andere, die wachsen ohne Ende.
Und bei der Arbeitsmarktpolitik?
Ihre Argumente entstammen noch immer den Argumentationslinien von 1990. Nur - wir haben heute andere Zeiten. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen mehr und mehr in Rente - geburtenschwache Jahrgänge kommen nach. Die Werte, die Menschen 2010 noch für richtig hielten, sind nicht identisch mit den Werten, die Menschen 2020 attraktiv gehalten haben. Und was 2030 kommt.....das lässt sich ein wenig prognostizieren.
1990 haben Menschen verzweifelt nach einem Ausbildungsplatz gesucht.
2021 suchen Ausbildungsbetriebe verzweifelt nach Auszubildenden. Und gleichzeitig: Haben zu viele potentielle Auszubildende noch immer keinen Ausbildungsplatz.
Und gleichzeitig fehlen uns Zehntausende Ärzte.
Und gleichzeitig fehlen uns Hunderttausende Pflegekräfte.
Und gleichzeitig fehlen uns Hunderttausende Informatiker.
.. ... ...
Und wer derzeit einen Handwerker braucht, der erlebt ganz live, was uns noch so alles fehlt.......
Mit den Argumenten von 1990 können wir nicht die Realität von 2021 begreifen und beantworten. Doch genau das tun sie - leider.
Gehen sie mal in Familien von 2021, schauen sie sich mal die Lebenswirklichkeit von Schulabgängern 2021 an, betrachten sie Studenten von 2021......und reden sie mal mit Menschen, die 2021 seit ein paar Jahren im Job sind, und die eine Familie gründen wollen......sie werden einige Überraschungen erleben!
Das aber ändert nichts daran, dass es grundlegende Fehler in unserer Sozialpolitik gibt - die führt dazu, dass einige Teile unserer Gesellschaft immer und immer wieder vom Fortschritt abgekoppelt sind. Dass sich eine Subkultur entwickelt, die auf vererbte Hartz IV Schicksale beruht. DAS ist ein Fehler! DAS muss auch korrigiert werden. Nur - ihre Rezepte taugen dazu leider nicht mehr - sie gehen an der Realität vorbei.