Diktatursozialisierung?

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Ammianus
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Ammianus »

Nur so nebenbei und weil vieles, was hier im Strang angesprochen wird auch darin zu finden ist:

Sahra Wagenknecht, Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt. 2021

Habe lange nicht so etwas gefunden, wo ich in den meisten angesprochenen Punkten nur zustimmen kann. Da geht es auch um Sozialisation, Tradition, Konservativismus u.s.w.
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
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Ammianus
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Ammianus »

Vongole hat geschrieben:(20 Jun 2021, 18:48)

Vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Dass es in den Jahren direkt nach der Wende Untersuchungen/Berichte gab, man anfing, die Stasiunterlagen auszuwerten und aufzuarbeiten, das weiß ich und meinte ich nicht.
Ich habe jedoch den Eindruck, dass viele der Ex-DDR-Bürger gar nicht so erpicht darauf waren oder sind, diese ganzen Ergebnisse für sich selber auszuwerten, von den Betroffenen, sprich Opfern des Systems mal abgesehen.
Mein Mann z.B. war zwei Jahre nach Wende das erste Mal wieder zu Hause und kam fassungslos zurück. Jedes Gespräch mit vormals guten Freunde über die DDR wurde im Keim erstickt, unfreundlch abgewehrt, teilweise wurde ihm sogar
seine Flucht vorgeworfen. Diejenigen, mit denen er wirklich offen sprechen konnten, waren selbst schon auf dem Weg in den Westen, trotz der Schwierigkeiten, sie sie dort erwarteten.

Ja, unbegreiflich trifft's.
Ich wurde rot erzogen, absolut im Sinne des siegreichen Weges der Arbeiterklasse zum Kommunismus. Das begann aber nach und nach schon früh zu bröckeln. Da war der lächerliche Umgang der DDR-Medien mit der amerikanischen Mondlandung. Als Anfang der 70er Westverwandte wieder in den Osten konnten und Mitschülern bei Filzungen in der Schule die West-Plastiktüten einfach weggenommen wurden, Vorgänge bei der Wahl der 1. FDJ-Leitung in meiner Schulklasse. Dann natürlich das Verbot der Renft-Combo, die Biermann-Ausbürgerung, der große Krawall 1977 auf dem Berliner Alexanderplatz, der Eurokommunismus.
Mein Traum war eine bessere freie DDR. Das ist eine Sozialisation, die bis heute nachwirkt wenn ich Landkarten sehe oder im Land unterwegs bin. In den 90ern kapierte ich, was Biermann schon früher begriffen hatte: Der Traum vom Sozialismus im Sinne von Marx war längst eine totes Kind mit dem die Mutter Erde schwanger ging.
Wie viele andere machte ich in den 80ern mein Ding in der Nischengesellschaft, war einfacher Facharbeiter der im Sommer durch Ungarn und Bulgarien trampte, sich von dort Westplatten mitbrachte. Mein damaliger und auch heutiger Bekanntenkreis sieht das ähnlich. Im Endeffekt sagen wir uns nur: Allen Göttern sei dank, dass wir das alles noch rechtzeitig erleben konnten.
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Teeernte
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

Kohlhaas hat geschrieben:(20 Jun 2021, 12:01)

Damit hast Du doch meine Analyse quasi bestätigt. Du schreibst doch selbst, dass die Nachwende-Erfahrungen im Osten zu einer überdurchschnittlichen Skepsis gegenüber der Demokratie geführt haben. Dass es quasi "unausweichlich" ist, dass die AfD im Osten so viele Wähler hat. Im Übrigen könntest Du es mal unterlassen, das so darzustellen, als würde ich pauschal über hundert Prozent der Ostdeutschen reden. Selbst in den neuen Bundesländern kommt die AfD nur auf 25 Prozent, regional vielleicht mal auf 30 Prozent der Stimmen..
DIE OLLEN über 50 haben mehr CDU gewählt.

Die jungen - ohne BRUCH OHNE OST OHNE DDR OHNE .....OHNE - NAchwendeJUGEND .....25-35 hat vorrangig AfD gewählt.
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Quatschki »

Ammianus hat geschrieben:(20 Jun 2021, 20:25)

Nur so nebenbei und weil vieles, was hier im Strang angesprochen wird auch darin zu finden ist:

Sahra Wagenknecht, Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt. 2021

Habe lange nicht so etwas gefunden, wo ich in den meisten angesprochenen Punkten nur zustimmen kann. Da geht es auch um Sozialisation, Tradition, Konservativismus u.s.w.
Die wurde 25 Jahre vom Verfassungsschutz beobachtet.
Und niemand in der PDS ist all die Jahre auf die Idee gekommen, zu erklären:
"Oh, Genossin Wagenknecht, unser Verfassungsschutz beobachtet Dich, ich muß mich leider von Dir distanzieren!",
Aber jetzt wollen sie sie rausschmeißen!
(brauchen sie aber dummerweise für die 5%-Hürde)
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Teeernte
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

Ammianus hat geschrieben:(20 Jun 2021, 20:40)

Ich wurde rot erzogen, absolut im Sinne des siegreichen Weges der Arbeiterklasse zum Kommunismus. Das begann aber nach und nach schon früh zu bröckeln. Da war der lächerliche Umgang der DDR-Medien mit der amerikanischen Mondlandung. Als Anfang der 70er Westverwandte wieder in den Osten konnten und Mitschülern bei Filzungen in der Schule die West-Plastiktüten einfach weggenommen wurden, Vorgänge bei der Wahl der 1. FDJ-Leitung in meiner Schulklasse. Dann natürlich das Verbot der Renft-Combo, die Biermann-Ausbürgerung, der große Krawall 1977 auf dem Berliner Alexanderplatz, der Eurokommunismus.
Mein Traum war eine bessere freie DDR. Das ist eine Sozialisation, die bis heute nachwirkt wenn ich Landkarten sehe oder im Land unterwegs bin. In den 90ern kapierte ich, was Biermann schon früher begriffen hatte: Der Traum vom Sozialismus im Sinne von Marx war längst eine totes Kind mit dem die Mutter Erde schwanger ging.
Wie viele andere machte ich in den 80ern mein Ding in der Nischengesellschaft, war einfacher Facharbeiter der im Sommer durch Ungarn und Bulgarien trampte, sich von dort Westplatten mitbrachte. Mein damaliger und auch heutiger Bekanntenkreis sieht das ähnlich. Im Endeffekt sagen wir uns nur: Allen Göttern sei dank, dass wir das alles noch rechtzeitig erleben konnten.
Mondlandung ? ...Medien ? Du bist älter als ich ?? Nun ja - die Ungarn -Rumänien-Bulgarientramperei hat ich ach als Lehrling...
Das Interesse war MÄDELs ->> (...NULL Politik). Da hab ich sicher besser ins System "gepasst".
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Dark Angel
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Dark Angel »

Kohlhaas hat geschrieben:(20 Jun 2021, 19:44)

Mir ist schon klar, dass auch die Menschen in den neuen Bundesländern den Soli bezahlen. Das ist ja auch nur gerecht. Warum hätten die Menschen in der ehemaligen "West-BRD" die Kosten der Wiedervereinigung allein tragen sollen? Es geht dabei aber um einen anderen Punkt: Die Menschen in der BRD hatten es nicht zu verantworten, dass die DDR-Wirtschaft dermaßen marode war. Sie waren nicht schuld daran, dass im Osten Fußwege mit Holzdächern überbaut werden mussten, damit den Passanten nicht Trümmer von den runtergekommenen Häusern auf den Kopf fallen. Dafür konnten "wir Wessis" nichts. Wir haben trotzdem dafür bezahlt, ohne groß zu klagen. Das sollte man in Erinnerung behalten, ehe man jetzt hier die "gequälte Ossi-Seele" raushängen lässt und so tut, als hätten "wir Besserwessis" den Osten anektiert und die Menschen dort beraubt. Damit meinte ich nicht Dich!
Och, was as angeht, rennst du bei mir offene Türen ein.
Tja, wenn allen alles gehört, dann fühlt sich halt niemand mehr verantwortlich, dann wird die gesamte Wirtschaft auf Verschleiß gefahren, wird nicht mehr investiert. Genau das ist in der DDR passiert und darum war auch die Wirtschaft so marode.
Die phösen Kapitalisten wissen und beherzigen das "Eigentum verpflichtet!", aber genau das interessiert niemanden bei Volkeigentum.
Kohlhaas hat geschrieben:(20 Jun 2021, 19:44)
Richtig, der Soli dient sicher auch dazu, irgendwo Haushaltslöcher zu stopfen. Es lässt sich trotzdem nicht von der Hand weisen, dass die Wiedervereinigung gewaltige Milliardensummen gekostet hat und dass "wir Wessis" klaglos den Löwenanteil dieser Kosten bezahlt haben.
Erzähle das mal den "Selinas dieser Welt". :s
Die Userin hat wahrscheinlich nie einen DDR-Produktionsbetrieb von innen gesehen. Hätte sie, dann wüsste sie, dass z.B. in der Textilproduktion an den Webstühle noch die Schwungräder für die Transmissionsriemen angeflascht waren, die Elektromotoren, mit denen sie arbeiteten, waren nachgerüstet. Jeder der auch nur ein kleines bisschen Ahnung hat, müsste wissen, was das bedeutet, wie alt diese Maschinen waren. Und dann wird bis heute über die Abwicklung dieser Betriebe gejammert. Das it do wohl'n Witz in Tüten.
Ich war im Braunkohlebergbau beschäftigt und die Brikettpressen, mit denen wir noch 1989 produzierten, waren in Durchschnitt 100 bis 120 Jahre alt.
Der Tagebau unseres Betriebes hat montanwachshaltiges Flöz - eine der weltweit drei Lagerstätten. Mit dem Zeug haben wir ca. 2/3 des gesamten Devisenaufkommes der DDR erwirtschaftet, aber Mittel für dringend notwendige Investitionen - Pustekuchen, wir durften weiter mit dem Schrott arbeiten, der uns zur Verfügung stand.
Als Betriebswirtschaftler ist mir sehr wohl bewusst, dass es die Wiedervereinigung nicht zum Nulltarif geben konnte, dass die Aufrechterhaltung der Weltmarktfähigkeit "Unsummen" kostet und dass die nicht mit den "Urwaldschmieden" der DDR-Wirtschaft zu erreichen ist.
Kohlhaas hat geschrieben:(20 Jun 2021, 19:44)
Um mal wieder die Schärfe aus der Debatte zu nehmen: Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass der Systemwechsel für die Menschen in der ehemligen DDR vielfach sehr schmerzhaft war. Ich wüsste aber nicht, wie man das hätte vermeiden können. Es war nunmal ein Systemwechsel. Das Land ist radikal umgekrempelt worden. Das tat an vielen Stellen auch weh. Wenn einzelne Diskussionsteilneher das jetzt so darstellen, als sei das "kapitalistisches Beuteverhalten" gewesen und hätte die Würde der Menschen verletzt, dann ist das allerdings mehr als überzogen. Die Menschen in der DDR wollten den Wechsel selbst. Niemand konnte erwarten, dass im Osten alles beim Alten bleibt und die Trabis nur durch West-Autos ersetzt werden.
Tja siehste und genau das ist das Problem, es war eben den wenigsten bewusst, dass der Systemwechsel sehr schmerzhaft werden wird. Die meisten dachten, sie kriegen die Westmark, können alles kaufen und ansonsten bleibt alles beim Alten.
Für sehr viele gab es dann ein böses Erwachen, als mit der Westmark auch westliche Wirtschaftsverhältnisse kamen und der Schlendrian, den sie gewöhnt waren, ein Ende hatte.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Dark Angel
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Dark Angel »

Ammianus hat geschrieben:(20 Jun 2021, 20:40)

Ich wurde rot erzogen, absolut im Sinne des siegreichen Weges der Arbeiterklasse zum Kommunismus. Das begann aber nach und nach schon früh zu bröckeln. Da war der lächerliche Umgang der DDR-Medien mit der amerikanischen Mondlandung. Als Anfang der 70er Westverwandte wieder in den Osten konnten und Mitschülern bei Filzungen in der Schule die West-Plastiktüten einfach weggenommen wurden, Vorgänge bei der Wahl der 1. FDJ-Leitung in meiner Schulklasse. Dann natürlich das Verbot der Renft-Combo, die Biermann-Ausbürgerung, der große Krawall 1977 auf dem Berliner Alexanderplatz, der Eurokommunismus.
Mein Traum war eine bessere freie DDR. Das ist eine Sozialisation, die bis heute nachwirkt wenn ich Landkarten sehe oder im Land unterwegs bin. In den 90ern kapierte ich, was Biermann schon früher begriffen hatte: Der Traum vom Sozialismus im Sinne von Marx war längst eine totes Kind mit dem die Mutter Erde schwanger ging.
Wie viele andere machte ich in den 80ern mein Ding in der Nischengesellschaft, war einfacher Facharbeiter der im Sommer durch Ungarn und Bulgarien trampte, sich von dort Westplatten mitbrachte. Mein damaliger und auch heutiger Bekanntenkreis sieht das ähnlich. Im Endeffekt sagen wir uns nur: Allen Göttern sei dank, dass wir das alles noch rechtzeitig erleben konnten.
Die Mondlandung habe ich im "Westfernsehen" verfolgt, war damals noch sehr jung. Was mir dazu in Erinnerung geblieben ist, dass sie mehr oder weniger totgeschwiegen wurde, aber ein unwahrscheinlicher Bohei um Lunochod gemacht wurde.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

Dark Angel hat geschrieben:(21 Jun 2021, 00:02)

Tja siehste und genau das ist das Problem, es war eben den wenigsten bewusst, dass der Systemwechsel sehr schmerzhaft werden wird. Die meisten dachten, sie kriegen die Westmark, können alles kaufen und ansonsten bleibt alles beim Alten.
Für sehr viele gab es dann ein böses Erwachen, als mit der Westmark auch westliche Wirtschaftsverhältnisse kamen und der Schlendrian, den sie gewöhnt waren, ein Ende hatte.
Wurde denn der Schlendrian überhaupt noch als solcher empfunden? Ich kann mich an die Erzählung eines Bauunternehmers erinnern, der überrascht war, dass gelieferte Menge Baumaterial bereits innerhalb eines Vormittages verbaut waren. Als er erfreut zusicherte sofort weiteres auf die Baustelle liefern zu lassen, traf er auf Widerstand. Die Bauarbeiter hätten sich deshalb so beeilt, das vorhandene Material zu verarbeiten, damit sie den Nachmittag zur freien Verfügung hätten. Missverständnisse waren vorprogrammiert.

In meinem, zwangsläufig begrenzten, Umfeld kann ich dritteln. Ein Drittel, die damals Jungen, liessen alles stehen und liegen und wollten den Westen bis weit über die EU Grenze hinaus erkunden, ein Drittel, die Alten, blieben und legten mehr oder weniger ihr gewohntes Leben, ein Drittel, die Mittleren fingen vor Ort noch einmal von vorne an, schulten um oder machten sich selbstständig, durchlebten Höhen und Tiefen. Bei Familientreffen stelle ich Zufriedenheit fest. Man hat die Herausforderung gemeistert, jeder auf seine Art. Wie Ammianus schreibt, die DDR zurück will keiner haben. Jeder ist froh, dass die Wiedervereinigung erlebt werden durfte. Was sich auch feststellen lässt, das ist eine mehr oder weniger offen zu Tage tretende Verachtung für die heute noch Jammernden.
Kann es sein, dass diese Jammernden zweifach gesellschaftlich gespalten sind, einmal in ihrer negativen Ost/West Betrachtung und dann auch innerhalb des die umgebenden gesellschaftlichen Rahmens im Osten der Republik, in der Betrachtung erfolgreich gemeistert/nicht erfolgreich gemeistert? Dass die Wahl einer AfD als Verheissung erscheint, von "wahrgenommen werden", bis zu der vagen Möglichkeit, "wieder wer zu sein" und sei es auch nur, sich im Glanz einer erfolgreichen AfD spiegeln zu können?

Ich kann mich aber auch noch gut an das fassungslose Entsetzen meines Vaters (gebürtiger Sachse) erinnern, als bereits 2004 die NPD mit ca. 9% in den sächsischen Landtag einzog. Wenn ich die heutige AfD Entwicklung in Sachsen betrachte, war das bereits ein Fingerzeig, den man schlichtweg nicht wahrnehmen wollte?
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

Kohlhaas hat geschrieben:(19 Jun 2021, 11:19)

Wenn es für Dich identitätsstiftend ist, unbelehrbar zu sein, dann genieße es einfach.

Aber mal so am Rande gefragt: Kaufst Du manchmal Lebensmittel ein? Schon allein dadurch wirst Du zum Teil einer "Gemeinschaft". Fährst Du ein Auto? Beachtest Du dabei die Verkehrsregeln? Schon allein dadurch wirst Du zum Teil einer "Gemeinschaft". Wenn Dein Nachbar Dein Auto anzündet: Greifst Du dann zu Selbstjustiz oder rufst Du Die Polizei? Ohne Dich belehren zu wollen: Die Idee, dass Du so völlig unabhängig von jeglicher "Community" bist, hält nicht mal der oberflächlichsten Prüfung stand. Du hast eine Schule besucht (besuchen müssen), Du hast mit großer Wahrscheinlichkeit eine Arbeitsstelle angetreten,... Ich könnte fast endlos weitere Beispiele auflisten. Es ist schlechterdings unmöglich, in Deutschland zu leben und nicht Teil der Gesellschaft zu sein. Die bloße Vorstellung ist schon absurd. Das ist so, als würde sich jemand als Nonkonformisten bezeichnen und dann Uniform tragen. Aber wenn es Dich glücklich macht... Ich gönne es Dir.
Da kommen wir ein bissel vom Thema ab ... Natürlich ist man in einer sehr arbeitsteiligen Gesellschaft und in einem, ja, ausdifferenzierten Sozialsystem immer Teil von allen möglichen gemeinschaftlich organisierten Prozessen. Es ist aber immer noch ein Unterschied, ob man sich zu dieser kommunitaristischen Vorstellung eines Gemeinschaftslebens bekennt, ob man bei der Freiwilligen Feuerwehr mitmacht oder die Fußballjugend trainiert ... oder ob man einen eher urbanen Lebensstil bevorzugt.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

Ammianus hat geschrieben:(20 Jun 2021, 20:40)

Ich wurde rot erzogen, absolut im Sinne des siegreichen Weges der Arbeiterklasse zum Kommunismus. Das begann aber nach und nach schon früh zu bröckeln. Da war der lächerliche Umgang der DDR-Medien mit der amerikanischen Mondlandung. Als Anfang der 70er Westverwandte wieder in den Osten konnten und Mitschülern bei Filzungen in der Schule die West-Plastiktüten einfach weggenommen wurden, Vorgänge bei der Wahl der 1. FDJ-Leitung in meiner Schulklasse. Dann natürlich das Verbot der Renft-Combo, die Biermann-Ausbürgerung, der große Krawall 1977 auf dem Berliner Alexanderplatz, der Eurokommunismus.
Mein Traum war eine bessere freie DDR. Das ist eine Sozialisation, die bis heute nachwirkt wenn ich Landkarten sehe oder im Land unterwegs bin. In den 90ern kapierte ich, was Biermann schon früher begriffen hatte: Der Traum vom Sozialismus im Sinne von Marx war längst eine totes Kind mit dem die Mutter Erde schwanger ging.
Wie viele andere machte ich in den 80ern mein Ding in der Nischengesellschaft, war einfacher Facharbeiter der im Sommer durch Ungarn und Bulgarien trampte, sich von dort Westplatten mitbrachte. Mein damaliger und auch heutiger Bekanntenkreis sieht das ähnlich. Im Endeffekt sagen wir uns nur: Allen Göttern sei dank, dass wir das alles noch rechtzeitig erleben konnten.
Man kann all dies verfolgen und darüber nachdenken ... ich glaube aber das ist eher ein Thema für die Literatur. Wenns einem um die aktuelle politische Entwicklung in der Welt geht ... landet man dabei gewissermaßen auf einem Nebengleis und irgenwann im Wald auf einer toten Strecke.

Es gibt in ganz Europa, bleiben wir mal bei Europa, seit zwanzig dreißig Jahren ein Wählerpotenzial von, sagen wir mal 15 bis 25 Prozent für Rechtspopulisten. Die Beispiele sind bekannt. Norwegen, Frankreich, Österreich, Niederlande usw. usf. bis hin zu den Wahren Finnen und den osteuropäischen Rechtspopulisten. Auch wenn die entsprechenden Parteien sich im einzelnen unterscheiden ... der rechtspopulistische Kern ist doch immer ähnlich. In den entsprechenden Ländern gibt es jedoch ganz unterschiedliche gesellschaftlich-soziale Entwicklungen. Besonders wenn man Ost- und Westeuropa vergleicht. Wenn diese Unterschiede dennoch zu ähnlichen politischen Entwicklungen führen ... dann muss man doch von der Logik her irgendwo anders suchen.

Die hohe Präferenz der 20 bis 40 jährigen kürzlich in Sachsen-Anhalt für die AfD ... es ist nicht dasselbe aber meiner Ansicht nach aus ähnlichen Reflexen heraus wie die hohe Präferenz der Jungen Union für Frierdrich Merz. Ich nenne das einfach mal "Chefismus". "Chefismus", einschließlich einer gewissen Verachtung von Parlamentarismus. Es soll nicht gequasselt sondern exekutiert werden.

Ganz ähnlich sehe ich die Entwicklung der FPÖ in Österreich. Ein kleines gut zu überblickendes Land. Die jungen Leute, die die FPÖ präferieren .... würde ich mal so ganz ungefähr dem Falco-Stil zuordnen. Taff irgendwie. Geradeaus. Und ebenfalls irgendwie "chefisch". Nicht umsonst haben schon die Strache-Leute alles mögliche unternommen, um Falco-Songs für ihre Wahlvideos zu verwenden. (Die Falco-Stiftung hat das übrigens aber unlängst untersagt).
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

Die ständigen "Liederbuch-Skandale" von FPÖ-Leuten ... Zanger zum Beispiel ... die auf österreichische Art fesch und gut gekleidet auftreten ... aber Nazi- und Judenhasslieder im Schrank haben. Die wurden nicht "diktatursozialisiert". Wenn schon dann eher im Burschenschaftsmillieu.
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Selina
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Jun 2021, 09:33)

Man kann all dies verfolgen und darüber nachdenken ... ich glaube aber das ist eher ein Thema für die Literatur. Wenns einem um die aktuelle politische Entwicklung in der Welt geht ... landet man dabei gewissermaßen auf einem Nebengleis und irgenwann im Wald auf einer toten Strecke.

Es gibt in ganz Europa, bleiben wir mal bei Europa, seit zwanzig dreißig Jahren ein Wählerpotenzial von, sagen wir mal 15 bis 25 Prozent für Rechtspopulisten. Die Beispiele sind bekannt. Norwegen, Frankreich, Österreich, Niederlande usw. usf. bis hin zu den Wahren Finnen und den osteuropäischen Rechtspopulisten. Auch wenn die entsprechenden Parteien sich im einzelnen unterscheiden ... der rechtspopulistische Kern ist doch immer ähnlich. In den entsprechenden Ländern gibt es jedoch ganz unterschiedliche gesellschaftlich-soziale Entwicklungen. Besonders wenn man Ost- und Westeuropa vergleicht. Wenn diese Unterschiede dennoch zu ähnlichen politischen Entwicklungen führen ... dann muss man doch von der Logik her irgendwo anders suchen.

Die hohe Präferenz der 20 bis 40 jährigen kürzlich in Sachsen-Anhalt für die AfD ... es ist nicht dasselbe aber meiner Ansicht nach aus ähnlichen Reflexen heraus wie die hohe Präferenz der Jungen Union für Frierdrich Merz. Ich nenne das einfach mal "Chefismus". "Chefismus", einschließlich einer gewissen Verachtung von Parlamentarismus. Es soll nicht gequasselt sondern exekutiert werden.

Ganz ähnlich sehe ich die Entwicklung der FPÖ in Österreich. Ein kleines gut zu überblickendes Land. Die jungen Leute, die die FPÖ präferieren .... würde ich mal so ganz ungefähr dem Falco-Stil zuordnen. Taff irgendwie. Geradeaus. Und ebenfalls irgendwie "chefisch". Nicht umsonst haben schon die Strache-Leute alles mögliche unternommen, um Falco-Songs für ihre Wahlvideos zu verwenden. (Die Falco-Stiftung hat das übrigens aber unlängst untersagt).
Vielleicht hat die Entwicklung etwas mit dem "Extremismus der Mitte" zu tun. Dazu (siehe taz-Text) würde mich deine Meinung interessieren:

https://taz.de/Debatte-Faschismus-und-Klassen/!5454393/
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(21 Jun 2021, 10:32)

Vielleicht hat die Entwicklung etwas mit dem "Extremismus der Mitte" zu tun. Dazu (siehe taz-Text) würde mich deine Meinung interessieren:

https://taz.de/Debatte-Faschismus-und-Klassen/!5454393/
Ein "Extremismus der Mitte" ist als Begriff natürlich ersteinmal ein Widerspruch in sich. Aber es deckt sich auf jeden Fall mit all meinen Erfahrungen, dass es nicht vorrangig die sozial "Abgehängten" sind, die politisch rechtskonservative, rechtpopulistische, autoritäre Richtungen voranbringen. Es sind eher als Kind seelisch vernachlässigte Drogistinnensöhne wie Heinz-Christian Strache.

Ich habe ein kritisches Verhältnis zum Begriff der "Mitte". Eine "Mitte" definiert sich selbst über die Ränder. Es kann bekanntermaßen eine ganze Gesellschaft nach rechts driften. Dann besteht die gesellschaftliche Mitte aus denen, die im Sportpalast auf die Frage, ob sie den totalen Krieg wollen, in zustimmende Begeisterung ausbrechen. Ich bin überzeugt davon, dass man immer eine kritische Distanz sowohl zur "Mitte" wie zu den "Rändern" haben sollte.
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Dark Angel
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Dark Angel »

JJazzGold hat geschrieben:(21 Jun 2021, 08:37)

Wurde denn der Schlendrian überhaupt noch als solcher empfunden? Ich kann mich an die Erzählung eines Bauunternehmers erinnern, der überrascht war, dass gelieferte Menge Baumaterial bereits innerhalb eines Vormittages verbaut waren. Als er erfreut zusicherte sofort weiteres auf die Baustelle liefern zu lassen, traf er auf Widerstand. Die Bauarbeiter hätten sich deshalb so beeilt, das vorhandene Material zu verarbeiten, damit sie den Nachmittag zur freien Verfügung hätten. Missverständnisse waren vorprogrammiert.

Ähem - Jein!
Es gab Branchen bzw Gruppen innerhalb der Betriebe, da wurde dieser Schlendrian durchaus als solcher empfunden und auch versucht, dagegen anzugehen. Mit wenig Erfolg. Teilweise herrschte tatsächlich die Mentalität, dann sein eigenes Ding zu machen. Es herrschte Mangel und es hatte sich einfach eingeschliffen, daraus seinen eigenen Nutzen zu ziehen.
Und ja- das betraf insbesondere das Bauwesen, wobei man dzu sagen muss, dass die Bauarbeiter auch nicht unbedingt die "hellsten Kerzen auf der Torte" waren. "Baufacharbeiter" lernten i.d.R. junge Männer, die die 10 Klasse nicht geschafft hatten und irgendwo zwischen Abschluss 6. und 8. Klasse, die Schule verließen oder es handelte sich um un- und angelernte Arbeiter.

JJazzGold hat geschrieben:[url=viewtopic.php?p=5017434#p5017434] (21 Jun 2021, 08:37)[/urlIn meinem, zwangsläufig begrenzten, Umfeld kann ich dritteln. Ein Drittel, die damals Jungen, liessen alles stehen und liegen und wollten den Westen bis weit über die EU Grenze hinaus erkunden, ein Drittel, die Alten, blieben und legten mehr oder weniger ihr gewohntes Leben, ein Drittel, die Mittleren fingen vor Ort noch einmal von vorne an, schulten um oder machten sich selbstständig, durchlebten Höhen und Tiefen. Bei Familientreffen stelle ich Zufriedenheit fest. Man hat die Herausforderung gemeistert, jeder auf seine Art. Wie Ammianus schreibt, die DDR zurück will keiner haben. Jeder ist froh, dass die Wiedervereinigung erlebt werden durfte. Was sich auch feststellen lässt, das ist eine mehr oder weniger offen zu Tage tretende Verachtung für die heute noch Jammernden.

Die, von dir beschriebenen Tendenzen kann ich aus meinem begrenzten Umfeld bestätigen. Jeder versuchte mit der Situation zurecht zu kommen bzw das Beste aus ihr zu machen.
Vielfach habe ich Aussagen gehört wie "bisher mussten wir aus Schei**e Bonbon machen, da kriegen wir das jetzt auch hin ..."
Ich denke mal diejenigen, die noch heute jammern und das Jammern quasi weiter gegeben haben, haben schon zur Wende nicht verstanden, was Wiedervereinigung, was Sysemwechsel tatsächlich bedeuten.

JJazzGold hat geschrieben:[url=viewtopic.php?p=5017434#p5017434] (21 Jun 2021, 08:37)[/urlKann es sein, dass diese Jammernden zweifach gesellschaftlich gespalten sind, einmal in ihrer negativen Ost/West Betrachtung und dann auch innerhalb des die umgebenden gesellschaftlichen Rahmens im Osten der Republik, in der Betrachtung erfolgreich gemeistert/nicht erfolgreich gemeistert? Dass die Wahl einer AfD als Verheissung erscheint, von "wahrgenommen werden", bis zu der vagen Möglichkeit, "wieder wer zu sein" und sei es auch nur, sich im Glanz einer erfolgreichen AfD spiegeln zu können?

Ich kann mich aber auch noch gut an das fassungslose Entsetzen meines Vaters (gebürtiger Sachse) erinnern, als bereits 2004 die NPD mit ca. 9% in den sächsischen Landtag einzog. Wenn ich die heutige AfD Entwicklung in Sachsen betrachte, war das bereits ein Fingerzeig, den man schlichtweg nicht wahrnehmen wollte?
Naja - da kommt das zum Tragen, was auch Ammianis scheibt. Die "Ostalgie" und die rechtsextreme Einstellung war und ist in Gegenden um so höher, je weiter östlich sie wohnen/leben und wie gut bzw schlecht der Empfang von "Westfernsehen" zu DDR-Zeiten war. Die "Westfersehengucker" hatten doch mehr Vergleichsmöglichkeiten, verfügten über sehr viel mehr Informationen.
Warum heute dennoch sehr viele AfD wählen, ist mir, zumindest was den westlichen Teil der neuen Bundesländer betrifft, nicht ganz klar.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Selina
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Jun 2021, 11:06)

Ein "Extremismus der Mitte" ist als Begriff natürlich ersteinmal ein Widerspruch in sich. Aber es deckt sich auf jeden Fall mit all meinen Erfahrungen, dass es nicht vorrangig die sozial "Abgehängten" sind, die politisch rechtskonservative, rechtpopulistische, autoritäre Richtungen voranbringen. Es sind eher als Kind seelisch vernachlässigte Drogistinnensöhne wie Heinz-Christian Strache.

Ich habe ein kritisches Verhältnis zum Begriff der "Mitte". Eine "Mitte" definiert sich selbst über die Ränder. Es kann bekanntermaßen eine ganze Gesellschaft nach rechts driften. Dann besteht die gesellschaftliche Mitte aus denen, die im Sportpalast auf die Frage, ob sie den totalen Krieg wollen, in zustimmende Begeisterung ausbrechen. Ich bin überzeugt davon, dass man immer eine kritische Distanz sowohl zur "Mitte" wie zu den "Rändern" haben sollte.
Kritische Distanz ist immer gut. Der Begriff "Mitte" oder auch "bürgerliche Mitte" spielt aber schon eine Rolle in der Soziologie und in der Politikwissenschaft. Und mehr kritische Distanz, als Teilen dieser Mitte Extremismus zuzuschreiben, geht ja wohl nicht. Was ist zum Beispiel mit der Werteunion? Diese Leute bezeichnen sich auch als Mitte, als konservative Mitte, haben aber inhaltlich und personell eine große Nähe zur rechtsradikalen AfD. Einzelne CDU-Politiker distanzieren sich dann regelmäßig von der Werteunion, um den guten Ton zu wahren. Auch normale Durchschnitts-Konservative habe ich schon so reden hören, dass man in einzelnen Punkten keinen Unterschied mehr zur AfD-Ideologie feststellen konnte. Ich finde schon, dass extrem rechtes Denken bis weit in die Mitte der Gesellschaft vorgerückt ist. Das zu übersehen oder gar zu leugnen, könnte wirklich böse Konsequenzen haben. Ja, diese Sportpalast-Szene hab ich da auch sofort vor Augen. Oder auch die relativ neue Doku, die nur aus Privat-Schmalfilmen von Wehrmachtsangehörigen, meist höhergestellten laut Dienstgrad, besteht. Kleinbürgerliche Krämerseelen, denen man nichts gravierend Schlechtes zutraut.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

JJazzGold hat geschrieben:(21 Jun 2021, 08:37)
Kann es sein, dass diese Jammernden zweifach gesellschaftlich gespalten sind, einmal in ihrer negativen Ost/West Betrachtung und dann auch innerhalb des die umgebenden gesellschaftlichen Rahmens im Osten der Republik, in der Betrachtung erfolgreich gemeistert/nicht erfolgreich gemeistert? Dass die Wahl einer AfD als Verheissung erscheint, von "wahrgenommen werden", bis zu der vagen Möglichkeit, "wieder wer zu sein" und sei es auch nur, sich im Glanz einer erfolgreichen AfD spiegeln zu können?
[/color]
Nun zum Verständnis - einfach mal "Andersherum" vorstellen :D :D :D




---- an JEDEM Chefposten sitzt ein Ossi und DIKTIERT was zu machen IST - ohne Rückfrage - weil der OSSI weiß und kann alles besser.

Beratungen oder Bürgereinreden werden gestrichen.

Alle Gewässer werden zur NacktbadeZone erklärt .....

Für ALLES - Einheitspreise DIKTIERT -

und für "Aktuelle Kamera" ....Willi Schwabes Rumpelkammer und Schwarzer Kanal auf 40 Programmen MUSST Du 30 Eu Rotlicht zahlen.

Wenn Du mitreden willst - bei Wahlen - MUSST DU in die SED eintreten. ....Oder in die SED - Abteilung Christen (Ost CDU).

Chefposten würdest Du als Wessi NIE bekommen .....(Fremde HEEERE WEST !! >> NATO Der KLASSENFEIND !! Gar ehemaliger CDU Parteigänger ! US Propagandageschädigte) Blödzeitungbeeinflusste UNWISSENDE.... Nicht mal Marx Engels Lenin gelesen...

Es gibt nur noch OST Brötchen, hartes Konsumbrot und "KaffeeMIX".... Fleisch - nur 10 Minuten wenns da ist - oder mit Beziehungen.

Wer WEST CDU Wählt wird von der Stasi beobachtet .... ( und die anderen auch aber inoffiziell....)

Deine Abschlüsse kannst Du im Klo runterspülen (Es fehlt der Rotlichtabschluss)

NUR EINE Partei ist KEINE Sozialistische Blockpartei....(AfD)

------------------------------------------
Weiter auf dem BEWÄHRTEN KURS ! >> AfD ++

:D :D :D
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Jun 2021, 09:18)

Da kommen wir ein bissel vom Thema ab ... Natürlich ist man in einer sehr arbeitsteiligen Gesellschaft und in einem, ja, ausdifferenzierten Sozialsystem immer Teil von allen möglichen gemeinschaftlich organisierten Prozessen. Es ist aber immer noch ein Unterschied, ob man sich zu dieser kommunitaristischen Vorstellung eines Gemeinschaftslebens bekennt, ob man bei der Freiwilligen Feuerwehr mitmacht oder die Fußballjugend trainiert ... oder ob man einen eher urbanen Lebensstil bevorzugt.
Bastelst du dir mal wieder deine eigenen Begriffsdefinitionen zurecht.
Urbane Lebensweise, hat blöderweise nichts mit dem zu tun, was du uns hier weißmachen willst.
Richtig ist, dass urbane Lebensweise durch recht große Heterogenität geprägt ist. Die fehlende räumliche Distanz wird durch innere Distanz ersetzt. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sich derjenige, der urbane Lebensweise bevorzugt, sich von allem anderen ab- und ausgrenzt. Derjenige kann (und tut das i.d.R. auch) in diversen Vereinen, Interessengruppen etc engangieren, sich diesen zugehörig fühlen.
Hinzu kommt, dass sich die "urbane Lebensweise" sehr stark nach der Zugehörigkeit zur sozialen Schicht unterscheidet.
Für den Gut- und Besserverdiener ist urbane Lebensweise etwas völlig anderes als für den Mindestlohnempfänger oder gar Arbeitslosen.
Und trotz der Präferierung der urbanen Lebensweise unterscheidet sich die Sozialisation der Angehörigen der unterschiedlichen sozialen Schichten grundlegend.
Du darfst nicht immer von dir auf andere schließen und deinen Extremindividualismus zum Maß der Dinge und allgemeingültig für alle Städter erklären. Ganz im Gegenteil - du stellst selbst im urbanen Millieu eine Ausnahme dar.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Ammianus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Jun 2021, 09:33)

...

Es gibt in ganz Europa, bleiben wir mal bei Europa, seit zwanzig dreißig Jahren ein Wählerpotenzial von, sagen wir mal 15 bis 25 Prozent für Rechtspopulisten. Die Beispiele sind bekannt. Norwegen, Frankreich, Österreich, Niederlande usw. usf. bis hin zu den Wahren Finnen und den osteuropäischen Rechtspopulisten. Auch wenn die entsprechenden Parteien sich im einzelnen unterscheiden ... der rechtspopulistische Kern ist doch immer ähnlich. In den entsprechenden Ländern gibt es jedoch ganz unterschiedliche gesellschaftlich-soziale Entwicklungen. Besonders wenn man Ost- und Westeuropa vergleicht. Wenn diese Unterschiede dennoch zu ähnlichen politischen Entwicklungen führen ... dann muss man doch von der Logik her irgendwo anders suchen.

...
Nehmen wir ruhig noch die USA und Trump hinzu. Im von mir hier empfohlenem Buch versucht Wagenknecht das zu analysieren. Tatsächlich fand in den letzten Jahrzehnten ein starker gesellschaftlicher Umbau statt. Die Arbeiterklasse verlor ihre nach dem 2. Weltkrieg so gewachsene Bedeutung und gesicherte gesellschaftliche Stellung. Das begann schon Ende der 70er mit den verschiedensten Vorgängen die zu einer steigenden Wirtschaftsliberalisierung und dann Globalisierung führten. Gewerkschaften und hauptsächlich von Arbeitern gewählte Parteien wie die SPD in Deutschland verloren zunehmend an Einfluss. Massenhaft wurden Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. In den letzten Jahrzehnten wuchs der sogenannte Service-Sektor mit seinen zahlreichen aber schlecht bezahlten Jobs. Die davon betroffenen blieben daraufhin immer häufiger den Wahlen fern bzw. wählten dann Parteien, die bei den Eliten nicht sonderlich angesehen waren. Im Osten lässt sich gut beobachten wie größere Gruppen von der PDS, später Linken zur AfD wechselten. All diese Aussagen sind statistisch belegt. Wobei die Vorgänge insgesamt komplexer sind, als sie sich in wenigen Sätzen zusammenfassen lassen.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Ammianus »

Dark Angel hat geschrieben:(21 Jun 2021, 00:09)

Die Mondlandung habe ich im "Westfernsehen" verfolgt, war damals noch sehr jung. Was mir dazu in Erinnerung geblieben ist, dass sie mehr oder weniger totgeschwiegen wurde, aber ein unwahrscheinlicher Bohei um Lunochod gemacht wurde.
Auch ich war damals noch ein kleines Balg, das davon träumte Kosmonaut zu werden und massenhaft wissenschaftlich-phantastische Literatur, die in der DDR keine Mangelware war, verschlang. Die Mondlandung erlebte ich, als ich mit meiner Mutter bei den Großeltern im tiefsten Südosten der DDR einen Teil meiner Schulferien verbrachte. Westfernsehen gab es da noch nicht. Plötzlich unterbrach der Deutsche Fernsehfunk ohne vorherige Ankündigung sein Programm und zeigte, wohl so eine dreiviertel Stunde lang, Bilder von den ersten Menschen auf dem Erdtrabanten. Scheinbar muss denen ganz oben klar geworden sein, dass jedes andere Verhalten nur noch zu mehr Ablehnung geführt hätte.
"Guck mal, jetzt schreien die," rief ich was meine Oma grinsen lies, bei meiner Mutter und dem Opa misbilligendes Kopfschütteln auslöste. Beide waren in der Partei.
Zu der Zeit war ich auch Leser des "technikus", der wissenschaftlich-technischen Monatszeitschrift für Kinder in der DDR. Ich erinnere mich an einen Artikel über Apollo, der glaube über 2 Seiten ging und bei dem die Raumfahrt nur in einem nicht allzu langen Absatz vorkam. Sonst nur Vietnam und das die Amerikaner Imperialisten sind. Dazu dann auch die beiden passenden Bilder: Einmal die mit Einschlagskratern übersähte Mondoberfläche, dann ein ähnliches Bild eines zerbombten vietnamesischen Reisfeldes als Gegenüberstellung. Scheinbar gab es da dann oben doch Auseinandersetzungen. Denn das große Wunder kam bei der nächsten Ausgabe, als in der Leserbriefrubrik genau diese Art der Berichterstattung offen kritisiert wurde.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von franzmannzini »

Dark Angel hat geschrieben:(21 Jun 2021, 11:17)
...
Naja - da kommt das zum Tragen, was auch Ammianis scheibt. Die "Ostalgie" und die rechtsextreme Einstellung war und ist in Gegenden um so höher, je weiter östlich sie wohnen/leben und wie gut bzw schlecht der Empfang von "Westfernsehen" zu DDR-Zeiten war. Die "Westfersehengucker" hatten doch mehr Vergleichsmöglichkeiten, verfügten über sehr viel mehr Informationen.
Warum heute dennoch sehr viele AfD wählen, ist mir, zumindest was den westlichen Teil der neuen Bundesländer betrifft, nicht ganz klar.
Weil der Empfang Westfernsehen nur eine Teilkomponente ist, und Radio konnte jeder empfangen.
Und wer Informationen außerhalb des DDR-Medienapparats wollte, der konnte sie sich auch besorgen.
Zuletzt geändert von franzmannzini am Mo 21. Jun 2021, 17:10, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von franzmannzini »

JJazzGold hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:06)


Ja, so ähnlich hatte ich mir die Trotzreaktion vorgestellt.
Und kannst Du es Dir vorstellen, kannst Du Dich hinein versetzen, in den DDR-Bürger zwischen 1989 - 1992 ?
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

franzmannzini hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:11)

Und kannst Du es Dir vorstellen, kannst Du Dich hinein versetzen, in den DDR-Bürger zwischen 1989 - 1992 ?
Dank reichlich Familie in der DDR, ja.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von franzmannzini »

JJazzGold hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:15)

Dank reichlich Familie in der DDR, ja.
Wenn das so ist, dann solltes Du ja auch wissen, das dieser Umbruch nicht spurlos an den betroffenen Menschen
vorbei gegangen ist. Und wie immer ist der eine mehr betroffen und der andere weniger.
Somit ist es eben nicht richtig, das jetzige Verhalten nur an der "Diktatursozialisierung" festzumachen,
solche einseitigen/begrenzten Aussagen sind aus meiner Sicht sogar kontraproduktiv.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

franzmannzini hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:22)

Wenn das so ist, dann solltes Du ja auch wissen, das dieser Umbruch nicht spurlos an den betroffenen Menschen
vorbei gegangen ist. Und wie immer ist der eine mehr betroffen und der andere weniger.
Somit ist es eben nicht richtig, das jetzige Verhalten nur an der "Diktatursozialisierung" festzumachen,
solche einseitigen/begrenzten Aussagen sind aus meiner Sicht sogar kontraproduktiv.
Den AfD Wähler wird es nicht stören, der hat sich seine AfD Schmollecke längst gemütlich eingerichtet.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

JJazzGold hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:15)

Dank reichlich Familie in der DDR, ja.


Die Kombinate HenkelSpee, Mc Donalds und Siemens schreiben nach der Wiedervereinigung endlich wieder rote zahlen..
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Vongole »

Teeernte hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:27)

(..)

Die Kombinate HenkelSpee, Mc Donalds und Siemens schreiben nach der Wiedervereinigung endlich wieder rote zahlen..
Steimle ist auch so einer, dem die Wiedervereinigung gar nicht gut bekommen ist. :dead:
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

JJazzGold hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:25)

Den AfD Wähler wird es nicht stören, der hat sich seine AfD Schmollecke längst gemütlich eingerichtet.
Denen könnte man mit rundem Tisch (unserem..... DDR - runden Tisch der Wende) - in den Brennpunkten entgegnen .... wenn man wollte...
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

Vongole hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:30)

Steimle ist auch so einer, dem die Wiedervereinigung gar nicht gut bekommen ist. :dead:
Is klar wenn man den nicht "versteht". ich mag ihn und schaus gern...

Wär schlimm wenn alle das Gleich schauen wollten...
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Vongole »

Teeernte hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:33)

Is klar wenn man den nicht "versteht". ich mag ihn und schaus gern... (..)Wär schlimm wenn alle das Gleich schauen wollten...
Och, ich verstehe den leider ausgezeichnet.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

Teeernte hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:31)

Denen könnte man mit rundem Tisch (unserem..... DDR - runden Tisch der Wende) - in den Brennpunkten entgegnen .... wenn man wollte...
Könnte, nicht wollte.
Die eigene Stigmatisierung und die ihres Wahlvolks hat die AfD perfektioniert und abgeschlossen.
In den Sumpf lässt sich kein Außenstehender mit reinziehen.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von franzmannzini »

JJazzGold hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:42)

Könnte, nicht wollte.
Die eigene Stigmatisierung und die ihres Wahlvolks hat die AfD perfektioniert und abgeschlossen.
In den Sumpf lässt sich kein Außenstehender mit reinziehen.
Herr Wanderwitz hilft dabei, und Herr Bartsch redet beim CDU/CSU-Wahlversprechen gerade von der "Abzocke des kleinen Mannes".
https://www.rnd.de/politik/dietmar-bart ... 4AA44.html
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

franzmannzini hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:49)

Herr Wanderwitz hilft dabei, und Herr Bartsch redet beim CDU/CSU-Wahlversprechen gerade von der "Abzocke des kleinen Mannes".
https://www.rnd.de/politik/dietmar-bart ... 4AA44.html
Was schwer zu begreifen scheint ist, dass es keinerlei Auswirkungen auf gesetzte AfD Wähler haben wird, was Herr Wanderwitz sagt. Der Entschluss ist längst gefasst und sattelfest.
Allenfalls nicht AfD Wähler mögen grübeln, wo die erfolgreiche AfD Animation ihren Ursprung hat. Der AfD Wähler fragt sich das nicht und falls im Ausnahmefall doch, dann fühlt er sich als AfD Wähler bestätigt, Schuld sind die Anderen.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von franzmannzini »

JJazzGold hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:59)

Was schwer zu begreifen scheint ist, dass es keinerlei Auswirkungen auf gesetzte AfD Wähler haben wird, was Herr Wanderwitz sagt. Der Entschluss ist längst gefasst und sattelfest.
Allenfalls nicht AfD Wähler mögen grübeln, wo die erfolgreiche AfD Animation ihren Ursprung hat. Der AfD Wähler fragt sich das nicht und falls im Ausnahmefall doch, dann fühlt er sich als AfD Wähler bestätigt, Schuld sind die Anderen.
Den "gesetzten" AFD-Wähler gibt es erst seit sieben Jahren, was ist in den restlichen 24 Jahren passiert ?
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von BlueMonday »

franzmannzini hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:49)

Herr Wanderwitz hilft dabei, und Herr Bartsch redet beim CDU/CSU-Wahlversprechen gerade von der "Abzocke des kleinen Mannes".
https://www.rnd.de/politik/dietmar-bart ... 4AA44.html
Tja, das ist eher etwas für unsere Filzliebhaber, die lieber auf dem mächtig verfilzten Sofa des Establishment Platz nehmen als durch einen "Sumpf" zu waten.
Diese opiatischen Wahlkampfblasen gehören auch dazu. Oder das Aussitzen als beliebteste Sportart unserer Politniks. Dicht gefolgt vom Dienst in eigener Sache. Vorteilsnahmen. Seilschaften. Amigos. Schwarze Kassen. Wovon man nichts weiß, macht niemanden heiß. Ein bisschen den Lebenslauf aufpeppen. Der Schein ist alles. Den Doktortitel hat man schließlich auch ordentlich bezahlt. Oder der äußerst biegsame Rücken unserer "Freidemokraten". Da kann mächtig stolz sein auf diese politische Kultur, dieses Erbe. Und vorweg eine Schneeeule als kritisches Staatsoberhaupt, das uns täglich den Spiegel vorhält. Kant wäre stolz auf dieses deutsche Volk.

Das einzige wirkliche Problem sind nur die Wählerstimmen im unbelehrbaren Osten, die nicht dem wohlmeinenden Establisment zuzuordnen sind. Sie wissen es halt nicht besser, wie rotznasige Kinder. Falsch sozialisiert. "Bildung, Bildung, Bildung". Schön viel davon in den großen Bildungstrichter, dann wird das schon :thumbup:
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Ammianus »

franzmannzini hat geschrieben:(21 Jun 2021, 17:05)

Weil der Empfang Westfernsehen nur eine Teilkomponente ist, und Radio konnte jeder empfangen.
Und wer Informationen außerhalb des DDR-Medienapparats wollte, der konnte sie sich auch besorgen.
Es ist schon ein Unterschied, ob ich wie im Berlin der 70er 2 Westfernsehprogramme und zig mal Rundfunk auf UKW habe oder eben gar kein Fernsehen und das Radio nur Lang- oder Mittelwelle und über den RIAS liegt bis gegen Ende des Jahrzehnts ein Störgeräusch. In Berlin mach ich mich am Nachmittag lang, schalte 16:00 auf RIAS II. Da gibt es eine halbe Stunde Bildungsprogramm, danach 1,5 Stunden Musik und auch Infos und ab 18:00 Uhr hab ich den SFBeat.

Dazu kommt natürlich, dass optische Eindrücke deutlicher prägen und auch jeder Medieninformation anders aufnimmt.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

franzmannzini hat geschrieben:(21 Jun 2021, 18:04)

Den "gesetzten" AFD-Wähler gibt es erst seit sieben Jahren, was ist in den restlichen 24 Jahren passiert ?
Wie man hier nachlesen kann, gibt es dazu Vermutungen, die anteilig so weit von "Diktatursozialisiert" nicht entfernt sind.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

Ammianus hat geschrieben:(21 Jun 2021, 18:52)

Es ist schon ein Unterschied, ob ich wie im Berlin der 70er 2 Westfernsehprogramme und zig mal Rundfunk auf UKW habe oder eben gar kein Fernsehen und das Radio nur Lang- oder Mittelwelle und über den RIAS liegt bis gegen Ende des Jahrzehnts ein Störgeräusch. In Berlin mach ich mich am Nachmittag lang, schalte 16:00 auf RIAS II. Da gibt es eine halbe Stunde Bildungsprogramm, danach 1,5 Stunden Musik und auch Infos und ab 18:00 Uhr hab ich den SFBeat.

Dazu kommt natürlich, dass optische Eindrücke deutlicher prägen und auch jeder Medieninformation anders aufnimmt.
Den PAL-Decoder gabs auch für den Raduga.. und der Antennenbau mit 4er Quad Yagi auf selbstgelötet Vorverstärker war in den Randgebieten bis Zittau Standard.

Klar in MD geht es "so" und war auch im Neubau im Kabel (ARD und ZDF). ...und die R-232 mit langer Stabantenne brachte aufm Boden sogar Radio Luxemburg .
...und Soldatensender aus Burg - mit nassem Schnürsenkel in jeden Verstärker.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Dark Angel »

Teeernte hat geschrieben:(21 Jun 2021, 20:55)

Den PAL-Decoder gabs auch für den Raduga.. und der Antennenbau mit 4er Quad Yagi auf selbstgelötet Vorverstärker war in den Randgebieten bis Zittau Standard.

Klar in MD geht es "so" und war auch im Neubau im Kabel (ARD und ZDF). ...und die R-232 mit langer Stabantenne brachte aufm Boden sogar Radio Luxemburg .
...und Soldatensender aus Burg - mit nassem Schnürsenkel in jeden Verstärker.
Wir hatten "freie Sicht auf den Brocken" - klar dass die Stino Fernsehantenne auf den Brocken ausgerichtet war naja so ungefähr, dicht dabei, war die Sendestation der ARD und das sollte natürlich auch empfangen werden. War zwar je nach Wetterlage ziemlich grieselig, aber doch relativ gut zu empfangen. Soldatensender war der Standardsender und Radio Luxemburg über Kurzwelle - naja, ein Hörgenuss war das nicht, aber Samstag und Sonntag ein Muss, wegen "Große Acht" und "Hitparade" und Ilja Richter am Samstag Vormittag funktionierte nur, wenn eine Unterrichtsstunde ausfiel. Achja "Beatclub" ist mir auch noch ein Begriff.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Dark Angel »

Vongole hat geschrieben:(20 Jun 2021, 18:48)
Ja, unbegreiflich trifft's.
Nein, im Grunde ist eine Relativierung und zwar eine der Schlimmsten.

Mit Aussagen wie der Userin Selina getätigt werden:

"Ja, wie fühlt es sich wohl an, in einem "Drecksstaat" gelebt, geliebt, gearbeitet, eine Familie gegründet, mit Freunden seine Zeit verbracht und diverse politische Kämpfe ausgefochten zu haben? Wie fühlt sich das wohl an? Gute Frage. Das nennt man schlicht Abwertung."

kann man problemlos auch das Nazi-Regime/die Nazi-Diktatur relativieren und erklären, dass da "nur" sehr viel Unrecht geschehen ist, es sich aber nicht um einen Unrechtsstaat gehandelt hat, denn schießlich haben auch in dieser Diktatur (unbescholtene) Menschen gelebt, haben geliebt und gearbeitet, haben politische Kämpfe ausgefochten und sich dafür inhaftiert und ermordet worden. Immerhin gab es in der DDR die Todesstrafe bis 1987 - aus politischen Gründen.
Und trotz der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki, änderte sich nichts an der Praxis.
Oder doch - die Todesurteile und deren Vollsteckung unterlag der strikten Geheimhaltung.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von BlueMonday »

franzmannzini hat geschrieben:(20 Jun 2021, 20:01)

Ein alternativloses Establishment, was sich auch noch selbst, oder sein Wirken, als alternativlos bezeichnet hat mit Demokratie, so wie ich sie verstehe, überhaupt nichts zu tun.

Was wollte ich eigentlich 1989 und davor ?
An und für sich "nur" eine "andere" DDR, aber ich war jung und doof.
Dafür war damals wohl viel zu viel Druck im Kessel, für einen langen und unklaren "Reformprozess", der die DDR erhalten hätte. Diese historische Möglichkeit der Wiedervereinigung war auch einfach zu groß und zu verlockend, um sie zu verstreichen zu lassen. Rückblickend erscheint dieser umständlichere, mühsamere Weg mittlerweile attraktiver. Denn vom sog. "Föderalismus" entfernt man sich ja zunehmend in der "Bundesrepublik". Dabei wäre eine größere regionale Souveränität der Bundesglieder die Lösung - und auch wesentlicher Bestandteil einer vernünftigen, lebbaren Demokratie.
Stattdessen versucht man in einem noch größeren Gebilde aufzugehen - alternativlos - und wundert sich über Opposition und kommt mit absurden Vorstellungen, woher nun dieser Widerspruch herrührt.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

Ammianus hat geschrieben:(21 Jun 2021, 14:01)

Nehmen wir ruhig noch die USA und Trump hinzu. Im von mir hier empfohlenem Buch versucht Wagenknecht das zu analysieren. Tatsächlich fand in den letzten Jahrzehnten ein starker gesellschaftlicher Umbau statt. Die Arbeiterklasse verlor ihre nach dem 2. Weltkrieg so gewachsene Bedeutung und gesicherte gesellschaftliche Stellung. Das begann schon Ende der 70er mit den verschiedensten Vorgängen die zu einer steigenden Wirtschaftsliberalisierung und dann Globalisierung führten. Gewerkschaften und hauptsächlich von Arbeitern gewählte Parteien wie die SPD in Deutschland verloren zunehmend an Einfluss. Massenhaft wurden Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. In den letzten Jahrzehnten wuchs der sogenannte Service-Sektor mit seinen zahlreichen aber schlecht bezahlten Jobs. Die davon betroffenen blieben daraufhin immer häufiger den Wahlen fern bzw. wählten dann Parteien, die bei den Eliten nicht sonderlich angesehen waren. Im Osten lässt sich gut beobachten wie größere Gruppen von der PDS, später Linken zur AfD wechselten. All diese Aussagen sind statistisch belegt. Wobei die Vorgänge insgesamt komplexer sind, als sie sich in wenigen Sätzen zusammenfassen lassen.
Ich will das nur einmal am Beispiel Tschechien ergänzen. Das liegt ein wenig näher. In einem Beitrag zur Reihe "Politikpodcast", die ich regelmäßig verfolge, gings um diesen ganzen Komplex: Russland, Biden, China, Der sogennante Westen, "Identität" .... Eine der Journalistinnen sprach sich explizit für eine Beibehaltung dessen, was sie "Identität" nannte als Zugehörigkeitsgefühl zum "Westen" aus. Als Gegenargument zu dieser Vorstellung, dass in China seit längerem in quasi fordistischen Fabriken 24 mal 7 preiswerte gute Autos, Waschmaschinen, Smartphones vom Band laufen. Dass man - nur als Beispiel - mit der automatischen Landung auf der Mondrückseite nicht nur die technologische Anschlussfähigkeit sondern mittelfristig auch vielleicht die technologische Führerschaft unter Beweis stellte. Und die Folge der in China ausgebrochenen Pandemie ist, dass China vor Kraft unter anderem deswegen kaum laufen kann. Sie, die Journalistin, stellte der Position (verkürzt) "Warum eigentlich nicht China?" die Position entgegen: Ich gehöre zum Westen. Zu Demokratie,Pluralismus, Pressefreiheit, Menschenrechte. Das wird aber möglicherweise die Position einer Minderheit sein. Eine Position, die ich unbedingt selbst auch vertrete. Aber die nicht mehr selbstverständlich ist. Die man offensiv selbst und nicht einfach durch "Zugehörigkeitsgefühl" oder "Identität" verteidigen muss. Ein Land wie China wird immer bessere und preiswertere Smarthones herstellen. Und in Kürze nicht nur auf der Rückseite des Mondes landen, eine Pandemie überwinden und eine Raumstation im Erdorbit installieren. Das absolut schlagende Argument der ökonomischen und technologischen Überlegenheit irgendeines demokratisch-marktwirtschaftlichen Westens gegenüber irgendeines kommunistisch-planungswirtschaftlichen Ostens wird es nicht mehr geben. Die KP Chinas gibt vor, dass in China die besten und gleichzeitig preiswertesten Waschmaschinen der Welt produziert werden sollen ... und dann wird es so kommen. Diese Entwicklung hat sehr viel damit zu tun, dass an die Stelle des Ideals von Indiivudualismus bei einem Teil der Weltbevölkerung das Ideal der Zugehörigkeit gekommen ist. Das Ideal der Followerschaft. Der Sympathiepunkte auf irgendwelchen digitalen Plattformen.

In Tschechien gibt es gegen dieses System China die Stadt Prag. Mit einem OB aus der tschechischen Piratenpartei. Der u.a. in Taiwan studierte und eine Taiwan-Flagge am Prager Rathaus hissen ließ. Mit allen Konsequenzen. Die Grenzen verlaufen nicht mehr zwischen Ost und West sondern zwischen diesen urbanen Bürgern Prags und dem übrigen kommunitaristischen Babis-Land. In welchem viele Leute am liebsten Polka aus dem Böhmerwald zum Pflichtthema im Musikunterricht machen würden. So wie es in Europa seit langem starke separatistische Bewegungen gibt, wird es schon in Kürze Bewegungen geben, die die Gründung von Stadtrepubliken anstreben. In denen man frei und ohne irgendwelche informellen Identitätsregeln leben kann.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Kohlhaas »

BlueMonday hat geschrieben:(22 Jun 2021, 13:33)

Dafür war damals wohl viel zu viel Druck im Kessel, für einen langen und unklaren "Reformprozess", der die DDR erhalten hätte.
Das war jetzt eine nur noch schwer erträgliche Geschichtsklitterung! Den "Druck im Kessel" gab es allein in der DDR. Es will ja wohl niemand die These vertreten, dass seinerzeit die damals noch sehr beachtlichen Panzerarmeen der BRD mit laufenden Motoren kurz vor der Grenze gestanden hätten. In Westdeutschland hat damals niemand irgendwelchen "Druck" gemacht. Es waren die "Ossis", die andauernd auf die Straße gegangen sind und gebrüllt haben "Wir sind das Volk". Es waren die "Ossis", die damals so überhaupt kein Interesse mehr daran hatten, "die DDR zu erhalten". Es war die abgehalfterte DDR-Regierung, die letztlich den Beitrittsantrag gestellt hat.

Du redest von einem "Reformprozess": Wie hätte der denn Deiner Meinung nach aussehen sollen? Zu welchen "Reformen" wäre denn eine DDR überhaupt fähig gewesen, nachdem sie gut 40 Jahre lang mit aller Gewalt heruntergewirtschaftet worden ist? Die DDR konnte schon viele Jahre zuvor nur noch durch Devisentransfer von West nach Ost existieren.
Diese historische Möglichkeit der Wiedervereinigung war auch einfach zu groß und zu verlockend, um sie zu verstreichen zu lassen. Rückblickend erscheint dieser umständlichere, mühsamere Weg mittlerweile attraktiver.
Attraktiver erscheint er wohl nur für jemanden, der die DDR gern erhalten hätte.
Denn vom sog. "Föderalismus" entfernt man sich ja zunehmend in der "Bundesrepublik". Dabei wäre eine größere regionale Souveränität der Bundesglieder die Lösung - und auch wesentlicher Bestandteil einer vernünftigen, lebbaren Demokratie.
Stattdessen versucht man in einem noch größeren Gebilde aufzugehen - alternativlos - und wundert sich über Opposition und kommt mit absurden Vorstellungen, woher nun dieser Widerspruch herrührt.
Nach diesen Zeilen erscheint mir die These von der "Diktatursozialisierung" noch plausibeler.

Der "sog. Föderalismus" in der von Dir "sog. Bundesrepublik" ist im Grundgesetz verankert und wird seit Jahrzehnten so gelebt. Wenn es Zweifel darüber gibt, entscheidet das Verfassungsgericht, dessen Existenz ebenfalls durch das Grundgesetz legitimiert wird und dessen Urteile nachweisbar immer wieder "höherrangig" war als Entscheidungen der Regierung. Das nennt man "Gewaltenteilung". Und das ist ein wesentliches Merkmal von Demokratie. Welche noch "größere regionale Souveränität" Du Dir vorstellst, bleibt schleierhaft. Ebenso die Frage, welche Demokratie Dir "vernünftig" oder "lebbar" erscheint. Es kann jedenfalls definitv keine Demokratie sein, die von der DDR vorgelebt wurde. Da gab es keine Demokratie.

Was Du über "noch größere Gebilde" schreibst, deute ich mal so, dass Du die Europäische Union meinst. Wenn ich damit Recht habe, offenbart das eine bestimmte "Demokratievorstellung" und schlägt den Bogen zwischen "Ostalgikern" und AfD-Nazis, über deren Widerspruch sich ja niemand wundern dürfe.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Vongole »

Dark Angel hat geschrieben:(22 Jun 2021, 11:11)

Nein, im Grunde ist eine Relativierung und zwar eine der Schlimmsten.

Mit Aussagen wie der Userin Selina getätigt werden:

"Ja, wie fühlt es sich wohl an, in einem "Drecksstaat" gelebt, geliebt, gearbeitet, eine Familie gegründet, mit Freunden seine Zeit verbracht und diverse politische Kämpfe ausgefochten zu haben? Wie fühlt sich das wohl an? Gute Frage. Das nennt man schlicht Abwertung."

kann man problemlos auch das Nazi-Regime/die Nazi-Diktatur relativieren und erklären, dass da "nur" sehr viel Unrecht geschehen ist, es sich aber nicht um einen Unrechtsstaat gehandelt hat, denn schießlich haben auch in dieser Diktatur (unbescholtene) Menschen gelebt, haben geliebt und gearbeitet, haben politische Kämpfe ausgefochten und sich dafür inhaftiert und ermordet worden. Immerhin gab es in der DDR die Todesstrafe bis 1987 - aus politischen Gründen.
Und trotz der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki, änderte sich nichts an der Praxis.
Oder doch - die Todesurteile und deren Vollsteckung unterlag der strikten Geheimhaltung.
Da sprichst du mir grad aus der Seele! Ich kann zwar Kritik an Wanderwitz' Aussage verstehen, diese permanente Weichzeichnung des Unrechsstaats DDR dagegen überhaupt nicht.
Mein Mann liest ja öfter auf außen mit, seine Kommentare schwanken dabei zwischen hochgezogenen Augenbrauen und Wut.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Selina »

Vongole hat geschrieben:(22 Jun 2021, 16:50)

Da sprichst du mir grad aus der Seele! Ich kann zwar Kritik an Wanderwitz' Aussage verstehen, diese permanente Weichzeichnung des Unrechsstaats DDR dagegen überhaupt nicht.
Mein Mann liest ja öfter auf außen mit, seine Kommentare schwanken dabei zwischen hochgezogenen Augenbrauen und Wut.
Auch für dich nochmal die Worte von Bürgerrechtler und Pfarrer Friedrich Schorlemmer, der vieles zur Wende beigetragen hat und der (wie ich) sagt, ja, es gab Unrecht in der DDR, und das nicht zu knapp, aber in ihrer Gänze war die DDR kein Unrechtsstaat. Der Name Schorlemmer wird dir doch was sagen... Er ist weit davon entfernt, ein linker Parteigänger zu sein oder dergleichen. Eine im Osten hochgeschätzte Persönlichkeit. Der Text aus der Süddeutschen lohnt sich, komplett gelesen zu werden. Und wenn du hinterher sagst, nein, das sehe ich anders, dann ist das doch ok. Ich und mit mir viele andere sehen es halt so, wie es Schorlemmer beschreibt. Auch das sind Meinungsäußerungen, die ihre Daseinsberechtigung haben.

Zitat:

In der DDR geschah furchtbares Unrecht. Doch wer sie als Ganzes zum Unrechtsstaat erklärt, kann zu keiner differenzierten Betrachtung des Lebens in diesem Land gelangen. Er pflegt lediglich alte Feindbilder und entschuldigt die Feiglinge von einst.

Von Friedrich Schorlemmer

Das Wort vom "Unrechtstaat DDR" stammt aus dem Kalten Krieg, als die Systeme konkurrierten: der "freie Westen" mit der sozialistischen Welt. Die so titulierte DDR war ein Mutterstaat, eine nährende, Geborgenheit stiftende Amme, und zugleich ein fordernder und strenger Vaterstaat. Hier existierte, durch Verfassung verbrieft, der Hort des Friedens. Es war festgelegt, dass die Lehren aus der Geschichte gezogen seien, jeder ein Recht auf Arbeit, Bildung, Gesundheit habe, auf Kultur, Sport, Freizeit, auf Fürsorge im Alter. Glaubens- und Gewissensfreiheit galten als garantiert.

Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit haben längst nicht alle Bürger zu spüren bekommen. Am Ende hatte der Staat den Abstand zwischen Proklamiertem und Erlebtem so tief werden lassen, dass dies keine Dialektik mehr wegdiskutieren konnte. Die Bürger trotteten dennoch mit, bis in den Herbst '89.

Ich habe vierzig Jahre in diesem Teildeutschland gelebt. Ich habe mir meine Freiheit selber genommen, mir neben dem Staat und gegen die SED meine Menschenwürde und meinen Entfaltungsraum behauptet, nie ganz allein stehend.

Wer die DDR noch 25 Jahre nach ihrem Ende in toto zum Unrechtstaat erklärt, der kann zu keiner differenzierenden Betrachtung des Lebens in diesem Land gelangen. Abgesehen von der Frage, ob das Diktum "Unrechtsstaat" überhaupt eine juristisch taugliche Bezeichnung ist: Es delegitimiert alles, was in der DDR gewesen ist.

Wer diesen Staat unter Führung der "Partei der Arbeiterklasse" erlebt und durchstanden hat, weiß, wie hier ein hierarisches System mit quasireligiösem Erlösungsanspruch alle Lebensbereiche mit dem Attribut "sozialistisch" versah und dieses "sozialistisch" auf die eigene Linie einengte. Die Motivation der Leute, die dem folgten, konnte indes durchaus ethisch und menschlich respektabel sein.

In der DDR herrschte Willkür. Viele Widersprechende mussten das bitter erleben. Es gab keine Gewaltenteilung; der Staat strafte die Abweichler. Zugleich aber konnte Kritik geübt werden, und sie wurde es auch. Nicht nur das Kabarett legte die Differenz zwischen Idee und Praxis offen, zwischen den großen Zielen der humanistisch-sozialistischen Gesellschaft und dem leninistisch-stalinistischen "Bolschewismus", der immer auch Tschekismus war. Es war so möglich wie gefährlich, den "real existierenden Sozialismus" an den propagierten Zielen zu messen und zu kritisieren, gerade was die Entfaltungsrechte und -möglichkeiten des Einzelnen betraf. Wer vom "verbesserlichen Sozialismus" sprach, wie der evangelische Propst Heino Falcke schon 1972, beging ein Sakrileg. Der Sozialismus konnte höchstens "weiter vervollkommnet" werden.

Würde nun über 40 Jahre DDR einfach die Definition "Unrechtstaat" gesetzt, wären auch das Familien- und das Arbeitsrecht zum Unrechtsstaatsrecht erklärt, die Gesetze zum Schutz der Jugend, das Recht auf Bildung und Kultur, alles, was in der DDR rechtlich geregelt war. Es besteht wahrlich kein Anlass, das Repressions- und Spitzelsystem zu beschönigen und zu relativieren. Doch so, wie es den einen Zukunftschancen verstellte, so eröffnete es aber auch vielen neue Bildungswege.


https://www.sueddeutsche.de/politik/ddr ... -1.2189246
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Kohlhaas »

Vongole hat geschrieben:(22 Jun 2021, 16:50)

Da sprichst du mir grad aus der Seele! Ich kann zwar Kritik an Wanderwitz' Aussage verstehen, diese permanente Weichzeichnung des Unrechsstaats DDR dagegen überhaupt nicht.
Mein Mann liest ja öfter auf außen mit, seine Kommentare schwanken dabei zwischen hochgezogenen Augenbrauen und Wut.
Das liegt daran, dass sich in dieser Diskussion zuletzt drei Punkte vermischt haben:

1. Wanderwitz hat die These vertreten, dass in der Ex-DDR noch heute eine "Diktatursozialisierung" nachwirkt. Darüber kann man streiten. Vielleicht ist das so, vielleicht auch nicht. Es ist eine These, eine Meinung, und die ist durchaus legal.

2. Wanderwitz hat festgestellt, dass es (überdurchschnittlich häufig) in der Ex-DDR Menschen gibt, die für die Demokratie verloren sind. Menschen, die mit demokratischen Mitteln nicht mehr erreichbar sind, weil sie die Demokratie ablehnen. Darüber kann man meiner Ansicht nach nicht mehr diskutieren. Das ist eine Tatsache. Ob das ganz oder teilweise mit Diktatursozialisierung zusammenhängt, ist letztlich irrelevant.

3. Manche Menschen legen die beiden vorgenannten Thesen so aus, dass hier wiedermal die "Wessis" auf die "Ossis" herabschauen und ihre "Lebensleistung" nicht hinreichend respektieren würden. In der Folge ergehen sie sich dann in "ostalgischem" Selbstmitleid über die angeblichen oder von mir aus auch tatsächlichen Untaten, die von der BRD an der DDR begangen wurden.

Diese drei Faktoren mischen sich in der Diskussion zu einer Suppe, die von jedem auf andere Weise gemischt wird. Eigentlich müsste man drei verschiedene Diskussionsstränge aufmachen. Hier wird es jedenfalls keine Fortschritte geben, wenn jeder Teilnehmer eigenständig und auf allgemein nicht nachvollziehbare Weise entscheidet, wie viele Anteile von 1 oder 2 oder 3 er in die Suppe mischt.

Was mich aber echt anstinkt, sind zwei Punkte: Erstens, dass von einigen inzwischen geleugnet wird, dass die DDR eine Diktatur und ein Unrechtsstaat war. Zweitens der Umstand, dass zuletzt als vierte Zutat für die Suppe auch noch das Loblied auf Putin hinzugekommen ist. Der Mann hat Kriege vom Zaun gebrochen, im In- und Ausland Menschen ermorden lassen, mit subversiven Mitteln die westlichen Demokratien und insbesondere Deutschland angegriffen... Dass ausgerechnet dieser Mensch jetzt als Zeuge für den Ruf nach einer neuen westlich-russischen Kooperation aufgerufen wird, erzeugt bei mir Brechreiz.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Vongole »

[quote="Kohlhaas"](22 Jun 2021, 17:44)

Das liegt daran, dass sich in dieser Diskussion zuletzt drei Punkte vermischt haben:
(..Vollzitat..)

Ich kann dir nur in allen Punkten zustimmen. Das passiert leider immer wieder, sobald das Thema DDR auf die Agenda kommt, wie z.B. in diesem Strängen:
https://www.politik-forum.eu/viewtopic.php?f=5&t=66714
https://www.politik-forum.eu/viewtopic.php?f=75&t=69644

Natürlich mischt sich jeder in gewisser Weise sein passendes Süppchen, ich nehme mich da nicht aus, da die Erfahrungen, die meine Familie mit der DDR machen musste, auch mich geprägt haben.
Wie übrigens viele Wessis, die mittelbar von diesem Unrecht betroffen waren.
Und ja, die Anbiederung an Putin kommt dazu.
Am Yisrael Chai

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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Kohlhaas »

Selina hat geschrieben:(22 Jun 2021, 17:19)

Auch für dich nochmal die Worte von Bürgerrechtler und Pfarrer Friedrich Schorlemmer, der vieles zur Wende beigetragen hat und der (wie ich) sagt, ja, es gab Unrecht in der DDR, und das nicht zu knapp, aber in ihrer Gänze war die DDR kein Unrechtsstaat.
Weiter muss man nicht lesen. Wenn Schorlemmer das so gesagt haben sollte, dann war er weder ein Bürgerrechtler, noch hatte er gemäß christlich geprägter Moral das Recht Pfarrer zu sein.

Die DDR hat sich mit einem Todesstreifen gegen den Westen abgegrenzt. Da standen Selbstschussanlagen und lagen Minen, die ganz automatisch jeden getötet haben, der sich dort bewegte. Sie hat ihren Grenzsoldaten den Befehl gegeben, auf "Republikflüchtige" zu schießen --- was zum Teil sogar gegen DDR-Recht verstieß und über 1200 Menschen das Leben kostete. Die DDR hat "Regimekritiker" unter fadenscheinigen Vorwänden jahrelang in den Knast sperren lassen. Sie hat Berufsverbote verhängt, "systemkritischen" Eltern ihre Kinder weggenommen und zwangsweise zur Adoption freigegeben. Sie hat Menschen foltern und hinreichten lassen. Sie hat ein riesiges Spitzelsystem aufgebaut, in dem sich sogar Eheleute gegenseitig "ausgeforscht" haben. Sie hat nie freie Wahlen zugelassen.

Das alles und noch mehr waren keine "Fehlleistungen" irgendwelcher untergeordneter Leute. All das und noch mehr waren gewollte Aktionen der Staatsmacht. Wie man da zu dem Schluss kommen kann, dass die DDR "in ihrer Gänze" kein Unrechtsregime war, ist mir völlig unverständlich. Das geht vermutlich nur, wenn man selbst für sich eine bequeme Nische gefunden hat, in der man sein kleines Leben führen konnte ohne anzuecken, und wenn man mit seiner eigenen kleinen Idylle zufrieden war.

Die DDR war definitiv in ihrer Gänze ein Unrechtsregime. Deshalb hat mein Vater sich irgendwann zur Republikflucht entschlossen und war auf recht "kreative" Weise erfolgreich damit ;). Zwei seiner Brüder und eine Schwester blieben "drüben". Ich kenne also durchaus beide Seiten, wenngleich auch glücklicherweise nicht aus erster Hand.
Slava Ukraini
franzmannzini

Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von franzmannzini »

BlueMonday hat geschrieben:(22 Jun 2021, 13:33)

Dafür war damals wohl viel zu viel Druck im Kessel, für einen langen und unklaren "Reformprozess", der die DDR erhalten hätte. Diese historische Möglichkeit der Wiedervereinigung war auch einfach zu groß und zu verlockend, um sie zu verstreichen zu lassen. Rückblickend erscheint dieser umständlichere, mühsamere Weg mittlerweile attraktiver. Denn vom sog. "Föderalismus" entfernt man sich ja zunehmend in der "Bundesrepublik". Dabei wäre eine größere regionale Souveränität der Bundesglieder die Lösung - und auch wesentlicher Bestandteil einer vernünftigen, lebbaren Demokratie.
Stattdessen versucht man in einem noch größeren Gebilde aufzugehen - alternativlos - und wundert sich über Opposition und kommt mit absurden Vorstellungen, woher nun dieser Widerspruch herrührt.
Spätestens als z.B. der Ruf nach der D-Mark das "Wir sind das Volk" übertönte, und der Flüchtlingsstrom kein Ende zu finden schien,
war keine Zeit mehr für irgendwelche Überlegungen, alle Entscheider gerieten unter Zugzwang.
Es mußten Tatsachen geschaffen werden, was ich auch nicht infrage stelle, unabhängig was ich von der Art der Vorgehensweise hielt und halte.
Trotzdem finde ich es mehr als einseitig die "Diktatursozialisierung" in den Vordergrund zu stellen, und alles darauf Folgende auszublenden.
Immer größere Gebilde haben immer den Nachteil, einer immer größeren, nicht mehr zu überblickenden Komplexität, die weder der Entscheider noch der Bestimmte/Betroffene versteht.
Heraus kommt dabei immer "über den Kamm scheren" und "Gleichmacherei", was mir ja aus meiner speziellen "einzigartigen" ;) Sozialisierung bestens bekannt ist.
franzmannzini

Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von franzmannzini »

JJazzGold hat geschrieben:(21 Jun 2021, 19:05)

Wie man hier nachlesen kann, gibt es dazu Vermutungen, die anteilig so weit von "Diktatursozialisiert" nicht entfernt sind.
Herr Wanderwitz hat nicht vermutet, sondern er hat festgestellt.
Das das Leben in einer Diktatur einen gewissen Einfluß auf die Menschen hatte, bis heute, ist von mir unbestritten, es ist aber nicht der Alleinige.
40 Jahre DDR und 32 Jahre BRD und nur die 40 Jahre sollen einen Einfluß gehabt haben ?
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Ammianus »

War das Chile unter Pinochet kein Unrechtsstaat? War der Iran unter dem Shah kein Unrechtsstaat? Ist der Iran unter der Heiligkeit unserer Zeit kein Unrechtsstaat? War das Appartheidregime in Südafrika kein Unrechtsstaat? War Spanien unter Franco kein Unrechtsstaat? War Griechenland nach dem Putsch von 1967 kein Unrechtsstaat? War Polen, nachdem Stalin dort die Kommunisten an die Macht gebracht hatte kein Unrechtsstaat?

Diktatursozialisation: Das ist auch Autoritätshörigkeit. Marx sagt, Lenin sagt und wenn sie das sagen, dann ist das doch richtig. Wenn Thomas Mann sagt, dass Antikommunismus die Grundtorheit unserer Epoche ist, dann muss das doch stimmen.
Und wenn Schorlemmer sagt ...
dann kann er mich mal wo lecken ...
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
Libanesin Anfang August 2020
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