Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

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Sören74

Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Sören74 »

Nach den Auseinandersetzungen und Diskussionen über die Kanzlerkandidatur zwischen Laschet und Söder haben insbesondere die zahlreichen Söder-Befürworter gefordert, dass die CDU-Präsidiumsmitglieder den Willen der Basis umsetzen und Söder zum Kanzlerkandidat ernennen sollten. Viele könnten nicht verstehen, warum Landesvertreter nicht für das stimmen, was ihre Basis will.

Ich habe mich irgendwann gefragt, wozu man eigentlich noch Gremien wie einen Vorstand oder Präsidium braucht, wenn am Ende alles über die Basis entschieden werden soll? Was ist dann überhaupt der Sinn, Parteien mit einer repräsentativen Vertretung auszustatten? Das Gleiche kann man auch für den Staat transformieren, keine Vertreter mehr, sondern direkte Demokratie. Aber um bei den Parteien zu bleiben, was spricht denn dafür das rein basisdemokratisch umzusetzen? Und läuft das dann wirklich besser ab? Ich erinnere mich mit grausen an die Piratenpartei, die das versucht hat, aber krachend scheiterte, weil gerade das Personal irgendwann gegangen ist.
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schokoschendrezki
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von schokoschendrezki »

Kurze Antwort: Ja. Unbedingt! Mehr denn je. Auch in der Bundesrepublik würde das Ende der repräsentativen Demokratie mit Vorgängen wie den der Erstürmung des Kapitols in Washington enden.

Ich sags ganz unumwunden: Zumindest solange das Grundgesetz gilt, ist mir der Schutz vor dem "Volkszorn" wichtiger als der Schutz vor dem Staat.

Es hängt einfach damit zusammen, dass man sich in einer direkten Demokratie nicht für Entscheidungen verantworten muss.

Diese Verantwortungspflicht müsste allerdings gestärkt werden. Ein Minister wie Scheuer muss sich im Parlament für seine Fehlentscheidungen stärker verantworten müssen. Der Gang in den Bundestag muss - ein bissel wie in UK - für die Regierenden ein Probegang aufs Schafott sein.
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schokoschendrezki
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von schokoschendrezki »

Man kann die Notwendigkeit einer repräsentativen Demokratie auch ganz und gar unpolitisch und unideologisch begründen: Komplexe Systeme brauchen einen gewissen Grad der Entkopplung ihrer Komponenten, wenn sie stabil sein sollen. Sonst gibt es ein dauerndes Hü und Hot. Du hast in einer Demokratie regelmäßig die Wahlentscheidung. So. Und dann gehst Du nach Hause und deiner Arbeit nach. Und die Regierenden hoffentlich gewissenhaft ihrer Regierungsarbeit.

Man sieht es doch am Brexit-Referendum: In Interviews zum Beispiel mit Fischerei-Leuten. O.k. jetzt gehört uns der Fisch, aber wir können ihn nicht mehr so verkaufen wie früher. So hatten wir das aber nicht gemeint! Ja ...
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relativ
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von relativ »

Man stelle sich mal nur vor, wie lange dann nötige Kompromisse dauern würde, wenn sich die gesamte Basis damit beschäftigen und Verständigen muesste.
Ich kann mich durchaus damit anfreunden, daß man bei einigen Prozessen, oder Entscheidungen auch die Basis bzw. das Volk direkter einbindet. Allerdings hat die Basis bzw. das Volk schon heute, in der Regel, bei den meisten Projekten durchaus die Möglichkeit auch direkt Einfluss zu nehmen.
Für mich ganz klares Ja .
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firlefanz11
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von firlefanz11 »

Sören74 hat geschrieben:(20 Apr 2021, 19:49)
Ich erinnere mich mit grausen an die Piratenpartei, die das versucht hat, aber krachend scheiterte, weil gerade das Personal irgendwann gegangen ist.
Na ja, das kam aber in Erster Linie daher, dass gegen das Hauen u. Stechen bei den Piraten der "Kampf" Laschet Skywalker vs Darth Söder der reinste Kindergarten war...
Ich las mal einen Artikel darüber was bei den Piraten so abging. Wer der Meinung ist heutzutage gäbs viel hate im Netz hätte da wohl mal bei den Diskussionsforen dabei sein sollen...
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denkmal
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von denkmal »

Sören74 hat geschrieben:(20 Apr 2021, 19:49)

Nach den Auseinandersetzungen und Diskussionen über die Kanzlerkandidatur zwischen Laschet und Söder haben insbesondere die zahlreichen Söder-Befürworter gefordert, dass die CDU-Präsidiumsmitglieder den Willen der Basis umsetzen und Söder zum Kanzlerkandidat ernennen sollten. Viele könnten nicht verstehen, warum Landesvertreter nicht für das stimmen, was ihre Basis will.

Ich habe mich irgendwann gefragt, wozu man eigentlich noch Gremien wie einen Vorstand oder Präsidium braucht, wenn am Ende alles über die Basis entschieden werden soll? Was ist dann überhaupt der Sinn, Parteien mit einer repräsentativen Vertretung auszustatten? Das Gleiche kann man auch für den Staat transformieren, keine Vertreter mehr, sondern direkte Demokratie. Aber um bei den Parteien zu bleiben, was spricht denn dafür das rein basisdemokratisch umzusetzen? Und läuft das dann wirklich besser ab? Ich erinnere mich mit grausen an die Piratenpartei, die das versucht hat, aber krachend scheiterte, weil gerade das Personal irgendwann gegangen ist.
JA. Nur Volkes Wille in Detailfragen lässt mich erschauern - da kann jeder Populist die Massen in seinem Sinne lenken.
Neben der praktischen Gefahr der zu lange dauernden Entscheidungsfindungen sehe ich auch ein Manko (das ist nicht negativ gemeint) in dem objektiven Verständnis der jeweils anstehenden Sachverhalte (ok, das läuft jetzt auch nicht immer optimal, aber das hat wohl auch andere Gründe). Heute entscheide ich über die Todesstrafe, morgen über neue Verschuldung und nächste Woche über Klimapläne. Da muss ich zugeben, das kann ich nicht alles expertisenmäßig durchschauen. Ergo wird es bei vielen stattdessen das "Bauchgefühl" sein.
Ich vertraue darauf (immer noch) dass die repräsentativen Entscheider sich fehlendes Expertenwissen "an Bord holen".

Was ich aber erwarten würde, dass vor Wahlen nicht nur die "Wahlversprechen" Basis sein sollten, sondern auch ein (neutrales?) Resümee der geleisteten Entscheidunggen.
Im Laufe ihres steinernen Daseins nehmen sogar manche Denkmäler menschliche Züge an.
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Neandertaler
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Neandertaler »

denkmal hat geschrieben:(22 Apr 2021, 14:38)

JA. Nur Volkes Wille in Detailfragen lässt mich erschauern - da kann jeder Populist die Massen in seinem Sinne lenken.
Sorry die Realität zeigt etwas anderes, als diese antidemokratischen Fantasien von denen dieser Tread nur so getränkt ist.

Das sind "Argumente" aus dem 19 ihr. Oh das Volk ist so blöd es wird totales Chaos ausbrechen, ne ist klar.

A) ist dieser Argumentation immer leicht sizophren, (Volk du musst Angst vor dem Volk haben, den wenn das Volk Herrscht liebes Volk wird dieses Volk ganz idiotische Dinge tun, die du nicht willst also lass lieber mich herrschen)

B) gleichzeitig die repräsentative Demokratie idealisieren ist doch absurd, alle Argumente vom blöden Volk würden denn nämlich genauso wenn nicht noch mehr für die repräsentative Demokratie und ihre Wahlen gelten

C) in der Praxis ist die Schweiz keineswegs der Hort des Chaos und noch nie könnte ein Populisten in der direkten Demokratie die Masse lenken. Adolf Hitler nebenbei ist dagegen ein Produkt der repräsentativen Demokratie, genauso wie Trump.

D) unser Augenblickliches Problem ist sicher nicht zuviel Demokratie sonder zuviel Demoskopie.
vielen stattdessen das "Bauchgefühl" sein.
das bei Wahlen keine Rolle spielt? Oder im Parlament? Bzw im Kanzleramt? Oder bei Hofe?
Ich vertraue darauf (immer noch) dass die repräsentativen Entscheider sich fehlendes Expertenwissen "an Bord holen".
Das tun sie, nenn sich Lobbyisten, die Einseitigkeit ist hier das Probleme.
Aber natürlich werden Experten auch bei direktdemokratischen verfahren zu Rate gezogen. Die Argumente werden einen sogar frei Haus zugesandt mit den Abstimmuungs Unterlagen, allerdings die Argumente beider Seiten und man kann und sollte sich natürlich selber noch zusätzlich informieren und bei der Abstimmung kann man dann nach besten Gewissen entscheiden ohne sich nach Parteidisziplin richten zu müssen stark oder?

Außerdem ist die geniale an der Demokratie das sie wie ein Facettenauge funktioniert der einzelne muss gar nicht alles wissen, und kein einzelner weiß alles, und trotzdem ergibt sich ein scharfes Gesamtbild.
Ich bin linksliberal, ich habe mich testen lassen.
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Levi »

Wir werden es ja sehen wie es ab September läuft, ob gut oder schlecht ;)
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denkmal
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von denkmal »

Neandertaler hat geschrieben:(23 Apr 2021, 07:03)

Sorry die Realität zeigt etwas anderes, als diese antidemokratischen Fantasien von denen dieser Tread nur so getränkt ist.

Das sind "Argumente" aus dem 19 ihr. Oh das Volk ist so blöd es wird totales Chaos ausbrechen, ne ist klar.

A) ist dieser Argumentation immer leicht sizophren, (Volk du musst Angst vor dem Volk haben, den wenn das Volk Herrscht liebes Volk wird dieses Volk ganz idiotische Dinge tun, die du nicht willst also lass lieber mich herrschen)

B) gleichzeitig die repräsentative Demokratie idealisieren ist doch absurd, alle Argumente vom blöden Volk würden denn nämlich genauso wenn nicht noch mehr für die repräsentative Demokratie und ihre Wahlen gelten

C) in der Praxis ist die Schweiz keineswegs der Hort des Chaos und noch nie könnte ein Populisten in der direkten Demokratie die Masse lenken. Adolf Hitler nebenbei ist dagegen ein Produkt der repräsentativen Demokratie, genauso wie Trump.

D) unser Augenblickliches Problem ist sicher nicht zuviel Demokratie sonder zuviel Demoskopie.

das bei Wahlen keine Rolle spielt? Oder im Parlament? Bzw im Kanzleramt? Oder bei Hofe?


Das tun sie, nenn sich Lobbyisten, die Einseitigkeit ist hier das Probleme.
Aber natürlich werden Experten auch bei direktdemokratischen verfahren zu Rate gezogen. Die Argumente werden einen sogar frei Haus zugesandt mit den Abstimmuungs Unterlagen, allerdings die Argumente beider Seiten und man kann und sollte sich natürlich selber noch zusätzlich informieren und bei der Abstimmung kann man dann nach besten Gewissen entscheiden ohne sich nach Parteidisziplin richten zu müssen stark oder?

Außerdem ist die geniale an der Demokratie das sie wie ein Facettenauge funktioniert der einzelne muss gar nicht alles wissen, und kein einzelner weiß alles, und trotzdem ergibt sich ein scharfes Gesamtbild.
Da musst du mich missverstanden haben. Nichts liegt mir ferner als antidemokratische Fantasien. Und gerne mehr an direkter Demokratie, aber eben zusammen mit einr repräsentativen Demokratie. NUR direkte Demokratie (in allen Alltagsfragen?) sehe ich nicht positiv. Und in der Schweiz -korrigiere mich, falls ich falsch liege, ich bin da nicht so bewandert- gibt es ja nicht nur direkte Entscheidungen, oder?
A) ist Quatsch, das Volk herrscht doch auch in einer repräsentativen Demokratie
B) entfällt deshalb - aber ich gebe dir recht, in der Gesamtheit ist die Manipiulationsgefahr auch bei sporadischen Willensbekundungen gegeben. Aber deshalb weg damit? Durch häufigere "Volksentscheidungen" ersetzen?=
C) Eine repräsentative Demokratie ist wie alle Demokratieformen für Missbrauch anfällig.
D) da gebe ich dir recht

Und Experten sollten objektive Fachleute sein, Lobbyisten sind für mich in dem Sinne keine Experten, sondern Manipulatoren. Und ob ich nun jeden Tag bei den dann anstehenden Entscheidungen mich selber durch Papierkram (nenn ich mal so) wühlen muss, da wird vielen wahrscheinlich rasch die Lust vergehen... Man muss ja auch noch arbeiten gehen... ;)
Die Parteidisziplin und den Fraktionszwang halte ich in der jetztigen Form auch für kontraproduktiv.
Bei der Schwarmintelligenz bin ich wieder bei dir. Die praktische Umsetzung einer rein direkten Demokratie sehe ich als problematisch, auch für die Akzeptanz...

Sollen wir es dann wie die Schweizer machen? Ist das ein gutes Vorbild? Wie könnten wir das bei uns denn heute verwirklichen?
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Neandertaler
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Neandertaler »

denkmal hat geschrieben:(26 Apr 2021, 12:08)

Da musst du mich missverstanden haben.
Nichts liegt mir ferner als antidemokratische Fantasien.
Da habe ich dich offensichtlich in der Tat missverstanden, danke für deine ausführliche Antwort die das richtig stellt.
Und in der Schweiz -korrigiere mich, falls ich falsch liege, ich bin da nicht so bewandert- gibt es ja nicht nur direkte Entscheidungen, oder?
die direktdemokratischen Elemente haben Vorrang und repräsentative demokratisch Entscheidungen stehen unter Vorbehalt, aber ja es gibt repräsentative
Elemente und die treffen in der Praxis auch ein Grossteil der politischen Entscheidungen.
.... Und ob ich nun jeden Tag bei den dann anstehenden Entscheidungen mich selber durch Papierkram (nenn ich mal so) wühlen muss, da wird vielen wahrscheinlich rasch die Lust vergehen... Man muss ja auch noch arbeiten gehen... ;)
Das Argument hat natürlich einen gewisse stichhaltigkeit.
Aber es muss sich ja nicht jeder durch den "Papierkram" für jede Entscheidung wühlen" . Einige die dies ohne Sekundärinteressen tun können und sollten schon reichen um mögliche Nachteile aufzudecken. Wenn jede die Möglichkeit hat zu diesen einigen zu gehören sehe ich das ebenfalls als Vorteil.
Die praktische Umsetzung einer rein direkten Demokratie sehe ich als problematisch, auch für die Akzeptanz...
ich meine rein direktdemokratische regiert wurden bisher nur kleine Gemeinschaften, und es gibt historische Beispiele für stark direktdemokratisch bestimmte Gesellschaften. Für einen modernen Staat wäre das aber ein absolutes Novum. Was das in diesem Fall für Auswirkungen hätte wäre also erstmal rein spekulativ.
Prinzipiell sollte das technische kein Problem heute sein. Ein solches System könnte sogar sehr schnell (Abstimmung bis heute Abend per Mausklick) Entscheidungen treffen, ich halte Grade das (sehr schnelle direktdemokratische Entscheidungen) aber für wenig Wünschenswert da hierunter der Diskussion und Informationsprozeß leiden würde. Weitere Punkt auf denn man ausführlicher eingehen müsste wären zwischenstaatlichen Verhandlungen und wie Fachleute, die es auch diesen System geben müsste, erwählt und eingebunden werden, und wo denn der Vorteil eines solchen Systems gegenüber eines Systems wie in der Schweiz liegen soll.
Sollen wir es dann wie die Schweizer machen? Ist das ein gutes Vorbild? Wie könnten wir das bei uns denn heute verwirklichen?
Ja, das sollten wir. Die Schweiz ist wirklich in vielerlei Hinsicht, nicht nur von denn direktdemokratischen Elemente, die ausgeklügelte Musterdemokratie schlechthin.
Nur bei der Möglichkeit der Übertragung dieses Vorbildes nach Deutschland sehe ich leider Schwarz. Deutschland hat wie viele Demokratie den Konstruktionsfehler das die Ausgestaltung des Wahlrecht und ähnlichem in den Händen der Parteien liegt. Uns die Spitzen der bestimmenden Parteien hätten ja von direktdemokratischen Elemente, offenen Listen etc keinen Vorteil sondern einen Machtverlust. Und so setzen sich deren Sekundärinteressen gegen die Gesamtinteressen durch, man beachte nur wie schwer sich die CDU und SPD mit Abschaffung der Überhangmandate tun, oder wie die Grünen Just in dem Moment wo sie sich Chancen auf den Kanzlerposten ausrechnen von Befürwortern zu Gegner der direkten Demokratie wurden.
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Bielefeld09
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Bielefeld09 »

Nöö, Söder, Bayern ist Deins.,
aber der Rest gehört Dir nicht.
Klär das mit der CDU.
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
Sören74

Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Sören74 »

Neandertaler hat geschrieben:(23 Apr 2021, 07:03)

A) ist dieser Argumentation immer leicht sizophren, (Volk du musst Angst vor dem Volk haben, den wenn das Volk Herrscht liebes Volk wird dieses Volk ganz idiotische Dinge tun, die du nicht willst also lass lieber mich herrschen)

B) gleichzeitig die repräsentative Demokratie idealisieren ist doch absurd, alle Argumente vom blöden Volk würden denn nämlich genauso wenn nicht noch mehr für die repräsentative Demokratie und ihre Wahlen gelten

C) in der Praxis ist die Schweiz keineswegs der Hort des Chaos und noch nie könnte ein Populisten in der direkten Demokratie die Masse lenken. Adolf Hitler nebenbei ist dagegen ein Produkt der repräsentativen Demokratie, genauso wie Trump.

D) unser Augenblickliches Problem ist sicher nicht zuviel Demokratie sonder zuviel Demoskopie.
Sich für die repräsentative Demokratie auszusprechen, impliziert doch nicht, dass man das Volk für Blöde hält. Wenn man das tatsächlich täte, würde man sich nicht für freie Wahlen aussprechen. Die Schweiz ist im übrigen kein Beispiel für eine direkte Demokratie, sondern für eine repräsentative Demokratie mit Elementen der direkten Demokratie. Auf Wikipedia findet man bei der Schweiz in puncto Regierungsform: "föderale Republik mit Direktorialsystem".
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denkmal
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von denkmal »

Neandertaler hat geschrieben:(01 May 2021, 23:03)

Da habe ich dich offensichtlich in der Tat missverstanden, danke für deine ausführliche Antwort die das richtig stellt.

die direktdemokratischen Elemente haben Vorrang und repräsentative demokratisch Entscheidungen stehen unter Vorbehalt, aber ja es gibt repräsentative
Elemente und die treffen in der Praxis auch ein Grossteil der politischen Entscheidungen.


Das Argument hat natürlich einen gewisse stichhaltigkeit.
Aber es muss sich ja nicht jeder durch den "Papierkram" für jede Entscheidung wühlen" . Einige die dies ohne Sekundärinteressen tun können und sollten schon reichen um mögliche Nachteile aufzudecken. Wenn jede die Möglichkeit hat zu diesen einigen zu gehören sehe ich das ebenfalls als Vorteil.

ich meine rein direktdemokratische regiert wurden bisher nur kleine Gemeinschaften, und es gibt historische Beispiele für stark direktdemokratisch bestimmte Gesellschaften. Für einen modernen Staat wäre das aber ein absolutes Novum. Was das in diesem Fall für Auswirkungen hätte wäre also erstmal rein spekulativ.
Prinzipiell sollte das technische kein Problem heute sein. Ein solches System könnte sogar sehr schnell (Abstimmung bis heute Abend per Mausklick) Entscheidungen treffen, ich halte Grade das (sehr schnelle direktdemokratische Entscheidungen) aber für wenig Wünschenswert da hierunter der Diskussion und Informationsprozeß leiden würde. Weitere Punkt auf denn man ausführlicher eingehen müsste wären zwischenstaatlichen Verhandlungen und wie Fachleute, die es auch diesen System geben müsste, erwählt und eingebunden werden, und wo denn der Vorteil eines solchen Systems gegenüber eines Systems wie in der Schweiz liegen soll.


Ja, das sollten wir. Die Schweiz ist wirklich in vielerlei Hinsicht, nicht nur von denn direktdemokratischen Elemente, die ausgeklügelte Musterdemokratie schlechthin.
Nur bei der Möglichkeit der Übertragung dieses Vorbildes nach Deutschland sehe ich leider Schwarz. Deutschland hat wie viele Demokratie den Konstruktionsfehler das die Ausgestaltung des Wahlrecht und ähnlichem in den Händen der Parteien liegt. Uns die Spitzen der bestimmenden Parteien hätten ja von direktdemokratischen Elemente, offenen Listen etc keinen Vorteil sondern einen Machtverlust. Und so setzen sich deren Sekundärinteressen gegen die Gesamtinteressen durch, man beachte nur wie schwer sich die CDU und SPD mit Abschaffung der Überhangmandate tun, oder wie die Grünen Just in dem Moment wo sie sich Chancen auf den Kanzlerposten ausrechnen von Befürwortern zu Gegner der direkten Demokratie wurden.
Aber ist das nicht das gleiche Problem wie in der repräsentativen D.? Jemanden ohne Sekundärinteressen finden? Sich auf "Fachleute" verlassen, statt selbst zu prüfen (wobei ich ja letzteres wie erwähnt als unmöglich für den Einzelnen ansehe) - du sagst ja selbst, die Fachleute (als delegierte Wissensvermittler) müssen ja auch irgendwie erwählt werden.

Und auch ein schnelles Online Entscheidungssystem halte ich, ähnlich wie du, zumindest für problematisch, so lange eben aktuelle mediale Zeitgeistberichte noch im Hirn schwelen (Vorverurteilung)...
Man sieht ja teilweise, wie das Internet den Hass und die Bedrohung gegenüber Amtsträgern gerade sprunghaft steigert. Wenn das stattdessen in Entscheidungen mit einfließt, naja...

Ich bin aber bei dir, wenn es eben keine Veränderungen bei uns gibt, liegt das an dem Machtverlust der Entscheider. Unser Parteiensystem halte ich aber für dringend refombedürftig (ebenso wie das Wahlrecht), man hat ja an der Söder/Laschet Posse gesehen, was die Angst um den Machtverlust (hier einzelner CDU Abgeordnter) hervobringt (Entscheidung nach momentaner Umfragesituation).

Also ich bin durchaus dafür, direktdemokratische Elemente in einer moderaten Form zu implementieren, sehe aber deren Schwächen (ok, wenn man die irgendwie minimieren kann) und sehe die (momentane) Unmöglichkeit, dass auf demokratischem Wege in der jetzigen Machtlandschaft in Deutschland durchzuführen. Da müsste eben eine Partei her, die das nicht nur verspricht, sondern auch hält :cool: - oder es müsste irgendwie über Petitionen gehen können (?), aber da sehe ich auch keine Aktivität.

Der Mensch an sich ist ja immer "zufrieden" in dem Sinne von Sachen ertragen so lange es geht... und um richtig "auf die Straße zu gehen" bedarf es großer Verwerfungen (siehe Montagsdemos in der ehemaligen DDR) - die jetzt eigentlich nur "herumnörgelnden Demonstranten" (Pegida, Querdenker, Coronaleugner, Reichstagsstürmer und Verschwörungstheoretiker) halte ich nicht für zielführend- die wollen womöglich etwas anderes ;) - aber ich lasse sie gerne ihre Meinung äußern, das dürfen sie schon - egal was ich davon halte - sehe das aber auch als Beispiel für die mögliche Überforderung des einzelnen bei vielen Sachthemen, gerade in "das Internet lügt nicht (zumindest die Seiten, die meine Meinung vertreten)" Zeiten.
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Neandertaler »

Sören74 hat geschrieben:(02 May 2021, 02:22)

Sich für die repräsentative Demokratie auszusprechen, impliziert doch nicht, dass man das Volk für Blöde hält. Wenn man das tatsächlich täte, würde man sich nicht für freie Wahlen aussprechen.
Nein, natürlich nicht. Aber oft wird gegen die Demokratie, mit salop gesagt, das Volk ist zu dumm, argumentiert. Meiner Meinung nach auch hier im Threads. Und diese Annahme, würde wie du sagst, ja genauso gegen die repräsentative Demokratie und Wahlen sprechen.
Die Schweiz ist im übrigen kein Beispiel für eine direkte Demokratie, sondern für eine repräsentative Demokratie mit Elementen der direkten Demokratie. Auf Wikipedia findet man bei der Schweiz in puncto Regierungsform: "föderale Republik mit Direktorialsystem".
Nun, ich schreibe ja in diesem Thread das eine reine direkte Demokratie für einen modernen Staat ein absolutes Novum wäre und das die Schweiz auch Elemente der repräsentativen Demokratie hat.
Ich würde es aufgrund des Vorrangs der direkten Demokratie, und der historischen Entwicklung, es so sehen das die Schweiz eine direkte Demokratie mit Repräsentativen Elemente ist, obwohl die meisten Entscheidungen im eher Parlament getroffen wurde. Aber das ist sicher eher eine akademische Diskussion.
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Brainiac
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Brainiac »

Was ich in meinem Umfeld öfters beobachte, ist, dass die Entscheidung der Briten für den Brexit in 2016 die Stimmung gegen direkte Demokratie hat kippen lassen. Das ist aus meiner Sicht ein sehr typischer Kurzschluss: Lehne das demokratische Verfahren ab, das zu einer dir nicht genehmen Entscheidung geführt hat. Es ist kein substantielles Gegenargument.

Um auf das Strangthema zurückzukommen, brauchen wir dennoch selbstverständlich auch weiterhin eine repräsentative Demokratie. Die richtige Mischung macht's, wobei mir die konkrete Ausgestaltung dieser Mischung leider selbst noch nicht vollständig klar ist.

Es ist sinnfrei, hier ständig auf die Schweiz zu verweisen. Die dort gelebte Praxis der direkten Demokratie, insbesondere der tief verwurzelte Grundkonsens, diese nicht zu missbrauchen, läßt sich nicht mal eben auf Deutschland überstülpen. So etwas braucht Jahrhunderte.
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Niklas
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Niklas »

Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?
Selbstverständlich brauchen wir Demokratie.
Demokratie ist die Form des Regierens, und nicht nur die Form der Wahlen.

Demokratische Wahlen bedeuten noch lange keine Demokratie. In der Demokratie sollen demokratisch gewählte Volksvertreter dem Volk dienen, und nicht ihre persönlichen politischen Ambitionen durchdrücken.
"Selbst die Verlogenheit ist verkommen. Sie trat früher professioneller auf." -- Bruno Jonas, 2007
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Orbiter1
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Orbiter1 »

Brainiac hat geschrieben:(07 May 2021, 22:15)

Es ist sinnfrei, hier ständig auf die Schweiz zu verweisen. Die dort gelebte Praxis der direkten Demokratie, insbesondere der tief verwurzelte Grundkonsens, diese nicht zu missbrauchen, läßt sich nicht mal eben auf Deutschland überstülpen. So etwas braucht Jahrhunderte.
Dann wird es langsam Zeit damit zu beginnen, und sei es nur bei bestimmten Themen, sonst wird das nie was in Deutschland.
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Brainiac »

Orbiter1 hat geschrieben:(09 May 2021, 15:54)

Dann wird es langsam Zeit damit zu beginnen, und sei es nur bei bestimmten Themen, sonst wird das nie was in Deutschland.
Natürlich, da bin ich ja dabei.

Es könnte z.B. eine offizelle Volksbefragung durchgeführt werden, ob die Bevölkerung eine engere oder weniger enge EU-Integration (verglichen mit derzeit) möchte. Das wäre für die Politik zwar nicht bindend, sie wäre jedoch gut beraten, sich daran zu orientieren.

Wenn ich richtig informiert bin, könnte eine unverbindliche Volksbefragung, also ein konsultiatives Referendum, auch auf Bundesebene über ein einfaches Bundesgesetz ermöglicht werden.
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Skeptiker

Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Skeptiker »

Brainiac hat geschrieben:(09 May 2021, 22:24)

Es könnte z.B. eine offizelle Volksbefragung durchgeführt werden, ob die Bevölkerung eine engere oder weniger enge EU-Integration (verglichen mit derzeit) möchte.
..,
Das halte ich aktuell nicht für sinnvoll.

Mein Eindruck ist, dass die Bereitschaft Kompetenzen an eine übergeordnete Organisationseinheit abzugeben, fundamental von den demokratischen Einflussmöglichkeiten und Werkzeugen abhängt.

An ein Bürokratenkönigreich möchte ich nicht mehr Macht abgeben. An eine starke und parlamentarisch fundierte EU, mit klarer Abgrenzung der Kompetenzen zu den Mitgliedstaaten, wären dagegen mehr Leute bereit Macht abzugeben.

Daher liegt die Lösung eher bei einer Reform der Konstitution der EU selber. Mehr Macht dem Parlament, weniger Macht den Hinterzimmern.

Wenn das absehbar ist, dann macht auch eine Vollsbefragung in dem Zusammenhang Sinn. Dann weiss man ja wem man zustimmt oder was man ggf. ablehnt.
Sören74

Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Sören74 »

Neandertaler hat geschrieben:(07 May 2021, 22:02)

Nein, natürlich nicht. Aber oft wird gegen die Demokratie, mit salop gesagt, das Volk ist zu dumm, argumentiert.
Wo zum Beispiel? :?
Neandertaler hat geschrieben:Meiner Meinung nach auch hier im Threads.
Kannst Du das etwas genauer erörtern, weil ich kann dem nicht ganz folgen.
Neandertaler hat geschrieben: Nun, ich schreibe ja in diesem Thread das eine reine direkte Demokratie für einen modernen Staat ein absolutes Novum wäre und das die Schweiz auch Elemente der repräsentativen Demokratie hat.
Ich würde eher sagen, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Die Schweiz ist eine repräsentativen Demokratie, die Elemente der direkten Demokratie besitzt. Die übermäßige Zahl der Gesetze, die in deren Parlament beschlossen werden, ist weit höher als die eingereichten Volksentscheide.
Neandertaler hat geschrieben: Ich würde es aufgrund des Vorrangs der direkten Demokratie, und der historischen Entwicklung, es so sehen das die Schweiz eine direkte Demokratie mit Repräsentativen Elemente ist, obwohl die meisten Entscheidungen im eher Parlament getroffen wurde. Aber das ist sicher eher eine akademische Diskussion.
Das sehe ich nicht so, dass das eine akademische Diskussion ist, wenn direkte und repräsentative Demokratie Hauptkategorien vieler politischer Diskussionen sind, mit denen eigentlich jeder was anfangen kann. Von daher kann man selbst gut prüfen, welche Elemente davon mehr in einem konkreten Land umgesetzt sind.
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Neandertaler »

denkmal hat geschrieben:(03 May 2021, 08:22)

Aber ist das nicht das gleiche Problem wie in der repräsentativen D.? Jemanden ohne Sekundärinteressen finden? Sich auf "Fachleute" verlassen, statt selbst zu prüfen (wobei ich ja letzteres wie erwähnt als unmöglich für den Einzelnen ansehe) - du sagst ja selbst, die Fachleute (als delegierte Wissensvermittler) müssen ja auch irgendwie erwählt werden.
das stimmt schon und ich würde Spekulieren das sich in einer reinen direkten Demokratie Strukturen bilden könnten, die so einer Mischung aus Lobbyisten Thing Tanks und Parteien wären, wahrscheinlich aber Loser.
Ich denke aber das die Chance in einer direkten Demokratie größer ist, das die Sachen von mehreren Seiten geprüft wird. Und das dies auch einzelne interessierte Bürger tun werden. Aber wie gesagt eine reine direkte Demokratie ist Spekulativ und ich kann da keinen Vorteil zu einem System aller Schweiz erkennen.
Also ich bin durchaus dafür, direktdemokratische Elemente in einer moderaten Form zu implementieren, sehe aber deren Schwächen (ok, wenn man die irgendwie minimieren kann) und sehe die (momentane) Unmöglichkeit, dass auf demokratischem Wege in der jetzigen Machtlandschaft in Deutschland durchzuführen. ...
Da müsste halt extremer Außerparlamentarischer Druck her um die führenden Parteien zum Einlegen zu bringen, so das dieses sich quasi selbst auf die Fahne schreiben, halte ich aber für schwierig herzustellen.
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Neandertaler »

Sören74 hat geschrieben:(10 May 2021, 01:08)

Wo zum Beispiel? :?

Kannst Du das etwas genauer erörtern, weil ich kann dem nicht ganz folgen.
mmm
:s ich muss gestehen daß ich nach dem ich die vorherigen Postings nochmal gelesen und nicht nur überflogen, ich hier etwas sterotyp auf von mir impliziertes reagiert habe. Da habe ich wohl etwas auf Strohmänner gefeuert. :|


Das sehe ich nicht so, dass das eine akademische Diskussion ist, wenn direkte und repräsentative Demokratie Hauptkategorien vieler politischer Diskussionen sind, mit denen eigentlich jeder was anfangen kann. Von daher kann man selbst gut prüfen, welche Elemente davon mehr in einem konkreten Land umgesetzt sind.
Wie gesagt ich halte es für wenig entscheidend ob man die Schweiz als repräsentative Demokratie mit starken direktdemokratischen Elementen oder umgekehrt hält.
Aber da wie gesagt die direktdemokratischen Elemente eindeutig Vorrang, Parlamentsentscheidungen stehen unter direkt demokratischen Vorbehalt, würde ich das zweite wählen. De jure und de facto. Auch wenn das Parlament bei der konkreten Umsetzung von Volksentscheiden eine wichtige Rolle spielt .
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Neandertaler
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Neandertaler »

Brainiac hat geschrieben:(07 May 2021, 22:15)

Was ich in meinem Umfeld öfters beobachte, ist, dass die Entscheidung der Briten für den Brexit in 2016 die Stimmung gegen direkte Demokratie hat kippen lassen. Das ist aus meiner Sicht ein sehr typischer Kurzschluss: Lehne das demokratische Verfahren ab, das zu einer dir nicht genehmen Entscheidung geführt hat. Es ist kein substantielles Gegenargument.
Ich habe das Gefühl es ist noch schlimmer und die echten Überzeugten Demokraten sind nur eine Minderheit. Bei vielen scheint mir Demokratie ein Wort für Sonntagsreden und Lippenkenntnisse. Wird es dann aber konkret und Mann sieht in weniger Demokratie einen augenblicklichen taktischen politischen Vorteil soll es dann auch nicht so viel Demokratie sein.
Es ist sinnfrei, hier ständig auf die Schweiz zu verweisen.
Warum? Die Schweiz hat einfach das bessere demokratischere System, praxiserprobt. Und das nicht nur wegen der direkten Demokratie, sondern auch wegen der offenen Listen, dem fehlenden Staatsoberhaupt etc. Zudem ist das System Schweiz geradezu eine Blauphase wie man die EU demokratisch gestalten könnte. Warum darf man nicht vom Nachbarn lernen wenn der es besser macht?
Die dort gelebte Praxis der direkten Demokratie, insbesondere der tief verwurzelte Grundkonsens, diese nicht zu missbrauchen, läßt sich nicht mal eben auf Deutschland überstülpen. So etwas braucht Jahrhunderte.
Wie genau definiertst du diesen Grundkonsens?
Die Jahrhunderte alte Tradition ist sicher ein Vorteil aber ich sehe da eher Sekundärinteressen als Hemmnis.
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Brainiac
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Brainiac »

Neandertaler hat geschrieben:(11 May 2021, 01:08)

Warum? Die Schweiz hat einfach das bessere demokratischere System, praxiserprobt. Und das nicht nur wegen der direkten Demokratie, sondern auch wegen der offenen Listen, dem fehlenden Staatsoberhaupt etc. Zudem ist das System Schweiz geradezu eine Blauphase wie man die EU demokratisch gestalten könnte. Warum darf man nicht vom Nachbarn lernen wenn der es besser macht?
Ich möchte stark in Frage stellen, dass die Schweiz die "bessere" Demokratie sei. Das wirst du auch nicht beweisen können. Sie ist anders, mehr nicht.
Direkte Demokratie ist nicht per se "besser" als repräsentative Demokratie. Ich halte es für sinnvoll, beides zu kombinieren, um die Stärken beider Ansätze zu nutzen. Da sind wir in D auf Bundesebene Entwicklungsland und das würde ich gerne ändern - nicht aber die repräsentative Demokratie abschaffen.
Wie genau definiertst du diesen Grundkonsens?
Die Jahrhunderte alte Tradition ist sicher ein Vorteil aber ich sehe da eher Sekundärinteressen als Hemmnis.
Das System darf nicht missbraucht werden - es darf nicht die Demokratie mit jedem beliebigen irrelevanten Kram lahmgelegt werden.
Der allgemeine Grundkonsens in der Schweiz ist, dass man das einfach nicht tut. Es gehört sich nicht.

Ein Negativbeispiel war in dieser Hinsicht meines Wissens Kalifornien.

Und es muss natürlich eine gewisse Grundakzeptanz dem Verfahren gegenüber geben, wozu auch gehört, es nicht gleich zu verdammen, wenn es im Einzelfall nicht so wie gewünscht ausfällt (siehe oben).

Ich weiß einfach nicht, wie die deutsche Bevölkerung mit so etwas umginge, wenn es eben auch auf Bundesebene derartige Entscheidungsmöglichkeiten gäbe. Das ist einfach eine andere Kategorie - emotionaler, kontroverser, komplexer - als die Möglichkeiten, die es teilweise in den Bundesländern gibt. M.E. sollte man so etwas sehr langsam hochfahren.
History doesn't repeat itself, but it often rhymes (Twain). Unfortunately, we can't predict the rhyme.
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Sören74 »

Neandertaler hat geschrieben:(11 May 2021, 01:08)

Warum? Die Schweiz hat einfach das bessere demokratischere System, praxiserprobt.
Das wäre natürlich die Frage, nach welchen Kriterien man das bewertet.
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Neandertaler »

Brainiac hat geschrieben:(11 May 2021, 19:01)
Ich möchte stark in Frage stellen, dass die Schweiz die "bessere" Demokratie sei. Das wirst du auch nicht beweisen können. Sie ist anders, mehr nicht.
da kommen wir nicht zusammen, nach meiner Meinung ist das politische System der Schweiz nicht nur einfach anders sonder schlicht besser und durchdachter. Und das auch ganz ohne die direktdemokratischen Elemente. Ob ich es dir beweisen kann hängt natürlich davon ab was du als Beweis zulässt, demokratischer ist das Schweizer System auf alle Fälle.
...Ich halte es für sinnvoll, beides zu kombinieren, um die Stärken beider Ansätze zu nutzen. Da sind wir in D auf Bundesebene Entwicklungsland und das würde ich gerne ändern - nicht aber die repräsentative Demokratie abschaffen.
Hier sind wir doch einer Meinung, ich habe nicht gefordert die repräsentative Demokratie abzuschaffen. Es spricht nichts dagegen wenn der Bürger als Souverän Aufgaben deligiert.
Spekulationen über ein rein direktdemokratisches System betrachte ich eher als geistige Spielerei.
Das System darf nicht missbraucht werden - es darf nicht die Demokratie mit jedem beliebigen irrelevanten Kram lahmgelegt werden.
Der allgemeine Grundkonsens in der Schweiz ist, dass man das einfach nicht tut. Es gehört sich nicht.
kannst du da konkreter werden? Ansonsten gibt es auch Quoren etc. Um solches zu verhindern.
Ein Negativbeispiel war in dieser Hinsicht meines Wissens Kalifornien.
Da ist mein Wissen zu begrenzt, ich würde aber vermuten daß wenn eher die konkrete Ausgestaltung der direkten Demokratie, die natürlich wichtig ist, als ein bestimmter Konsens, für Probleme sorgt.
https://www.mehr-demokratie.de/themen/e ... lifornien/



Ich weiß einfach nicht, wie die deutsche Bevölkerung mit so etwas umginge, wenn es eben auch auf Bundesebene derartige Entscheidungsmöglichkeiten gäbe. Das ist einfach eine andere Kategorie - emotionaler, kontroverser, komplexer - als die Möglichkeiten, die es teilweise in den Bundesländern gibt.
M.E. sollte man so etwas sehr langsam hochfahren.
Beim langsamen hochfahren bin ich sehr skeptisch, gibt es dafür ein gelungenes Praxisbeispiel? Ich vermute daß dann schnell auf einen kleinen Schritt nach vorne, schnell zwei zurück folgen. Aber frisch eingeführte Demokratische Prozess sind leider öfter Frakil.
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Re: Brauchen wir noch eine repräsentative Demokratie?

Beitrag von Brainiac »

Neandertaler hat geschrieben:(12 May 2021, 11:35)

kannst du da konkreter werden? Ansonsten gibt es auch Quoren etc. Um solches zu verhindern.
Nehmen wir das Beispiel der fakultativen Referenden zu Bundesgesetzen in der Schweiz. Damit ein solches zustande kommt, bedarf es einer relativ geringen Menge an Unterschriften, die unter einem Prozent der Bevölkerung liegt und in gut drei Monaten gesammelt werden muss. Ich halte das auch für grundsätzlich sinnvoll - die Hürde darf nicht zu hoch sein, da es ja ständig neue Gesetze gibt und es oft nicht schnell genug möglich wäre, eine landesweite Aufmerksamkeit zu erlangen und erheblich höhere Quoren zu erreichen.

Andererseits liegt hier eben auch die Gefahr des Mißbrauchs, weil die Legislative so sehr stark ausgebremst werden kann. Ich hatte in meiner Zeit in der Schweiz mit verschiedenen Leuten darüber gesprochen und die meinten alle unisono: "Das ist verpönt" - das Instrument der direkten Demokratie sei so fundamental wichtig für das Selbstverständnis des Landes, dass man es nicht unbillig in Verruf bringen darf. (Natürlich gibt es dennoch auch Negativbeispiele von unnötigen Referenden oder seltsamen Volksinitiativen, aber im großen und Ganzen scheint so etwas relativ selten zu passieren.) Das meine ich mit "Grundkonsens", der so in Deutschland erst über längere Zeit erarbeitet werden müsste.

Beim langsamen hochfahren bin ich sehr skeptisch, gibt es dafür ein gelungenes Praxisbeispiel? Ich vermute daß dann schnell auf einen kleinen Schritt nach vorne, schnell zwei zurück folgen. Aber frisch eingeführte Demokratische Prozess sind leider öfter Frakil.
Aus meiner Sicht ist die Entwicklung der direkten Demokratie in den Bundesländern ein solches gelungenes Praxisbeispiel für ein "langsames Hochfahren". Von der Entwicklung her war es so, dass diese Möglichkeiten bis zur Wiedervereinigung in den westdeutschen Bundesländern relativ stark restringiert waren. Mit der Wiedervereinigung wurde in den fünf neuen Bundesländern starker Fokus auf plebiszitäre Elemente gelegt, um den Erfahrungen der "friedlichen Revolution" in der DDR Rechnung zu tragen; in Folge dessen haben auch die westlichen Bundesländer die Restriktionen für Plebiszite deutlich gesenkt. Heute haben wir in den Bundesländern aus meiner Sicht alles in allem eine gute Akzeptanz der direkten Demokratie und ihrer Entscheidungen erreicht (auch wenn die Rahmenbedingungen zwischen den Bundesländern einheitlicher sein könnten).

Das hängt m.E. aber auch damit zusammen, dass es in den Ländern eher um gut abgrenzbare Sachfragen geht, die in der Länderzuständigkeit liegen, beispielsweise ob ein Bahnhof in Stuttgart gebaut wird, oder es in Hamburg die sechsjährige Primarschule geben soll. Auf Bundesebene sind die Themen tendenziell erheblich emotionaler und komplexer, die Herausforderung ist dort also größer, sowohl eine konstruktive öffentliche Diskussion und Entscheidungsfindung als auch eine gute Akzeptanz der getroffenen Entscheidung sicherzustellen. Ich plädiere daher dafür, direktdemokratische Elemente auf Bundesebene zunächst nur sehr gezielt und nicht zu allumfassend einzuführen, um dann aus den Erfahrungen zu lernen. Beipielsweise könnte man als Einstieg eine relativ enge Kategorie von Gesetzgebungen definieren, für die Referenden möglich sind - dazu sollten dann m.E. vorrangig Themen zählen, die eine Langzeitwirkung entfalten, die weit über die vierjährige Legislaturperiode hinausreicht (um dem Nachteil entgegenzuwirken, dass die gewählten Volksvertreter naturgemäß oft auch ihre Wiederwahl im Auge haben und dadurch tendenziell kurzfristiger denken). Um dieses im Einzelfall zu entscheiden bzw. dagegen anzugehen - also ob ein geplantes Gesetz in diese Kategorie der Langzeitwirkung fällt, oder nicht -, könnte eventuell das Verfassungsgericht zuständig gemacht werden. Zu Gesetzen mit Langzeitwirkung könnten vor allem Verfassungsänderungen zählen, aber nicht nur (sondern beispielsweise auch Themen wie Renteneintrittsalter oder Sterbehilfe). Das ist jetzt noch nicht so richtig bis ins letzte durchdacht, zugegeben.
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