Skeptiker hat geschrieben:(18 Oct 2021, 17:20)
Ganz ehrlich, ich halte es durchaus für kurios und auch etwas befremdlich, dass hier aus so einer offensichtlichen Fehldeutung ein solches Theater gemacht wird.
Deutscher ist, wer die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Punkt. Nicht mehr und nicht weniger.
Hier wird aber pausenlos vom „deutsch sein“ auf persönliche Merkmale der Person geschlossen, die sie angeblich als deutsche haben müsse, und das ist eben Quatsch.
Viele Jodler sind deutsch. Deutscher zu sein, macht mich aber nicht zu einem Jodler. Muss man Ingenieur sein das zu verstehen?
Das einzige persönliche Attribut, welches mir als Deutschem zugeordnet wird, ist ein Text in meinem Pass.
Weißt du: Es ist eigentlich ganz einfach: Man sollte die Menschen gesellschaftlich und staatlicherseits einfach so weit wie möglich machen lassen und vor allem auch
sein lassen, was auch immer sie machen wollen bzw. wer auch immer sie sein wollen. Und sich verordnungsmäßig auf das Notwendigste beschränken. Deutsche, Kobolde, Katholiken,Buddhisten ...
Der Begriff der "Staatsbürgerschaft" (bzw. der der "Staatsangehörigkeit") ist überhaupt erst irgendwann um 1800 entstanden. Eigentlich ein Kunstwort. Es muss seinen Grund haben, einen solchen Begriff in die Welt zu setzen. Hats auch! Nach dem Code Civil Napoleons gab es nun einfach "Staatsbürger" und nicht mehr Katholiken oder "Franzosen". Staatsbürger, die mit dem Staat eine Art Vertrag geschlossen haben: Die Bürger verpflichten sich, sich nach den Regeln des Rechtsstaats zu verhalten und der Staat verpflichtet sich, nicht danach zu fragen, ob sie sich in erster Linie als Franzosen oder in erster Linie als Katholiken oder sonstwas betrachten. Dem Begriff des "Staatsbürgers" liegt eben nicht die Zusammenführung von Bürgerschaft und Gesetzespflichtigkeit mit dem, was häufig als "Identität" bezeichnet wird, zugrunde, sondern das
genaue Gegenteil: Die Trennung dieser beiden Aspekte. Der religiöse Aspekt dieser Trennung ist der Laizismus.
Es gibt das berühmte Zitat von Friedrich II, dem König von Preußen aus dieser Zeit: "Jeder soll nach seiner Façon selig werden".
Ich bring dir mal das überlieferte Originalzitat zu diesem Ausspruch:
die Religionen Müßen alle Tolleriret werden und Mus der fiscal nuhr das auge darauf haben das keine der anderen abruch Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Faßon Selich werden Fr.
Jetzt denke mal nicht, dass zu Lebzeiten Friedrich II die deutsche Sprache nicht schon einigermaßen vereinheitlicht und rechtschreiblich geordnet war. Der Preußenkönig (1712-1786) "parlierte" eben vorzugsweise bzw. so gut wie nur in französisch und nicht in deutsch. So. Was war er nun: "Franzose", "Preuße" oder "Deutscher". Die Antwort seiner Zeit der Aufklärung war unter anderem die Erfindung des Begriffs "Staatsbürger". Der nurmehr der Rechtsstaatlichkeit per Gesellschaftsvertrag unterworfen war. Und der letztendlich selbst entschied, ob er sich primär als Franzose, Deutscher, Katholik oder Freidenker sah. Die Überhöhung der Nation dann um die Mitte des 19. Jahrhunderts herum kann man im Grunde als Reaktion auf diese liberalen Gedanken sehen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)