Jekyll » Mi 15. Mai 2013, 21:53 hat geschrieben:Ich finde es grausam von Jesus, wie er zu der Kanaaniterin, die ihn um Hilfe für seine kranke Tochter anflehte, sagt
"Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt [...] Es ist nicht recht, das Brot der Kinder zu nehmen und es den Hündlein hinzuwerfen."
Er soll ihr dann doch geholfen haben, aber diese Wortwahl...herrje...heute würde man das als rassistisch einstufen, denke ich. Seeeehr bedenklich.
Du zeigst hier klar auf, dass du diese Situation nach deiner eigenen menschlichen betrachtest und beurteilst.
Du lässt die Absichten und die Motivationen, die Hintergründe, Gottes aus der Beurteilung heraus und kommst deshalb zu solch einem Urteil.
Nehmen wir das mal auseinander.
Zunächst mal die Passage in der Bibel, auf die du dich beziehst:
Matthäus 15
"
21 Und Jesus ging aus von dannen und entwich in die Gegenden von Tyrus und Sidon;
22 und siehe, ein kananäisches Weib, das von jenen Grenzen herkam, schrie [zu ihm] und sprach: Erbarme dich meiner, Herr, Sohn Davids! meine Tochter ist schlimm besessen.
23 Er aber antwortete ihr nicht ein Wort. Und seine Jünger traten herzu und baten ihn und sprachen: Entlaß sie, denn sie schreit hinter uns her.
24 Er aber antwortete und sprach: Ich bin nicht gesandt, als nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. (Matthäus 10.5-6) (Römer 15.8)
25 Sie aber kam und warf sich vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir!
26 Er aber antwortete und sprach: Es ist nicht schön, das Brot der Kinder zu nehmen und den Hündlein hinzuwerfen.
27 Sie aber sprach: Ja, Herr; denn es essen ja auch die Hündlein von den Brosamen, die von dem Tische ihrer Herren fallen.
28 Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: O Weib, dein Glaube ist groß; dir geschehe, wie du willst. Und ihre Tochter war geheilt von jener Stunde an. (Matthäus 8.10) (Matthäus 8.13) "
Jesus befand sich also zunächst mal nicht auf israelischem Boden, sondern im Heidenland Phönizien, in Tyros (Vers 21).
Dann kam offenbar diese heidnische Frau und schrie von weitem um Hilfe nach Jesus.
Interessanterweise nennt sie als Heidin Jesus "Herr" und "Sohn Davids", sie hatte also offenbar von Jesus und Seinen Wundertaten gehört und Glaube (!!!) war ihre Motivation, Hilfe bei Jesus zu erbitten (Vers 22). Dies sicher auch unter Verachtung ihrer eigenen Landsleute, da sie sich an den Messias der Feinde der Phönizier wandte.
In Vers 23 heisst es, dass Jesus ihr nicht antwortete und auf ihre Bitte nicht einging und dass die Jünger offenbar Ruhe haben wollten und versuchten Jesus dazu zu bewegen, dieser Frau, rsp. ihrer Tochter, zu helfen, damit das Geschreie aufhört. Dieses Drängen der Jünger, dass Jesus der Frau doch helfen solle, war nicht von Liebe geprägt, sie waren einfach nur genervt.
Dann antwortet Jesus den Jüngern, dass Er (zunächst) zum Hause Israel gesandt wurde (Matthäus 10,6), dies hatte ich im obigen Beitrag ja bereits angesprochen.
Der Auftrag von Jesus war, zunächst dem Hause Israel das Evangelium zu bringen und (noch) nicht zu den Heiden zu gehen (siehe auch Römer 15,8), somit war Jesus dem Auftrag Seines Vaters treu und ging nicht eigene Wege, obwohl man sich gut vorstellen kann, dass Jesus grundsätzlich gerne geholfen hätte.
Die Frau lässt aber nicht locker, sie muss einen grossen Glauben an Jesus zur Lösung der Probleme ihrer Tochter gehabt haben, der sie sogar bis vor Jesus getrieben hat und sie sich vor Jesus niederwarf und ihn nochmals bat "Herr hilf mir!".
Jesus erklärt ihr (Vers 26) den Umstand, dass Er zunächst zu dem Volke Israel gesandt wurde.
Jesus beleidigt hier sicherlich nicht diese Frau, das zeigt ja bereits der Begriff "Hündlein", welches an ein Schosshündchen/Haustier denken lässt.
Jesus zeigt den Umstand auf, dass es nicht Sein Auftrag vom Vater ist, anstatt (zunächst) zu den Kindlein (Volk Israel), zu den Hündlein zu gehen und sie zu "sättigen", also auf Kosten der Kindlein.
Die Frau reagiert auch nicht beleidigt und deshalb muss man sich fragen, wieso ausgerechnet du dann solches als "rassistisch" ansehen (möchtest)?
Die Frau reagiert sogar verständnisvoll und gibt Jesus recht, sie argumentiert jedoch geschickt und der Wahrheit den Absichten Gottes entsprechend, welcher alle Menschen erreichen und "sättigen" möchte (Vers 27).
Diese Frau hat offenbar geistliche Wahrheiten verstanden, sie hat verstanden, dass Jesus sowohl zunächst zu den Juden gesandt wurde, dass aber das Heil von Jesus, durch die Juden, zu den Heidenvölkern des gesamten Weltkreises durchdringen wird.
So ist es der Beschluss Gottes, dass "das Heil von den Juden ausgeht" (Johannes 4,22).
Und dies hatte diese Heidin, ohne theologische Bildung, erkannt. Eine Erkenntnis, woran die Meister in Israel scheiterten.
Diese Frau erkannte Jesus, sie kannte und aktzeptierte offensichtlich die geistlichen Hintergründe und Jesus erkannte, dass der Vater dieser Heidin diese Wahrheit offenbarte.
Jesus sah auch ihren Glauben, deshalb antwortet Jesus ihr auch in Vers 28 entsprechend und die Frau ist geheilt.
Diese Geschichte zeigt die tiefsinnige Theologie, die Absichten Gottes in Seinem souveränen Handeln mit der Menschheit, auf.
Diese Frau empfand die Antwort von Jesus weder als Beleidigung, noch verwendete Jesus beleidigende Worte.
Ihre Argumentation, dass auch die "Hündlein", also die Heidenvölker, von den "Brocken" des gedeckten Tisches der "Kindlein" leben können (und von Gott aus ja auch leben sollen), verletzt weder den Auftrag Gottes an Jesus (zunächst zu dem Hause Israel zu gehen), noch wird einem "Hungernden", der zu Jesus kommt, nicht geholfen.
Warum also willst du unbedingt dies als rassistisch/grausam, was auch immer Verwerfliches in Deinen Augen (...), sehen?