Diktatursozialisierung?

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Ammianus
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Ammianus »

franzmannzini hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:58)

Wenn wir das mal so annehmen, wie wirkt dann ein Umbruch wie Anfang der 90ziger auf einen DDR-Bürger, der z.B. erst verspätet mitbekommen hat, das die Mauer offen ist,
oder auch wenig mitbekommen hat, von den Vorgängen, welche sich so ab 1987 abzeichneten/abspielten ?

Wen trifft es dann wohl härter den Ostberliner oder den Görlitzer ?
Nun war es nicht so, dass man sich in Görlitz nicht auch alternativ informieren konnte, so man wollte. Und viele wollten das natürlich. Es gab eben nur kein Westfernsehen und keine Radioprogramme mit Musik in Mitschneidequalität. Damit war der Medienkonsum ein ganz anderer. Die Informationsmöglichkeiten waren aber vorhanden. Man darf aber nicht vergessen, dass ein großer Teil der Menschen gar nicht so wahnsinnig an Politik interessiert ist, Unterhaltungen über politische Themen sogar, manchmal aggressiv, ablehnt. Das war damals so und ist es auch heute noch. Medienkonsum prägt auch unbewusst und im Hintergrund. Das war, was ich versuchte zu beschreiben und was den Unterschied ausmacht.
Oft erlebte ich übrigens, das interessierte Leute, die von ihrem Leben was haben wollten aus der Provinz nach Berlin zogen. Interessant war es bei einer Bekannten von mir. Die wuchs in einem vogtländischen Dorf auf, zog dann, gerade erwachsen, nach Plauen und kurze Zeit später war sie auch schon in Ostberlin. 1987 oder 88, so weit ich mich erinnere, kam dann ein Urlaubsgruß aus Buenos Aires.
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
Libanesin Anfang August 2020
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Ammianus
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Ammianus »

Vongole hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:59)

Ich hab's zwar gedacht, aber mich nicht getraut, das so drastisch auszudrücken. ;)
Manchmal langts einfach ...
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schokoschendrezki
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:15)

Dein Geschwätz von Differenzierung ist nur ein weiterer Relativierungsversuch, der ebenfalls in gleichem Maße auf das Nazi-Regime anwendbar ist, weil auch da "differenziert" werden muss.
Geht's noch? Die Bilder von Fackelumzügen, Aufmärschen KdF-Urlauben gleichen denen von FDJ-Fackelumzügen, Parteikundgebungen und organisierten FDGB-Urlauben wie ein Ei dem anderen.
Das Naziregime und die (bis zu ihrem Ende) stalisistisch geprägte DDR hatten vieles gemeinsam.
Mag dir nicht gefallen, ist aber so!
Ja. Das ist tatsächlich so. Die FDJ-Fackelumzüge und die Göbbels-Reden im SPortpalast und die Olympiade 1936 und die Leni-Riefenstahl-Filme und die 7.Oktober-Feierlichkeiten in der DDR und auch die ausführlichen Darstellungen der Vorgänge auf dem Platz des himmlischen Friedens in Pekling 1989 im DDR-Fernsehen ... sie alle haben etwas gemeinsam. Sie wollen sagen: "Dort sind die. Und hier sind wir. Wollt ihr zu denen gehören oder wollt ihr zu uns gehören."

AUf der anderen Seite wird der Einfluss von Personen, Ideologien, Parteien auf den Lauf der Geschichte völlig überschätzt. Die Wende 1989 wurde zum allerwenigsten von den Bürgerrechtsbewegungen herbeigeführt sondern erfoilgte weil sozusagen die Zeit dafür reif war. Die NVA, die Stasi, die sowjetischen Streitkräfte, die Polizei waren auch 1989 zu jedem Zeitpunkt in der Lage, sämtliche oppoitionellen Kräfte in der DDR zusammenzuschießen, zu inhaftieren, "ruhig" zu stellen, Es gab zu dieser Zeit bzw. schon ab Ende der 70er tektonische Verschiebungen in der Weltpolitik. Die Nachkriegszeit näherte sich ihrem Ende. Ein Pole wurde Papst. Die Sowjetuniuon führte einen sinnlosen, nicht gewinnbaren Krieg in Afghanistan. Die ganze Welt drehte sich gewissermaßen in Richtung auf Identität, Tradition, Souveränität, Religion, "Wir". Und gleichzeitig in ökonomischer Hinsicht auf das Gegenteil: Globalisierung, Finanzialisieerung, Kapitalmärkte. Die Frage der Sozialisierung vonMenschen in der DDR ist dabei ganz ganz nebenläufig. Es spielt im Grunde genommen kaum eine Rolle, was da so in Lübbenau oder Genthin ablief.


Dieser Fall der deutschen Mauer, die sogenannte Wende in der DDR, die deutsche EInheit war kein sonstwie historisches Ereignis sondern einfach eine der vielen Sollbruchstellen der Zeitgeschichte in der Welt der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Di 22. Jun 2021, 20:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

Ammianus hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:40)

Nun war es nicht so, dass man sich in Görlitz nicht auch alternativ informieren konnte, so man wollte. Und viele wollten das natürlich. Es gab eben nur kein Westfernsehen und keine Radioprogramme mit Musik in Mitschneidequalität. Damit war der Medienkonsum ein ganz anderer. Die Informationsmöglichkeiten waren aber vorhanden. Man darf aber nicht vergessen, dass ein großer Teil der Menschen gar nicht so wahnsinnig an Politik interessiert ist, Unterhaltungen über politische Themen sogar, manchmal aggressiv, ablehnt. Das war damals so und ist es auch heute noch. Medienkonsum prägt auch unbewusst und im Hintergrund. Das war, was ich versuchte zu beschreiben und was den Unterschied ausmacht.
Oft erlebte ich übrigens, das interessierte Leute, die von ihrem Leben was haben wollten aus der Provinz nach Berlin zogen. Interessant war es bei einer Bekannten von mir. Die wuchs in einem vogtländischen Dorf auf, zog dann, gerade erwachsen, nach Plauen und kurze Zeit später war sie auch schon in Ostberlin. 1987 oder 88, so weit ich mich erinnere, kam dann ein Urlaubsgruß aus Buenos Aires.
Es ist die Frage - was einen interessiert ...in der "historischen Situation".

2 meiner Onkel sind "abgehauen" - der eine - weil er als "Handwerker Sohn" nicht studieren durfte..
Der andere später - weil er nicht zur Armee wollte.

Mein Mitschüler 10.Klasse - ist aus einem Jugoslawien Urlaub mit der Familie nicht zurückgekommen - die haben eine Bootstour nach Italien gemacht...

Es ist eben die FRAGE - was man "vom LEBEN haben wollte" .

Nun... Berlin - "mal".. ok (Jugendfestspiele) ... aber DAUERND ? ( Das Drecknest ?)

>> und bei mir haben "Mädels" gereicht ->> als Lebensinhalt..
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Dark Angel »

Teeernte hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:37)

Immer wieder gern.
Wenn du dich schon auf die Verfassung der DDR beruft, dann doch bitte sehr auf die von 1968, denn die war die gültige Verfassung bis zum Ende dieses Staates.
Und da steht:
Art. 1. Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat deutscher Nation. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land, die gemeinsam unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen. ... [Durch § 2 des Gesetzes vom 7. Oktober 1974 erhielt Artikel 1 Absatz 1 folgende Fassung:
"Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei."]

Art. 2. (2) Alle politische Macht in der Deutschen Demokratischen Republik wird von den Werktätigen ausgeübt. Der Mensch steht im Mittelpunkt aller Bemühungen der sozialistischen Gesellschaft und ihres Staates. Das gesellschaftliche System des Sozialismus wird ständig vervollkommnet.
[Durch § 3 des Gesetzes vom 7. Oktober 1974 wurde der Artikel 2 wie folgt geändert:
- Absatz 1 erhielt folgende Fassung:
"(1) Alle politische Macht in der Deutschen Demokratischen Republik wird von den Werktätigen in Stadt und Land ausgeübt. Der Mensch steht im Mittelpunkt aller Bemühungen der sozialistischen Gesellschaft und ihres Staates. Die weitere Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes auf der Grundlage eines hohen Entwicklungstempos der sozialistischen Produktion, der Erhöhung der Effektivität des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und des Wachstums der Arbeitsproduktivität ist die entscheidende Aufgabe der entwickelten sozialistischen Gesellschaft."
- Absatz 4 wurde gestrichen]

Art. 4. Alle Macht dient dem Wohle des Volkes. Sie sichert sein friedliches Leben, schützt die sozialistische Gesellschaft und gewährleistet die planmäßige Steigerung des Lebensstandards, die freie Entwicklung des Menschen, wahrt seine Würde und garantiert die in dieser Verfassung verbürgten Rechte.


Wo liest du da etwas davon, dass alle Macht vom Volke ausgeht?
Ich kann da nichts finden!
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von franzmannzini »

Kohlhaas hat geschrieben:(22 Jun 2021, 19:39)

Ohhhh.....

Demokratie ist die Autorität der Mehrheit. Wenn jemand für sich in Anspruch nimmt, dass er als "Gegenentwurf" zu Autoritätshörigkeit demokratische Mehrheiten nicht mehr achten muss, dann macht ihn das nicht vom Saulus zum Paulus, es macht ihn nicht vom "Diktatursozialisierten" zum "wahren Demokraten". Leute, die Grundlagen unserer Demokratie ablehnen, sind nicht "in der Demokratie angekommen". Sie haben Demokratie nicht verstanden. Die empfinden es dann leicht mal als "Ehrverletzung", wenn man ihnen widerspricht. Die Grundlagen unserer Demokratie sind im Grundgesetz festgelegt. Lies das mal. So lang ist es ja nicht.
Wo wir dann wieder bei der "Würde des Menschen" sind, eines jeden Menschen.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von franzmannzini »

JJazzGold hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:25)

Was sollte ansonsten die Grundlage geboten haben? Die "pöhse" BRD, mit ihrem demokratisch breitgefächerten Parteienangebot? Und davon sucht man sich dann ausgerechnet AfD oder Die Linke aus?
Du mußt Dich nur entscheiden, ob der Umbruch nach 1989 auch eine Wirkung auf DDR-Bürger gehabt hat oder nicht,
oder ob alleine die "Diktatursozialisierung" bis heute wirkt.
Oder wie ist es in 8 Jahren, wenn die "Diktatursozialisierung" genau so lange gewirkt hat, wie die "Demokratiesozialisierung", wird dann die Diktatursozialisierung" eine vererbbare Krankheit,
das "Diktatursozialisierungsgen" welches weiter gegeben wird.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

franzmannzini hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:07)

Du mußt Dich nur entscheiden, ob der Umbruch nach 1989 auch eine Wirkung auf DDR-Bürger gehabt hat oder nicht,
oder ob alleine die "Diktatursozialisierung" bis heute wirkt.
Oder wie ist es in 8 Jahren, wenn die "Diktatursozialisierung" genau so lange gewirkt hat, wie die "Demokratiesozialisierung", wird dann die Diktatursozialisierung" eine vererbbare Krankheit,
das "Diktatursozialisierungsgen" welches weiter gegeben wird.
Ich gehe davon aus, dass sich die heutigen AfD Wähler in acht Jahren ebenso enttäuscht von dieser abwenden, wie es momentan bei der Die Linke zu beobachten ist. Dann werden sie entweder zu frustrierten Nichtwählern oder die Parteipalette bietet eine neue extreme Partei, ob links oder rechts ist, wie man an der Wählerwanderung sieht, egal.
Zuletzt geändert von JJazzGold am Di 22. Jun 2021, 21:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:50)
Leni-Riefenstahl-Filme ...


AUf der anderen Seite wird der Einfluss von Personen, Ideologien, Parteien auf den Lauf der Geschichte völlig überschätzt. Die Wende 1989 wurde zum allerwenigsten von den Bürgerrechtsbewegungen herbeigeführt sondern erfoilgte weil sozusagen die Zeit dafür reif war. Die NVA, die Stasi, die sowjetischen Streitkräfte, die Polizei waren auch 1989 zu jedem Zeitpunkt in der Lage, sämtliche oppoitionellen Kräfte in der DDR zusammenzuschießen, zu inhaftieren, "ruhig" zu stellen, Es gab zu dieser Zeit bzw. schon ab Ende der 70er tektonische Verschiebungen in der Weltpolitik. Die Nachkriegszeit näherte sich ihrem Ende. Ein Pole wurde Papst. Die Sowjetuniuon führte einen sinnlosen, nicht gewinnbaren Krieg in Afghanistan. Die ganze Welt drehte sich gewissermaßen in Richtung auf Identität, Tradition, Souveränität, Religion, "Wir". Und gleichzeitig in ökonomischer Hinsicht auf das Gegenteil: Globalisierung, Finanzialisieerung, Kapitalmärkte. Die Frage der Sozialisierung vonMenschen in der DDR ist dabei ganz ganz nebenläufig. Es spielt im Grunde genommen kaum eine Rolle, was da so in Lübbenau oder Genthin ablief.


Dieser Fall der deutschen Mauer, die sogenannte Wende in der DDR, die deutsche EInheit war kein sonstwie historisches Ereignis sondern einfach eine der vielen Sollbruchstellen der Zeitgeschichte in der Welt der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Panzerkreuzer Potemkin ....21. Dezember 1925 im Moskauer Bolschoi-Theater als offizieller Jubiläumsfilm zur Feier der Revolution des Jahres 1905 uraufgeführt.

Der hat bestimmt bei Leni abgekupfert - der Sergej Eisenstein.

...und Stalin musste auch nicht bei Adof abgucken - wie man AUFMÄRSCHE und Paraden abhält..

---------------
WV -

Es gab viele glückliche Umstände - dass es so gekommen ist - wie es ist !!

------

Leider - wenn man den Mechanismus der AfD - Aufstieg und Machtgenerierung NICHT ERKENNEN WILL - werde die WEITER Prozente generieren.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

JJazzGold hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:25)

Was sollte ansonsten die Grundlage geboten haben? Die "pöhse" BRD, mit ihrem demokratisch breitgefächerten Parteienangebot? Und davon sucht man sich dann ausgerechnet AfD oder Die Linke aus?

Es wäre durchaus o.k., wenn es irgendeine Art von parlamentarischer Insititution gäbe, die sich mit solchen Fragen befasst. Aber moment. Wanderwitz ist der sogenannte Ostbeauftragte der Regierung. Man sollte immer im Gedächtnis haben, dass die Regieung, die Exekutive, in der Demokratie eine vom demokratisch gewählten Parlament eingesetzte Instititution ist. Die Regierung soll überlegen, wie man das Eisenbahnsystem verbessert oder wie man im Rahmen der G7 oder der NATO Verhandliungen führt. Das ist der Sinn der Exekutive. Oder habe ich da was falsch verstanden? DIe Regierung hat in keinster Weise darüber zu befinden, wie SOziualisierungen laufen oder liefen. Neben dem Parlament kommt das noch und vor allem einer freien Wissenschaft und Forschung zu. Von der kann sich die Regierung natürlich gern beraten lassen.

Ein ähnliches Missverständnis wie das mit der "Leitkultur". Das Innenministerium soll nicht nur den Rechtsstaat durchsetzen und sinnvolle Strategien zur Kriminalitätsbekämpfung erarbeiten? Es soll auch Vorgaben machen, wie man Guten Tag und Gute Nacht zu sagen hat? Ja? Im Grunde genommen nähert sich die Regierung mit diesen komischen kulturalistischen Vorstellungen von einer Menschenanalyse und Menschenformung selbst einem autoritären System a la DDR an. Die Exekutive soll Steuereinnahmen berechnen und nicht über Sozialisierungen nachdenken.

In einer Demokratie ist der Mensch .- im Rahmen von Rechtsstaat und Verfassung natürlich - frei und so wie er sein will. Wenn er dumm sein will, dann ist er eben dumm. Das geht die Regierung höchstens insofern etwas an, als dass das Bildngsministerium seine Ziele entsprechend anpassen muss.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:26)

Es wäre durchaus o.k., wenn es irgendeine Art von parlamentarischer Insititution gäbe, die sich mit solchen Fragen befasst. Aber moment. Wanderwitz ist der sogenannte Ostbeauftragte der Regierung. Man sollte immer im Gedächtnis haben, dass die Regieung, die Exekutive,.

Beauftragte(r) der Bundesregierung für die neuen Bundesländer ist >> BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie....

Das ist dem Deppen seine Privatmeinung...die in der Presse hochgejubelt wird... Mails bitte an

Marco.Wanderwitz(bei)bmwi.bund.de
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Selina »

Nur noch so viel zum Stichwort "Unrechtsstaat": Ich akzeptiere und verstehe alles, was hier einzelne User zu diesem Stichwort gesagt haben. Hab ich absolut kein Problem damit. Ich zeige lediglich auf, dass man dazu auch andere Auffassungen haben kann. Solange sich die Rechtswissenschaft nicht abschließend geeinigt hat zur Übertragbarkeit des Begriffes auf die DDR, kann man die verschiedenen Auffassungen dazu auch jederzeit benennen und diskutieren. Und selbst dann, wenn es dazu einmal eine Art "Axiom" geben sollte, kann man sich kritisch dazu äußern. Wieso auch nicht? Ein bekannter CDU-Mann beispielsweise, selbst Jurist, lehnt den Begriff "Unrechtsstaat" für die DDR ebenfalls ab: Lothar de Maizière.

Zitat:

Deutsche Geschichte
Lothar de Maizière: "DDR war kein Unrechtsstaat"

Der letzte DDR-Ministerpräsident zieht nach 20 Jahren eine positive Bilanz der Einheit. Die Verwendung des Begriffs "Unrechtsstaat" für die DDR lehnt Lothar de Maizière allerdings ab.

"Ich halte diese Vokabel für unglücklich", sagte Lothar de Maizière der "Passauer Neuen Presse" anlässlich des 20. Jahrestags des Volkskammer-Beschlusses zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. "Die DDR war kein vollkommener Rechtsstaat. Aber sie war auch kein Unrechtsstaat. Der Begriff unterstellt, dass alles, was dort im Namen des Rechts geschehen ist, Unrecht war." Wenn die DDR ein Unrechtsstaat gewesen wäre, hätte im Einigungsvertrag nicht vereinbart werden können, dass Urteile aus DDR-Zeiten weiter vollstreckt werden können, sagte der CDU-Politiker. "Auch in der DDR war Mord Mord und Diebstahl Diebstahl", sagte de Maizière dem Blatt. "Das eigentliche Problem waren das politische Strafrecht und die fehlende Verwaltungsgerichtsbarkeit."


https://www.tagesspiegel.de/politik/deu ... 09334.html
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

Der Begriff "Unrechtsstaat" ist in seiner Ambivalenz schwierig. Er kann nämlich sowohl als (Unrechts)staat wie auch Un(rechtsstaat) gelesen werden. In einem (Unrechts)staat ist das Unrecht das grundsätzliche, allgemeingültige Prinzip. Ein Un(rechtsstaat) ist aus meiner Sicht ein Staat, in dem das Rechtsstaatlichkeitsprinzip nicht oder jedenfalls nicht in vollem Maße gilt. In diesem zweiten Sinne war die DDR schon ein Unrechtsstaat.

Eine weitere problematische Begrifflichkeit ist "Diktatur" in Abgrenzung von "Autokratie". Soweit ich es übersehe würde man in der moderneren Politikwissenschaft die DDR als einen Staat sehen, der vor allem im Gegensatz zum Verfassungsstaat stand. Und somit eher als Autokratie bezeichnen. In einem Verfassungsstaat ist auch die Regierung an - eben - eine Verfassung gebunden. Die DDR hatte zwar auch eine niedergeschriebene Verfassung, aber dort war klar die "führende Rolle der Partei" (SED) festgelegt. Was zu einer Verfassungswirklichkeit führte, die durch die Willkürlichkeit der Auslegung dieses Prinzips nix mehr mit einem Verfassungsstaat zu tun hat.

Den Begriff "Diktatursozialisierung" halte ich insofern für völlig irreführend, als dass die Wirklichkeit der meisten Menschen in der DDR von einer Art Allgegenwärtigkeit dieses Machtanspruchs geprägt war. Die Genossen, die Abschnittsbevollmächtigten, die Stasi-Zuträger, die Betriebsparteiorganisationsparteisekretäre, die FDJ-Sekretäre, die SED-Funktionäre in den Hochschulleitungen usw. usf. liefen überall herum. Die "Diktatur" war sozusagen immer und stets nur eine Hausnummer weiter zugegen. Und das ist keine Diktatur und ergibt auch keine "Diktatursozialisierung". Sondern eine Sozialisierung in einer Art ordnungsgläubigen Gesellschaft. Und, das ist der entscheidende Punkt für mich, eine solche Sozialisierung schließt immer auch die Entstehung von Widerstand gegen diese allgemein verordnete und allgemein akzeptierte Ordnungsgläubigkeit ein. Es ist ein ziemlich seltsames Menschenbild zu glauben, dass sich Menschen einfach abrichten lassen. In einer Diktatur wird die große Masse der Menschen von einer kleinen Elite oder sogar von einem einzelnen Diktator beherrscht. Die DDR-Gesellschaft jedoch war so eine Art 40-Prozent-Diktatur.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Mi 23. Jun 2021, 07:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

JJazzGold hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:25)

Was sollte ansonsten die Grundlage geboten haben? Die "pöhse" BRD, mit ihrem demokratisch breitgefächerten Parteienangebot? Und davon sucht man sich dann ausgerechnet AfD oder Die Linke aus?
In der Bundesrepublik als Verfassungsstaat gibt es geregelte Verfahren dafür, eine Partei von diesem breitgefächerten Parteienangebot auszuschließen. Wenn eine Flache-Erde-Partei zur Wahl zugelassen ist und irgendwelche Leute sie wählen, dann sind sie nicht nicht in der Demokratie angekommen sondern - im Gegenteil! - machen davon Gebrauch. Es hängt davon ab, ob man Demokratie vorrangig als Verfassungsstaatlichkeit oder als "Wertegemeinschaft" sieht.

Das, was jetzt gerade in den meisten Nachrichten ganz vorn auftaucht: Das Gesetz in Ungarn zum Verbot der Darstellung nicht klassischer, christlich-abendländischer Familienbilder ist im Grunde genommen die völlige Überdehnung der Wertegemeinschaftlichkeit, der "Wirigkeit" zuungunsten von Verfassungsstaatlichkeit. Es geht die Regierung schlicht nix an, ob ich an eine flache Erde glaube oder nicht. Auch wenn die für Bildung zuständigen Regierungsbeamten sich natürlich Gedanken machen dürfen, wenn die Zahl der Menschen zunimmt, die an eine flache Erde glauben.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Jun 2021, 06:50)

Der Begriff "Unrechtsstaat" ist in seiner Ambivalenz schwierig. Er kann nämlich sowohl als (Unrechts)staat wie auch Un(rechtsstaat) gelesen werden. In einem (Unrechts)staat ist das Unrecht das grundsätzliche, allgemeingültige Prinzip. Ein Un(rechtsstaat) ist aus meiner Sicht ein Staat, in dem das Rechtsstaatlichkeitsprinzip nicht oder jedenfalls nicht in vollem Maße gilt. In diesem zweiten Sinne war die DDR schon ein Unrechtsstaat.

Eine weitere problematische Begrifflichkeit ist "Diktatur" in Abgrenzung von "Autokratie". Soweit ich es übersehe würde man in der moderneren Politikwissenschaft die DDR als einen Staat sehen, der vor allem im Gegensatz zum Verfassungsstaat stand. Und somit eher als Autokratie bezeichnen. In einem Verfassungsstaat ist auch die Regierung an - eben - eine Verfassung gebunden. Die DDR hatte zwar auch eine niedergeschriebene Verfassung, aber dort war klar die "führende Rolle der Partei" (SED) festgelegt. Was zu einer Verfassungswirklichkeit führte, die durch die Willkürlichkeit der Auslegung dieses Prinzips nix mehr mit einem Verfassungsstaat zu tun hat.

Den Begriff "Diktatursozialisierung" halte ich insofern für völlig irreführend, als dass die Wirklichkeit der meisten Menschen in der DDR von einer Art Allgegenwärtigkeit dieses Machtanspruchs geprägt war. Die Genossen, die Abschnittsbevollmächtigten, die Stasi-Zuträger, die Betriebsparteiorganisationsparteisekretäre, die FDJ-Sekretäre, die SED-Funktionäre in den Hochschulleitungen usw. usf. liefen überall herum. Die "Diktatur" war sozusagen immer und stets nur eine Hausnummer weiter zugegen. Und das ist keine Diktatur und ergibt auch keine "Diktatursozialisierung". Sondern eine Sozialisierung in einer Art ordnungsgläubigen Gesellschaft. Und, das ist der entscheidende Punkt für mich, eine solche Sozialisierung schließt immer auch die Entstehung von Widerstand gegen diese allgemein verordnete und allgemein akzeptierte Ordnungsgläubigkeit ein. Es ist ein ziemlich seltsames Menschenbild zu glauben, dass sich Menschen einfach abrichten lassen.
Wenn ich Sie richtig verstehe, dann ist Ihrer Meinung nach eine Diktatur keine Diktatur, wenn die Auswirkungen der Diktatur allgegenwärtig sind, dann ist es nur Ordnungsliebe und die Opfer waren unordentlich. Sprich, es gab und gibt auf dieser Welt nie Diktaturen.

Der Verteidigundmechanismus im Bezug auf die DDR wird immer skurriler.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 07:15)

Wenn ich Sie richtig verstehe, dann ist Ihrer Meinung nach eine Diktatur keine Diktatur, wenn die Auswirkungen der Diktatur allgegenwärtig sind, dann ist es nur Ordnungsliebe und die Opfer waren unordentlich. Sprich, es gab und gibt auf dieser Welt nie Diktaturen.

Der Verteidigundmechanismus im Bezug auf die DDR wird immer skurriler.
Nein. Falsch verstanden. Nicht wenn die Auswirkungen allgegenwärtig sind sondern wenn die aktive Mitbeteiligung an der Machtausübung allgegenwärtig ist. Der Betriebsparteisekretär wie auch der ABV wie auch der Stasi-IM waren an der Macht beteiligt. Sie waren in ihrem Umfeld selbst allesamt kleine Diktatoren.

Davon unabhängig ist in meinem persönlichen Wertesystem eine Autokratie keinen Deut besser angesehen als eine Diktatur.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Jun 2021, 07:09)

In der Bundesrepublik als Verfassungsstaat gibt es geregelte Verfahren dafür, eine Partei von diesem breitgefächerten Parteienangebot auszuschließen. Wenn eine Flache-Erde-Partei zur Wahl zugelassen ist und irgendwelche Leute sie wählen, dann sind sie nicht nicht in der Demokratie angekommen sondern - im Gegenteil! - machen davon Gebrauch. Es hängt davon ab, ob man Demokratie vorrangig als Verfassungsstaatlichkeit oder als "Wertegemeinschaft" sieht.

Das, was jetzt gerade in den meisten Nachrichten ganz vorn auftaucht: Das Gesetz in Ungarn zum Verbot der Darstellung nicht klassischer, christlich-abendländischer Familienbilder ist im Grunde genommen die völlige Überdehnung der Wertegemeinschaftlichkeit, der "Wirigkeit" zuungunsten von Verfassungsstaatlichkeit. Es geht die Regierung schlicht nix an, ob ich an eine flache Erde glaube oder nicht. Auch wenn die für Bildung zuständigen Regierungsbeamten sich natürlich Gedanken machen dürfen, wenn die Zahl der Menschen zunimmt, die an eine flache Erde glauben.


Die vorausgesetzten 5% werden nicht umsonst als Hürde bezeichnet. Alles darunter fällt unter "Sonstige".
Wahlen sind geheim.
Die brauchen ergo keine Angst zu haben, dass "die Regierungskoalition!", die ggfls bei der Wahl abgelöst wird erfährt, dass Sie glauben, die Erde sei eine Scheibe. Und richtig, sollte eine Scheibenerdepartei über die 5% Hürde kommen, dann ist ein Gradmesser für ein funktionierendes Bildungssystem vorhanden.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Jun 2021, 07:27)

Nein. Falsch verstanden. Nicht wenn die Auswirkungen allgegenwärtig sind sondern wenn die aktive Mitbeteiligung an der Machtausübung allgegenwärtig ist. Der Betriebsparteisekretär wie auch der ABV wie auch der Stasi-IM waren an der Macht beteiligt. Sie waren in ihrem Umfeld selbst allesamt kleine Diktatoren.

Davon unabhängig ist in meinem persönlichen Wertesystem eine Autokratie keinen Deut besser angesehen als eine Diktatur.
Eine Mitbeteiligung ist in einer Diktatur zwangsläufig gegeben.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

Es ist, um nochmal auf das Phämomen "Wertegemeinschaft" zu kommen, in vielen der sich selbst als "westlich" sehenden Gesellschaften Toleranz gegenüber Minderheiten eine der weit verbreiteten Werte. Auch wenn es schwer zu verstehen oder schwer zu akzeptieren ist: Auch die Dominanz einer Wertegemeinschaft gegenüber denjenigen, die diese Toleranzwerte nicht teilen, ist eine Dominanz, die wiederum zu diesem Wert in Widerspruch steht. Ich sehe eine Auflösung dieser Widersprüchlichkeit nur, indem man sich auf Verfassungsstaatlichkeit und Rechtsstaatlichkeit als reine Regelbasiertheit zurückzieht.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 07:35)

Eine Mitbeteiligung ist in einer Diktatur zwangsläufig gegeben.
Das sehe ich überhaupt nicht so. Das aktuelle Myanmar ist eines der Beispiele für eine geradezu klassische Diktatur. Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung ist in keinster Weise an der Machtausübung beteiligt.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

Man versteht die DDR-Gesellschaft einfach nicht, wenn man dieses Prinzip der Machtverteilung nicht versteht. Es geht im Grunde auf die Prinzipien zurück, die Lenin in seinem Hauptwerk "Was tun?" beschrieben hat. Kaderpartei, Bündnisstrategien usw. Das Buch heißt nicht etwa "Wer sind wir" sondern "Was tun?" Was müssen wir tun, um an die Macht zu kommen und an der Macht zu bleiben. Wie müssen die Parteistrukturen organisiert werden. Wie müssen wir taktisch und strategisch vorgehen, um uns in der Gesellschaft eine breite Machtbasis zu schaffen.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Jun 2021, 07:38)

Das sehe ich überhaupt nicht so. Das aktuelle Myanmar ist eines der Beispiele für eine geradezu klassische Diktatur. Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung ist in keinster Weise an der Machtausübung beteiligt.

Also war die DDR doch eine Diktatur, da die Bevölkerung diese nicht nur mehrheitlich mitgetragen, sondern auch tatkräftig unterstützt hat, indem sie diktatursozialisiert "die Unordentlichen" und sei es die eigene Familie ans Messer lieferte.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Jun 2021, 06:50)

Der Begriff "Unrechtsstaat" ist in seiner Ambivalenz schwierig. Er kann nämlich sowohl als (Unrechts)staat wie auch Un(rechtsstaat) gelesen werden. In einem (Unrechts)staat ist das Unrecht das grundsätzliche, allgemeingültige Prinzip. Ein Un(rechtsstaat) ist aus meiner Sicht ein Staat, in dem das Rechtsstaatlichkeitsprinzip nicht oder jedenfalls nicht in vollem Maße gilt. In diesem zweiten Sinne war die DDR schon ein Unrechtsstaat.

Eine weitere problematische Begrifflichkeit ist "Diktatur" in Abgrenzung von "Autokratie". Soweit ich es übersehe würde man in der moderneren Politikwissenschaft die DDR als einen Staat sehen, der vor allem im Gegensatz zum Verfassungsstaat stand. Und somit eher als Autokratie bezeichnen. In einem Verfassungsstaat ist auch die Regierung an - eben - eine Verfassung gebunden. Die DDR hatte zwar auch eine niedergeschriebene Verfassung, aber dort war klar die "führende Rolle der Partei" (SED) festgelegt. Was zu einer Verfassungswirklichkeit führte, die durch die Willkürlichkeit der Auslegung dieses Prinzips nix mehr mit einem Verfassungsstaat zu tun hat.

Den Begriff "Diktatursozialisierung" halte ich insofern für völlig irreführend, als dass die Wirklichkeit der meisten Menschen in der DDR von einer Art Allgegenwärtigkeit dieses Machtanspruchs geprägt war. Die Genossen, die Abschnittsbevollmächtigten, die Stasi-Zuträger, die Betriebsparteiorganisationsparteisekretäre, die FDJ-Sekretäre, die SED-Funktionäre in den Hochschulleitungen usw. usf. liefen überall herum. Die "Diktatur" war sozusagen immer und stets nur eine Hausnummer weiter zugegen. Und das ist keine Diktatur und ergibt auch keine "Diktatursozialisierung". Sondern eine Sozialisierung in einer Art ordnungsgläubigen Gesellschaft. Und, das ist der entscheidende Punkt für mich, eine solche Sozialisierung schließt immer auch die Entstehung von Widerstand gegen diese allgemein verordnete und allgemein akzeptierte Ordnungsgläubigkeit ein. Es ist ein ziemlich seltsames Menschenbild zu glauben, dass sich Menschen einfach abrichten lassen. In einer Diktatur wird die große Masse der Menschen von einer kleinen Elite oder sogar von einem einzelnen Diktator beherrscht. Die DDR-Gesellschaft jedoch war so eine Art 40-Prozent-Diktatur.
Hier noch mal paar interessante Hintergründe, warum auch Fachleute sagen, nein, "Unrechtsstaat" triffts nicht... trotz allen Unrechts:

https://www.lto.de/recht/feuilleton/f/d ... uerfall/2/
Zuletzt geändert von Selina am Mi 23. Jun 2021, 08:27, insgesamt 2-mal geändert.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 07:44)

Also war die DDR doch eine Diktatur, da die Bevölkerung diese nicht nur mehrheitlich mitgetragen, sondern auch tatkräftig unterstützt hat, indem sie diktatursozialisiert "die Unordentlichen" und sei es die eigene Familie ans Messer lieferte.
Sicher gab es etliche Fälle, in denen auch die eigene Familie, naja, vielleícht nicht gleich "ans Messer" aber zum Beispiel an eine dieser Schiedskommissionen geliefert wurde.

Eine "Diktatursozialisierung" ist auf der einen Seite schwieriger, eben weil es sich um die Sozialiserung in einer Diktatur handelt und andererseits einfacher, weil man ganz genau weiß, gegen wen man sich wendet, zusammen mit den anderen Diktatursozialisierten.

In einer, ich nenne es jetzt einfach mal so, 40-Prozent-Autokratie bist du immer auch im Nahbereich von Leuten umgeben, gegen die du dich wendest. Man muss die Bereitschaft haben, sich neben die Gemeinschaft zu stellen. Herauszutreten. Oder, wie es bei Hannah Arendt heißt, nicht mehr "wir" sondern "ich" zu sagen. Dieses Problem der Gemeinschaftsorientierung sehe ich eben auch bei einem Teil der DDR-Bürgerrechtsbewegungen. Bzw. sehe einen Grund darin, dass Parteien wie die AfD, die ganz stark auf so etwas wie "Bewahrung der deutschen Volksgemeinschaft" abheben, auch bei vielen populär sind, die sich mal gegen den SED-Staat gewendet haben. Das Problem ist nicht "Diktatursozialisierung" sondern "Gemeinschaftssozialisierung".
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 07:33)

Die vorausgesetzten 5% werden nicht umsonst als Hürde bezeichnet. Alles darunter fällt unter "Sonstige".
Wahlen sind geheim.
Die brauchen ergo keine Angst zu haben, dass "die Regierungskoalition!", die ggfls bei der Wahl abgelöst wird erfährt, dass Sie glauben, die Erde sei eine Scheibe. Und richtig, sollte eine Scheibenerdepartei über die 5% Hürde kommen, dann ist ein Gradmesser für ein funktionierendes Bildungssystem vorhanden.
Nun das gilt nur für WEST Gebiete...??

Für AfD nicht ??
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 07:35)

Eine Mitbeteiligung ist in einer Diktatur zwangsläufig gegeben.
...eine MEHRHEITS-Diktatur...

So wie es die Grünen vorhaben.. :D :D :D mit Klima.
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(23 Jun 2021, 08:15)

Hier noch mal paar interessante Hintergründe, warum auch Fachleute sagen, nein, "Unrechtsstaat" triffts nicht... trotz allen Unrechts:

https://www.lto.de/recht/feuilleton/f/d ... uerfall/2/
Ja, sicher. Meine Bandkumpels und ich hatten zu DDR-Zeiten mal eine Klage am Hals, weil wir ein angeblich defektes Gerät verkauft haben. Es gab eine kurze Gerichtsverhandlung. Und wir haben am Ende Recht bekommen.

So. Jetzt aber mal ein anderes Beispiel wie das in der DDR lief. Der Leiter des Rechenzentrums der Hochschule, an der ich war, der war - das hatte ich bei Gelegenheit selbst mitbekommen - beim Parteisekretär der Hochschule verhasst. Er hielt ihn für einen dieser typischen dekadenten spätbürgerlichen Intellektuellen. Wir hatten eine rein informelle Vereinbarung mit den Fachbereichen, dass wir bei der Organisation der Abschlussklausuren mithelfen. Einer blieb in den Räumen des Rechenzentrums, das war in dem betreffenden Jahr ich, die anderen schwärmten in die Hörsäle aus. Das hatte dieser Parteisekretär mitbekommen. Und kam wie mit einer Art SA-Stoßtrupp und fragte, wo denn mein Leiter sei. So lief das mit dem "Rechtsstaat". Mein Chef wurde entlassen und durfte sich "in der Produktion" bewähren wie es so schön hieß.

Sicher. Du kannst das natürlich vergleichen. Es gibt in der Bundesrepublik zig Fälle von Entlassungen von Leuten, weil sie sich für die Bildung von Gewerkschaften oder Betriebsräten eingesetzt haben. Die dürfen sich dann auf dem Arbeitsamt bewähren. Es gibt nur einen Unterschied: Der gewerkschaftsfeindliche Unternehmer steht für sich selbst. Der Parteisekretär hatte die ganze Macht des Staats, die Staatsgewalt hinter sich.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 07:44)

Also war die DDR doch eine Diktatur, da die Bevölkerung diese nicht nur mehrheitlich mitgetragen, sondern auch tatkräftig unterstützt hat, indem sie diktatursozialisiert "die Unordentlichen" und sei es die eigene Familie ans Messer lieferte.
OMA ist ne UMWELT-SAU...
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

Teeernte hat geschrieben:(23 Jun 2021, 08:40)

Nun das gilt nur für WEST Gebiete...??

Für AfD nicht ??
Nein.
Doch.
Weshalb jemand AfD oder Die Linke wählt, kann ich nicht nachvollziehen und werde es wahrscheinlich auch nie können.
Dazu bin ich zu intensiv liberalsozialisiert.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von lili »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:08)

Nein.
Doch.
Weshalb jemand AfD oder Die Linke wählt, kann ich nicht nachvollziehen und werde es wahrscheinlich auch nie können.
Dazu bin ich zu intensiv liberalsozialisiert.
Linken: Was soll z.B. ein Arbeitsloser oder Niedriglöhner denn sonst wählen? Es bleibt nur die Linken oder Sonstiges übrig.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

Teeernte hat geschrieben:(23 Jun 2021, 08:44)

OMA ist ne UMWELT-SAU...
Dafür kommen Sie nicht nach Hohenschönhausen.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

lili hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:11)

Linken: Was soll z.B. ein Arbeitsloser oder Niedriglöhner denn sonst wählen? Es bleibt nur die Linken oder Sonstiges übrig.
Damit die abschmierende Die Linke was tut?
Zwangsläufig nichts.
Wie Gysi schon vor Jahren einsichtig konstatierte, sinngemäß, die Die Linke ist in den alten Bundesländern nicht verkäuflich.
Wer sich die Frage “warum das so ist“ nicht beantworten kann, der muss halt hoffen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:12)

Dafür kommen Sie nicht nach Hohenschönhausen.
...noch nicht.

Aber-

Haben Sie ihre (Goebbelsche) Propagandaabgabe vergessen ??
Besuch bei GEZ-Gegner Georg Thiel nach vier Monaten Gefängnis
Die MErkeldiktatur hält seit Monaten Dissidenden und andersdenkende im Gulag. (Würde man im WESTEN schreiben) :D :D :D

https://www.noz.de/deutschland-welt/ver ... gefaengnis
Zuletzt geändert von Teeernte am Mi 23. Jun 2021, 09:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Jun 2021, 08:23)

Sicher gab es etliche Fälle, in denen auch die eigene Familie, naja, vielleícht nicht gleich "ans Messer" aber zum Beispiel an eine dieser Schiedskommissionen geliefert wurde.

Eine "Diktatursozialisierung" ist auf der einen Seite schwieriger, eben weil es sich um die Sozialiserung in einer Diktatur handelt und andererseits einfacher, weil man ganz genau weiß, gegen wen man sich wendet, zusammen mit den anderen Diktatursozialisierten.

In einer, ich nenne es jetzt einfach mal so, 40-Prozent-Autokratie bist du immer auch im Nahbereich von Leuten umgeben, gegen die du dich wendest. Man muss die Bereitschaft haben, sich neben die Gemeinschaft zu stellen. Herauszutreten. Oder, wie es bei Hannah Arendt heißt, nicht mehr "wir" sondern "ich" zu sagen. Dieses Problem der Gemeinschaftsorientierung sehe ich eben auch bei einem Teil der DDR-Bürgerrechtsbewegungen. Bzw. sehe einen Grund darin, dass Parteien wie die AfD, die ganz stark auf so etwas wie "Bewahrung der deutschen Volksgemeinschaft" abheben, auch bei vielen populär sind, die sich mal gegen den SED-Staat gewendet haben. Das Problem ist nicht "Diktatursozialisierung" sondern "Gemeinschaftssozialisierung".


Etliche Fälle ist bei 111km Stasiakten reichlich geschönt.

Diktatursozialisiert = sozialisiert durch und innerhalb einer Diktatur. Das können Sie drehen und wenden wie Sie wollen, es ergibt dasselbe Ergebnis.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von lili »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:18)

Damit die abschmierende Die Linke was tut?
Zwangsläufig nichts.
Wie Gysi schon vor Jahren einsichtig konstatierte, sinngemäß, die Die Linke ist in den alten Bundesländern nicht verkäuflich.
Wer sich die Frage “warum das so ist“ nicht beantworten kann, der muss halt hoffen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Wieso werden solche Parteien so stark? weil die "Mitte" einige Leute vernachlässigt hat. Jetzt wandern ehemalige Linken Wähler zur AFD, Sonstiges und Nichtwähler. Ich finde diesen Zustand insgesamt fatal und ich halte es auch nicht für angemessen sich nur auf Ostdeutschland zu beziehen. Es gibt Leute auch im Westen die sich von dem politischen Establishment nicht angesprochen fühlt.

Ja Ostdeutschland hat eine andere Geschichte, aber die prekären Verhältnissen sind in ganz Deutschland vorzufinden. Ich denke eher, das der "Westen" keine autoritären Strukturen will, das heißt aber nicht das die Mitte richtige Angebote für einige Wähler hätte.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

Teeernte hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:23)

Haben Sie ihre (Goebbelsche) Propagandaabgabe vergessen ??



Die MErkeldiktatur hält seit Monaten Dissidenden und andersdenkende im Gulag. (Würde man im WESTEN schreiben) :D :D :D

https://www.noz.de/deutschland-welt/ver ... gefaengnis
Sie werden unlogisch.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von discipula »

lili hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:24)

Ich denke eher, das der "Westen" keine autoritären Strukturen will,
Dafür, dass der Westen angeblich keine autoritären Strukturen will, installiert er aber reichlich viele davon... explizite wie unterschwellige :?
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

lili hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:24)

Wieso werden solche Parteien so stark? weil die "Mitte" einige Leute vernachlässigt hat. Jetzt wandern ehemalige Linken Wähler zur AFD, Sonstiges und Nichtwähler. Ich finde diesen Zustand insgesamt fatal und ich halte es auch nicht für angemessen sich nur auf Ostdeutschland zu beziehen. Es gibt Leute auch im Westen die sich von dem politischen Establishment nicht angesprochen fühlt.

Ja Ostdeutschland hat eine andere Geschichte, aber die prekären Verhältnissen sind in ganz Deutschland vorzufinden. Ich denke eher, das der "Westen" keine autoritären Strukturen will, das heißt aber nicht das die Mitte richtige Angebote für einige Wähler hätte.
Vielleicht ist es Ihnen entgangen, dass es in diesem Thread um Wanderwitz und “diktatursozialisiert“ geht?
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:08)

Nein.
Doch.
Weshalb jemand AfD oder Die Linke wählt, kann ich nicht nachvollziehen und werde es wahrscheinlich auch nie können.
Dazu bin ich zu intensiv liberalsozialisiert.
Das ist aber kein liberaler Standpunkt sondern, sagen wir mal, der einer Gruppe von Menschen, die sich selbst als so etwas wie die "bürgerliche Mitte" sieht. Liberal, also freiheitlich, würde bedeuten, jedem Menschen die Wahl einer verfassungsmäßig zugelassenen Partei zuzugestehen. Das "Liberale" geht mit dem "Gemeinschaftlichen" nicht konform. Besonders ausgepägt ist der Liberalismus bekanntlich in den USA. Eine Familie, in der die eine eine engagierte linke Umweltschützerin ist und der andere bekennender Trump-Anhänger ... ist nix besonderes. Da gibts kein Aufsehen. Das ist kein Skandal. Ich bin eben so und der ist eben so. Das ist "liberalsozialisiert".
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von lili »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:27)

Vielleicht ist es Ihnen entgangen, dass es in diesem Thread um Wanderwitz und “diktatursozialisiert“ geht?
Ich wollte nur darauf eingehen, das Sie meinten sie können es nicht verstehen, warum diese Parteien gewählt werden. Ich wollte nur eine Antwort darauf geben.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:24)



Etliche Fälle ist bei 111km Stasiakten reichlich geschönt.

Diktatursozialisiert = sozialisiert durch und innerhalb einer Diktatur. Das können Sie drehen und wenden wie Sie wollen, es ergibt dasselbe Ergebnis.
Autofahrer ALLES (Kapitalistische) Egoisten keiner will auf Kombinatsverkehr umsteigen....nicht mal einer PGH // LPG (Sharing) anschliessen - DIE müssen ENTEIGNET WERDEN !!

VERBOT ! AB2035 - was der Parteitag beschloss soll WIRKLICHKEIT werden - Vorwäts zum erstem MAI (Umwelfrei) -

Hoch die INTERNATIONALE UMweltsolidarität !!
Zuletzt geändert von Teeernte am Mi 23. Jun 2021, 09:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

JJazzGold hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:25)

Sie werden unlogisch.
DIKTATUR - PROPAGANDA - Abgabe -

Warum sollen ANDERSDENKENDE das ND abonnieren ?
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Der Kutscher »

lili hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:24)
die prekären Verhältnissen sind in ganz Deutschland vorzufinden. Ich denke eher, das der "Westen" keine autoritären Strukturen will, das heißt aber nicht das die Mitte richtige Angebote für einige Wähler hätte.
Welche Partei hat denn derzeit "die richtigen Angebote" für Wähler die in prekären Verhältnissen arbeiten/leben? Die Frage ist durchaus ernst gemeint, denn "Die Linke" interessiert sich nicht mehr für diese Menschen, was ja eine Sahra Wagenknecht zu recht kritisiert und wofür ihr ja schon der Parteiaustritt "nahegelegt" wurde.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Teeernte »

Der Kutscher hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:34)

Welche Partei hat denn derzeit "die richtigen Angebote" für Wähler die in prekären Verhältnissen arbeiten/leben? Die Frage ist durchaus ernst gemeint, denn "Die Linke" interessiert sich nicht mehr für diese Menschen, was ja eine Sahra Wagenknecht zu recht kritisiert und wofür ihr ja schon der Parteiaustritt "nahegelegt" wurde.
Blockparteien sind politische Parteien, die in Staaten neben der herrschenden Partei existieren und mit dieser in einem Parteienblock zusammengeschlossen sind. Diese Parteien sind in Parlamenten und Regierungen vertreten, ohne eigentliche Macht ausüben zu können. Sie stehen nicht in Wahlkonkurrenz zur herrschenden Partei.

Blockparteien werden aus zwei Gründen zugelassen oder gar von den Machthabern selbst gegründet: Sie sollen den Anschein erwecken, es gäbe einen funktionierenden Parteienpluralismus und damit eine Voraussetzung für ein demokratisches System. Außerdem sollen Blockparteien die Regierungspolitik auch solchen Regierten nahebringen, die der machthabenden Partei kritisch gegenüberstehen.
Das sieht die AfD//Linke ebenso... ausserhalb der "Blockparteien"..?
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von lili »

Der Kutscher hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:34)

Welche Partei hat denn derzeit "die richtigen Angebote" für Wähler die in prekären Verhältnissen arbeiten/leben? Die Frage ist durchaus ernst gemeint, denn "Die Linke" interessiert sich nicht mehr für diese Menschen, was ja eine Sahra Wagenknecht zu recht kritisiert und wofür ihr ja schon der Parteiaustritt "nahegelegt" wurde.
Momentan gar keine, aber ich könnte dennoch verstehen wenn einer trotzdem die Linke aus diesem Grund noch wählt. Selbst wenn sich da einige Lifestyle Leute befinden. In ihrem Parteitag wurden viele soziale Themen besprochen.

Sonstiges wäre natürlich am passenden, aber das Problem wäre eher die 5% Hürde.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von schokoschendrezki »

Der Kutscher hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:34)

Welche Partei hat denn derzeit "die richtigen Angebote" für Wähler die in prekären Verhältnissen arbeiten/leben? Die Frage ist durchaus ernst gemeint, denn "Die Linke" interessiert sich nicht mehr für diese Menschen, was ja eine Sahra Wagenknecht zu recht kritisiert und wofür ihr ja schon der Parteiaustritt "nahegelegt" wurde.
Egal. Eine Partei schreibt ein Programm und wird von den einen gewählt und von den andern nicht. Und wenn dieses Programm eindeutig Verstöße gegen die Verfassung enthält, Antisemitismus zum Beispiel, dann kann sie verboten oder zumindest "beobachtet" werden. Fertig.

Das was mich so aufregt, ist, dass das Pendel von "liberalem Verfassungs- und Rechtsstaat" wieder hin zu "Wertegemeinschaft" schwingen soll.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Jun 2021, 08:43)

Ja, sicher. Meine Bandkumpels und ich hatten zu DDR-Zeiten mal eine Klage am Hals, weil wir ein angeblich defektes Gerät verkauft haben. Es gab eine kurze Gerichtsverhandlung. Und wir haben am Ende Recht bekommen.

So. Jetzt aber mal ein anderes Beispiel wie das in der DDR lief. Der Leiter des Rechenzentrums der Hochschule, an der ich war, der war - das hatte ich bei Gelegenheit selbst mitbekommen - beim Parteisekretär der Hochschule verhasst. Er hielt ihn für einen dieser typischen dekadenten spätbürgerlichen Intellektuellen. Wir hatten eine rein informelle Vereinbarung mit den Fachbereichen, dass wir bei der Organisation der Abschlussklausuren mithelfen. Einer blieb in den Räumen des Rechenzentrums, das war in dem betreffenden Jahr ich, die anderen schwärmten in die Hörsäle aus. Das hatte dieser Parteisekretär mitbekommen. Und kam wie mit einer Art SA-Stoßtrupp und fragte, wo denn mein Leiter sei. So lief das mit dem "Rechtsstaat". Mein Chef wurde entlassen und durfte sich "in der Produktion" bewähren wie es so schön hieß.

Sicher. Du kannst das natürlich vergleichen. Es gibt in der Bundesrepublik zig Fälle von Entlassungen von Leuten, weil sie sich für die Bildung von Gewerkschaften oder Betriebsräten eingesetzt haben. Die dürfen sich dann auf dem Arbeitsamt bewähren. Es gibt nur einen Unterschied: Der gewerkschaftsfeindliche Unternehmer steht für sich selbst. Der Parteisekretär hatte die ganze Macht des Staats, die Staatsgewalt hinter sich.
Ja klar, wenn man sich den Alltag in der DDR im Nachhinein anschaut, da begegnete einem doch auf Schritt und Tritt Unrecht. Alleine, was die DDR-Oberen meiner Familie angetan haben... da würde unterm Strich dick und fett "Unrechtsstaat" drunterstehen, würde man all die geschehenen Dinge auf emotionale Weise zusammenfassen oder auflisten. Man kanns aber auch sachlich tun, jetzt, mehr als drei Jahrzehnte danach. Deshalb finde ich zum Beispiel den Passus im Kommentar des oben zitierten Juristen (er stammt aus Schleswig-Holstein und dürfte unverdächtig sein, irgendwelche DDR-Nostalgie zu pflegen) auch so interessant. Ich zitiere:

Ein Unrechtsstaat soll, obwohl der Gedanke nahe läge, nicht das Gegenteil eines Rechtsstaates sein. Friedrich Julius Stahl (1802-1861), der bis heute als Vater des Rechtstaatsgedankens gilt, definierte den Rechtsstaat als einen, der mit Gesetzesgebundenheit und Rechtsförmigkeit der Verwaltung "nicht Ziel und Inhalt des Staates" bestimmen sollte, sondern nur dessen "Art und Charakter". Er propagierte den monarchischen Staat als Ideal des Rechtsstaats und sah dessen Gegenteil im "Volkstaat", also ausgerechnet in der Demokratie. Erst Gustav Radbruch stellte eine Verbindung zwischen beiden her, da "nur die Demokratie geeignet ist, den Rechtsstaat zu sichern". Wo er vom Unrechtsstaat sprach, wollte er den Begriff einem Staat vorbehalten, der das "Recht" gar nicht erst anstrebt und ganzen Bevölkerungsgruppen die Existenzberechtigung abspricht. Das traf nur auf Nazi-Deutschland zu. Aber nicht einmal mit dieser Bewertung konnte er sich durchsetzen; die Juristenschaft weigerte sich beharrlich, das Dritte Reich so zu nennen und erinnerte sich des Begriffs erst nach dem Untergang der DDR.

Differenzierte Betrachtung ist besser geeignet

Aus diesen Gründen lehnen auch Menschen wie Erwin Sellering, Friedrich Schorlemmer und Gesine Schwan, die alle nicht im Verdacht der DDR-Verklärung stehen, den Begriff ab. Sie sehen damit nicht nur das SED-Regime, sondern das ganze Gemeinwesen herabgesetzt, einschließlich der Bevölkerung. Offenbar meinen deshalb auch sechzig Prozent der Ostdeutschen, ein Unrechtsstaat sei die DDR nicht gewesen.

Zu einer unbefangenen Betrachtung des Justizalltags der DDR muss man wohl so viel Distanz zu den innerdeutschen Streitigkeiten haben wie die deutsch-amerikanische Rechtsprofessorin Inga Markovits von der University of Texas. Für ihre Studie "Gerechtigkeit in Lüritz" hat sie die gesamten in 40 Jahren angefallenen Akten eines kleinen Gerichts der DDR ausgewertet. Dabei ist ein vielschichtiges Bild einer teils fürsorglichen, teils repressiven, bisweilen sogar boshaften Justiz entstanden, die mit Rechtsstaat genauso falsch beschrieben wäre wie mit Unrechtsstaat.


https://www.lto.de/recht/feuilleton/f/d ... uerfall/2/
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von JJazzGold »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Jun 2021, 09:28)

Das ist aber kein liberaler Standpunkt sondern, sagen wir mal, der einer Gruppe von Menschen, die sich selbst als so etwas wie die "bürgerliche Mitte" sieht. Liberal, also freiheitlich, würde bedeuten, jedem Menschen die Wahl einer verfassungsmäßig zugelassenen Partei zuzugestehen. Das "Liberale" geht mit dem "Gemeinschaftlichen" nicht konform. Besonders ausgepägt ist der Liberalismus bekanntlich in den USA. Eine Familie, in der die eine eine engagierte linke Umweltschützerin ist und der andere bekennender Trump-Anhänger ... ist nix besonderes. Da gibts kein Aufsehen. Das ist kein Skandal. Ich bin eben so und der ist eben so. Das ist "liberalsozialisiert".
Auch was liberalsozialisiert betrifft, haben wir offensichtlich völlig unterschiedliche Ansichten. Liberal und Gemeinschaft schließen sich nicht aus. Liberal passt wiederum nicht mit illiberal zusammen.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:50)

Ja. Das ist tatsächlich so. Die FDJ-Fackelumzüge und die Göbbels-Reden im SPortpalast und die Olympiade 1936 und die Leni-Riefenstahl-Filme und die 7.Oktober-Feierlichkeiten in der DDR und auch die ausführlichen Darstellungen der Vorgänge auf dem Platz des himmlischen Friedens in Pekling 1989 im DDR-Fernsehen ... sie alle haben etwas gemeinsam. Sie wollen sagen: "Dort sind die. Und hier sind wir. Wollt ihr zu denen gehören oder wollt ihr zu uns gehören."
Nein, das wollen sie nicht sagen, ganz im Gegenteil, sie sagen etwas über das Menschenbild aus ==> der Mensch als Verfügungsmasse, bei der das Individuum gar nichts und das Kollektiv alles ist. Es läuft auf Gleichheit/Gleichschaltung hinaus.
schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:50)AUf der anderen Seite wird der Einfluss von Personen, Ideologien, Parteien auf den Lauf der Geschichte völlig überschätzt.
Das ist vollkommener Unsinn! Es sind IMMER Menschen die Geschichte MACHEN, die MIT ihren Ideologien Geschichte beeinflussen.
Geschichte ist nichts, dem die Menschen hilflos ausgeliefert sind, sondern Geschichte ist ein Prozess, sind Ereignisse, die durch menschliches Handeln überhaupt erst "herbei geführt" wird.

schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:50) Die Wende 1989 wurde zum allerwenigsten von den Bürgerrechtsbewegungen herbeigeführt sondern erfoilgte weil sozusagen die Zeit dafür reif war.
Und noch mehr Unsinn! Natürlich waren es die Bürgerrechtsbewegungen, die die Wende herbei geführt haben, weil sie die Nase voll hatten und alles auf eine Karte gesetzt haben.
schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:50)Die NVA, die Stasi, die sowjetischen Streitkräfte, die Polizei waren auch 1989 zu jedem Zeitpunkt in der Lage, sämtliche oppoitionellen Kräfte in der DDR zusammenzuschießen, zu inhaftieren, "ruhig" zu stellen, Es gab zu dieser Zeit bzw. schon ab Ende der 70er tektonische Verschiebungen in der Weltpolitik. Die Nachkriegszeit näherte sich ihrem Ende. Ein Pole wurde Papst. Die Sowjetuniuon führte einen sinnlosen, nicht gewinnbaren Krieg in Afghanistan.
Die sowjetischen Streitkräfte kannst du mit der Wahl Gorbatschow zum Generalsekretät der KPdSU getrost in die Tonne kloppen!
Mit Glasnost und Perestroika (ab 1985) war die Zeit der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten des Warschauer Vertrages vorbei.
Falls es dir entgangen sein sollte oder du es vergessen haben solltest, die Kampfgruppen sollten bei der Niederschlagung der "Revolten" eingesetzt werden und auch die NVA sollte nach dem Willen Honeckers gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden. Es war Armeegeneral Kessler, der sich im letzten Moment weigerte, auf die Demonstranten schießen zu lassen.
Das wa der Anfang vom Ende, wenige Tage später wurde Honecker durch Krenz ersetzt.
Das hat nichts mit angeblichen "tektonische Verschiebungen in der Weltpolitik" zu tun, sondern mit der Entscheidung von Menschen, die einsahen, dass Reformen unumgänglich sind, dass gehandelt werden muss.
Es waren Menschen, NICHT die Zeit, die die Veränderungen in Gang brachten.
schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:50) Die ganze Welt drehte sich gewissermaßen in Richtung auf Identität, Tradition, Souveränität, Religion, "Wir". Und gleichzeitig in ökonomischer Hinsicht auf das Gegenteil: Globalisierung, Finanzialisieerung, Kapitalmärkte. Die Frage der Sozialisierung vonMenschen in der DDR ist dabei ganz ganz nebenläufig. Es spielt im Grunde genommen kaum eine Rolle, was da so in Lübbenau oder Genthin ablief.
Ganz im Gegenteil, es spielte die entscheidende Rolle, was in Lübbenau oder Genthin, in Leipzig oder Halle oder sonstwo in der DDR ablief! Es waren und SIND die Menschen, die die Ereignisse herbeiführen, die zur Geschichte werden.
Und NEIN die Sozialisation (nicht Sozialisierung, das ist etwas anderes) ist dabei NICHT "nebenläufig", sie spielt dabei sogar eine sehr wichtige Rolle.
schokoschendrezki hat geschrieben:[url=viewtopic.php?p=5019241#p5019241] (22 Jun 2021, 20:50)[/urlDieser Fall der deutschen Mauer, die sogenannte Wende in der DDR, die deutsche EInheit war kein sonstwie historisches Ereignis sondern einfach eine der vielen Sollbruchstellen der Zeitgeschichte in der Welt der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Und noch mehr Unsinn!
Selbstverständlich war der Fall der Mauer ein historisches Ereignis, es war sogar DAS historische Ereignis es ausgehenden 20. Jh.
Genau dieses Ereignis war der Startschuss für das Ende der Nachkriegszeit, für den Abschluss des "4+2-Vertrages" der als Friedensvertrag ganz offizielle den Kriegszustand beendete. Beim Potsdamer Abkommen wurde ein fünfzig Jahre währende Besatzung Deutschlands beschlossen.
Es gibt KEINE "Sollbruchstellen" in der Geschichte, weil Geschichte immer das ist, was bereits passiert IST, die Zukunft ist NICHT vorherbestimmt!
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
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Ammianus
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Re: Diktatursozialisierung?

Beitrag von Ammianus »

Ich zitiere jetzt auch mal. Zwar nicht Gesine Schwan, Schorlemmer oder irgend einen Anwalt - sonder Eric Cartman:

"AUTORITÄÄÄÄ ..."
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
Libanesin Anfang August 2020
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