aleph hat geschrieben:(17 Apr 2021, 09:39)
Das hat aber mit Volksparteien nichts zu tun, wobei Volksparteien per se leichter koalieren, weil sie ja viele verschiedene Programmpunkte haben. Ist aber ein anderes Thema. Volksparteien haben sich überlebt, vielleicht sogar Parteien im klassischen Sinne, von dem ja das Wort Partei, teil und teilen herkommt. Die beiden großen US Parteien sind ja keine Parteien in unserem klassischen Sinne.
Sagen wir einmal so: die beiden Volksparteien haben sich überlebt, weil sich ihre Grundmillieus aufgelöst haben. Die große Klammer war dabei die konfessionelle Zugehörigkeit: die CDU/CSU war in einem großen Maße im Katholizismus verwurzeit, die SPD und auch die FDP im Protestantismus. Sehr schön konnte man das immer in Nord- und Westdeutschland beobachten: räumliche Konfessionsgrenzen waren sehr oft auch harte Parteigrenzen. Auch auf dem Lande wählte man in den ländlich geprägten protestantischen Gebieten in Niedersachsen nicht CDU, denn das war die Partei der katholischen Kirche. Umgekehrt wählte man in ländlich geprägten katholischen Regionen nicht SPD, denn das war die Partei der evangelischen Kirche.
Um sich in diesen Gebieten die klaren Mehrheiten zu sichern, mussten sich beide Parteien von Anfang an nach 1945 immer bewegen: die SPD war an der Küste schon immer sehr viel konservativer, als die Bundes-SPD, umgekehrt war die CDU dort sehr viel liberaler und sozialdemokratischer, als die Bundes-CDU. Beide konnten weder Unternehmern, noch Gewerkschaften, noch Bauernverbänden vor den Kopf schlagen. Gerhard Schröder als "Genosse der Bosse" ist kein Gerhard-Schröder-Phänomen, sondern eines der norddeutschen SPD. Ebenso die Stärke der Seeheimer in der SPD an der Küste.
Umgekehrt wusste Strauß im katholischen Bayern, dass er als CSU-Parteivorsitzender in Bayern keine konservative Politik pur betreiben konnte, sondern in der praktischen Politik in Bayern stets auch sozialdemokratische Positionen vertreten und sozialdemokratische Strömungen einbinden musste. Hätte er das nicht gemacht, wäre nicht nur der Umbau Bayerns vom armen Agrarstaat hin zu einem erfolgreichen Industriestandort nicht gelungen, die Partei hätte sich ganz schnell der lange Zeit sicheren absoluten Mehrheit beraubt.