Selina hat geschrieben:(20 Apr 2021, 23:18)
Aber nicht die Frauen, die das alles schultern, sind mittelalterlich, sondern diejenigen im Umfeld, die diese Ungerechtigkeit dulden und einfach hinnehmen als unabänderlich.
Erkläre mir das bitte mal konkreter - derweil erzähle ich dir was von mir:
Eine Etage über mir wohnt eine seit rund vier Jahren alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, die in Bälde ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft mit Bestnoten abschließen wird = soll ich, nur weil ich in ihrem "Umfeld" lebe, zu ihr hochgehen und mich für meine selbstständlich männliche (!) "Mittelalterlichkeit" entschuldigen, weil ich es einfach so als "unabänderlich hingenommen" habe, dass sie, nachdem sie ihren fremdvögelnden Mann aus der Wohnung geworfen hat, mit der Führerscheinprüfung, mit dem Haushalt, den Kindern, dem Kater und ihren beruflichen Absichten usw. ganz allein dastehen musste?
Weißt du, was dann definitiv eintreten würde? Die Nachbarin würde mir die Tür vor der Nase zuschlagen und in Zukunft wahrscheinlich kein einziges Wort mehr mir mir wechseln, weil sie denkt, ich hätte sie auf fremdschämwürdigste Art und Weise angraben wollen!
Mein Gott, Selina - was hast du nur für ein widerliches, krudes Menschen- und vor allem Frauenbild!
Bei uns im Haus gibt's sehr viel nachbarschaftliches Mit- und Füreinander, d. h., man führt nicht nur höflichen Smalltalk, wenn man sich im Treppenhaus mal über den Weg läuft. Diese Nachbarin weiß, wenn sie Hilfe braucht, wenn sie Not hat oder sonst irgendwelche Schwierigkeiten, dann gibt's im Haus genügend Leute, die Tag und Nacht für sie da wären - so wie sie auch für uns.
Meine Nachbarin - und viele andere entsprechend betroffene Frauen auch - hat sich ihr jetziges Leben so ganz bestimmt nicht vorgestellt oder gar gewünscht, geschweige denn damit gerechnet. Sie hat mir mal erzählt, wäre sie heute noch mit ihrem Ex zusammen, hätte sie wohl niemals den Mut gefunden den Führerschein zu machen und eine Ausbildung zu beginnen - dann wäre sie Hausfrau und Mutter geblieben und hätte vielleicht einen billigen Putzjob angenommen, um sich was nebenher zu verdienen und alles weitere voll und ganz ihrem Ex überlassen. Und nun? Niemand kann behaupten, sie meistere ihr neues, anderes, eigenes Leben nicht bravourös, befürwortbar und beispielhaft!
Außer es kommt so eine Miesmacherin wie du an und redet die Fähigkeiten der Frauen, die sie in solchen und ähnlichen Lebensitiationen mitunter mühelos und selbstverständlich in der Lage sind zu entwickeln und von welchen viele, viele, viele Männer nur träumen können, in Schimpf und Schande. Und nein, nicht nur die Denke dahinter redest du schlecht, sondern auch alle Frauen an eben dieser Front. Nimm' dir diese Frauen lieber mal zum Vorbild! Was die alles schaffen, können, leisten, aushalten usw. = was hast du denn anzubieten, hm? Nur dummes Gequatsche!
"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen." Erich Kästner