Ich will das nur einmal am Beispiel Tschechien ergänzen. Das liegt ein wenig näher. In einem Beitrag zur Reihe "Politikpodcast", die ich regelmäßig verfolge, gings um diesen ganzen Komplex: Russland, Biden, China, Der sogennante Westen, "Identität" .... Eine der Journalistinnen sprach sich explizit für eine Beibehaltung dessen, was sie "Identität" nannte als Zugehörigkeitsgefühl zum "Westen" aus. Als Gegenargument zu dieser Vorstellung, dass in China seit längerem in quasi fordistischen Fabriken 24 mal 7 preiswerte gute Autos, Waschmaschinen, Smartphones vom Band laufen. Dass man - nur als Beispiel - mit der automatischen Landung auf der Mondrückseite nicht nur die technologische Anschlussfähigkeit sondern mittelfristig auch vielleicht die technologische Führerschaft unter Beweis stellte. Und die Folge der in China ausgebrochenen Pandemie ist, dass China vor Kraft unter anderem deswegen kaum laufen kann. Sie, die Journalistin, stellte der Position (verkürzt) "Warum eigentlich nicht China?" die Position entgegen: Ich gehöre zum Westen. Zu Demokratie,Pluralismus, Pressefreiheit, Menschenrechte. Das wird aber möglicherweise die Position einer Minderheit sein. Eine Position, die ich unbedingt selbst auch vertrete. Aber die nicht mehr selbstverständlich ist. Die man offensiv selbst und nicht einfach durch "Zugehörigkeitsgefühl" oder "Identität" verteidigen muss. Ein Land wie China wird immer bessere und preiswertere Smarthones herstellen. Und in Kürze nicht nur auf der Rückseite des Mondes landen, eine Pandemie überwinden und eine Raumstation im Erdorbit installieren. Das absolut schlagende Argument der ökonomischen und technologischen Überlegenheit irgendeines demokratisch-marktwirtschaftlichen Westens gegenüber irgendeines kommunistisch-planungswirtschaftlichen Ostens wird es nicht mehr geben. Die KP Chinas gibt vor, dass in China die besten und gleichzeitig preiswertesten Waschmaschinen der Welt produziert werden sollen ... und dann wird es so kommen. Diese Entwicklung hat sehr viel damit zu tun, dass an die Stelle des Ideals von Indiivudualismus bei einem Teil der Weltbevölkerung das Ideal der Zugehörigkeit gekommen ist. Das Ideal der Followerschaft. Der Sympathiepunkte auf irgendwelchen digitalen Plattformen.Ammianus hat geschrieben:(21 Jun 2021, 14:01)
Nehmen wir ruhig noch die USA und Trump hinzu. Im von mir hier empfohlenem Buch versucht Wagenknecht das zu analysieren. Tatsächlich fand in den letzten Jahrzehnten ein starker gesellschaftlicher Umbau statt. Die Arbeiterklasse verlor ihre nach dem 2. Weltkrieg so gewachsene Bedeutung und gesicherte gesellschaftliche Stellung. Das begann schon Ende der 70er mit den verschiedensten Vorgängen die zu einer steigenden Wirtschaftsliberalisierung und dann Globalisierung führten. Gewerkschaften und hauptsächlich von Arbeitern gewählte Parteien wie die SPD in Deutschland verloren zunehmend an Einfluss. Massenhaft wurden Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. In den letzten Jahrzehnten wuchs der sogenannte Service-Sektor mit seinen zahlreichen aber schlecht bezahlten Jobs. Die davon betroffenen blieben daraufhin immer häufiger den Wahlen fern bzw. wählten dann Parteien, die bei den Eliten nicht sonderlich angesehen waren. Im Osten lässt sich gut beobachten wie größere Gruppen von der PDS, später Linken zur AfD wechselten. All diese Aussagen sind statistisch belegt. Wobei die Vorgänge insgesamt komplexer sind, als sie sich in wenigen Sätzen zusammenfassen lassen.
In Tschechien gibt es gegen dieses System China die Stadt Prag. Mit einem OB aus der tschechischen Piratenpartei. Der u.a. in Taiwan studierte und eine Taiwan-Flagge am Prager Rathaus hissen ließ. Mit allen Konsequenzen. Die Grenzen verlaufen nicht mehr zwischen Ost und West sondern zwischen diesen urbanen Bürgern Prags und dem übrigen kommunitaristischen Babis-Land. In welchem viele Leute am liebsten Polka aus dem Böhmerwald zum Pflichtthema im Musikunterricht machen würden. So wie es in Europa seit langem starke separatistische Bewegungen gibt, wird es schon in Kürze Bewegungen geben, die die Gründung von Stadtrepubliken anstreben. In denen man frei und ohne irgendwelche informellen Identitätsregeln leben kann.