Quelle: siehe hier:
https://www.arte.tv/de/videos/098380-00 ... eilig-ist/
Aus der Inhaltsbeschreibung:
Ich bringe die Inhaltsbeschreibung deswegen ganz, weil das Video nur noch bis zum 29.9.2021 in der Mediathek verfügbar sein wird.Ob in der Natur, in der Meditation oder bei einem religiösen Ritual – überall auf der Welt suchen Menschen nach dem Sinn des Lebens. Ihre spirituellen Erfahrungen nehmen – je nach Kulturkreis – sehr unterschiedliche Formen an. Frédéric Lenoir reiste rund um die Welt, um Menschen zu ihrem persönlichen Umgang mit dem zu befragen, "was uns heilig ist".
Lance Sullivan ist Schamane und Wunderheiler im australischen Queensland, Meister Hoshino praktiziert in Japan die Shugendo-Religion und Lina Barrios ist spirituelle Führerin bei den Maya in Guatemala. Alle drei stehen in ständigem Kontakt mit einer lebendigen Natur, die sie bewundern und ehren, weil sie unzählige Geheimnisse birgt.
Andere suchen das Heilige in höheren Sphären: Bhagwan Puri hat sich im indischen Varanasi einem streng asketischen Leben verschrieben, die jainistischen Nonnen Priyanca und Frooty aus Palitana wollen ihre Seelen erlösen und das Nirwana erreichen, der orthodoxe Mönch Abba Tesfay lebt abgeschieden in den äthiopischen Gheralta-Bergen, Rabia Hassan und die muslimischen Pilger ehren den Heiligen Sheikh Hussein mit einer Pilgerreise durch Äthiopien und in der Türkei tritt der Derwisch Omer Kilic durch unaufhörliches Wirbeln um sich selbst in Kontakt mit Gott.
Andere Menschen suchen die Weisheit in ihrem inneren Selbst: Die buddhistischen Mönche Palden und Thupten befreiten sich von allen materiellen Zwängen und führen ein abgeschiedenes Dasein in Mustang, Matthieu Ricard engagiert sich mit der Organisation Karuna-Shechen in Kathmandu für mehr Solidarität und Jon Kabat-Zinn aus New York und Nicole Bordeleau aus Québec lehren, wie Meditation heilen kann.
Frédéric Lenoir befragte auch Menschen, die in intensiven Naturerfahrungen ihren Weg finden: Guillaume Néry taucht über 100 Meter tief, Ludgimario und die neue Pilgergeneration legen im Einklang mit der Natur den Jakobsweg zurück und in Bern schöpft Forstingenieur Ernst Zürcher bei Waldspaziergängen neue Kraft und erklärt, warum der Kontakt zu Bäumen beruhigend und stimulierend zugleich wirkt.
Eng verbunden ist die Suche nach dem, was uns heilig ist, seit jeher mit der Betrachtung der Sterne. Was das bedeutet, erklärt der Astrophysiker Hubert Reeves im französischen Burgund.
Ich habe mir die Dokumentation mit Interesse angesehen. Mit dem Filmemacher kann man vielleicht die Faszination teilen, was die menschliche Fantasie als spirituelle Vorstellungen hervorgebracht hat. Auch wenn ich als Atheist einiges befremdlich finde. Was ich jedoch kritisch finde: Es ist zwar gut, wenn die Menschen wieder einen besseren Draht zu der Natur finden könnten. Aber fast alle dieser Protagonisten drehen sich mit ihren Problemen um sich selbst. Die Frau aus Indien zum Beispiel, die Nonne des Jainismus werden will, sagt sich von allem irdischen Besitz, aber auch von allen irdischen Freuden los, die das Leben zu bieten hat. Ebenso der christliche Eremit aus Äthiopien oder die buddhistischen Mönche im Himalaya. Andere meditieren fast bis zum Umfallen, um dann ihrer Meinung nach mehr Mitgefühl für ihre Umwelt zu bekommen. Geht das nicht auch ohne Meditieren oder das Praktizieren von Yoga? Wieso muss man erst so etwas machen, um empathisch für seine menschliche Umwelt zu sein? Und wo sind die Menschen, denen man gegenüber emphatisch sein könnte, wenn man die ganze Zeit nur still vor sich hin meditiert? Auch die Sufis aus der Türkei tanzen nur im Kreis um sich selbst herum, um ihrem Gott näher zu sein.
Wo aber ist die Lebensbejahung zu unserer Welt? Warum muss es immer weltabgewandte Askese sein? Warum praktizieren diese ganzen spirituellen Menschen alle einen eskapistischen Weg, der oft sogar zölibatär ist, wo doch Sexualität die stärkste Triebkraft des Lebens ist? Schneiden diese Leute sich nicht von dieser mächtigen Triebkraft ab, wenn sie sich stattdessen lieber selbst kasteien und alle möglichen Härten auferlegen? Der Film lässt also bei mir einiges an Fragen offen.
Zum Vergleich: Als Atheist weiß ich ebenfalls, dass ich der wichtigste Mensch in meinem Leben bin. Dies ist aber gar nicht egomanisch gemeint. Ich bin auch keineswegs narzistisch veranlagt. Meine bisherigen Lebenserfahrungen waren vor allem diese: Allen anderen Menschen kann man vielleicht irgendwie aus dem Wege gehen. Vor sich selbst flüchten ist dagegen zwecklos. Die eigenen Probleme und Macken nimmt man überallhin mit. Insofern ist es in einem zweiten Schritt auch besonders wichtig, mit sich selbst Frieden zu schließen. Das Christentum sagt ja zum Beispiel "Liebe deinen nächsten wie dich selbst." Falsch, sage ich da nur! Ich meine, dass man seinen Selbsthass nicht auf andere projizieren soll. Dadurch alleine wird die Welt schon besser. Aber damit nicht genug: Irgendwann im Leben kommt die Zeit, ab der man auch mit seinen eigenen Problemen mit sich selbst Frieden schließen sollte. Wer sich selbst nicht lieben kann, der ist auch unfähig, andere zu lieben. Oder aber Lob von anderen anzunehmen. So wird er immer unzufrieden mit sich selbst sein. Und sich selbst und allen anderen das Leben zur Hölle machen. Ich finde es, wie gesagt, wichtig, dass man lernt, sich selbst mit allen Schwächen und Stärken akzeptieren zu können. Wer dies schafft, der entwickelt auch in der Folge automatisch ein Interesse an anderen Menschen. Toxische Beziehungen verabscheue ich dagegen.
Diese ganzen spirituellen Menschen in der Dokumentation dagegen fliehen in der Regel sowohl vor sich selbst, wenn sie beispielsweise meinen, durch ihren Lebensweg ins Nirvana zu kommen. Und vor der menschlichen Gesellschaft flüchten sie auch. Selbst der Wanderer, der den Jakobsweg bewandert, ist meistens alleine mit sich selbst unterwegs. Vielleicht kann solch ein zeitweises Eremitendasein einen stärken. Aber der Mensch ist halt nun einmal -Corona hin oder her- ein soziales Wesen. Irgendwann sollte man dann doch wieder gucken, dass man neue zwischenmenschliche Beziehungen eingeht. Dies am besten mit Menschen, die ebenfalls nicht auf dem Kriegsfuss mit sich selbst sind, da die Beziehungen wiederum toxisch werden könnten.
Ich kann jedenfalls nichts hilfreiches finden, wie man durch diese spirituellen Praktiken ein gelingendes Leben in der Gesellschaft bekommen kann. Wer den spirituellen Weg geht, beraubt sich um die Möglichkeit, neue Freunde oder eine Beziehung zu finden. Positive Beziehungen sind jedoch das wichtigste, was ein Mensch haben kann. Ich finde folglich, dass der spirituelle Weg, den diese Protagonisten des Films gehen, in zwischenmenschlicher Hinsicht eine Sackgasse darstellt. Vielleicht gibt es hier spirituell eingestellte Menschen, die diesen Weg verteidigen wollen? Ich für meinen Teil will jedoch nicht vor der menschlichen Gesellschaft kapitulieren, flüchten oder ähnliches.