Stoner hat geschrieben:(08 Jan 2021, 09:28)
Die Frage kann ich, als jemand der "ungerecht" gewählt hat, nicht beantworten, weil sie sich so nicht stellt (für mich jedenfalls). Ich hatte oben versucht zu erklären, dass "ungerecht" eigentlich ein Begriff aus der Moralphilosophie und nicht aus dem Recht ist. Im Recht geht es primär darum, Normen durchzusetzen und Verstöße mit den entsprechenden Konsequenzen zu belegen und nicht darum, ein Gerechtigkeitsempfinden zu befriedigen. Es ist übrigens eines von Schirachs Anliegen, genau das auch zu zeigen, dass zwischen Recht und Moral zu trennen ist. Den Artikel, den der User Fliege oben erwähnt hat, ist dazu ganz empfehlenswert, weil er für diese Art von Begriffsverwirrungen aus Recht und Moral ein wenig Licht in die Sache bringt.
Und was den Angeklagten und seine (Un)Schuld angeht: Ich weiß zu viel über ihn, um ihn für unschuldig halten zu können. Das Argument, er könne zufällig vom Aufenthaltsort der Entführten Kenntnis erhalten haben, das gibt's nicht einmal in einem misslungenen C-Krimi.
Der User Blue Monday hat ebenfalls schon darauf hingewiesen: Die reine Rechtsleere ist - zumindest auf solche Fragen- eben wirklich rein, also leer. Das Urteil ist rechtmäßig, zwingend. Das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen bleibt hiervon erst einmal unberührt.
Die Lösung liegt dann m.E. aber in der Synthese, also dass man Recht und Rechtsempfinden gerade nicht trennt, in dem Sinne, dass beides berührungslos voneinander unbeeinflusst auseinander steht. Wie gesagt, als Anstoß jedweden Rechts steht immer ein Affekt zu Beginn, ein totales Gefühl, die reine Qualität, die noch keinen Begriff, keine Satzform gefunden hat. Dass man Folter rigoros ablehnt, steht auch auf dem Grund einer starken Gefühlsregung, etwa in der Vorstellung selbst einmal in so eine Lage zu geraten. Damit arbeitet ja auch der Film, indem die Folter deutlich in Szene gesetzt wird.
So wie man sich in das Opfer hineinfühlt, mitfühlt. Die ganze Verhandlung findet ja überhaupt nur statt, weil man an der Tat, also was dem Opfer widerfahren ist, gefühlten Anstoß nimmt. D.h. die "Rechtslage", wie auch immer sie konkret beschaffen sei, nimmt nur ihren langen Zeichenweg, weil zu Beginn ein Empfinden steht und mit ihm das Bedürfnis, einen Schuldigen zu finden und zu bestrafen. Nur dass dieses Bedürfnis auf Gefühlskonkurrenz trifft, eben in Gestalt der Abneigung gegen Folter, "Rübe ab", Rache etc.
Die Rechtssetzung oder gebung ist ja ein politischer Vorgang, also etwas, das aus der Auseinandersetzung verschiedener affektgetriebener Standpunkte hervorgeht. Die Zeichketten, die Gedankengänge kommen auf unterschiedlichen Wegen daher. Mancher Weg ist kürzer, der der Jurisprudenz ist meist ein sehr langer und verschlungener und der auslösende Affekt gerät dabei etwas in Vergessenheit und außer Sicht.
Vor diesen mehr oder weniger langen Wegen gibt es ja keine "Schuld". Ist der Löwe schuldig, wenn er eine Gazelle reißt? Er ist für unser Rechtszeichen der "Schuld" unerreichbar. Recht ist nichts anderes als in Gedankenzeichen erstarrter, geronnener, abgekühlter Affekt.
ensure that citizens are informed that the vaccination is not mandatory and that no one is under political, social or other pressure to be vaccinated if they do not wish to do so;