Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

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Brainiac
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Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Brainiac »

…ist etwas, was den kleineren Parteien verständlicherweise ziemlich auf die Nerven geht. Man hat das Gefühl, gegen Windmühlen anzukämpfen.
Hier haben einmal drei davon sich zusammengetan und ein knackiges kurzes Video produziert:





Kurz zusammengefasst – Sebastian Alscher von den Piraten hat das für mich am besten auf den Punkt gebracht: Die Stimme auf dem Wahlzettel bildet meinen politischen Willen ab, und dieser wird als Teil des gesamten Wahlergebnisses dokumentiert. Das Wahlergebnis ist aber bei weitem nicht ausschließlich deswegen wichtig, wer im Bundestag sitzt:
  • Politische Parteien sind Organe von Verfassungsrang, nach Art 21 GG wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Und zwar alle. Das tun sie über Veröffentlichungen ihrer Positionen und Argumente, und über die politische Auseinandersetzung – und das geschieht im Bundestag, aber genauso auch außerhalb des Bundestags.
  • Bundestagsabgeordnete sind nach Art 38 GG "Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen". Das besagt insbesondere, dass sie gegenüber ihren Parteien nicht weisungsgebunden sind, sehr wohl aber sich dem gesamten Volk verpflichtet zu fühlen haben - was auch einschließt, den politischen Willen der Wähler zu berücksichtigen, die es nicht in den Bundestag geschafft haben.
  • Es gibt eine Partei, die keiner Regierungskoalition angehören wird. Diese Stimmen könnte man genauso als "verloren" bezeichnen, was aber offenichtlich ca. 10% der Bürger nicht davon abhält, eben diese Partei zu wählen. (Ok, die Wähler dieser Partei haben mit den drei Parteien aus dem Video nichts am Hut ;) kennen aber vermutlich auch die Thematik und haben ihre eigene Antwort darauf.)
  • Da man nicht Koalitionen wählt, sondern Parteien, hat man nur sehr mittelbaren Einfluss darauf, wer schließlich die Regierung bildet – und es ist sehr gut möglich, dass einem nach der Regierungsbldung die eigene Stimme dann doch "verloren" erscheint (was sie natürlich nicht ist, einem aber so vorkommen kann). Mir ist das 2017 passiert: Ich wollte Jamaika (oder Ampel) und bekam GroKo. :dead: Hätte ich gewusst, dass es GroKo gibt, hätte ich vielleicht lieber eine der beiden großen Parteien gewählt, um ihren Einfluss in der Regierung zu stärken.
  • Landet die gewählte Partei in der Opposition, so könnte auch hier argumentiert werden, dass die Stimme "verloren" sei - schließlich kann man gegen eine stabile Regierungskalition nicht wirklich viel machen ("Opposition ist Mist", Müntefering). Ob nun aber die eigene Partei an der Regierung beteiligt sein wird, hat man nun wirklich nicht in der Hand, gerade bei dieser Wahl nicht.
  • Würden immer nur Parteien gewählt, die relativ sicher in den Bundestag einziehen, droht politische Stagnation. Hätten die deutschen Bürger seit 1945 stets ausschließlich so gedacht, hätten wir möglciherweise nur ein Zwei- oder Dreiparteiensystem, wie in den USA. Ob man das dortige politische System besser findet, als das deutsche, muss jeder für sich selbst bewerten.
  • Und last not least müssen 0,5% der Zweitstimmen erreicht werden, um an der Wahlkampfkostenerstattung teilzunehmen. Die Finanzierung ist gerade für kleine Parteien eine erhebliche Herausforderung – gute Kampagnen kosten richtig Geld.
Unterm Strich: Natürlich ist der Einfluss meiner Stimme, sofern die von mir gewählte Partei in den Bundestag einzieht, höher – das braucht man nicht wegzudiskutieren. Der Einfluss ist im anderen Fall aber eben auch nicht Null, oder "verloren" – er ist einfach nur geringer. Und das kann beispielsweise dadurch überwogen werden, dass nur diese kleinere Partei wirklich dafür steht, was ich will. Es ist eine Abwägung.

Wie sehen das die Mitforisten?
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Skeptiker

Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Skeptiker »

Das ist natürlich ein wenig eine „Huhn oder Ei“-Frage.

Der Sinn der 5%-Hürde ist es ja, eine Fragmentierung des Bundestages in viele Kleinparteien zu verhindern. Das tut sie auch sehr wirksam. Aber natürlich wirkt sich das auch auf das Stimmverhalten der Bürger aus, wodurch es Kleinparteien einem Wettbewerbsnachteil aussetzt.

Ich kann dennoch nicht erkennen, welche politische Einflussnahme der Bürger erhält, wenn seine Stimme nicht in Sitze im Bundestag umgewandelt werden.

Abstrakt kann man sagen (und habe ich auch schon gesagt), dass weniger Stimmen für die im BT vertretenen Parteien, weniger Legitimation für deren Politik entsprechen. Das wäre dann aber das Gleiche beim Nichtwählen. Ansonsten fallen mir da aber keine Auswirkungen meiner Stimme ein, wenn ich dadurch die Mehrheiten im BT nicht verändere.
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Brainiac
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Brainiac »

Skeptiker hat geschrieben:(25 Sep 2021, 08:55)

Ich kann dennoch nicht erkennen, welche politische Einflussnahme der Bürger erhält, wenn seine Stimme nicht in Sitze im Bundestag umgewandelt werden.
Ich habe dazu doch eigentlich eine Menge ausgeführt und möchte das nicht alles wiederholen. Möchtest du vielleicht auf etwas davon eingehen?

Der Prozess der politischen Willensbildung in der Bevölkerung findet nicht nur im Bundestag statt. Je mehr % kleinere Parteien erhalten, desto mehr werden sie bekannt, gehört und motiviert (und schaffen es vielleicht beim nächsten Mal - aber selbst das ist nicht entscheidend).

Der Unterschied zu den Nichtwählern ist, dass man bei den Wählern kleinerer Parteien weiß, wofür sie stehen (nicht nur, wogegen).
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Uffzach »

"Stimme abgeben" ... "Stimme verlieren" ... Wo ist der Unterschied? Weg ist weg. :D
Skeptiker

Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Skeptiker »

Brainiac hat geschrieben:(25 Sep 2021, 09:18)
Ich habe dazu doch eigentlich eine Menge ausgeführt und möchte das nicht alles wiederholen. Möchtest du vielleicht auf etwas davon eingehen?
Natürlich, sehr gerne :)
Die Stimme auf dem Wahlzettel bildet meinen politischen Willen ab, und dieser wird als Teil des gesamten Wahlergebnisses dokumentiert. Das Wahlergebnis ist aber bei weitem nicht ausschließlich deswegen wichtig, wer im Bundestag sitzt:
Richtig, für mich aber kein überzeugender Punkt, weil man in jede Meinungsumfrage das Selbe geliefert bekommt. Wahlen sind aber zur Verteilung von Macht gedacht. Dieses Ziel erreicht eine Partei unter der 5%-Hürde nicht
Politische Parteien sind Organe von Verfassungsrang, nach Art 21 GG wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Und zwar alle. Das tun sie über Veröffentlichungen ihrer Positionen und Argumente, und über die politische Auseinandersetzung – und das geschieht im Bundestag, aber genauso auch außerhalb des Bundestags.
Das betrifft auch wieder eher die Mitarbeit in Parteien, sowie Meinungsumfragen, aus denen "Volkes Wille" abzulesen ist.
Bundestagsabgeordnete sind nach Art 38 GG "Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen". Das besagt insbesondere, dass sie gegenüber ihren Parteien nicht weisungsgebunden sind, sehr wohl aber sich dem gesamten Volk verpflichtet zu fühlen haben - was auch einschließt, den politischen Willen der Wähler zu berücksichtigen, die es nicht in den Bundestag geschafft haben.
Korrekt, aber in erster Linie sehen sie sich natürlich IHREM Wähler verpflichtet. DER hat sie legitimiert im Bundestag eine Position zu vertreten. Der Abgeordnete wird sagen, dass es Verfassungswille ist, in erster Linie die Politik der großen Meinungsströmungen abzubilden, weil die die relevanten Positionen abbilden (also diejenigen, die es zu großen Stimmanteilen gebracht haben).
Es gibt eine Partei, die keiner Regierungskoalition angehören wird. Diese Stimmen könnte man genauso als "verloren" bezeichnen, was aber offenichtlich ca. 10% der Bürger nicht davon abhält, eben diese Partei zu wählen. (Ok, die Wähler dieser Partei haben mit den drei Parteien aus dem Video nichts am Hut ;) kennen aber vermutlich auch die Thematik und haben ihre eigene Antwort darauf.)
Die AfD übt eine Oppositionsrolle aus. Es wäre es massives Missverständnis des demokratischen Systems, dahinter eine "machtlose" Position zu sehen. Tatsächlich hat der Einzug der AfD in den Bundestag ganz sicher zu einer Veränderung der Politik der Regierung geführt (ob an das mag oder nicht - ist hier ja nicht das Thema).
Da man nicht Koalitionen wählt, sondern Parteien, hat man nur sehr mittelbaren Einfluss darauf, wer schließlich die Regierung bildet – und es ist sehr gut möglich, dass einem nach der Regierungsbldung die eigene Stimme dann doch "verloren" erscheint (was sie natürlich nicht ist, einem aber so vorkommen kann). Mir ist das 2017 passiert: Ich wollte Jamaika (oder Ampel) und bekam GroKo. :dead: Hätte ich gewusst, dass es GroKo gibt, hätte ich vielleicht lieber eine der beiden großen Parteien gewählt, um ihren Einfluss in der Regierung zu stärken.
Korrekt. Aber das ist kein Grund FÜR die Wahl von Kleinparteien, sondern GEGEN zuviel Kompromisse bei der Wahl der größeren Parteien.
Landet die gewählte Partei in der Opposition, so könnte auch hier argumentiert werden, dass die Stimme "verloren" sei - schließlich kann man gegen eine stabile Regierungskalition nicht wirklich viel machen ("Opposition ist Mist", Müntefering). Ob nun aber die eigene Partei an der Regierung beteiligt sein wird, hat man nun wirklich nicht in der Hand, gerade bei dieser Wahl nicht.
S.o. - Rolle der Opposition.
Würden immer nur Parteien gewählt, die relativ sicher in den Bundestag einziehen, droht politische Stagnation. Hätten die deutschen Bürger seit 1945 stets ausschließlich so gedacht, hätten wir möglciherweise nur ein Zwei- oder Dreiparteiensystem, wie in den USA. Ob man das dortige politische System besser findet, als das deutsche, muss jeder für sich selbst bewerten.
Korrekt, aber eher ein sehr weitreichendes strategisches Interesse der Bürger. In meinen Augen zu abstrakt um aus dem Grund eine Kleinpartei zu wählen. Aber mit entsprechend hohen Idealen, mag man einem das als Begründung ausreichen. Eher symbolisch halt.
Und last not least müssen 0,5% der Zweitstimmen erreicht werden, um an der Wahlkampfkostenerstattung teilzunehmen. Die Finanzierung ist gerade für kleine Parteien eine erhebliche Herausforderung – gute Kampagnen kosten richtig Geld.
Ja, das ist ein Grund um eine Kleinpartei zu wählen. Da gehe ich mit. Bedeutet zwar, dass ich mit meiner Stimme keine echte Macht beeinflusse, aber immerhin fördere ich Diversität in der politischen Landschaft.

Vielleicht wäre es sogar sinnvoll, den letzten Punkt stärker zu betonen, weil er in meinen Augen der einzig wirklich relevante für den Demokratischen Prozess ist.
Unterm Strich: Natürlich ist der Einfluss meiner Stimme, sofern die von mir gewählte Partei in den Bundestag einzieht, höher – das braucht man nicht wegzudiskutieren. Der Einfluss ist im anderen Fall aber eben auch nicht Null, oder "verloren" – er ist einfach nur geringer. Und das kann beispielsweise dadurch überwogen werden, dass nur diese kleinere Partei wirklich dafür steht, was ich will. Es ist eine Abwägung.
Wenn eine Kleinpartei eine sehr hohe Abdeckung mit meinem Wählerwillen hätte, und gleichzeitig alle größeren Parteien keine hohe Abdeckung mit meinem Wählerwillen hätten, dann wäre das tatsächlich ein Indikator für mich eine Kleinpartei zu wählen. Dazu müsste die Partei allerdings dann auch ein erkennbar unterschiedliches Profil zu den Großparteien haben.
Da liegt dann aber oft auch das Problem, denn in der Vielfalt der Parteien ist es wahrscheinlich eine Kleinpartei zu finden, die ein kleinwenig besser das ausdrückt was ich will. Dennoch ist der Kompromiss den man eingehen muss um eine ähnliche Position bei einer Großpartei zu finden, meist relativ klein. Das motiviert wenig die Stimme der Kleinpartei zu geben, weil das tenzenziell eher noch dem politischen Gegner hilft.

Beispiel: Im Wahlomat hatten Volt und die Grünen bei mir exakt gleiche 35%. Mal angenommen die hätten ganz oben gestanden und ich möchte etwas für die Themen Klima und Europa tun, würde ich der Idee nicht sogar schaden, wenn ich Volt anstatt Grüne wähle, weil meine Stimme bei den Grünen in Mandate umgesetzt wird, während sie bei Volt zwar als Stimme für Europa gesehen wird, meine Unterstützung des Klimaaspektes aber ins Gegenteil verkehrt wird, weil ich den Grünen Mandatswirksame Stimmanteile entziehe?

Um es ganz deutlich zu sagen: Wenn die Grünen wegen 0.3% an einer Regierungsbeteiligung scheitern, dann darf man sich bei Volt fragen, ob man nicht aktiv zum realpolitischen Gegenteil dessen beigetragen hat, was man eigentlich für richtig hält.
Der Prozess der politischen Willensbildung in der Bevölkerung findet nicht nur im Bundestag statt. Je mehr % kleinere Parteien erhalten, desto mehr werden sie bekannt, gehört und motiviert (und schaffen es vielleicht beim nächsten Mal - aber selbst das ist nicht entscheidend).

Der Unterschied zu den Nichtwählern ist, dass man bei den Wählern kleinerer Parteien weiß, wofür sie stehen (nicht nur, wogegen).
Alles richtig, alles sehr idealistisch, aber auf der praktischen Ebene bewirkt man mE durch die Wahl einer Kleinpartei, insbesondere bei einer existierenden politisch nahestehenden Großpartei, eher das Gegenteil dessen was man möchte.
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Brainiac
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Brainiac »

Skeptiker hat geschrieben:(25 Sep 2021, 09:56)

Natürlich, sehr gerne :)
Danke :) Bei vielen Punkten kann ich dir vom Grundsatz recht geben, auch wenn wir die Dinge natürlich unterschiedlich gewichten. Unter dem Strich kommst du aber auch nach deinen eigenen Worten nicht zu dem Schluß, dass eine solche Stimme "verloren" sei – nur, dass ihr Einfluss geringer ist, als bei einer im Bundestag vertretenen Partei. Das habe ich ja selbst schon geschrieben.

Ich gehe daher nur auf einige Punkte näher ein:

Richtig, für mich aber kein überzeugender Punkt, weil man in jede Meinungsumfrage das Selbe geliefert bekommt. Wahlen sind aber zur Verteilung von Macht gedacht. Dieses Ziel erreicht eine Partei unter der 5%-Hürde nicht
Nein, Wahlen sind nicht nur zur Verteilung von Macht gedacht. Sie dienen auch dazu, zu ermitteln, was der politische Wille der Bevölkerung ist. Unabhängig davon, wie die Machtspielchen dann ausgehen.

Korrekt. Aber das ist kein Grund FÜR die Wahl von Kleinparteien, sondern GEGEN zuviel Kompromisse bei der Wahl der größeren Parteien.
Das auch, es ist aber eben auch ein Indiz dafür, dass auch bei der Wahl einer großen Partei der Einfluss der eigenen Stimme geringer oder anders sein kann, als man eigentlich intendiert hatte.

Korrekt, aber eher ein sehr weitreichendes strategisches Interesse der Bürger. In meinen Augen zu abstrakt um aus dem Grund eine Kleinpartei zu wählen. Aber mit entsprechend hohen Idealen, mag man einem das als Begründung ausreichen. Eher symbolisch halt.
Das könnte eventuell auch eine Generationenfrage sein. Es gibt schon eine Menge Leute, die wollen, dass sich die Politik sehr grundlegend verändert, und sie werden nicht weniger.

Beispiel: Im Wahlomat hatten Volt und die Grünen bei mir exakt gleiche 35%. Mal angenommen die hätten ganz oben gestanden und ich möchte etwas für die Themen Klima und Europa tun, würde ich der Idee nicht sogar schaden, wenn ich Volt anstatt Grüne wähle, weil meine Stimme bei den Grünen in Mandate umgesetzt wird, während sie bei Volt zwar als Stimme für Europa gesehen wird, meine Unterstützung des Klimaaspektes aber ins Gegenteil verkehrt wird, weil ich den Grünen Mandatswirksame Stimmanteile entziehe?
Ich möchte hier keine spezifische Volt-Diskussion eröffnen, daher nur ganz kurz: Bei mir lagen Grüne und Volt ziemlich weit auseinander (FDP übrigens auch noch weit vor den Grünen), und ich weiß, dass ich ich nicht der einzige bin, dem das so geht. Ich hatte dazu im Volt- und Wahlomat-Strang schon einiges geschrieben, Stichwort "Anreize vs Verbote". Ich glaube, dass diese Einordnung ("sehr eng beieinander" vs. "deutliche Unterschiede") vielleicht doch etwas genauer von denen getroffen werden kann, die aus dem ungefähren politischen Spektrum stammen und für die beide Parteien zumindest eine theoretische Option sind. Nichts für ungut. ;)

Alles richtig, alles sehr idealistisch, aber auf der praktischen Ebene bewirkt man mE durch die Wahl einer Kleinpartei, insbesondere bei einer existierenden politisch nahestehenden Großpartei, eher das Gegenteil dessen was man möchte.
Das ist sicherlich nicht ganz falsch.
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Quatschki
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Quatschki »

Brainiac hat geschrieben:(25 Sep 2021, 10:46)
Nein, Wahlen sind nicht nur zur Verteilung von Macht gedacht. Sie dienen auch dazu, zu ermitteln, was der politische Wille der Bevölkerung ist. Unabhängig davon, wie die Machtspielchen dann ausgehen.
Parteien können keinen politischen Willen abbilden,
das sind ja, wenn man so will, Pakete mit einem Sammelsurium an Inhalten. Manche davon, die man sich wünscht (die sogenannten Wahlversprechen).
Andere, die man als "Beifang" in Kauf nimmt und andere, die als Überraschung erst nach der Wahl gelüftet werden, weil die Kommunikation solcher Ziele vor der Wahl die Bevölkerung nur verunsichern würde.
Von daher: Man wählt seine Volksvertreter, denen man am ehesten vertraut, nicht mehr und nicht weniger.
Drauf so sprach Herr Lehrer Lämpel:
„Dies ist wieder ein Exempel!“
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Brainiac
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Brainiac »

Quatschki hat geschrieben:(25 Sep 2021, 11:32)

Parteien können keinen politischen Willen abbilden,
das sind ja, wenn man so will, Pakete mit einem Sammelsurium an Inhalten. Manche davon, die man sich wünscht (die sogenannten Wahlversprechen).
Andere, die man als "Beifang" in Kauf nimmt und andere, die als Überraschung erst nach der Wahl gelüftet werden, weil die Kommunikation solcher Ziele vor der Wahl die Bevölkerung nur verunsichern würde.
Das ist korrekt, trotzdem dürfte es aber wenig bessere Approximationen des "durchschnittlichen politischen Willens der Bevölkerung" - wenn es so etwas überhaupt gibt - geben, als das detaillierte Wahlergebnis. Themenbezogene Umfragen sind natürlich präziser, allerdings nur für das konkrete Thema und nicht deren Mix.
Von daher: Man wählt seine Volksvertreter, denen man am ehesten vertraut, nicht mehr und nicht weniger.
Das ist eine von mehreren Strategien.

Ich habe beispielsweise eine Menge Vertrauen in die politischen Vertreter der AfD dahingehend, dass sie zu ihren politischen Positionen stehen. Das bedeutet aber nicht, dass ich sie wähle, da die Inhalte selbst auch eine klitzekleine Rolle spielen.
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Quatschki
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Quatschki »

Brainiac hat geschrieben:(25 Sep 2021, 13:15)

Ich habe beispielsweise eine Menge Vertrauen in die politischen Vertreter der AfD dahingehend, dass sie zu ihren politischen Positionen stehen. Das bedeutet aber nicht, dass ich sie wähle, da die Inhalte selbst auch eine klitzekleine Rolle spielen.
Vertrauen im Sinne einer Vollmacht, die man vergibt, damit diese Leute Entscheidungen auch in meinem Namen treffen können.
Was du beschreibst, ist Berechenbarkeit, aber kein Vertrauen.

Als die Grünen damals dem Jugoslawien-Feldzug zustimmten, mit Ausnahme von Christian Ströbele, da habe ich große Hochachtung vor diesem Mann empfunden.
Er hat dieses Prinzip des gewissenhaften Volksvertreters verkörpert wie kaum ein anderer.
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Brainiac
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Brainiac »

Quatschki hat geschrieben:(25 Sep 2021, 13:28)

Vertrauen im Sinne einer Vollmacht, die man vergibt, damit diese Leute Entscheidungen auch in meinem Namen treffen können.
Was du beschreibst, ist Berechenbarkeit, aber kein Vertrauen.

Als die Grünen damals dem Jugoslawien-Feldzug zustimmten, mit Ausnahme von Christian Ströbele, da habe ich große Hochachtung vor diesem Mann empfunden.
Er hat dieses Prinzip des gewissenhaften Volksvertreters verkörpert wie kaum ein anderer.
Ok, dann habe ich dich nicht richtig interpretiert. Trotzdem erscheint mir "Vertrauen" als Begriff zu eng.
Es kann auch sein, dass ich bei der Wahl zwischen den Parteien A und B zwar den Vertretern von A mehr vertraue - z.B. weil ich sie schon länger kenne, sie mehr Erfahrung haben, etc. - dennoch mich aber für B enstcheide, weil B die besseren Konzepte hat. Unabhängig von Personen.

Ich finde z.B. durchaus wichtig, was in Wahlprogrammen steht (bzw. was Journalisten daraus machen, sofern halbwegs korrekt zusammengefasst wird). Weil ich weiß, oder erahnen kann, wie die Parteien intern um jedes Wort darin gerungen haben.
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Misterfritz »

Brainiac hat geschrieben:(25 Sep 2021, 14:15)
Es kann auch sein, dass ich bei der Wahl zwischen den Parteien A und B zwar den Vertretern von A mehr vertraue - z.B. weil ich sie schon länger kenne, sie mehr Erfahrung haben, etc. - dennoch mich aber für B enstcheide, weil B die besseren Konzepte hat. Unabhängig von Personen.
Das kannst Du doch mit Erst- und Zweitstimme machen.
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von sünnerklaas »

Brainiac hat geschrieben:(25 Sep 2021, 09:18)

Ich habe dazu doch eigentlich eine Menge ausgeführt und möchte das nicht alles wiederholen. Möchtest du vielleicht auf etwas davon eingehen?

Der Prozess der politischen Willensbildung in der Bevölkerung findet nicht nur im Bundestag statt. Je mehr % kleinere Parteien erhalten, desto mehr werden sie bekannt, gehört und motiviert (und schaffen es vielleicht beim nächsten Mal - aber selbst das ist nicht entscheidend).

Der Unterschied zu den Nichtwählern ist, dass man bei den Wählern kleinerer Parteien weiß, wofür sie stehen (nicht nur, wogegen).
Eine Partei sollte eine solide Basis haben. Was nützt eine Partei, die nur auf Bundesebene tätig ist, nicht aber vor Ort in den Kommunen?
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Skeptiker »

Misterfritz hat geschrieben:(25 Sep 2021, 15:07)

Das kannst Du doch mit Erst- und Zweitstimme machen.
Nein.

Mit der Erststimme triffst du ausschließlich eine Entscheidung darüber, welche Person deinen Wahlkreis im Bundestag vertreten soll.
Mit der Zweitstimme entscheidest du über die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag.

Ich kann aber nicht Scholz als "Kanzler" wählen, aber mit der Zweitstimme ausdrücken, dass mir die CDU politisch lieber wäre. Scholz steht schlicht nicht auf meinem Wahlzettel.
Skeptiker

Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Skeptiker »

sünnerklaas hat geschrieben:(25 Sep 2021, 15:54)
Eine Partei sollte eine solide Basis haben. Was nützt eine Partei, die nur auf Bundesebene tätig ist, nicht aber vor Ort in den Kommunen?
Es geht um Bundespolitik. Wieso muss die Kleinpartei die bundespolitische Themen behandelt auch in den Kommunen vertreten sein? Wir sind eine föderaler Staat.

Vielleicht mag einem das "lieber" sein, aber ich sehe das nicht als "erforderlich" an, in dem Sinne, dass sie einem "sonst nichts nützt".
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Brainiac »

sünnerklaas hat geschrieben:(25 Sep 2021, 15:54)

Eine Partei sollte eine solide Basis haben. Was nützt eine Partei, die nur auf Bundesebene tätig ist, nicht aber vor Ort in den Kommunen?
Die im Video auftretenden kleinen Parteien haben alle auch eine sehr starke kommunale Basis. Eine Voraussetzung scheint mir das aber nicht, wie Skeptiker schon sagte. Natürlich könnte man dann als Gegenargument aufführen, dass einer ausschließlich bundespolitisch tätigen Partei der Bezug zum "Leben vor Ort" fehlen würde (das trifft aber wie gesagt auf diese Parteien eben nicht zu). Das kann dann jeder gewichten, wie er will.
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Misterfritz »

Skeptiker hat geschrieben:(25 Sep 2021, 16:12)
Ich kann aber nicht Scholz als "Kanzler" wählen, aber mit der Zweitstimme ausdrücken, dass mir die CDU politisch lieber wäre. Scholz steht schlicht nicht auf meinem Wahlzettel.
Was daran liegen könnte, dass wir keinen Bundeskanzler wählen, sondern der Bundestag diesen wählt.
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Skeptiker

Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Skeptiker »

Misterfritz hat geschrieben:(25 Sep 2021, 16:34)
Was daran liegen könnte, dass wir keinen Bundeskanzler wählen, sondern der Bundestag diesen wählt.
Das ist mir klar, aber was dir scheinbar nicht klar ist, ist, dass wir bei der Wahl nicht beliebig Personal irgendwelcher Parteien wählen können, sondern ausschließlich diejenigen, unseren Wahlkreis, oder bei Kleinparteien, das Bundesland betreffend.
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Misterfritz »

Skeptiker hat geschrieben:(25 Sep 2021, 16:38)

Das ist mir klar, aber was dir scheinbar nicht klar ist, ist, dass wir bei der Wahl nicht beliebig Personal irgendwelcher Parteien wählen können, sondern ausschließlich diejenigen, unseren Wahlkreis, oder bei Kleinparteien, das Bundesland betreffend.
Ich wähle sehr wahrscheinlich schon länger als Du und mir ist das seit meiner ersten Bundestagswahl bewusst. Wir hatten in Hamburg in der Schule durchaus guten Unterricht in dieser Hinsicht ;)
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Sören74 »

Ganz generell, ich bin ein Freund des Verhältniswahlrechts. Weil das, so denke ich, die beste Art ist, die Verhältnismäßigkeit der Stimmen auf das Parlament repräsentativ abzubilden. Ich habe aber echt heftige Bauchschmerzen bei der 5%-Schwelle. Ich halte sie im Grunde für undemokratisch. Natürlich sind die Argumente pro 5%-Schwelle bekannt, würde sie aber lieber auf 3% oder gar 1% absenken. Für die Europawahl und der knapp 100 Sitze für Deutschland wurde sie ja vom BVerfG schon abgeschafft.

Klar, das Thema ist hier nicht die 5%-Schwelle, sondern ob Stimmen verloren sind, wenn man Listen wählt, die unter 5% fallen. Aber das eine hängt mit dem anderen zusammen, finde ich.
Sören74

Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Sören74 »

Und nun richtig On-Topic ;), Wählen ist Partizipation der Macht und deshalb kann es in meinen Augen auch keine verlorene Stimme geben und deshalb stimme ich den Argumenten von Brianiac weitgehend zu.
Skeptiker

Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Skeptiker »

Sören74 hat geschrieben:(25 Sep 2021, 17:31)
Und nun richtig On-Topic ;), Wählen ist Partizipation der Macht und deshalb kann es in meinen Augen auch keine verlorene Stimme geben und deshalb stimme ich den Argumenten von Brianiac weitgehend zu.
Das verstehe ich nicht. Wenn du Wählen (richtigerweise) als Partizipation an der Macht verstehst, dann partizipieren die Stimmen, die nicht in Mandate umgewandelt werden ja gerade NICHT an der Macht. Das wäre für mich also gerade NICHT das Argument Brainiac zuzustimmen.

Er hatte ja andere Argumente genannt - für mich das wichtigste mit der Parteienfinanzierung. Aber da geht es eben nicht um die Macht, sondern um andere Effekte.
Sören74

Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Sören74 »

Skeptiker hat geschrieben:(25 Sep 2021, 17:39)

Das verstehe ich nicht. Wenn du Wählen (richtigerweise) als Partizipation an der Macht verstehst, dann partizipieren die Stimmen, die nicht in Mandate umgewandelt werden ja gerade NICHT an der Macht. Das wäre für mich also gerade NICHT das Argument Brainiac zuzustimmen.

Er hatte ja andere Argumente genannt - für mich das wichtigste mit der Parteienfinanzierung. Aber da geht es eben nicht um die Macht, sondern um andere Effekte.
Die Partizipation sehe ich schon einen Schritt vorher, bevor überhaupt Mandate gebildet werden. Einfach das ich kundtun kann, wem ich meine Stimme gebe.

Ich will aber auch Deiner Argumentation nicht widersprechen, die Partizipation geht dann noch weiter hinein in die Abgeordnetensitze und in die Regierung. Deshalb wäre ich auch eher für die Abschaffung der 5%-Klausel.
Skeptiker

Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Skeptiker »

Sören74 hat geschrieben:(25 Sep 2021, 17:45)
Die Partizipation sehe ich schon einen Schritt vorher, bevor überhaupt Mandate gebildet werden. Einfach das ich kundtun kann, wem ich meine Stimme gebe.

Ich will aber auch Deiner Argumentation nicht widersprechen, die Partizipation geht dann noch weiter hinein in die Abgeordnetensitze und in die Regierung. Deshalb wäre ich auch eher für die Abschaffung der 5%-Klausel.
"Kundtun" wem ich meine Stimme gebe, kann ich jederzeit. Das ist keine Teilhabe an der Macht.

Teilhabe verstehe ich unter der Umwandlung von Stimmen in Mandate für den Bundestag. Was unter den Tisch fällt, das hat eben keine Teilhabe.

Ich kann Brainiacs Argumente verstehen, aber ich sehe sie eben eher in Symbolik und in den Parteienfinanzen - aber nicht in Partizipation.
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Brainiac »

Ich hatte ja aber versucht auszudrücken, dass ein Wahlergebnis einen politischen Willen dokumentiert, und dass gewählte Abgeordnete (sogar nach GG) gehalten sind, diesen für das gesamte Volk zu berücksichtigen. Das ist auch ein (wenn auch nur mittelbarer) Weg der Partizipation.

Das ist auch gar nicht so weltfremd. Ich gehe stark davon aus, dass beispielsweise die Grünen in der politischen Debatte darauf verweisen werden, dass gerade auch bei den Sonstigen einige % Wählerstimmen dokumentiert haben, dass sie ausdrücklich für nachhaltigen Klimaschutz stimmen. Das hilft nicht bei Kampfabstimmungen im Bundestag, wohl aber in der allgemeinen Debatte und auch in der medialen Berichterstattung - kurz, in der politischen Willensbildung in einer Gesellschaft. Das ist zugegebenermaßen eine relativ abstrakte Überlegung, gleichwohl ist sie valide.
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von sünnerklaas »

Brainiac hat geschrieben:(25 Sep 2021, 16:19)

Die im Video auftretenden kleinen Parteien haben alle auch eine sehr starke kommunale Basis. Eine Voraussetzung scheint mir das aber nicht, wie Skeptiker schon sagte. Natürlich könnte man dann als Gegenargument aufführen, dass einer ausschließlich bundespolitisch tätigen Partei der Bezug zum "Leben vor Ort" fehlen würde (das trifft aber wie gesagt auf diese Parteien eben nicht zu). Das kann dann jeder gewichten, wie er will.
Man schaue sich einmal die FDP an. Die Partei hat in den letzten Jahrzehnten kein Direktmandat gewonnen. Der Focus lag allein im Bereich der Bundespolitik. Kommunalpolitik war so eine Interessenskiste von engagierten Leuten vor Ort.
Die Grünen betreiben dagegen seit Jahrzehnten Kommunalpolitik. Bei dieser BTW werden sie auch mehrere Direktmandate holen.

Direktmandate sind ganz wichtig - aber Direktmandate gewinnt man nur dann, denn Politik auf Bundesebene mit der Politik auf kommunaler Ebene verzahnt ist. Ein direkt gewählter Abgeordneter betreibt zum einen natürlich Landes- und Bundespolitik. Aber er ist auch der Ansprechpartner im Wahlkreis, also auf kommunaler Ebene.
Fazit: ohne Verzahnung mit der kommunalen Ebene geht es eben nicht.
Skeptiker

Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Skeptiker »

sünnerklaas hat geschrieben:(25 Sep 2021, 19:39)

Man schaue sich einmal die FDP an. Die Partei hat in den letzten Jahrzehnten kein Direktmandat gewonnen. Der Focus lag allein im Bereich der Bundespolitik. Kommunalpolitik war so eine Interessenskiste von engagierten Leuten vor Ort.
Die Grünen betreiben dagegen seit Jahrzehnten Kommunalpolitik. Bei dieser BTW werden sie auch mehrere Direktmandate holen.

Direktmandate sind ganz wichtig - aber Direktmandate gewinnt man nur dann, denn Politik auf Bundesebene mit der Politik auf kommunaler Ebene verzahnt ist. Ein direkt gewählter Abgeordneter betreibt zum einen natürlich Landes- und Bundespolitik. Aber er ist auch der Ansprechpartner im Wahlkreis, also auf kommunaler Ebene.
Fazit: ohne Verzahnung mit der kommunalen Ebene geht es eben nicht.
Also FDP geht nicht? :?:
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Progressiver »

Ich habe per Briefwahl eine Partei gewählt, die es dieses Mal voraussichtlich noch nicht in den Bundestag schaffen wird. Ist meine Stimme deswegen verloren? So sehe ich das nicht.

Unser demokratisches System ist kein Akklamationsverein. Ich habe mir sagen lassen, dass es in der DDR der Fall war, dass die Politik die Parteienlisten aufstellte. Und die "Wähler" wurden dann gezwungen, dieses System nur noch zu bestätigen. Wie anders wäre es, wenn wir hier und heute nur die Möglichkeit hätten, nur die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien zu wählen? (Und auch die DDR war kein Einparteienstaat.) Damit ginge jegliche Dynamik verloren. Die etablierten Parteien müssten sich nicht mehr anstrengen, das Wahlvolk zu beeinflussen. Und modernere Parteien mit neueren Ansätzen hätten niemals die Chance, das verkrustete System des Stillstandes aufzubrechen.

Ich fände es schlimmer, wenn ich immer nur das "kleinste Übel" wählen müsste, um schlimmeres zu verhindern. Und wenn diese Partei dann mal an den Fleischtöpfen der Regierung ist, ansehen zu müssen, wie sie sich selbst korrumpiert und dann das Gegenteil von dem tut, was sie vorher versprochen hat. In diesem Falle wäre meine Stimme erst Recht verloren. Ebenso ist mir der Fatalismus der Nichtwähler fremd. Denn wer selbst das Wählen aufgibt, wird auch von außen nur noch als Verfügungsmasse gesehen. Dann tun nämlich die regierenden Politiker erst Recht nur das, was ihnen selbst am meisten nützt.

In diesem Sinne habe ich eine unverbrauchte Partei gewählt. Ich hoffe, dass sie irgendwann bekannt genug sein wird, dass sich mehr Leute trauen, sie zu wählen. An mir liegt es also nicht, dass sich hierzulande nichts zum Besseren verändert. Wer dagegen immer nur das sogenannte "kleinste Übel" wählt oder aber überhaupt nicht, um dann hinterher zu meckern, weil sich in seinem Sinne nichts bis wenig zum besseren verändert, der ist dagegen selbst Schuld an seiner eigenen Misere bzw. dem allgemeinen lähmenden Stillstand in der Politik.

Wer sich genug informiert, wird sicher auch eine Partei finden, die zu ihm passt. Diese Anstrengung kann aber niemand einem abnehmen. Nichtwähler dagegen bestätigen nur das aktuelle Ergebnis. Und wer sich selbst wie ein unmündiger Verbraucher verhält anstatt wie ein politisch aktiv denkender Mensch, der bekommt dann auch eine Partei bzw. eine Koalition, die wie die Faust auf sein Auge passt.
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von BlueMonday »

Wer seine Stimme an so ein öffentliches "Entscheidungsgremium" wie den "Bundestag" abgibt, also praktisch andere für ihn entscheiden lässt, hat seine Stimme in der Tat verloren, zumindest für jene Fragen, die dann über seinen Kopf hinweg entschieden werden. Das einzelne Stimmgewicht ist ob der schieren Masse an abgegebenen Stimmen völlig marginal. Man entscheidet und ändert mit seiner Stimme - nichts. Die Stimmabgabe ist "Machtausübung" in homöopathischer Dosierung.
Mehr Glaube als Wirklichkeit.
Bleibt nur noch die vage Hoffnung in der Masse ähnlich gesinnter Wähler der eigenen Sache zumindest zugeneigten "Vertretern" die Stimmenmehrheit(Regierungsmacht) zu bescheren und dass dann jene Vertreter sich an ihre Wahlversprechen und ihren Auftrag erinnern und entsprechend abstimmen. Was reichlich abgehoben erscheint, wenn man von einem 80+Millionen Kollektiv ausgeht, das so "öffentlich" zu Entscheidung finden will und dies bei immer mehr Fragen, bei einem weiter anschwellenden großöffentlichen Entscheidungsraum.

Im Kern des Grundgesetzes geht es vor allem um den Volksvertreter, weniger um "Parteien", noch weniger um "Fraktionen im Bundestag". Der sog "Fraktionszwang" steht im Grunde dem Geist des GG entgegen.
Im Sinne des GG befinden sich im Bundestag aus den Wahlkreisen bestimmte Vertreter, die ihren Wahlkreis bzw. die Mehrheit dort in der Bundesversammlung vertreten. Sie sind Interessenvertreter. Sollten es sein. Der Bund sollte nicht mehr als das sein: eine Bundesversammlung der freien Mitglieder, vertreten durch die aus den Kreisen entsandten Volksvertreter. Das GG fällt sich gleich selbst in den Rücken, weil es diesen maßgeblichen Auftrag eines "Vertreters" verdeckt. Niemand wählt jemanden, damit er dann "nur seinem Gewissen verpflichtet" gemäß abstimmt, sondern er ist seinen Wählern verpflichtet. In deren Auftrag sitzt er dort.

Wenn es nun bpsw. um die Frage eines Mindeslohnes geht, die auf Bundesebene entscheiden werden soll, da könnte und sollte man sich auch fragen, wieso dies überhaupt zur Entscheidung der Bundesversammlung vorgelegt wird und nicht in den jeweiligen Wahlkreisen entschieden wird. Demokratie ist kein plumpes Mehrheitsprinzip, sondern bedarf immer wieder einer weitestgehenden Fragmentierung und damit der Verkleinerung des öffentlichen Entscheidungsraumes ("Subsidiarität").
Auf der anderen Seite der Entwicklung wartet nur die politische Ohnmacht des "Wählers" mit dem marginalisierten Gewicht seiner weitestgehend wirkungslosen "Stimme", wenn es dann allenfalls nur noch um die Aufrechterhaltung der Illusion einer "Mitbestimmung" geht...
ensure that citizens are informed that the vaccination is not mandatory and that no one is under political, social or other pressure to be vaccinated if they do not wish to do so;
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Misterfritz »

BlueMonday hat geschrieben:(25 Sep 2021, 20:30)in der Bundesversammlung
Von welcher Bundesversammlung sprichst Du?
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Sören74 »

Skeptiker hat geschrieben:(25 Sep 2021, 17:52)

"Kundtun" wem ich meine Stimme gebe, kann ich jederzeit. Das ist keine Teilhabe an der Macht.
Du meinst jetzt im persönlichen Umfeld, Social Media u.a.? Ja, das kann man. Aber nicht zählbar. Bei der Stimmenauszählung wird es offiziell und zeigt den Parteien den quantitativen Zuspruch.
Skeptiker hat geschrieben:Teilhabe verstehe ich unter der Umwandlung von Stimmen in Mandate für den Bundestag.
Ich auch, aber nicht nur. Das habe ich versucht, hier auszudrücken.
Skeptiker hat geschrieben:Ich kann Brainiacs Argumente verstehen, aber ich sehe sie eben eher in Symbolik und in den Parteienfinanzen - aber nicht in Partizipation.
Okay.
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Skeptiker »

BlueMonday hat geschrieben:(25 Sep 2021, 20:30)
Wer seine Stimme an so ein öffentliches "Entscheidungsgremium" wie den "Bundestag" abgibt, also praktisch andere für ihn entscheiden lässt, hat seine Stimme in der Tat verloren, zumindest für jene Fragen, die dann über seinen Kopf hinweg entschieden werden.
Okay, repräsentative Demokratie ist offenbar nichts für dich. Jetzt könnte man die Frage stellen, was dir denn so vorschwebt - aber das wäre OT in diesem Strang.
Das einzelne Stimmgewicht ist ob der schieren Masse an abgegebenen Stimmen völlig marginal. Man entscheidet und ändert mit seiner Stimme - nichts. Die Stimmabgabe ist "Machtausübung" in homöopathischer Dosierung.
Mehr Glaube als Wirklichkeit.
Naja, bei 83 Mio. Königreichen, hätten auch die Könige nicht mehr Macht als die heutigen Bürger. Irgendwie muss man wohl herausfinden welche Politik man sich auferlegt.
... Bundesversammlung ...
:?: Was hat die Bundesversammlung mit dem Thema zu tun? Du weisst was die Bundesversammlung ist?
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Misterfritz »

Skeptiker hat geschrieben:(25 Sep 2021, 20:58) aber das wäre OT in diesem Strang.
Sehr richtig ;)
Das Salz in der Suppe des Lebens ist nicht Selbstdisziplin, sondern kontrollierte Unvernunft ;)
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Sören74 »

BlueMonday hat geschrieben:(25 Sep 2021, 20:30)

Wer seine Stimme an so ein öffentliches "Entscheidungsgremium" wie den "Bundestag" abgibt, also praktisch andere für ihn entscheiden lässt, hat seine Stimme in der Tat verloren, zumindest für jene Fragen, die dann über seinen Kopf hinweg entschieden werden. Das einzelne Stimmgewicht ist ob der schieren Masse an abgegebenen Stimmen völlig marginal.
Das sehe ich als Vorteil der repräsentativen Demokratie an. Die Macht des Einzelnen ist begrenzt. Das ist mehr Segen als Fluch. Ich möchte nicht erleben, wenn der Einzelne über die Geschicke des Landes bestimmt. :)
BlueMonday hat geschrieben:Im Kern des Grundgesetzes geht es vor allem um den Volksvertreter, weniger um "Parteien", noch weniger um "Fraktionen im Bundestag". Der sog "Fraktionszwang" steht im Grunde dem Geist des GG entgegen.
Auch im GG ist die Rolle der Parteien beschrieben, selbst Fraktionen sind dort erwähnt (Artikel 53a).
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von sünnerklaas »

Skeptiker hat geschrieben:(25 Sep 2021, 20:12)

Also FDP geht nicht? :?:
Die FDP könnte sehr viel stärker sein, wenn sie auch auf kommunaler Ebene sehr viel stärker wäre. Dabei hätte die FDP in den letzten 20 Jahren gehabt z.B. in den Großstädten mit in die Lücke zu stoßen, in die die Grünen dann gestoßen sind. Das Problem war: die FDP war auf kommunaler Ebene nie direkt greif- und ansprechbar. Anders, als die Grünen. Ebenso hat sich die FDP irgendwie nie für Freiberufler, Akademiker und kleinere Unternehmer interessiert. Das Feld haben dann die Grünen besetzt.
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Misterfritz »

sünnerklaas hat geschrieben:(25 Sep 2021, 21:44)

Die FDP könnte sehr viel stärker sein, wenn sie auch auf kommunaler Ebene sehr viel stärker wäre. Dabei hätte die FDP in den letzten 20 Jahren gehabt z.B. in den Großstädten mit in die Lücke zu stoßen, in die die Grünen dann gestoßen sind. Das Problem war: die FDP war auf kommunaler Ebene nie direkt greif- und ansprechbar. Anders, als die Grünen. Ebenso hat sich die FDP irgendwie nie für Freiberufler, Akademiker und kleinere Unternehmer interessiert. Das Feld haben dann die Grünen besetzt.
Das ist hier eigentlich auch OT.
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Sören74 »

Misterfritz hat geschrieben:(25 Sep 2021, 22:02)

Das ist hier eigentlich auch OT.
Mal eine Verständnisfrage, schreibst Du das als zuständiger Moderator oder als User?
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von schokoschendrezki »

In den NIederlanden gibt es keine 5-Prozent-Hürde und (wenn ichs richtig im Kopf hab) auch nur ein reines Verhältniswahlrecht ohne Direktkandidaten. Mit der Folge, dass irgendwie 13 oder mehr Parteien im Parlament sitzen und Regierungsbildungen entsprechend schwierig sind. Und? Herrscht in den Niederlanden das absolute gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Chaos?

Wo verläuft eigentlich Grenze zwischen einem gewollten und positiv verstandenem Pluralismus und einer als Angstvision immer wieder dargestellten "Zersplitterung der Gesellschaft"? Ich persönlich empfinde "Zersplitterung" uneingeschränkt positiv. Je mehr Zersplitterung desto weniger Nation.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von schokoschendrezki »

Sören74 hat geschrieben:(25 Sep 2021, 21:07)

Das sehe ich als Vorteil der repräsentativen Demokratie an. Die Macht des Einzelnen ist begrenzt. Das ist mehr Segen als Fluch. Ich möchte nicht erleben, wenn der Einzelne über die Geschicke des Landes bestimmt. :)


Es ist ja auch in den Gegenentwürfen zur repäsentativen Demokratie nicht so, dass ein Einzelner die Macht ausübt. Die Brüderschaft der Eidgenossen ist alles andere als ein Einzelner.

Der eigentliche Punkt in Bezug auf Deutschland ist der, dass wir allmählich aus dieser Konsensgesellschaft der Nachkriegszeit heraustreten. Volksparteien sind passé, Stammwähler sind passé, sowas wie sozial erworbene Parteienbindungen sind passé. Parteien sind nicht mehr sowas wie "Traditionsvereine". Gut so! So soll es sein!
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Sören74 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 Sep 2021, 22:55)

Es ist ja auch in den Gegenentwürfen zur repäsentativen Demokratie nicht so, dass ein Einzelner die Macht ausübt. Die Brüderschaft der Eidgenossen ist alles andere als ein Einzelner.
Ja, da hast Du Recht. Ich hatte vorher auch überlegt, ob ich schreibe, dass das der Vorteil der (repräsentativen) Demokratie ist. :)
schokoschendrezki hat geschrieben:Der eigentliche Punkt in Bezug auf Deutschland ist der, dass wir allmählich aus dieser Konsensgesellschaft der Nachkriegszeit heraustreten. Volksparteien sind passé, Stammwähler sind passé, sowas wie sozial erworbene Parteienbindungen sind passé. Parteien sind nicht mehr sowas wie "Traditionsvereine". Gut so! So soll es sein!
Ja, ich ahne was Du meinst. Diese Konsensgesellschaft scheint sowohl seine Vor- als auch Nachteile zu haben. Aber das würde jetzt zu weit von den "verlorenen Stimmen" wegbringen, wenn ich das weiter ausführe.
Michael_B
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Michael_B »

Leute, mal ganz blöd gefragt: Die Erststimme hat doch im Prinzip für die Wahl des Kanzlers 0,0% Bedeutung, da ja mit Hilfe der Überhangmandate auf jeden Fall die Prozentzahl der Zweitstimmen die Zusammensetzung des Bundestages bestimmt, oder?

Also könnte ich, um meinen Olaf Scholz zu wählen, als Zweitstimme SPD wählen und als Erststimme die FDP, ohne dei SPD-Prozente zu schwächen, oder?

Naja, mal ernsthaft: Ich überlege nämlich, die CDU hier vor Ort und den Wahlkreisabgeordneten abzustrafen für ihren unverschämt trägen Wahlkampf quasi ohne Wahlplakate etc.
Aber auf Bundesebene möchte ich schon Laschet und die Union zu 100% unterstützen.
Ergo: Erststimme Grün, Zweitstimme = Kanzlerstimme = Union, oder?
Skeptiker

Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Skeptiker »

Michael_B hat geschrieben:(26 Sep 2021, 14:36)

Leute, mal ganz blöd gefragt: Die Erststimme hat doch im Prinzip für die Wahl des Kanzlers 0,0% Bedeutung, da ja mit Hilfe der Überhangmandate auf jeden Fall die Prozentzahl der Zweitstimmen die Zusammensetzung des Bundestages bestimmt, oder?

Also könnte ich, um meinen Olaf Scholz zu wählen, als Zweitstimme SPD wählen und als Erststimme die FDP, ohne dei SPD-Prozente zu schwächen, oder?
Korrekt. Bei der Erststimme an die FDP sowieso, weil du dadurch keine Überhangmandate provozierst.
Michael_B
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Re: Der Mythos der "verlorenen Stimme"…

Beitrag von Michael_B »

THX. :-)
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