Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

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imp
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von imp »

Perkeo hat geschrieben:(26 Jul 2020, 07:25)

Bei Verhältniswahlrecht und Föderalismus kann eine signifikante politische Bewegung in Parlamente einziehen. Mehrheitswahlrecht hingegen erzwingt ein zwei Parteien System, egal wie sehr sich der Wähler Diversität wünscht.
Das ist Unsinn. Mehrheitswahlrecht erzwingt lokale Mehrheiten und fördert ein Absprachenwesen. Viele Länder haben und hatten Mehrheitswahlrecht oder starke Mehrheitskomponenten ohne ein Zweiparteiensystem herauszubilden.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von Perkeo »

imp hat geschrieben:(03 Aug 2020, 08:06)

Das ist Unsinn. Mehrheitswahlrecht erzwingt lokale Mehrheiten und fördert ein Absprachenwesen. Viele Länder haben und hatten Mehrheitswahlrecht oder starke Mehrheitskomponenten ohne ein Zweiparteiensystem herauszubilden.
Ich sehe nur nicht, wie im 21. Jahrhundert lokale Mehrheiten wichtiger sein sollen als korrekte Repräsentation der parteipolitischen Präferenzen. Auch beim Absprachenwesen kommt es sehr auf die Art der Absprachen an - und die USA sind derzeit ein Paradebeispiel, dass auch Mehrheitswahlrecht keine Absprachen garantiert.
Und Mehrheitswahlrecht ohne Zweiparteiensystem gibt es allenfalls in Staaten wie Frankreich, wo es Stichwahlen gibt. Das minimiert die Nachteile, hebt sie aber nicht auf.
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imp
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von imp »

Perkeo hat geschrieben:(03 Aug 2020, 09:52)

Ich sehe nur nicht, wie im 21. Jahrhundert lokale Mehrheiten wichtiger sein sollen als korrekte Repräsentation der parteipolitischen Präferenzen.
In der Bundesrepublik waren nach 1949 und nach 1990 solche lokalen Ungleichgewichte zeitweise sehr wichtig und etwa die Grundmandatsklausel hat die Repräsentation wichtiger lokal starker Minderheitenmeinungen erlaubt. Frankreich etwa hat trotz Mehrheitswahlrecht kein Zweiparteiensystem, auch Britannien nicht. Insgesamt halte ich eine starke Verhältniswahl-Komponente für sehr sinnvoll. Das 21. Jahrhundert ist noch lang. Wenn Deutschland heute sehr geeint und uniform erscheint, muss das nicht so bleiben. Etwa, wenn Veränderungen in Wirtschaft und Lebensweise den Unterschied zwischen Ballungsräumen und Flächen erheblich verschärfen sollten.
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Re: Der Bundestag soll schlanker werden

Beitrag von Aldemarin »

Wie viele Abgeordnete hätten eigentlich maximal im Reichstagsgebäude Platz?
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imp
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Re: Der Bundestag soll schlanker werden

Beitrag von imp »

Kamikaze hat geschrieben:(12 Nov 2019, 09:06)

Die Abgeordnetenentschädigung des Bundestages liegt aktuell bei 10.083,45€/Monat + 4.418,09€/Monat Kostenpauschale.
Das macht unterm Strich pro Abgeordnetem und Monat 14.501,54€ - also für 709 Abgeordnete 10.281.591,86€/Monat oder auch 133.660.694,20€/Jahr.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Abgeordne ... 3%A4digung

Zwar bin ich der Meinung, dass Politiker gerne gut verdienen dürfen für ihre (oft stressige) Arbeit, aber bei 709 Abgeordneten sind die Bezüge insgesamt doch als "enorm" zu bezeichnen.
Vor allem die Steigerung. Ist noch nicht so lange her, da waren es um 7000 Euro. Die Diät wird versteuert, die Kostenpauschale ist steuerfrei und nachweisfrei. Sie kann also auch behalten werden.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von H2O »

Könnte man nicht den Wahlkreis nur dann einem Bewerber zuordnen, wenn er über 50% der gültigen Stimmen gewinnen konnte? Die Zweitstimme ist ganz offenbar die wichtigere, weil sie die Zusammensetzung des Parlaments bestimmt. Dann sollte man auch so ehrlich sein, einen Wahlkreisgewinner wirklich nur dann zum Gewinner zu machen, wenn der dort mehr Stimmen gewonnen hat als alle andern Bewerber zusammen. Vermutlich bleibt nach einer solchen 50%-Hürde genug Luft für Ausgleichs- und Überhangmandate, daß das Ziel ">600 Abgeordnete" so sehr sicher erreicht wird.

Das mögliche Ergebnis könnte man durch Nachauswertung der Bundestagswahlen von 1949 bis 2017 abklopfen.

Das französische Wahlsystem für das Parlament in zwei Wahlgängen halte ich für noch vernünftiger... aber damit läßt sich in Deutschland offenbar kein Blumentopf gewinnen.
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JosefG
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Re: Der Bundestag soll schlanker werden

Beitrag von JosefG »

JosefG hat geschrieben:(29 Jun 2020, 15:04)

So klar scheint es jedenfalls nicht zu sein, dass die Nicht-Berücksichtigung mancher Wahlkreissieger
verfassungswidrig wäre, wenn nun sogar Ralph Brinkhaus ein entsprechendes Modell vorschlägt.
https://www.mdr.de/nachrichten/politik/ ... s-100.html
Auch die SPD ist für die Nicht-Berücksichtigung der 'schwächsten' Wahlkreissieger:
https://www.tagesschau.de/wahlrechtsref ... g-101.html
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H2O
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Re: Der Bundestag soll schlanker werden

Beitrag von H2O »

Ein Wahlkreissieger ist ein Wahlkreissieger, wenn er mehr Zustimmung als alle anderen Bewerber zusammen erhält. Die 50%-Hürde. Diese Regel ist weitaus klarer als das Gefummele am unteren Rand der Mehrheit der Stimmen.
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Re: Der Bundestag soll schlanker werden

Beitrag von firlefanz11 »

Der Bundestag soll schlanker werden: Guuuter Witz...! :rolleyes:
800 Abgeordnete nach 2021?
Die Zeichen stehen auf Riesen-Bundestag
...
Alle Parteien wollen den Bundestag verkleinern, nur um das "Wie" wird gestritten - je länger das geht, desto wahrscheinlicher wird ein Riesen-Bundestag nach der kommenden Wahl. Heute wollen die Koalitionäre darüber beraten. Der Aussicht auf Erfolg ist aber gering.
...
Vielleicht sogar fast 900 Abgeordnete?
...
Sollte es keine Einigung geben, könnten nach der kommenden Wahl 800 oder mehr Abgeordnete in das Parlament einziehen. Manche Prognosen rechnen sogar mit fast 900. Sie alle bräuchten Büros und Mitarbeiter. Im Januar wurde beim Bauamt der Hauptstadt sogar schon vorsorglich ein Antrag gestellt, um notfalls Container für die Büros aufzustellen. Der Bund der Steuerzahler rechnet zudem vor, dass der Parlamentsbetrieb 2014 rund 716 Millionen Euro gekostet habe, 2018 schon 895 Millionen und dass in diesem Jahr erstmals die Milliarden-Grenze geknackt werde. Auch die Kosten dürften also weiter steigen.
https://www.n-tv.de/politik/Die-Zeichen ... 91901.html
Am Rande des Wahnsinns stehen keine Geländer!
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Misterfritz
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von Misterfritz »

H2O hat geschrieben:(25 Aug 2020, 08:17)

Könnte man nicht den Wahlkreis nur dann einem Bewerber zuordnen, wenn er über 50% der gültigen Stimmen gewinnen konnte? Die Zweitstimme ist ganz offenbar die wichtigere, weil sie die Zusammensetzung des Parlaments bestimmt. Dann sollte man auch so ehrlich sein, einen Wahlkreisgewinner wirklich nur dann zum Gewinner zu machen, wenn der dort mehr Stimmen gewonnen hat als alle andern Bewerber zusammen. Vermutlich bleibt nach einer solchen 50%-Hürde genug Luft für Ausgleichs- und Überhangmandate, daß das Ziel ">600 Abgeordnete" so sehr sicher erreicht wird.

Das mögliche Ergebnis könnte man durch Nachauswertung der Bundestagswahlen von 1949 bis 2017 abklopfen.
Das halte ich für eine interessante Idee,
könnte aber dazu führen, dass es fast keine Direktmandate mehr geben würde.
H2O hat geschrieben:(25 Aug 2020, 08:17)
Das französische Wahlsystem für das Parlament in zwei Wahlgängen halte ich für noch vernünftiger... aber damit läßt sich in Deutschland offenbar kein Blumentopf gewinnen.
Ich kann mich nicht für das franz. Wahlsystem begeistern.
Das Salz in der Suppe des Lebens ist nicht Selbstdisziplin, sondern kontrollierte Unvernunft ;)
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von H2O »

Ich kann mich nicht für das franz. Wahlsystem begeistern.
Das ist auch nicht so leicht zu greifen! Mich beeindruckt die Möglichkeit, daß nach einem 1. Wahlgang die Bürger und Parteien erkennen können, wohin der allgemeine Hase gelaufen ist, und sie sich vor diesem Hintergrund zu Kompromissen bereitfinden müssen. In diesem Falle die Wahlbürger und die Parteien und nicht nur die Parteien.

Denken wir an den Versuch einer Regierungsbildung "Jamaika" in unserer Bundesrepublik... und nachfolgende ärgerliche Bemerkungen. In Frankreich hätte der Wähler sehr weitgehend diese Weiche gestellt.

Aber müßig; haben wir nicht, bekommen wir auch nicht, so lange wir einen Nationalstaat haben. Auf EU-Ebene könnte man damit vielleicht mehr Interesse für die Europapolitik wecken... auch das wäre eine spannende Nebenwirkung des französischen 2-Schritt-Verfahrens.

Doch zurück zur 50%-Hürde für Direktmandate (Erststimmenbewertung):

Die 50%-Hürde für ein Direktmandat würde die wenigen Wahlkreisgewinner in besonderer Weise aufwerten. Schon das wäre gegen drei Bewerber im 30%-Bereich ein Fortschritt... wo sich dann der Bewerber mit 50 Stimmen mehr als die anderen stolz als "direkt" gewählt bezeichnen wurde. Unser Wunsch und Ziel ist doch weiterhin, "weiße Raben" mit 50% ehren zu können und zugleich die Gesamtzahl der Abgeordneten zu begrenzen, wenn danach rein rechnerisch das Proportionalsystem gemäß Zweitstimme zum Zuge kommt.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von Sungawakan »

Ich verstehe nicht, dass Indien mit 1,3 Milliarden Einwohnern von nur 543 (+2) Parlamentariern regiert werden kann, während Deutschland mit seinen mickrigen 80 Millionen Einwohner über ein Drittel mehr Parlamentarier benötigt. In Indien wird nach dem relativen Mehrheitswahlrecht in Einpersonen-Wahlkreisen gewählt.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von Misterfritz »

Sungawakan hat geschrieben:(25 Aug 2020, 21:56)

Ich verstehe nicht, dass Indien mit 1,3 Milliarden Einwohnern von nur 543 (+2) Parlamentariern regiert werden kann, während Deutschland mit seinen mickrigen 80 Millionen Einwohner über ein Drittel mehr Parlamentarier benötigt. In Indien wird nach dem relativen Mehrheitswahlrecht in Einpersonen-Wahlkreisen gewählt.
Indien wird regiert, ja - aber gut, also gut für alle? Das sehe ich nicht so.
Allerdings ist das hier nicht das Thema.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von jack000 »

Sungawakan hat geschrieben:(25 Aug 2020, 21:56)

Ich verstehe nicht, dass Indien mit 1,3 Milliarden Einwohnern von nur 543 (+2) Parlamentariern regiert werden kann, während Deutschland mit seinen mickrigen 80 Millionen Einwohner über ein Drittel mehr Parlamentarier benötigt. In Indien wird nach dem relativen Mehrheitswahlrecht in Einpersonen-Wahlkreisen gewählt.
Es ist sicherlich richtig die Größe des Parlamentes in Frage zu stellen. Ich frage allerdings da aber auch, ob das wirklich das wichtigste Problem ist was angegangen werden muss.
=> Welches tatsächliche Problem wird denn gelöst nur weil es weniger Parlamentarier gibt?
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von Sungawakan »

Misterfritz hat geschrieben:(25 Aug 2020, 22:08)

Indien wird regiert, ja - aber gut, also gut für alle? Das sehe ich nicht so.
Allerdings ist das hier nicht das Thema.
Das ist, wie gesagt, hier nicht das Thema, hat aber sicherlich auch nichts mit der Größe des Parlamentes zu tun, selbst wenn man der Ansicht wäre.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von Sungawakan »

jack000 hat geschrieben:(25 Aug 2020, 22:10)

Es ist sicherlich richtig die Größe des Parlamentes in Frage zu stellen. Ich frage allerdings da aber auch, ob das wirklich das wichtigste Problem ist was angegangen werden muss.
=> Welches tatsächliche Problem wird denn gelöst nur weil es weniger Parlamentarier gibt?
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von H2O »

Sungawakan hat geschrieben:(25 Aug 2020, 21:56)

Ich verstehe nicht, dass Indien mit 1,3 Milliarden Einwohnern von nur 543 (+2) Parlamentariern regiert werden kann, während Deutschland mit seinen mickrigen 80 Millionen Einwohner über ein Drittel mehr Parlamentarier benötigt. In Indien wird nach dem relativen Mehrheitswahlrecht in Einpersonen-Wahlkreisen gewählt.
Das ist doch das britische Wahlsystem. Dafür spricht die große Zahl der Wahlkreise.
Da dürfte sich einiges ausgleichen (vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus gesehen). Wahlkreise und Gewählte werden von den Menschen vor Ort besser zusammen gebracht. Die Politik erscheint dadurch menschlicher als bei einem Verhältniswahlrecht mit den Listen der Bewerber landesweit. Auf diese Listen hat der Wähler keinen Einfluß... sie eignen sich für Gespräche in Hinterzimmern. Aber rein arithmetisch ist das Wahlergebnis "gerechter"... wenn auch weltfremder.

Unser deutsches Wahlsystem will von beidem etwas machen über die Erststimme im Wahlkreis (britisch, indisch) und die Zweitstimme landesweit. Na ja, und vor lauter Gerechtigkeit ergeben sich dann durch Ausgleichsrechnungen bis zu 800 Abgeordnete, wo man eigentlich an 500 gedacht hatte. Das ist dann auch wieder ein ziemlicher Mist, wie selbst der Bundestagspräsident schon seit mehreren Wahlperioden festgestellt hat.

Ich finde eine stärkere Beteiligung der Wähler an Kompromissen sinnvoller und gerechter, wie sie das französische Wahlrecht in zwei Wahlgängen ermöglicht. Da muß der Wähler über die Auswirkung seiner Wählerstimme noch einmal tief nachdenken, bevor er in seinem Wahlkreis sein Kreuzchen dem ihm zweckmäßig erscheinenden Bewerber zuweist. Nur dort, wo ein Bewerber gleich die absolute Mehrheit im 1. Wahlgang gewonnen hat. darf der Wähler mit einem gutem Gefühl zu Hause bleiben. Unter dem Strich ziehen aber nur Menschen ins Parlament, die wenigstens in ihrem Wahlkreis ein Gesicht haben. Das ist mir als Mitbürger wichtiger als 800 graue Mäuse im Bundestag (na ja, da überzeichne ich jetzt etwas zu sehr!)
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von H2O »

jack000 hat geschrieben:(25 Aug 2020, 22:10)

Es ist sicherlich richtig die Größe des Parlamentes in Frage zu stellen. Ich frage allerdings da aber auch, ob das wirklich das wichtigste Problem ist was angegangen werden muss.
=> Welches tatsächliche Problem wird denn gelöst nur weil es weniger Parlamentarier gibt?
Das tatsächliche Problem ist aus meiner Sicht, daß ein Kompromiß, also die Wahl des geringsten Übels, unter 800 stimmberechtigten Abgeordneten schwerer zu finden sein wird als unter 300, die sich irgendwann sogar persönlich kennen.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von Atue001 »

Sungawakan hat geschrieben:(25 Aug 2020, 21:56)

Ich verstehe nicht, dass Indien mit 1,3 Milliarden Einwohnern von nur 543 (+2) Parlamentariern regiert werden kann, während Deutschland mit seinen mickrigen 80 Millionen Einwohner über ein Drittel mehr Parlamentarier benötigt. In Indien wird nach dem relativen Mehrheitswahlrecht in Einpersonen-Wahlkreisen gewählt.

Regiert wird Indien nicht vom Parlament. Dieses bildet auch in Indien die Legislative, nicht die Exekutive.
Es gibt auch Länder, in denen ist das Parlament nicht wirklich relevant. In Deutschland hat es eine gewisse Bedeutung.

Ob die Politik besser wäre, wenn das Parlament kleiner oder größer wäre.....ist sicherlich eine wunderbare Frage, über die man munter spekulieren kann. Letzten Endes bringen uns die Zusatzkosten für ein größeres Parlament nicht um, umgekehrt wird die Politik durch das größere Parlament auch nicht wirklich entscheidend besser - meine Meinung.
So gesehen wäre es vernünftig, in Deutschland das Parlament mal eher wieder in Richtung 500 Mitglieder zu bringen, denn es sukzessive immer mehr in Richtung 1000 aufzublähen.

Leider interessiert diese Fragestellung aber nicht ausreichend die Wähler - weshalb die politischen Parteien sich nicht ausreichend für eine überfällige Wahlrechtsreform einsetzen. Besonderes Versäumnis liegt dabei klar auf Seiten der CDU/CSU! Alle anderen Parteien haben sich schon mehr oder weniger klar in Richtung sinnvoller Reformen bewegt. Nur - die CDU/CSU-Wähler wählen ihre Partei auch dann noch, wenn diese die Parlamentarieranzahl auf 1500 hochtreibt......kostet ja nur unsere Steuergelder, das ist es aber wohl den CDU/CSU-Wählern wert.....

Meiner Ansicht nach könnte man das Geld sinnvoller verwenden......ist aber nur meine Sicht.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von jack000 »

H2O hat geschrieben:(25 Aug 2020, 22:31)

Das tatsächliche Problem ist aus meiner Sicht, daß ein Kompromiß, also die Wahl des geringsten Übels, unter 800 stimmberechtigten Abgeordneten schwerer zu finden sein wird als unter 300, die sich irgendwann sogar persönlich kennen.
Solange sich die Stimmverhältnisse nicht ändern, ist das doch wurscht. Warum sollte da irgendwas schwieriger werden?
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von jack000 »

=> Welches tatsächliche Problem wird denn gelöst nur weil es weniger Parlamentarier gibt?
Sungawakan hat geschrieben:(25 Aug 2020, 22:19)

Die Staatsverschuldung.
Wie denn das?
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von H2O »

jack000 hat geschrieben:(26 Aug 2020, 00:12)

Solange sich die Stimmverhältnisse nicht ändern, ist das doch wurscht. Warum sollte da irgendwas schwieriger werden?
Das ist doch aber nur scheinbar so; meist werden sich mehr Leute zu Wort melden, wenn mehr davon die Möglichkeit haben. Und das dauert mitsamt Abgleich einfach sehr lange.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von jack000 »

H2O hat geschrieben:(26 Aug 2020, 00:32)

Das ist doch aber nur scheinbar so; meist werden sich mehr Leute zu Wort melden, wenn mehr davon die Möglichkeit haben. Und das dauert mitsamt Abgleich einfach sehr lange.
Möglicherweise in Details, aber letztendlich ändert sich da gar nix ...
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von H2O »

jack000 hat geschrieben:(26 Aug 2020, 00:52)

Möglicherweise in Details, aber letztendlich ändert sich da gar nix ...
Das wäre ja auch ziemlich schlimm; man stelle sich (bitte Spaß verstehen!) das ganze Volk im Reichstag versammelt vor. Am Ende aller Beratungen ist das Problem längst ein anderes geworden. Dann ist ein gesunder Kompromiß auch in der Zahl der stimmberechtigen Politiker nicht schlecht. Vom Gefühl her fände ich 300 Abgeordnete ganz praktisch. 800 halte ich für kaum arbeitsfähig, mit einem großen Anteil praktisch anonymer Abgeordneter.

Ich bin gespannt, worauf der in der GroKo gestern gefundene Kompromiß hinauslaufen wird. Man könnte das Ergebnis dieser Mühen mit den Wahlergebnissen der letzten Bundestagswahlen vorhersagen. Vielleicht bringt das ja ein Pressemann auf die Reihe, wenn die Koalitionspartner dazu keine Lust haben.

Man darf auch nicht vergessen, daß unsere Demokratie nach bundesstaatliche Ordnung weitere Parlamente unterhält. Das finde ich auch gut so, aber man sollte dann auch vernünftige Grenzen ziehen, was die Zahl der Abgeordneten in den einzelnen Parlamenten betrifft.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von Maikel »

Die Opposition ist auch deshalb so erpicht darauf, eine Reform noch in dieser Wahlperiode durchzusetzen, weil das Wahlergebnis 2021 dazu führen könnte, dass der Bundestag nicht größer, sondern wieder kleiner wird. Dafür sprechen vorläufig die Umfragen und das Wahlergebnis in Bayern.
aus https://www.faz.net/aktuell/politik/inl ... 21652.html

Es wäre also durchaus möglich, daß der Bundestag auch ohne Neuregelung wieder kleiner wird.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
Jeder Versuch, sich mitzuteilen, kann nur mit dem Wohlwollen der anderen gelingen.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von denkmal »

H2O hat geschrieben:(25 Aug 2020, 21:12)

Das ist auch nicht so leicht zu greifen! Mich beeindruckt die Möglichkeit, daß nach einem 1. Wahlgang die Bürger und Parteien erkennen können, wohin der allgemeine Hase gelaufen ist, und sie sich vor diesem Hintergrund zu Kompromissen bereitfinden müssen. In diesem Falle die Wahlbürger und die Parteien und nicht nur die Parteien.

Denken wir an den Versuch einer Regierungsbildung "Jamaika" in unserer Bundesrepublik... und nachfolgende ärgerliche Bemerkungen. In Frankreich hätte der Wähler sehr weitgehend diese Weiche gestellt.

Aber müßig; haben wir nicht, bekommen wir auch nicht, so lange wir einen Nationalstaat haben. Auf EU-Ebene könnte man damit vielleicht mehr Interesse für die Europapolitik wecken... auch das wäre eine spannende Nebenwirkung des französischen 2-Schritt-Verfahrens.

Doch zurück zur 50%-Hürde für Direktmandate (Erststimmenbewertung):

Die 50%-Hürde für ein Direktmandat würde die wenigen Wahlkreisgewinner in besonderer Weise aufwerten. Schon das wäre gegen drei Bewerber im 30%-Bereich ein Fortschritt... wo sich dann der Bewerber mit 50 Stimmen mehr als die anderen stolz als "direkt" gewählt bezeichnen wurde. Unser Wunsch und Ziel ist doch weiterhin, "weiße Raben" mit 50% ehren zu können und zugleich die Gesamtzahl der Abgeordneten zu begrenzen, wenn danach rein rechnerisch das Proportionalsystem gemäß Zweitstimme zum Zuge kommt.
Unser Wunsch... ;) Was wäre, wenn man in gleicher Wesie einen Wahlkreis nur für Parteien als zählbar nimmt, wenn die Zweitstimme (analog jetzt zur Erststimme) nur bei > 50% zählt. Würde doch bedeuten, dass man die Arbeit der Partei dort sehr wertschätzt und nicht so larifari Mehrheiten erzeugt :cool:
Im Laufe ihres steinernen Daseins nehmen sogar manche Denkmäler menschliche Züge an.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von denkmal »

H2O hat geschrieben:(25 Aug 2020, 22:31)

Das tatsächliche Problem ist aus meiner Sicht, daß ein Kompromiß, also die Wahl des geringsten Übels, unter 800 stimmberechtigten Abgeordneten schwerer zu finden sein wird als unter 300, die sich irgendwann sogar persönlich kennen.
...was aber auch negativ ausgelegt werden könnte. Je weniger Abgeordnete, desto weniger Einwände gene "unsinnige" Maßnahmen vielleicht.
Im Laufe ihres steinernen Daseins nehmen sogar manche Denkmäler menschliche Züge an.
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von Quatschki »

Eigentlich bräuchte man pro Partei nur einen Abgeordneten, dessen Stimmgewicht sich nach dem entsprechenden "Aktienpaket", also dem Stimmanteil der Partei bei der Wahl, bemißt.
Drauf so sprach Herr Lehrer Lämpel:
„Dies ist wieder ein Exempel!“
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Re: Schäuble: Demnächst weltgrößtes Parlament bis zu 800 MdB

Beitrag von H2O »

denkmal hat geschrieben:(02 Sep 2020, 08:17)

Unser Wunsch... ;) Was wäre, wenn man in gleicher Wesie einen Wahlkreis nur für Parteien als zählbar nimmt, wenn die Zweitstimme (analog jetzt zur Erststimme) nur bei > 50% zählt. Würde doch bedeuten, dass man die Arbeit der Partei dort sehr wertschätzt und nicht so larifari Mehrheiten erzeugt :cool:
Auf Anhieb könnte man dann auch auf die Zweitstimme verzichten... oder? Dann hätten wir das britische Wahlrecht, oder in zwei Wahlgängen abstimmen.... dann hätten wir das französische Wahlrecht. Ich halte letzteres für sinnvoll.
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