Ich finde, dass man die Malerei nicht mit der Musik vergleichen kann. Und sollte. Bei der Malerei will doch jeder gleich etwas eigenes erschaffen, oder? Um Musik machen zu können, muss man sich allerdings erst die entsprechenden Techniken erarbeiten. Und dies geht nur, wenn man versucht, bekannte Lieder absolut genau zu kopieren. Dafür gibt es dann ja auch die Notenbücher bzw. die Tabs bei Gitarristen. Und erst, wenn man sich so eine bestimmte Anzahl von Liedern erarbeitet hat plus Musiktheorie etc., dann kann man auch kreativ werden und die Lieder gekonnt in andere Musikstile abwandeln bzw. ihnen eine andere individuelle Note verpassen. Und auch das Selber Schreiben von Liedern -also textlich wie melodiemäßig- setzt eine gewisse musikalische Vorbildung voraus. Und viele Musiker wollen ja zunächst mal für eine lange Zeit noch gar nicht eigene Lieder schreiben und darbieten, sondern den gecoverten Originalen so nahe wie möglich kommen. So kommt es also insbesondere bei Gitarristen immer wieder zu Fachdiskussionen, mit welcher Gitarre, welchem Verstärkertyp und welchen Soundeffekten man dem Original am nähesten kommt.BlueMonday hat geschrieben:(10 Jan 2020, 15:00)
Man stelle sich solche Diskussionen mal bei der Malerei vor, wie man dann darüber diskutiert, wie hart das Pinselhaar sein sollte, ob es aus Naturhaar (und dann von welchem Tier es stammen soll) oder ob doch nicht Kunsthaar besser wäre, aus welchem Holz die Palette des Meisters sein sollte, welcher Verdünner am besten verwendet werde, bei welchem Hersteller man die Leinwand und Farben am besten ordern solle, ob man sich streng an einem Fadengitter orientieren oder sich lieber ganz frei betätigen solle...
Sicherlich, das Handwerk ist unausweichlich zur Manifestation und auch eine "Kunst", aber das Eigentliche ist die immaterielle Idee dahinter und dann später die Perzeption des Geschaffenen, der Konsum, das Verzehren.
Von elektronischer Musik kenne ich dies nicht. Diese irritiert mich sowieso spätetestens seit dem Zeitraum, als ich Techno als Musikform kennenlernen durfte. Meiner Einschätzung nach sind viele der Anhänger solcher Musik nur am passiven Konsum interessiert. Ich dagegen will auch selbst aktiv Musik machen können. Und auch unter anderem die emotionale Verkümmerung irritiert mich. Musik kann so viele Spielarten von Emotionen ausdrücken! Man kann die Taktart ändern oder den Rhythmus. Man kann sich zwischen Dur und Moll entscheiden. Und auch die Liedtexte können viel ausdrücken von Melancholie und Trauer bis harter Aggression. Und auf einem gelungenem Musikalbum schafft es eine Band auch, möglichst abwechslungsreich zu klingen. Wenn ich dagegen an das Techno der 1990er denke, dann erinnere ich mich nur an die gleichen monotonen Beats im immergleichen Tempo. Und auch die textliche Finesse, wenn überhaupt vorhanden, beschränkte sich auf Minimalismus pur.
Moderne elektronische Popmusik mag da wiederum etwas anders sein. Aber was ich auch sagen will, ist: Musik lebt nicht nur vom passiven Konsum, sondern auch davon, dass sie bei entsprechendem eigenem Können gecovert und nachgespielt werden kann. Ich zum Beispiel bin ja eigentlich kein Fan von Metallica. Als ich mir aber mit der Hilfe meines Gitarrenlehrers das Intro des Liedes "The Unforgiven" erarbeitet hatte, war ich sehr stolz. Ich hoffe, ich erreiche mal ein technisches Level, dass ich beispielsweise dieses Lied ganz nachspielen kann. Aber wäre so etwas bei synthetisch hergestellter Musik vorstellbar, die nur mit der Hilfe von Computerprogrammen entwickelt wurde? Wie spielt man die nach? Wie entwickelt sich der Stolz, etwas nachspielen zu können? Und wie bleibt solch ein Computersound nachhaltig hängen, wenn man ihn nicht noch nach Jahren nachspielen will und kann? Stirbt ein Lied nicht einen viel schnelleren Tod des Vergessens, wenn niemand es nachspielen kann und will, weil die Zuhörer diese Art von Musik immer nur passiv konsumieren? Und wird dieses immer nur passiv konsumierte Lied dann nicht wie eine Ware bzw. ein Wegwerfprodukt behandelt, welches bei der nächsten Gelegenheit durch etwas neueres ersetzt wird? Was sagt Musik überhaupt aus? Sollte man Musik nicht als Kunstform betrachten und versuchen, sich mit ihrer Hilfe künstlerisch auszudrücken?