Die rechte Terrorwelle

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Haegar
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Re: Die rechte Terrorwelle

Beitrag von Haegar »

Vongole hat geschrieben:(21 Dec 2020, 20:14)

Die entsprechenden geistigen Versatzstücke liefern verschiedene rechtsextreme Bewegungen wie z.B. Judas Watch, Altright,die NPD, "die Identitären", oder linksextreme Antizionisten (sekundärer Antisemitismus), Islamisten, BDSler,
aktuell QAnon natürlich. Sie eröffnen verschiedene Plattformen, oft im Darknet, die sie den Judenhassern der Welt öffnen und damit für die Verbreitung in sozialen Netzwerken sorgen.
In einer Gesellschaft, in der Judenhass immer stärker relativiert und verharmlost wird, fällt das auf fruchtbaren bereiten Boden.
Leider, das wurde auch von den Nebenklägern beklagt, tut sich viel zu wenig, um diese Hass-Plattformen trocken zu legen.
Der Stammtisch ist durch den Chatroom international vernetzt worden und wirkt wie ein Brandbeschleuniger in der "Weltverschwörungsblase". Und ohne Widerspruch oder Stirnrunzeln der Mitschreiber bei immer radikaleren Aufrufen zum "Widerstand" oder "Sogehtsnichtweiter" gegen (dabei kann man einfügen: "Ostküste, Aliens, linksversiffte Multikultis, Ökofaschisten, Moslems, Kommunisten, Medienvertreter, Abgeordnete, Bürgermeister etc.") selbstdefinierte "Volksverräter", fühlt sich irgend wann einer berufen den "Widerstand" handgreiflich zu machen.
Und dann will jeder der Beteiligten es so nicht gemeint haben und spricht vom Einzeltäter, der verrückt ist.

Und beruft sich dann sofort auf die Meinungsfreiheit, des von ihm gehassten und schwachen "Systems" und schreit sofort wieder ablenkend über die Schwächen des "Systems".
Da wurde zu lange weggeschaut.
Fast hätte ich die Floskeln des angeblichen Bedauerns dieser Leute vergessen..
Stoner

Re: Die rechte Terrorwelle

Beitrag von Stoner »

Vongole hat geschrieben:(21 Dec 2020, 20:14)

Die entsprechenden geistigen Versatzstücke liefern verschiedene rechtsextreme Bewegungen wie z.B. Judas Watch, Altright,die NPD, "die Identitären", oder linksextreme Antizionisten (sekundärer Antisemitismus), Islamisten, BDSler,
aktuell QAnon natürlich. Sie eröffnen verschiedene Plattformen, oft im Darknet, die sie den Judenhassern der Welt öffnen und damit für die Verbreitung in sozialen Netzwerken sorgen.
In einer Gesellschaft, in der Judenhass immer stärker relativiert und verharmlost wird, fällt das auf fruchtbaren bereiten Boden.
Leider, das wurde auch von den Nebenklägern beklagt, tut sich viel zu wenig, um diese Hass-Plattformen trocken zu legen.
Richtig, abgesehen davon, dass zu den genannten "Bewegungen" und Gruppen noch ein paar andere kommen - Gamer, Waffennarren -, sollte man dann eben auch einmal ein paar grundsätzliche Dinge zur Kenntnis nehmen, um nicht im Populistischen zu verbleiben.

1. Behördenausstattungen und Mitarbeiter sind nicht sehr qualifiziert für Cyber-Aktivitäten. Es ist nicht populär, für den öffentlichen Dienst Geld in die Hand zu nehmen, und man schafft an den Unis auch lieber Lehrstühle für sozialwissenschaftlichen Popanz und weniger für Dinge wie forensische Informatik oder digitale Forensik. Hier ist Deutschland auf dem Stand von manchem Entwicklungsland.

2. Es ist ebensowenig populär, der Polizei größere Rechte im Digitalen einzuräumen. Der Rechtsstaat, die Rechtsstaatlichkeit setzen hier sehr enge Grenzen, und oft genug sind diejenigen, die gegen rechts alles fordern, auch diejenigen, die im Zweifelsfall mit der Fahne der Bürgerrechte jede Kompetenzerweiterung von Behörden ablehnen.

3. Um wirksam gegen solche Plattformen vorzugehen, müsste das Internet wie in den bekannten autoritären Ländern auch massiv eingeschränkt werden. Das kann ein einzelnes Land aber nicht leisten bzw. mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht durchsetzen.

Wie alles das gehen sollte, das müssten die Kritiker beantworten.

Und noch ein Satz zu dem verurteilten Mörder: Dass der Mann hinter Gitter gehört und möglichst nicht mehr auf die Menschheit losgelassen werden sollte, scheint mir unstrittig. Allerdings aus Gründen, die nichts mit "rechts" zu tun haben: Der Mann, so jedenfalls ist in der ZEIT zu lesen, leidet nicht nur unter schweren Persönlichkeitsstörungen, sondern auch unter Autismus, was sicher ein Grund für seine anscheinend völlige Empathielosigkeit ist. Das ist aus meiner Sicht das ausschlaggebende Moment für seine dauerhafte Wegsperrung - wobei wir auch wissen, wie das Verfassungsgericht darüber denkt und dass es so einfach nicht ist.

Schließlich: Ich halte Aussagen von oben, in denen die Gleichung "rechtsextremistisch = geistesgestört" aufgestellt wird, für einen Rückfall in die Zeiten meiner Jugend, als noch "Kopfabjäger" und ähnliche Koryphäen eines archaischen Strafrechts die Debatten bestimmten. Wie ich überhaupt erstaunt bin über den wenig differenzierten Neorealismus, wenn es gegen rechte Straftäter geht. Man wird diese Art des Neorealismus auch dann aufbringen müssen, wenn es gilt, Polizei, Verfassungsschutz und damit verbunden die gesetzlichen Grundlagen wirksam auszugestalten. Dass Bürgerrechte dem im Weg stehen könnten, ist vermutlich eine Binse. Man hört es nur unterschiedlich gerne, je nachdem, gegen wen es gerade geht.
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Vongole
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Re: Die rechte Terrorwelle

Beitrag von Vongole »

Stoner hat geschrieben:(22 Dec 2020, 16:37)

Richtig, abgesehen davon, dass zu den genannten "Bewegungen" und Gruppen noch ein paar andere kommen - Gamer, Waffennarren -, sollte man dann eben auch einmal ein paar grundsätzliche Dinge zur Kenntnis nehmen, um nicht im Populistischen zu verbleiben.

1. Behördenausstattungen und Mitarbeiter sind nicht sehr qualifiziert für Cyber-Aktivitäten. Es ist nicht populär, für den öffentlichen Dienst Geld in die Hand zu nehmen, und man schafft an den Unis auch lieber Lehrstühle für sozialwissenschaftlichen Popanz und weniger für Dinge wie forensische Informatik oder digitale Forensik. Hier ist Deutschland auf dem Stand von manchem Entwicklungsland.

2. Es ist ebensowenig populär, der Polizei größere Rechte im Digitalen einzuräumen. Der Rechtsstaat, die Rechtsstaatlichkeit setzen hier sehr enge Grenzen, und oft genug sind diejenigen, die gegen rechts alles fordern, auch diejenigen, die im Zweifelsfall mit der Fahne der Bürgerrechte jede Kompetenzerweiterung von Behörden ablehnen.

3. Um wirksam gegen solche Plattformen vorzugehen, müsste das Internet wie in den bekannten autoritären Ländern auch massiv eingeschränkt werden. Das kann ein einzelnes Land aber nicht leisten bzw. mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht durchsetzen.

Wie alles das gehen sollte, das müssten die Kritiker beantworten.
Zustimmung zu Pkt. 1+2
Zu 3: Das Netz muss nicht eingeschränkt, es muss sichergestellt werden, dass es "moderiert" wird. Es kann nicht sein, dass z.B. die Fake-Kommentare Trumps auf Twitter mit einem Sicherheitshinweis versehen werden,
aber Hetz-Kommentare anderer User stehen bleiben.

Dass der Einsatz gegen Hass- und Hetzkommentare durchgeführt werden kann, zeigte das bayerische LKA im Juli:
https://www.br.de/nachrichten/bayern/ba ... et,S5N2g5k
Mit anderen Worten, das Instrumentarium ist da, man muss es nur einsetzen (wollen). Dass die Behörden es der Presse und Eigeninitiativen Betroffener wie im Fall Judas Watch überlassen, auf die Spuren von Cyber-Kriminellen zu kommen
und gegen sie vorzugehen, kann es m.E. nicht sein.
https://www.tagesschau.de/investigativ/ ... h-103.html
Und noch ein Satz zu dem verurteilten Mörder: Dass der Mann hinter Gitter gehört und möglichst nicht mehr auf die Menschheit losgelassen werden sollte, scheint mir unstrittig. Allerdings aus Gründen, die nichts mit "rechts" zu tun haben: Der Mann, so jedenfalls ist in der ZEIT zu lesen, leidet nicht nur unter schweren Persönlichkeitsstörungen, sondern auch unter Autismus, was sicher ein Grund für seine anscheinend völlige Empathielosigkeit ist. Das ist aus meiner Sicht das ausschlaggebende Moment für seine dauerhafte Wegsperrung - wobei wir auch wissen, wie das Verfassungsgericht darüber denkt und dass es so einfach nicht ist.

Schließlich: Ich halte Aussagen von oben, in denen die Gleichung "rechtsextremistisch = geistesgestört" aufgestellt wird, für einen Rückfall in die Zeiten meiner Jugend, als noch "Kopfabjäger" und ähnliche Koryphäen eines archaischen Strafrechts die Debatten bestimmten. Wie ich überhaupt erstaunt bin über den wenig differenzierten Neorealismus, wenn es gegen rechte Straftäter geht. Man wird diese Art des Neorealismus auch dann aufbringen müssen, wenn es gilt, Polizei, Verfassungsschutz und damit verbunden die gesetzlichen Grundlagen wirksam auszugestalten. Dass Bürgerrechte dem im Weg stehen könnten, ist vermutlich eine Binse. Man hört es nur unterschiedlich gerne, je nachdem, gegen wen es gerade geht.
Die Sicherungsverwahrung wurde sicherlich nicht deswegen verhängt, weil der Mann rechtsextrem ist, sie wäre auch verhängt worden, wenn sein Motiv im Linksextremismus, Islamismus oder sonstigen Ismen zu suchen wäre:
»Ihr Tatbild weicht von üblichen Mordfällen gravierend ab, deshalb kann ihre Schuld nicht nach 15 Jahren getilgt sein.« Sicherungsverwahrung sei sonst nur bei Vorstrafen üblich, aber B. sei ein fanatischer und ideologisch-motivierter Menschenfeind, vor dem die Gesellschaft geschützt werden müsse. Er sei ein Einzeltäter im Sinne des Strafgesetzbuches, der im Internet für seine kruden Verschwörungstheorien Verbündete gefunden habe und keinen »Anflug von Reue« zeige.
»Sie sind für die Menschheit gefährlich, und wenn sie ihre Grundhaltung nicht ändern, werden sie niemals mehr in Freiheit leben«, sagte Merten
Quelle: Jüdische Allgemeine
Zum Rest Ihrer Ausführungen: Ich weiß nicht, warum Sie mich dabei angesprochen haben. Sie werden keine Aussage finden, in der ich die These rechtsextremistisch = geistesgestört stütze oder gar verteidige.
Ich bin nämlich der Ansicht, dass auch Ismen-gesteuerte Täter genau wissen, was sie tun, und warum sie es tun.
Am Yisrael Chai

"It's God's job to judge the terrorists, it's our duty to arrange that meeting." (IDF)
Stoner

Re: Die rechte Terrorwelle

Beitrag von Stoner »

Vongole hat geschrieben:(22 Dec 2020, 18:03)



Die Sicherungsverwahrung wurde sicherlich nicht deswegen verhängt, weil der Mann rechtsextrem ist, sie wäre auch verhängt worden, wenn sein Motiv im Linksextremismus, Islamismus oder sonstigen Ismen zu suchen wäre:
»Ihr Tatbild weicht von üblichen Mordfällen gravierend ab, deshalb kann ihre Schuld nicht nach 15 Jahren getilgt sein.« Sicherungsverwahrung sei sonst nur bei Vorstrafen üblich, aber B. sei ein fanatischer und ideologisch-motivierter Menschenfeind, vor dem die Gesellschaft geschützt werden müsse. Er sei ein Einzeltäter im Sinne des Strafgesetzbuches, der im Internet für seine kruden Verschwörungstheorien Verbündete gefunden habe und keinen »Anflug von Reue« zeige.
»Sie sind für die Menschheit gefährlich, und wenn sie ihre Grundhaltung nicht ändern, werden sie niemals mehr in Freiheit leben«, sagte Merten
Quelle: Jüdische Allgemeine
Das halte ich insgesamt explizit für falsch, und insbesondere der erste Satz ist ein ziemlich archaischer, wie er normalerweise zur Rechtfertigung von Befürwortern der Todesstrafe angebracht wird. Im Rest wird aus meiner Sicht das Verhältnis Psyche-Ideologie unzulässigerweise umgedreht: Er ist so, weil er diese Ideologie hat. Ich hingegen behaupte: Er hat die passende Ideologie zu seiner Psyche, seiner "Persönlichkeit", seinem Charakter gefunden. Und der letzte Satz ist vollends daneben, aus genau diesem Grunde. Seine "Grundhaltung" würde er dann ändern, wenn seine Persönlichkeitsstörung und sein Autismus "geheilt" werden könnten. So herum würde ein Schuh draus.

Damit ich nicht missverstanden werde: Ich bin zwar gegen Todesstrafe und bestimmte archaische Reflexe als Rechtfertigung für Urteile, aber ich sage andererseits auch: Es gibt Menschen, von denen sich wahrscheinlich nichts Anderes sagen lässt, als dass sie besser nie geboren worden wären. Aber so etwas sind halt individuelle gefühlsbasierte Aussagen, also ungefähr genau das, was man besser nicht zum Maßstab für ein Strafrecht in einem liberalen Staat macht
Vongole hat geschrieben:(22 Dec 2020, 18:03)
Zum Rest Ihrer Ausführungen: Ich weiß nicht, warum Sie mich dabei angesprochen haben. Sie werden keine Aussage finden, in der ich die These rechtsextremistisch = geistesgestört stütze oder gar verteidige.
Ich bin nämlich der Ansicht, dass auch Ismen-gesteuerte Täter genau wissen, was sie tun, und warum sie es tun.
Das glaube ich nur bedingt, denn dafür müssten sie der Selbstreflexion fähig sein. Zu dieser Selbstreflexion würde ein Nachdenken darüber gehören, dass wir unsere Emotionen (zu denen gehört auch Hass) gerne rationalisieren, also unser Verhalten, unsere Moral mithilfe von scheinbar rationalen Gründen rechtfertigen. Jeder -ismus ist auch Teil einer solchen Rationalisierung. Ideologien sind unter anderem Konstrukte, die helfen, "Gut" und "Böse" auf eine scheinbar rationale, womöglich wissenschaftliche Grundlage zu stellen (Rassenwahntheorie ebenso wie dialektischer Materialismus).

Aber für diesen Rest waren Sie nicht persönlich angesprochen, das war ein Gedanke, der sich auf einige andere Beiträge von anderen bezog.
PeterK
Beiträge: 13966
Registriert: Di 31. Mai 2016, 11:06

Re: Die rechte Terrorwelle

Beitrag von PeterK »

Es kommt wohl ein weiterer (älterer) Fall dazu:
Fahnder ermitteln mutmaßlichen Mörder von Samuel Yeboah

1991 zündeten Unbekannte im Saarland eine Asylbewerberunterkunft an und töteten einen Flüchtling aus Ghana. Nun hat der Generalbundesanwalt nach SPIEGEL-Informationen einen Verdächtigen ermittelt: einen Rechtsextremisten aus Saarlouis.
https://www.spiegel.de/politik/deutschl ... 4e6fe11403
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