Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

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Progressiver
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Progressiver »

denkmal hat geschrieben:(03 May 2021, 09:42)

Das sind wohl ähnliche "ästhetische" oder "hygienische" Gründe, wenn man sich die Brüste, Lippen, den Po aufpimpen lässt. In wenigen Fällen mag es eine medizinische (psychologische) Begründung geben. Meist ist es falsch verstandene Eitelkeit meine Meinung nach. Man will jemandem gefallen, ob man es selbst mag oder nicht, dann redet man sich das halt ein.
Ich tippe eher auf archaische Initiationsriten. Die gibt es aber auch in anderen Teilen der Welt.

Im Amazonasgebiet gibt es Indianer, die lassen ihre Kinder an der Schwelle zur Adoleszenz in die Bauten von Feuerameisen greifen. Das tut unheimlich weh. Aber sie versuchen dann, den Schmerz durch tanzen wegzukriegen. Nur durch dieses Aushalten von Schmerzen ist man bei diesen Stämmen reif genug, um als erwachsenes Stammesmitglied zu gelten. Bei vielen Straßengangs wiederum versuchen die anderen Mitglieder einen Neuzugang krankenhausreif zu prügeln, um zu testen, ob er fähig ist, Schmerzen auszuhalten. Und letztendlich gibt es überall auf der Welt die Möglichkeit, sich tätowieren zu lassen. So mancher, der sich mit traditionellen Methoden tätowieren lässt, uriniert sich vor Schmerzen in die Hose.

All diesen Praktiken ist es gemeinsam, dass es sich um archaische Initiationsrituale handelt. Wenn sich jemand beschneiden lässt, dann erkennen die anderen Mitglieder dieser Gemeinschaft ihn als ihresgleichen an und umgekehrt. Der Unterschied ist nur: Wenn jemand hierzulande seine noch nicht volljährigen Kinder dazu bringt, in Bauten von Feuerameisen zu greifen oder sie zwingen will, den Schmerz des Tätowierens auszuhalten, so wird das als Körperverletzung angesehen. Wenn jemand seine Kinder verprügelt -oder die Kinder sich gegenseitig-, weil er meint, sie dadurch abhärten zu müssen, dann geht das schon in Richtung Kindesmisshandlung. Wenn jemand aber seine Kinder aus nichtmedizinischen Gründen beschneiden lässt, um sie zu "richtigen" Männern bzw. Mitgliedern der eigenen Religionsgemeinschaft zu machen, dann ist das erlaubt.

Hier zeigt sich doch, dass die deutsche Gesetzgebung nicht auf einer rationalen und aufgeklärten Grundlage steht.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Findulin »

Alexyessin hat geschrieben:(28 Apr 2021, 08:45)

Im Jahr 2012 haben wir hier diese Diskussion auch geführt und manch Parallelen sind zu erkennen. Jetzt war ich selbst kritisch eingestellt was die Thematik bei Beschneidung von Kindern angeht. Es kam dann zu einer Entscheidung unserer Mandatsträger die 434 zu 100 und 46 Enthaltungen das Gesetz http://www.bmjv.de/SiteGlobals/Forms/Su ... submit.y=0

Und somit ist für mich persönlich die Geschichte gegessen.
Ich glaube, bundesverfassungsgerichtlich hat das noch keiner überprüfen lassen. Bis dahin ist es so gesehen rechtlich noch nicht zur Gänze gegessen, wenn man in dem Bild bleiben will.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von olli »

Andere Länder, andere Sitten. So ist es auch mit den Religionen. Wenn die meinen sie müssten ihre Genitalien verstümmeln dann ist das so. Weshalb man sich darüber als Unbetroffener überhaupt aufregt ist Banane. Das müssen die Betroffenen für sich selbst klären.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Billie Holiday »

olli hat geschrieben:(09 May 2021, 00:09)

Andere Länder, andere Sitten. So ist es auch mit den Religionen. Wenn die meinen sie müssten ihre Genitalien verstümmeln dann ist das so. Weshalb man sich darüber als Unbetroffener überhaupt aufregt ist Banane. Das müssen die Betroffenen für sich selbst klären.
Die meinen nicht, sie müßten ihre eigenen Genitalien beschneiden, sondern die anderer Menschen, die noch nicht in der Lage sind, dem zuzustimmen. Wüßte nicht, wie das Baby sich argumentativ mit seinen Eltern auseinandersetzen könnte.

Aber alles gut, es gibt mehrheitlich kein Leid daraus und da finde ich auch, sollen die doch machen. :thumbup:

Da man seltenst betroffen ist davon, was außerhalb der eigenen Grenzen so passiert, sollte man sich als Unbetroffener ganz raushalten aus allem? Wozu gegen weibliche Verstümmelung agieren, Kinderarbeit oder Kinderehen kritisieren oder gegen die Todesstrafe oder archaische Körperstrafen argumentieren, geht uns nichts an und betrifft uns nicht.... :?:
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Liegestuhl »

Billie Holiday hat geschrieben:(09 May 2021, 09:15)

Die meinen nicht, sie müßten ihre eigenen Genitalien beschneiden, sondern die anderer Menschen, die noch nicht in der Lage sind, dem zuzustimmen. Wüßte nicht, wie das Baby sich argumentativ mit seinen Eltern auseinandersetzen könnte.
Die Eltern entscheiden über das Wohl des Kindes. Das ist mir generell lieber, als das der Staat entscheidet, was gut für die Kinder ist.

Und wenn die Eltern entscheiden, dass es ist für das zukünftige Leben des Jünglings wichtig ist, ein voll anerkanntes Mitglied einer Gemeinschaft zu werden, dann ist das für mich in Ordnung.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Liegestuhl »

olli hat geschrieben:(09 May 2021, 00:09)

Andere Länder, andere Sitten. So ist es auch mit den Religionen. Wenn die meinen sie müssten ihre Genitalien verstümmeln dann ist das so. Weshalb man sich darüber als Unbetroffener überhaupt aufregt ist Banane. Das müssen die Betroffenen für sich selbst klären.
Was würde wohl passieren, wenn Ägypten plötzlich das Taufen von Kindern verbieten würde und sich als Grund, diverse Risiken herbeikonstruiert, die man als Durchschnitts-Christ nicht versteht?
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Billie Holiday »

Liegestuhl hat geschrieben:(09 May 2021, 09:42)

Die Eltern entscheiden über das Wohl des Kindes. Das ist mir generell lieber, als das der Staat entscheidet, was gut für die Kinder ist.

Und wenn die Eltern entscheiden, dass es ist für das zukünftige Leben des Jünglings wichtig ist, ein voll anerkanntes Mitglied einer Gemeinschaft zu werden, dann ist das für mich in Ordnung.
Da würde ich Einschränkungen machen. Ich finde es völlig ok, dass der Staat die Ehe mit 13jährigen verbietet, auch wenn die eigenen Eltern der Meinung sind, das ist fürs Töchterchen gut und richtig.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Liegestuhl »

Billie Holiday hat geschrieben:(09 May 2021, 09:45)

Da würde ich Einschränkungen machen. Ich finde es völlig ok, dass der Staat die Ehe mit 13jährigen verbietet, auch wenn die eigenen Eltern der Meinung sind, das ist fürs Töchterchen gut und richtig.
Ja, aber das ist ohnehin von gesetzeswegen verboten.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Billie Holiday »

Liegestuhl hat geschrieben:(09 May 2021, 09:48)

Ja, aber das ist ohnehin von gesetzeswegen verboten.
Dort hat der Staat sich auch über Elternwille hinweggesetzt, weil er das Wohl des Kindes in Gefahr sieht.
In manchen Fällen nimmt er den Eltern die Allmacht, sonst hätten wir hier mehr kindliche Ehefrauen oder verstümmelte Mädchen.
Dass bei der männlichen Beschneidung der Staat nicht gegen an geht, spricht ja auch für die Harmlosigkeit dieses Aktes.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Liegestuhl »

Billie Holiday hat geschrieben:(09 May 2021, 09:54)

Dort hat der Staat sich auch über Elternwille hinweggesetzt, weil er das Wohl des Kindes in Gefahr sieht.
In manchen Fällen nimmt er den Eltern die Allmacht, sonst hätten wir hier mehr kindliche Ehefrauen oder verstümmelte Mädchen.
Dass bei der männlichen Beschneidung der Staat nicht gegen an geht, spricht ja auch für die Harmlosigkeit dieses Aktes.
Da gehe ich mit dir Paroli.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Findulin »

Der Knackpunkt ist ja: medizinisch nicht indizierte Körperverletzung, über die die Eltern im Rahmen der Religionsausübung bestimmen dürfern.

Das ist schon ein bedeutender Schritt weiter als "bislang "übllich".
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Zahnderschreit »

Billie Holiday hat geschrieben:(09 May 2021, 09:54)

Dort hat der Staat sich auch über Elternwille hinweggesetzt, weil er das Wohl des Kindes in Gefahr sieht.
In manchen Fällen nimmt er den Eltern die Allmacht, sonst hätten wir hier mehr kindliche Ehefrauen oder verstümmelte Mädchen.
Dass bei der männlichen Beschneidung der Staat nicht gegen an geht, spricht ja auch für die Harmlosigkeit dieses Aktes.
Wenn die Beschneidung als harmlos betrachtet wird, spricht aber doch auch nichts gegen Kinderhochzeiten. Die lassen sich ja sogar wieder scheiden.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Zahnderschreit »

Liegestuhl hat geschrieben:(03 May 2021, 13:57)

Falsch. Der Rechtsstaat und das Gesetz sind auf ihrer Seite.

Das kann man gut finden. Man kann es schlecht finden.
Eben. Deswegen ist die Antwort "Falsch" unangebracht.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Liegestuhl »

Zahnderschreit hat geschrieben:(12 May 2021, 08:32)

Wenn die Beschneidung als harmlos betrachtet wird, spricht aber doch auch nichts gegen Kinderhochzeiten.
Welche Logik steckt hinter dieser Argumentation?
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Zahnderschreit »

Eine Hochzeit ist doch etwas harmloses (ein paar rechtliche Folgen gibt es vielleicht, aber ansonsten ist eine Hochzeit ja eigentlich bedeutungslos). Und wenn das Kind nur verheiratet als vollwertiges Mitglied anerkannt wird, sollte man das Kindeswohl doch durch eine Heirat fördern.
Zumindest, wenn man die gleiche Argumentation mit der Beschneidung als richtig empfindet.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Liegestuhl »

Zahnderschreit hat geschrieben:(12 May 2021, 10:29)

Eine Hochzeit ist doch etwas harmloses (ein paar rechtliche Folgen gibt es vielleicht, aber ansonsten ist eine Hochzeit ja eigentlich bedeutungslos).
Ist das dein Ernst? Eine Kinderhochzeit ist etwas harmloses?
Ich schulde dem Leben das Leuchten in meinen Augen.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Keoma »

Liegestuhl hat geschrieben:(12 May 2021, 10:50)

Ist das dein Ernst? Eine Kinderhochzeit ist etwas harmloses?
Na ja, immerhin lachen da alle, keiner weint.
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Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.

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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Zahnderschreit »

Liegestuhl hat geschrieben:(12 May 2021, 10:50)

Ist das dein Ernst? Eine Kinderhochzeit ist etwas harmloses?
Das habe ich nicht geschrieben. ;)
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Liegestuhl »

Zahnderschreit hat geschrieben:(14 May 2021, 15:48)

Das habe ich nicht geschrieben. ;)
Dann ist das hier erklärungsbedürftig:
Zahnderschreit hat geschrieben:(12 May 2021, 08:32)
Wenn die Beschneidung als harmlos betrachtet wird, spricht aber doch auch nichts gegen Kinderhochzeiten.
Ich schulde dem Leben das Leuchten in meinen Augen.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Zahnderschreit »

Beachte das erste Wort.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Liegestuhl »

Zahnderschreit hat geschrieben:(14 May 2021, 15:57)

Beachte das erste Wort.
Du hältst also männliche Beschneidungen vergleichbar mit Kinderhochzeiten.
Finde ich jetzt aus ethischen Gesichtspunkten auch nicht besser.
Ich schulde dem Leben das Leuchten in meinen Augen.
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von BlueMonday »

Liegestuhl hat geschrieben:(26 Apr 2021, 16:09)

Wem glaubst du denn mit einem Gesetz zu helfen? Glaubst du, Juden, die ihre Kinder beschneiden lassen wollen, würden es plötzlich lassen, weil die aufrechten Deutschen es so wollen?

Veränderungen bezüglich Beschneidungen müssen aus der jüdischen und der muslimischen Community kommen. Mit Gesetzen wirst du allenfalls gegenseitiges Misstrauen zwischen Juden, Muslimen und "den Deutschen" schüren. Fronten werden sich verhärten und das ist keine Grundlage für Verständnis oder einem kritischen Hinterfragen.
Da hast du mcih missverstanden. Ich will da niemanden bevorzugt in dieser Sache "helfen".
Mir geht es elementar um die Frage, wie weit ein Staatswesen in "persönliche Angelegenheiten" faktisch reicht, also sich herausnimmt zu intervenieren, und wie es zu dieser Macht zum Eingriff kam. Die Intervention ist ja an der Tagesordnung, auch durchaus unter Applaus von Teilen des Publikums ("Staatsvolk"). Und das "Gewaltmonopol" des Staates schreckt ja nicht sofort zurück, nur weil es Widerstand oder "Frontenbildungen" befürchtet. Die ganze Pointe der Staatsgewalt ist es ja gerade sich gegen Widerstände durchzusetzen (und den möglichen Widerstand im Vorfeld weitgehend zu entwaffnen).

Nun kann man es sich bequem machen und sagen: Alles, was "das Recht"(die Legislative) positiv setzt (zum "Gesetz" macht), ist auch richtig/recht bzw. nicht zu beanstanden, zumindest klaglos zu befolgen, so wie es etwa neulich der grüne Kretschmann vom dt. Staatsvolk ernstlich einforderte.
Und da kann einestages eine bislang nicht verbotene, ungestrafte, bis dato für das "öffentliche Interesse" belanglose Handlung plötzlich unter Strafe stehen. Das passiert ja immer wieder, dass sich die Gesetzeslage eines Staates ändert. Das ist ja geradezu der Arbeitsnachweis der sog. Legislative, die Gesetzeslage immer wieder zu ändern. Da ist es nun nebensächlich, wer sich und warum durch diese Änderung "geholfen" sieht. Offenbar gab es ja Motive zur Änderung.
Inwiefern "hilft" es dir bspw., wenn irgendein Straftäter für seine Straftat bestraft wird? Mna könnte es ja auch lassen.

Mit Abstand betrachtet bleibt eine Machtkonstellation übrig, die den Eingriff möglich macht oder auch verhindert. Also wenn du dich einestages einer Intervention gegenübersiehst(man hindert durch Strafandrohung an einer Handlung), dann ist es das Letzte, was dir zu diesem späten Zeitpunkt noch hilft zu fragen: "Was geht es euch überhaupt an?" Offenbar so einiges, wenn man so weit gekommen ist. Man hat es sich herausgenommen und du bist offensichtlich machtlos dagegen.
Das wäre ja eine Frage, die grundsätzlich immer zu stellen wäre. Die ganze politische Sphäre besteht ja aus nichts anderem als den Eingriff in persönliche Angelegenheiten. Man macht eine private Sache zur öffentlichen Sache. "Das Private ist das Politische." Und die Entscheidungsräume vergrößern sich zusehends.
Die Büchse der Pandorra ist praktisch geöffnet mit der ersten "öffentlichen Angelegenheit". Und so wird auch die rituell versehrte Kindervorhaut immer wieder zu einer öffentlichen Angelegenheit. Die eigentliche Politik("public choice") spielt sich immer im Vorfeld des positiven Rechts ab, sonst würde sich das Recht ja praktisch nie ändern. Der entscheidende Impuls kommt immer von außerhalb des Rechts. Letztlich geht es um die Gestaltung der Welt. Der Liberale lässt möglichst viele Privatparzellen übrig ("private choice"). Der Kollektivtist, der Etatist will diese Gartenzäune überwinden und mitbestimmen, was im Garten wächst oder weggeschnitten wird...

Da gibt es ja auch vieles zu lernen, wie man kleinere Entscheidungsräume etabliert oder verteidigt, in die der Staat offenbar immer noch nicht so einfach eindringen kann.
ensure that citizens are informed that the vaccination is not mandatory and that no one is under political, social or other pressure to be vaccinated if they do not wish to do so;
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Re: Religiöse Vorhautbeschneidung in der Kritik

Beitrag von Antonius »

BlueMonday hat geschrieben:(14 May 2021, 20:59)
(...)
Mit Abstand betrachtet bleibt eine Machtkonstellation übrig, die den Eingriff möglich macht oder auch verhindert. Also wenn du dich einestages einer Intervention gegenübersiehst(man hindert durch Strafandrohung an einer Handlung), dann ist es das Letzte, was dir zu diesem späten Zeitpunkt noch hilft zu fragen: "Was geht es euch überhaupt an?" Offenbar so einiges, wenn man so weit gekommen ist. Man hat es sich herausgenommen und du bist offensichtlich machtlos dagegen.
Das wäre ja eine Frage, die grundsätzlich immer zu stellen wäre. Die ganze politische Sphäre besteht ja aus nichts anderem als den Eingriff in persönliche Angelegenheiten. Man macht eine private Sache zur öffentlichen Sache. "Das Private ist das Politische." Und die Entscheidungsräume vergrößern sich zusehends.
Die Büchse der Pandorra ist praktisch geöffnet mit der ersten "öffentlichen Angelegenheit". Und so wird auch die rituell versehrte Kindervorhaut immer wieder zu einer öffentlichen Angelegenheit. Die eigentliche Politik("public choice") spielt sich immer im Vorfeld des positiven Rechts ab, sonst würde sich das Recht ja praktisch nie ändern. Der entscheidende Impuls kommt immer von außerhalb des Rechts. Letztlich geht es um die Gestaltung der Welt. Der Liberale lässt möglichst viele Privatparzellen übrig ("private choice"). Der Kollektivtist, der Etatist will diese Gartenzäune überwinden und mitbestimmen, was im Garten wächst oder weggeschnitten wird...
Da gibt es ja auch vieles zu lernen, wie man kleinere Entscheidungsräume etabliert oder verteidigt, in die der Staat offenbar immer noch nicht so einfach eindringen kann.
Ich möchte Dir ausdrücklich Recht in Deiner Argumentation geben.
Die "rituell versehrte Kindervorhaut" kann zu einer öffentlichen Angelegenheit werden, wenn die Angehörigen, den Anstoß zur Reform zu geben.
Das geschieht, wenn es im Judentum eine ernsthafte Debatte darüber gibt, die Brit Milah ( בְּרִית מ'לָה ) durch die Brit Shalom ( ברית שלום) zu ersetzen.
Die Debatte führt zu der Erkenntnis, daß das Beschneidungsritual weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für das Dasein im Judentum ist.
SAPERE AUDE - Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.
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