Die Äußerung wird in allen möglichen Medien rauf- und runterdebattiert und ich wundere mich eigentlich ein bissel, dass sie in diesem Forum bislang keine Rolle spielt.Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind.“ Ein Teil der (ostdeutschen) Bevölkerung habe „gefestigte nichtdemokratische Ansichten“. Nur ein geringer Teil der AfD-Wähler sei „potentiell rückholbar“, man könne darum nur „auf die nächste Generation“ hoffen.
Was hat es mit dieser "Sozialisierung" bzw. dann in abgeschlossener Form mit der "Sozialisation" eigentlich auf sich?
Es gibt keine "Sozialisation!" Tatsächlich und wirklich gibt es Vorgänge, die mit Internalisierung und Externalisierung umschrieben werden können und die in einem dialektischen Wechselverhältnis stehen. Um ein extremes Beispiel zu nennen: Die Widerstandsaktionen von Sophie Scholl während der NS-Zeit haben auf solch eine dialektische Art und Weise direkt etwas damit zu tun, dass sie als Hitlerjugend-Mädel im Dunstkreis dieser NS-Ideologie stand. Der Internalisierung von völkischen Idealen in diesen Organisationen steht die Externalisierung ihrer eigenen und auf diese Art und Weise erzeugten Gegenwehr gegenüber. Und nicht anders verhält es sich mit der Entstehung einer politischen Opposition in der DDR z.B. aus kirchlichen oder auch aus ökologischen oder auch einfach aus politisch nonkonformen Richtungen her. Der Mensch ist nicht einfach ein passives Erleidungssystem. In gleichem Maße kann er seine eigenen Vorstellungen, seinen eigenen Selbstentwurf der Gesellschaft aufdrängen, "externalisieren".
Kilian Pfeffer, der Enkel des bekannten NS-Soziologen Karl Heinz Pfeffer veröffentlichte unlängst einen sehr sehr guten Feature Beitrag über seinen Großvater. In welchem er unter anderem auch über die weiterhin anhaltende NS-Ideologie-Verseuchung der Soziologie in der bundesdeutschen Nachkriegszeit berichtet. Über bekannte Persönlichkeiten wie Helmut Schelsky etwa, die sich für seinen Großvater einsetzten. Befindet man sich also in einer Art Herkunfts-Verhaftung? Natürlich nicht! Es ist mir unbegreiflich, dass man Personen wie diesen wichtigen Ostbeauftragten über die elementarsten Erkenntnisse der Menschenlehre belehren muss!