Was ist (nicht) links?

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Stoner

Was ist (nicht) links?

Beitrag von Stoner »

In einem Strang hat eine Userin folgende Behauptung aufgestellt:
Autokraten und Stalinisten sind nicht links, auch wenn sie sich "Kommunisten" und "Sozialisten" nannten. Die Selbstbezeichnung macht sie noch lange nicht zu Linken. Kein vernünftiger und gebildeter Mensch, der selbst gar nicht unbedingt linksorientiert zu sein braucht, käme zum Beispiel auf die Idee, etwa den Honecker als Linken zu bezeichnen. Oder den Ulbricht. Oder gar Mao. Das wäre dann wirklich Satire
Da das dort themenfremd war, würde ich das gerne hier diskutieren. Denn mein Geschichtsunterricht und alle weitere Beschäftigung mit Geschichte oder Literatur ist anders. Jüngste Lektüren dazu waren Eugen Ruges "Metropol" und Anne Hartmanns Buch über Feuchtwanger in Moskau (beide zum 2x gelesen).

Stimmt also, dass die genannten Autokraten usw. nicht links sind? Warum ist so, und ist das wissenschaftlich irgendwie wasserdicht?
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naddy
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von naddy »

Wie ich bereits in mehreren Threads zu Ausdruck gebracht habe, kann ich mit solchen Pauschalismen generell nichts anfangen und halte sie auch für wenig hilfreich bei jeglicher Problemanalyse. Ich gehe nur darauf ein, wenn sie von anderer Seite in die Diskussion gebracht werden. Daher fehlt mir für die Beantwortung der Threadfrage leider jede Expertise. Vielleicht verhilft mir ja dieser Thread zu Erkenntniszuwachs. ;)
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Skeptiker

Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Skeptiker »

Ich finde die Behauptung absurd.

Selbst wenn man der Ansicht ist, dass die Personen an der Spitze nicht dem Menschenbild entsprechen, welches Linke für sich selber reserviert haben, so führt linke Ideologie im Extrem in genau diese Systeme hinein. Und natürlich wird eine Parteidiktatur von einem Autokraten oder Diktatoren geführt.

Für mich klassischer Fall von "Im Prinzip ist Kommunismus eine gute Idee, aber leider leider wurde sie immer korrumpiert ... also müssen wir es nur 'richtig' machen."
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ThorsHamar
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von ThorsHamar »

Stoner hat geschrieben:(02 Dec 2020, 18:07)

In einem Strang hat eine Userin folgende Behauptung aufgestellt:



Da das dort themenfremd war, würde ich das gerne hier diskutieren. Denn mein Geschichtsunterricht und alle weitere Beschäftigung mit Geschichte oder Literatur ist anders. Jüngste Lektüren dazu waren Eugen Ruges "Metropol" und Anne Hartmanns Buch über Feuchtwanger in Moskau (beide zum 2x gelesen).

Stimmt also, dass die genannten Autokraten usw. nicht links sind? Warum ist so, und ist das wissenschaftlich irgendwie wasserdicht?
Links und rechts sind Festlegungen zur Navigation, vom eigenen Standpunkt aus gesehen.
Das trifft bildlich auch auf die politischen Festlegungen zu.
Insofern ist diese Klassifizierung eigentlich sinnlos.
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Tom Bombadil
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Tom Bombadil »

ThorsHamar hat geschrieben:(02 Dec 2020, 18:29)

Links und rechts sind Festlegungen zur Navigation, vom eigenen Standpunkt aus gesehen.
Eigentlich von der Mitte aus gesehen.

Die aufgestellte Behauptung ist natürlich vollkommen absurd, wie auch das oft vorgebrachte "eigentlich waren die Nazis ja links".
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oga
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von oga »

Stoner hat geschrieben:(02 Dec 2020, 18:07)
Stimmt also, dass die genannten Autokraten usw. nicht links sind? Warum ist so, und ist das wissenschaftlich irgendwie wasserdicht?
Stimmt nicht.
Links und Rechts hat nichts mit Demokratie oder Diktatur zu tun.
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Senexx

Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Senexx »

Skeptiker hat geschrieben:(02 Dec 2020, 18:23)

Ich finde die Behauptung absurd.

Selbst wenn man der Ansicht ist, dass die Personen an der Spitze nicht dem Menschenbild entsprechen, welches Linke für sich selber reserviert haben, so führt linke Ideologie im Extrem in genau diese Systeme hinein. Und natürlich wird eine Parteidiktatur von einem Autokraten oder Diktatoren geführt.

Für mich klassischer Fall von "Im Prinzip ist Kommunismus eine gute Idee, aber leider leider wurde sie immer korrumpiert ... also müssen wir es nur 'richtig' machen."
Stalin war die konsequente Umsetzung des Marxismus.

Ebenso Pol Pot. Oder die Kulturrevolution.
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Ammianus
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Ammianus »

Tom Bombadil hat geschrieben:(02 Dec 2020, 18:39)

Eigentlich von der Mitte aus gesehen.

Die aufgestellte Behauptung ist natürlich vollkommen absurd, wie auch das oft vorgebrachte "eigentlich waren die Nazis ja links".
Darauf stieß man immer wieder. Die Nazis seien ja Nationale Sozialisten gewesen, wobei die Betonung natürlich auf "Sozialisten" lag - und somit selbstverständlich links. Damit wurde ich erstmals, glaube in den 90ern konfrontiert, als ich mir aus Interesse eine "Junge Freiheit" besorgte. Neben vielem anderen verquirrltem Zeug stand da auch das.
Damit, dass Kommunisten an der Macht nicht links wären, begegneten mir hier vor einer Weile zum ersten Mal. Und nun auch noch die Aussage, Honecker wäre auch nicht links gewesen.

Dazu fällt mir nur noch ein: Meschugge ist Trumpf ...

Jedenfalls ist dies wieder eine Bestätigung, dass die Hufeisentheorie doch eine ganz gute Erklärung für so manchen Dreck abliefert, der einen begegnet.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Realist2014 »

Ammianus hat geschrieben:(02 Dec 2020, 19:16)

Jedenfalls ist dieses wieder eine Bestätigung, dass die Hufeisentheorie doch eine ganz gute Erklärung für so manchen Dreck abliefert, der einen begegnet.
So schaut es aus....
Laut Aussage der linken Ideologen sind alle ökonomisch erfolgreichen dumm, und die wahre Intelligenz tritt sich in der untersten ökonomischen Etage auf die Füße.....daher muss diese Etage ausgebaut werden
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BlueMonday
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von BlueMonday »

Hübsche Zusammenstellung von v. Kuehnelt-Leddihn (aus "Die recht gestellten Weichen. Irrwege, Abwege, Auswege"):
Was ist links?

1) Materialismus – ökonomischer, biologischer, soziologischer Natur.
2) Messianische Rolle einer Gruppe – Volk, Rasse, Klasse.
3) Zentralismus. Unterdrückung lokaler Verwaltungen, Eigenarten etc.
4) Totalitarismus. Alle Lebensbereiche von einer Doktrin durchdrungen.
5) Gewalt und Schrecken anstelle von Autorität, einer endogenen Kraft.
6) Ideologischer Einparteienstaat.
7) Völlige, staatliche Kontrolle von Erziehung und Unterricht.
8) „Sozialismus“: Gegenteil von Personalismus.
9) Versorgungsstaat von der Wiege bis zum Grab.
10) Militarismus (nicht Bellizismus).
11) Starre Staatsideologie mit „Feindbild“.
12) Antimonarchisches Führerprinzip. Der Führer (Duce, Vozdj) verkörpert das Volk. Er ist nicht Vater sondern Bruder – Big Brother!
13) Antiliberalismus. Freiheitshaß.
14) Antitraditionalismus. Man kämpft gegen die „Reaktion“.
15) Expansionsstreben als Selbstbestätigung.
16) Exklusivismus: keine anderen Götter werden geduldet.
17) Ausschaltung der Zwischenkörperschaften (corps intermédiaires).
18) Gleichschaltung der Massenmedien.
19) Abschaffung oder Relativierung des Privatbesitzes. Falls letzterer nominell bleibt, gerät er restlos unter Staatskontrolle.
20) Verfolgung, Knechtung oder Kontrolle der Glaubensgemeinschaften
21) „Recht ist, was dem Volke nutzt, der Partei nutzt!“ (Partijnost!)
22) Haß auf die Minderheiten.
23) Verherrlichung der Mehrheit und des Durchschnitts.
24) Glorifizierung der Revolution, des „Umbruchs“ etc.
25) Plebejismus: Kampfansage an frühere Eliten.
26) Jagd auf „Verräter“. Wut auf die Emigranten.
27) Populismus und Uniformismus (Volksempfänger, Volkswagen, Volksdemokratien, Volksgerichte, etc.)
28) Berufung auf das demokratische Prinzip.
29) Ideologische Wurzel in der Französischen Revolution.
30) Dynamischer Monolithismus: Staat, Gesellschaft, Volk werden eins.
31) Koordination durch Schlagworte, Gedichte, Lieder, Symbole, Redewendungen, Klischees.
32) Einsetzung von Säkularriten als Religionsersatz.
33) Der Konformismus als Existenzprinzip. „Gleischschaltung“.
34) Anfeuerung von Massenhysterien.
35) Technologisierter Herrschaftsmodus.
36) Freiheit – vom Gürtel abwärts.
37) Alles für den Staat, alles durch den Staat, nichts gegen den Staat.
38) Politisierung des gesamten Lebens: Kinder, Touristen, Sportler, Erholung als Objekte.
39) Nationalismus oder Internationalismus gegen Patriotismus.
40) Kampf gegen außerordentliche Menschen, gegen „Privilegien“.
41) Totalmobilmachung des Neids im Interesse von Partei und Staat.

Was ist „rechts“? Das Fehlen oder das Gegenteil dieser Prinzipien; vergessen wir dabei ja nicht, daß Extreme sich nie berühren. Da stehen wir vor einem sehr beliebten, und daher schon überaus idiotischen Klischee. (Als ob extrem groß und klein, kalt und heiß oder das Leben in Rumänien und in Liechtenstein einander ähnlich wären.) Halten wir uns auch vor Augen, daß politische Parteien selten eindeutig rechts oder links stehen. Sie sind mixta composita und neigen oft lediglich mehr in die eine oder in die andere Richtung. 220f
Das meiste davon noch brandaktuell.
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ThorsHamar
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von ThorsHamar »

Tom Bombadil hat geschrieben:(02 Dec 2020, 18:39)

Eigentlich von der Mitte aus gesehen.
Nein, es kommt IMMER auf die eigene Position an. In der Mitte stehend musst Du Dich nur um 180 grad drehen und aus links wird rechts.
Deshalb gibt es ja zur eindeutigen Navigation die Anmerkung "von .... aus gesehen" .
Die aufgestellte Behauptung ist natürlich vollkommen absurd, wie auch das oft vorgebrachte "eigentlich waren die Nazis ja links".
Die Nazis waren National - Sozialisten. Ihre menschenverachtende Diktatur unterschied sich grundsätzlich in nicht von der anderer Sozialisten und Kommunisten.
Es gibt praktisch kein links und rechts bei Diktatur und es gibt keinen linken oder rechten Staat ohne Diktatur.
Insofern bleibe ich dabei, dass die Klassifizierung links und rechts lediglich dazu dient, die grundsätzlichen Gemeinsamkeiten von Extremisten zu leugnen, um über seine eigene Partei nicht nachdenken zu müssen.
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ThorsHamar
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von ThorsHamar »

BlueMonday hat geschrieben:(02 Dec 2020, 20:04)

Hübsche Zusammenstellung von v. Kuehnelt-Leddihn (aus "Die recht gestellten Weichen. Irrwege, Abwege, Auswege"):



Das meiste davon noch brandaktuell.
sehr treffend! :thumbup:
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Tom Bombadil
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Tom Bombadil »

ThorsHamar hat geschrieben:(02 Dec 2020, 20:07)

Nein, es kommt IMMER auf die eigene Position an. In der Mitte stehend musst Du Dich nur um 180 grad drehen und aus links wird rechts.
Sehe ich anders. Wenn man einigermaßen objektiv bemessen will, ob eine Position rechts oder links ist, braucht es einen Fixpunkt.
Die Nazis waren National - Sozialisten.
Die Nazis waren Rechtsextremisten
Insofern bleibe ich dabei, dass die Klassifizierung links und rechts lediglich dazu dient, die grundsätzlichen Gemeinsamkeiten von Extremisten zu leugnen, um über seine eigene Partei nicht nachdenken zu müssen.
Du kannst dabei bleiben, aber dadurch wird es nicht besser. Warum sollte ich nicht über die FDP nachdenken müssen, wenn ich die AfD rechtsradikal nenne?
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oga
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von oga »

BlueMonday hat geschrieben:(02 Dec 2020, 20:04)

Was ist „rechts“? Das Fehlen oder das Gegenteil dieser Prinzipien;
Nicht sehr überzeugend. Was wäre denn das Gegenteil von:

1) Materialismus – ökonomischer, biologischer, soziologischer Natur?

Gibt es einen Idealismus – ökonomischer, biologischer, soziologischer Natur? Und wie muss man ihn sich vorstellen? :?:
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Ammianus
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Ammianus »

BlueMonday hat geschrieben:(02 Dec 2020, 20:04)

Hübsche Zusammenstellung von v. Kuehnelt-Leddihn (aus "Die recht gestellten Weichen. Irrwege, Abwege, Auswege"):



Das meiste davon noch brandaktuell.
Punkt 2 dieser Aufzählung zeigt schon einen deutlichen Fehler, der hier eben auch Thema ist:

"2) Messianische Rolle einer Gruppe – Volk, Rasse, Klasse."

Gerade da liegt nämlich der Unterschied. Linke Ideologie lehnt Wertigkeiten menschlicher Rassen oder Ethnien also Völkern eigentlich ab. Das kommunistische Regime trotzdem nationalistische oder rassistische Vorurteile zu nutzen versuchten (DDR als eigenständige Nation, Kosmopoliten als verdeckte antisemitische Bezeichnung in der Stalinära) zeigt eben nur, dass es keine wirklichen Gesetzmäßigkeiten oder Absolutheiten in menschlichen Gesellschaften gibt.
Dagegen ist die unterschiedliche Wertigkeit von Rassen und Völkern ein klares Kennzeichen rechten Gedankenguts. Leseempfehlung Hitlers "Mein Kampf" oder z.B. Geschichtsschulbücher bzw. auch für die Allgemeinheit bestimmte Literatur aus der Nazizeit.
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Stoner

Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Stoner »

naddy hat geschrieben:(02 Dec 2020, 18:22)

Wie ich bereits in mehreren Threads zu Ausdruck gebracht habe, kann ich mit solchen Pauschalismen generell nichts anfangen und halte sie auch für wenig hilfreich bei jeglicher Problemanalyse. Ich gehe nur darauf ein, wenn sie von anderer Seite in die Diskussion gebracht werden. Daher fehlt mir für die Beantwortung der Threadfrage leider jede Expertise. Vielleicht verhilft mir ja dieser Thread zu Erkenntniszuwachs. ;)
Ich meine, die Antwort auf diese Art von Fragen führt durchaus über Pauschalierungen, weil Pauschalierungen, also der Versuch, Phänomene über eine allgemeine Formel zu bestätigen oder zu widerlegen, können hilfreich sein, um über Ein- oder Ausschlussverfahren zur Erkenntnis zu gelangen. Daher ist die pauschale Aussage in dem zitierten Text durchaus ein guter Ausgangspunkt.

Mein erste Frage - und ich bin gespannt, ob die Userin hier versucht, ihre Aussage zu verteidigen - meine ersten Fragen an sie würden ggf. lauten:

Welche wissenschaftlichen Arbeiten/Köpfe liegen ihrer Behauptung zugrunde?
Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit von einem Übergang links --> autoritär -->niht mehr links/nie links gesprochen werden kann?
Warum kann links niemals autoritär sein? Warum autoritär niemals links?
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Elmar Brok »

Lässt sich nicht objektiv beantwortet. Sehr individuell mMn. Das hängt davon ab, was unter links verstanden wird. Wie wird links in Relation verstanden (Als Gegenpol zu rechts?) und wie eine mögliche Einordnung Stalins als links verwendet wird. Sehe ich Links als eine Gerade auf der man weiter oder weniger links steht. Oder gibt es mehrere linke Geraden? etc. Letztlich aber auch eine Scheindebatte
Zuletzt geändert von Elmar Brok am Mi 2. Dez 2020, 21:03, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von ThorsHamar »

Tom Bombadil hat geschrieben:(02 Dec 2020, 20:18)

Sehe ich anders. Wenn man einigermaßen objektiv bemessen will, ob eine Position rechts oder links ist, braucht es einen Fixpunkt.
Eben genau das habe ich doch gesagt. Ohne den eigenen Standpunkt zu fixen gibt es praktisch objektiv kein rechts oder links und somit ist eine solche ausgangspositionslose Bestimmung als Information sinnlos und reine Ideologie, letzlich Verirrung. :cool:
Die Nazis waren Rechtsextremisten
Ja, das habe ich auch schon oft gehört. Das ist in jedem Fall eine Interpretation von links.
Was ändert sich eigentlich, wenn man die Nazis als genau das benennt, was man ja wörtlich schon mit Nazi sagt?
Du kannst dabei bleiben, aber dadurch wird es nicht besser. Warum sollte ich nicht über die FDP nachdenken müssen, wenn ich die AfD rechtsradikal nenne?
Das habe ich nicht gemeint.
Mir geht es immer noch konkret um die eigenartige Ablehnung der Benennung der Nationalsozialisten mit der Idee, das wären gar kein Sozialisten gewesen.
Bei Deinem Beispiel wäre es für mich, als FDP Wähler, dann so, als würde ich die AfD negativ bewerten, die Linke aber als nicht so schlimm.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von conscience »

Oder man könnte umgekehrt fragen: wie Links war die NSDAP tatsächlich !?
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von ThorsHamar »

Elmar Brok hat geschrieben:(02 Dec 2020, 21:02)

Lässt sich nicht objektiv beantwortet. Sehr individuell mMn. Das hängt davon ab, was unter links verstanden wird. Wie wird links in Relation verstanden (Als Gegenpol zu rechts?) und wie eine mögliche Einordnung Stalins als links verwendet wird. Sehe ich Links als eine Gerade auf der man weiter oder weniger links steht. Oder gibt es mehrere linke Geraden? etc. Letztlich aber auch eine Scheindebatte
Das meine ich auch.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von ThorsHamar »

conscience hat geschrieben:(02 Dec 2020, 21:06)

Oder man könnte umgekehrt fragen: wie Links war die NSDAP tatsächlich !?
Wenn man damit nicht meint, wieviel Positives dieser Verein hatte, kann man das machen, ansonsten ist das sinnlos. :cool:
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von conscience »

ThorsHamar hat geschrieben:(02 Dec 2020, 21:11)

Wenn man damit nicht meint, wieviel Positives dieser Verein hatte, kann man das machen, ansonsten ist das sinnlos. :cool:
Der "linke" Flügel der NSDAP sollte ein Begriff sein :D
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von ThorsHamar »

conscience hat geschrieben:(02 Dec 2020, 21:12)

Der "linke" Flügel der NSDAP sollte ein Begriff sein :D
Selbstverständlich ....
Deshalb hatte ich mein Anmerkung gemacht. :cool:
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Stoner »

Elmar Brok hat geschrieben:(02 Dec 2020, 21:02)

Lässt sich nicht objektiv beantwortet. Sehr individuell mMn. Das hängt davon ab, was unter links verstanden wird. Wie wird links in Relation verstanden (Als Gegenpol zu rechts?) und wie eine mögliche Einordnung Stalins als links verwendet wird. Sehe ich Links als eine Gerade auf der man weiter oder weniger links steht. Oder gibt es mehrere linke Geraden? etc. Letztlich aber auch eine Scheindebatte
Werden denn Stalin und Pol Pot in der Geschichtswissenschaft als nicht-links eingeordnet? Oder Honecker? Wo ist die Literatur, die die Ausgangsbehauptung stützt? Wo sind die Politikwissenschaftler, die uns erklären, warum autoritär nicht links sein kann? Und falls die Ausgangsbehauptung richtig wäre: Was würde es bedeuten?
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Elmar Brok »

Stoner hat geschrieben:(02 Dec 2020, 21:24)

Werden denn Stalin und Pol Pot in der Geschichtswissenschaft als nicht-links eingeordnet? Oder Honecker? Wo ist die Literatur, die die Ausgangsbehauptung stützt? Wo sind die Politikwissenschaftler, die uns erklären, warum autoritär nicht links sein kann? Und falls die Ausgangsbehauptung richtig wäre: Was würde es bedeuten?
Gibt es denn eine allgemeingültige Definition von links-rechts und dem Verhältnis dazwischen? Das dürfte besonders im Bereich Politikwissenschaften schwierig werden. Wieso sollte ein Geschichtswissenschaftler es sich zur Aufgabe machen, Stalin und Pol Pot links oder eben nicht links einzuordnen? Da würde ich eher mit konkreteren Begriffen wie Autoritär, Kommunismus, Sozialismus, Faschismus etc arbeiten. Das "links" oder "rechts" ein wichtiger Begriff in der Geschichtswissenschaft wäre, wäre mir neu.

Ich kann links darüber definieren, dass alles Autoritäre abgelehnt wird. Dann fällt Stalin halt nicht unter links. Ich kann links aber auch anders definieren. Das ist ja das schwierige an diesen Begriffen. Jeder versteht unter ihnen etwas anderes. Wenn ich von links spreche, meine ich möglicherweise etwas völlig anderes als du. Die Ebene der Wissenschaft ist bei dieser Frage relativ irrelevant. Natürlich kann ich der Meinung sein, dass autoritär und links sich ausschließt. Die Frage ist nur, wie schlüssig das ist. Und das hängt davon ab, wie man die gesamte politische Landschaft sortiert.
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Tom Bombadil
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Tom Bombadil »

ThorsHamar hat geschrieben:(02 Dec 2020, 21:03)

Ohne den eigenen Standpunkt zu fixen...
Nicht den eigenen Standpunkt gilt es zu fixen, sondern den politischen Nullmeridian.
Was ändert sich eigentlich, wenn man die Nazis als genau das benennt, was man ja wörtlich schon mit Nazi sagt?
Und? Ändert das etwas daran, dass es sich um Rechtsextreme gehandelt hat?
Mir geht es immer noch konkret um die eigenartige Ablehnung der Benennung der Nationalsozialisten mit der Idee, das wären gar kein Sozialisten gewesen.
Weil es keine Sozialisten waren? Die letzten dieser Art wurden 1934 aus der NSDAP eliminiert.
Bei Deinem Beispiel wäre es für mich, als FDP Wähler, dann so, als würde ich die AfD negativ bewerten, die Linke aber als nicht so schlimm.
Warum sollte man die Linkspartei als nicht so schlimm ansehen, wenn man die AfD negativ bewertet :?: Ich persönlich finde beide ziemlich gleich beschissen.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von oga »

Elmar Brok hat geschrieben:(02 Dec 2020, 21:33)

Gibt es denn eine allgemeingültige Definition von links-rechts und dem Verhältnis dazwischen?
Wahrscheinlich nicht.
Links drückt sich im bestreben aus alle Menschen gleich zu machen. Nicht nur vor dem Gesetz gleich, sondern auch vom Eigentum her. Deshalb begrenzt Links das private Eigentum, weil es eine Quelle der Ungleichheit ist.
Rechts dagegen nimmt Ungleichheit und die Existenz von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eliten in Kauf.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Stoner »

Elmar Brok hat geschrieben:(02 Dec 2020, 21:33)


Ich kann links darüber definieren, dass alles Autoritäre abgelehnt wird. Dann fällt Stalin halt nicht unter links. Ich kann links aber auch anders definieren. Das ist ja das schwierige an diesen Begriffen. Jeder versteht unter ihnen etwas anderes. Wenn ich von links spreche, meine ich möglicherweise etwas völlig anderes als du. Die Ebene der Wissenschaft ist bei dieser Frage relativ irrelevant. Natürlich kann ich der Meinung sein, dass autoritär und links sich ausschließt. Die Frage ist nur, wie schlüssig das ist. Und das hängt davon ab, wie man die gesamte politische Landschaft sortiert.
Zum Hervorgehobenen: Das mag sein. Aber es müsste gezeigt werden, dass das auch für die Geschichtsschreibung gilt, d.h. das Müller Stalin als beliebig und Meier Stalin als links einordnet und kein Mensch weiß, wer recht hat. Soll heißen: dass wir heute aus vielerlei naheliegenden Gründen nicht mehr wissen oder wissen wollen, was links ist und was nicht (ich weiß es, aber das geb ich erst später zum Besten), hebt weder die Geschichtsschreibung auf noch müssen wir jetzt alte Selbstdarstellungen der genannten Herrschaften jetzt umschreiben.

Daher ist meine Meinung: Die Kollegin lügt die Geschichte um. Sie kann sich mit den Fliegerschissern zusammentun, und gemeinsam können Sie dann nach historischem Vorbild einen Nichtangriffspakt schließen. Stalin war nicht links, Hitler nichts rechts. Dann teilen sie sich nicht Polen auf, sondern die aktuelle deutsche Demokratie.

Ich hab viel Sinn für Sophistik. Aber wenn jemand so dreist Geschichte fälschen möchte, wie das in dem Zitat zur Eröffnung des Strangs der Fall ist, dann kann man auch mal direkt sagen, was der Fall ist. Der einzige Vorbehalt wäre: Man hat das satirische Moment nicht verstanden. Das aber, wie der letzte Satz zeigt, ist ausgeschlossen. Es war ernst gemeint.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Dieter Winter »

conscience hat geschrieben:(02 Dec 2020, 21:06)
Oder man könnte umgekehrt fragen: wie Links war die NSDAP tatsächlich !?
Da geht es schon mal bei der Begrifflichkeit los. Ursprünglich meinte man damit ja wo wer im Parlament saß. Konservative rechts, "Revolutionäre" links. Von daher waren die Nazis zur damaligen Zeit eher links zu verorten. Sie haben nicht nur gegen die sozialistische "Konkurrenz" gekämpft, sondern auch gegen die Reaktionäre. Das Programm hatte zudem auch soziale, teilweise sogar sozialistische Punkte. https://www.weltwoche.ch/ausgaben/2020- ... -2020.html
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Progressiver
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Progressiver »

Nach meinem Begriff ist links, wer die Lebensbedingungen der unteren Schichten und Klassen bzw. der Armen, Schwachen und Minderheiten in einer Gesellschaft verbessern will.

Die Nazis waren nicht links. Sie haben alle vergast, die nicht in ihr Weltbild passten. Und die arbeitende Bevölkerung musste schon nach ihrer Regierungsübernahme mit Lohnkürzungen klar kommen. Später durften sie dann ihr Leben opfern für die Wahnidee eines Großdeutschen Weltreiches. Was haben die Nazis je für die Minderheiten bzw. die armen und schwachen Deutschen getan?

Die Kommunisten waren zwar links. Aber in Polen mussten die Leute zu Beginn der 1980er ebenfalls dafür kämpfen, dass unabhängige Gewerkschaften entstehen durften. Dies nur als ein kleines Beispiel.

Im Übrigen möchte ich zu bedenken geben: Im Spanischen Bürgerkrieg gab es sowohl Kommunisten als auch Anarchisten. Umgekehrt gibt es auf der rechten Seite sowohl "Volkskörper"-Ideologen im Stile der Nazis. Es gibt aber auch rechtslibertär denkende Menschen vom Schlage eines Jeff Bezos.
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
Elmar Brok
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Elmar Brok »

Stoner hat geschrieben:(02 Dec 2020, 22:23)

Zum Hervorgehobenen: Das mag sein. Aber es müsste gezeigt werden, dass das auch für die Geschichtsschreibung gilt, d.h. das Müller Stalin als beliebig und Meier Stalin als links einordnet und kein Mensch weiß, wer recht hat. Soll heißen: dass wir heute aus vielerlei naheliegenden Gründen nicht mehr wissen oder wissen wollen, was links ist und was nicht (ich weiß es, aber das geb ich erst später zum Besten), hebt weder die Geschichtsschreibung auf noch müssen wir jetzt alte Selbstdarstellungen der genannten Herrschaften jetzt umschreiben.

Daher ist meine Meinung: Die Kollegin lügt die Geschichte um. Sie kann sich mit den Fliegerschissern zusammentun, und gemeinsam können Sie dann nach historischem Vorbild einen Nichtangriffspakt schließen. Stalin war nicht links, Hitler nichts rechts. Dann teilen sie sich nicht Polen auf, sondern die aktuelle deutsche Demokratie.

Ich hab viel Sinn für Sophistik. Aber wenn jemand so dreist Geschichte fälschen möchte, wie das in dem Zitat zur Eröffnung des Strangs der Fall ist, dann kann man auch mal direkt sagen, was der Fall ist. Der einzige Vorbehalt wäre: Man hat das satirische Moment nicht verstanden. Das aber, wie der letzte Satz zeigt, ist ausgeschlossen. Es war ernst gemeint.
Wieso sollte die Geschichtsschreibung relevant sein? Es ist doch bei der Aussage der Userin relevant, was sie unter links versteht. Dort würde ich auch ansetzen. Sie fragen, was sie unter links versteht. In diesem Zusammenhang kann es dann auch zu logischen Widersprüchen kommen, die aufgezeigt werden können. Dann könnte ich die Empörung auch eher nachvollziehen. Oder wenn sie behaupten würde, dass die Sowjetunion nichts mit echtem Kommunismus zu tun gehabt hätte. Du kannst natürlich auf der rein wissenschaftlichen Schiene bleiben. Dann wäre erstmal zu belegen, dass Meier Stalin links einordnet. Diese Diskussion würde aber vermutlich kategorial am Post der Userin vorbeigehen.

Ob sie "Geschichtsfälschung" betreibt, kannst du ohne ihre Definition von links kaum beurteilen. Und naja, wie gesagt, würde ich als Historiker über Stalin schreiben, würde ich den Begriff "links" kaum zum Inhalt meiner Arbeit machen. Dafür hat der Begriff zu viele offensichtliche Mängel. Außer er verwendet ihn selber häufig.
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Selina
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Selina »

Stoner hat geschrieben:(02 Dec 2020, 22:23)

Zum Hervorgehobenen: Das mag sein. Aber es müsste gezeigt werden, dass das auch für die Geschichtsschreibung gilt, d.h. das Müller Stalin als beliebig und Meier Stalin als links einordnet und kein Mensch weiß, wer recht hat. Soll heißen: dass wir heute aus vielerlei naheliegenden Gründen nicht mehr wissen oder wissen wollen, was links ist und was nicht (ich weiß es, aber das geb ich erst später zum Besten), hebt weder die Geschichtsschreibung auf noch müssen wir jetzt alte Selbstdarstellungen der genannten Herrschaften jetzt umschreiben.

Daher ist meine Meinung: Die Kollegin lügt die Geschichte um. Sie kann sich mit den Fliegerschissern zusammentun, und gemeinsam können Sie dann nach historischem Vorbild einen Nichtangriffspakt schließen. Stalin war nicht links, Hitler nichts rechts. Dann teilen sie sich nicht Polen auf, sondern die aktuelle deutsche Demokratie.

Ich hab viel Sinn für Sophistik. Aber wenn jemand so dreist Geschichte fälschen möchte, wie das in dem Zitat zur Eröffnung des Strangs der Fall ist, dann kann man auch mal direkt sagen, was der Fall ist. Der einzige Vorbehalt wäre: Man hat das satirische Moment nicht verstanden. Das aber, wie der letzte Satz zeigt, ist ausgeschlossen. Es war ernst gemeint.
Das ist alles nicht so dramatisch, wie Sie es hier zornig beschreiben. Und mit Lüge hat es schon gar nichts zu tun. Ich hab dazu auch keine spezielle Theorie und auch keinen Politologen vorzuweisen und zu zitieren. Das sind einfach Erfahrungen. Ich bin quasi Zeitzeuge zweier völlig verschiedener Systeme und kann sehr gut vergleichen, was damals in der DDR diese Politbürokraten wollten und taten und was die heutige Linke will. Dazwischen liegen Welten. Die einen standen für demokratischen Zentralismus, in dem die eigenen Leute unterdrückt worden sind, wo es keine Meinungsfreiheit gab, wo die ständig geforderte "Kritik und Selbstkritik" eine Farce war. Sie sagten, das "Vertrauen zwischen Volk und Partei" vertiefe sich immer mehr. In Wirklichkeit bröckelte und zerbröselte dieses Vertrauen im Laufe der Jahrzehnte immer mehr und war zum Schluss überhaupt nicht mehr vorhanden. So genannte Parteikontrollkommissionen beurteilten, verurteilten, sprachen Berufsverbote gegen die eigenen Genossen aus, die sich zum Beispiel wagten, den Personenkult zu kritisieren.

All das hatte mit wirklichem Linkssein nix zu tun. Auch die ständige Intellektuellenfeindlichkeit, das misstrauische Beäugen von Schriftstellern und bildenden Künstlern hatte nichts mit links zu tun. Statt Weltoffenheit nur Enge und kleinbürgerliche Spießigkeit (die es natürlich auch im Westen gab; da nahmen sich die beiden Seiten nichts). Das echte Linkssein aber, das ich schon damals für erstrebenswert hielt und bei einzelnen Leuten sogar auch unter den geschilderten Verhältnissen vorfand, ist wirklich weltoffen, demokratisch, frei, pluralistisch, liberal, humanistisch, progressiv, gesellschaftskritisch, menschlich, ohne Diktat von oben. Das ist der Unterschied. Dass ich dennoch auch einzelne Teile des sozialistischen Versuchs ganz gut fand, steht auf einem anderen Blatt. Hab ich x-mal beschrieben, was genau ich damit meine. Heute gehts den Linken um einen demokratischen Sozialismus als Fernziel. Ein himmelweiter Unterschied zum verflossenen real existierenden Sozialismus.
Zuletzt geändert von Selina am Do 3. Dez 2020, 00:24, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von ThorsHamar »

Tom Bombadil hat geschrieben:(02 Dec 2020, 21:48)

Nicht den eigenen Standpunkt gilt es zu fixen, sondern den politischen Nullmeridian.
...das funzt aber imho nicht, ohne seinen eigenen Standpunkt zu definieren. :cool:
Sonst ist das Parteischule, die die Aufgabe hat, den politischen Nullmeridian aus naheliegenden Gründen zu verschieben.
Und? Ändert das etwas daran, dass es sich um Rechtsextreme gehandelt hat?
Ja, ich finde schon.
Eine korrekte Bezeichnung der Nationalsozialisten hätte die sofort folgende, zweite sozialistische Diktatur in Deutschland wohl auch etwas anders beleuchtet.

Weil es keine Sozialisten waren? Die letzten dieser Art wurden 1934 aus der NSDAP eliminiert.
Wir diskutieren eigentlich auch nicht darüber, ob Strasser oder Goebbels heute in der Linken einen Platz hätten.
Hitlers nationaler Sozialismus ist genau so Sozialismus wie der von Mao, Stalin, Tito oder der damalige italienische Eurokommunismus.
Da hat auch Jeder dem jeweils Anderen unterstellt, nicht dazuzugehören ....
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Tom Bombadil »

ThorsHamar hat geschrieben:(03 Dec 2020, 00:24)

Sonst ist das Parteischule, die die Aufgabe hat, den politischen Nullmeridian aus naheliegenden Gründen zu verschieben.
Interessant, ich will also einen politischen Nullmeridian fixieren und ihn gleichzeitig aus irgendwelchen Gründen verschieben :D
Eine korrekte Bezeichnung der Nationalsozialisten hätte die sofort folgende, zweite sozialistische Diktatur in Deutschland wohl auch etwas anders beleuchtet.
Sei mir nicht böse, aber die Nazis als erste sozialistische Diktatur zu sehen ist so ein hanebüchener Unsinn, dass ich darüber nicht diskutieren werde.
Hitlers nationaler Sozialismus ist genau so Sozialismus wie der von Mao, Stalin, Tito oder der damalige italienische Eurokommunismus.
Hitler war kein Sozialist und der Nationalsozialismus war auch kein Sozialismus, das ist kompletter Humbug. Aus welcher Ecke dieser Geschichtsrevisionismus kommt ist ja auch wohlbekannt.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Liegestuhl »

Es ist erstaunlich, dass Menschen, die sich selbst als "Kommunisten" bezeichnen und von so ziemlich allen anderen Menschen als "Kommunisten" bezeichnet wurden, plötzlich keine Kommunisten mehr sein sollen, weil bestimmten Leuten die Definition nicht passt.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Liegestuhl »

ThorsHamar hat geschrieben:(03 Dec 2020, 00:24)
Hitlers nationaler Sozialismus ist genau so Sozialismus wie der von Mao, Stalin, Tito oder der damalige italienische Eurokommunismus.
Überhaupt nicht. Hitlers Gesellschaftsmodell war kollektivistisch ausgerichtet. Das Individuum hat sich dem Kollektiv unterzuordnen. Das hat der Hitlerismus mit anderen Sozialismen gemein.
Die Wirtschaftspolitik war jedoch pragmatisch geprägt. Hitler war Maler und kein Ökonom. Eine klare Linie war in seiner Wirtschaftspolitik nicht zu erkennen. Unternehmer wurden unterstützt, wenn sie seiner Politik nützlich waren. Genauso wurden sie aber auch wieder fallen gelassen. Als Linie könnte man sehen, dass später alles auf Kriegswirtschaft hinaus lief.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Umetarek »

Links ist nicht links und rechts ist nicht rechts. es kommt ja darauf an, was man damit meint und wie man das definiert, nicht jeder Rechte ist irgendwie nationalsozialistisch, weil er ja rechts wäre und nicht jeder Linke hat was mit Stalin zu tun, man muß sich da schon sehr genau die jeweilige Position ansehen, ansonsten ist das sinnlos.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von oga »

Liegestuhl hat geschrieben:(03 Dec 2020, 08:34)

Es ist erstaunlich, dass Menschen, die sich selbst als "Kommunisten" bezeichnen und von so ziemlich allen anderen Menschen als "Kommunisten" bezeichnet wurden, plötzlich keine Kommunisten mehr sein sollen, weil bestimmten Leuten die Definition nicht passt.
Beispiel? :?:
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Stoner »

Elmar Brok hat geschrieben:(02 Dec 2020, 23:51)

Es ist doch bei der Aussage der Userin relevant, was sie unter links versteht. Dort würde ich auch ansetzen. Sie fragen, was sie unter links versteht.
Was sie unter links versteht, ist relevant, wenn wir uns übers Hier und Jetzt unterhalten, wo die Begriffe völlig verschwimmen. Aber wenn jeder sagen darf, dass sein Privatverständnis von Links konstitutiv dafür ist, ob nun eine historische Gestalt nun links ist oder nicht?

Da würde ich sie sofort fragen, was sie sagen würde, wenn Höcke sagt, er sei der wahre Rechte und Hitler oder Franco seien ja gar nicht rechts gewesen, sondern autoritär.

Nein, aber ich glaube nicht, dass es von Selinas Verständnis von "links" abhängt, ob Stalin oder Honecker und die anderen von ihr genannten Figuren nun links eingeordnet werden dürfen oder nicht. Das ist doch keine Frage subjektiver Wünsche?!
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von ThorsHamar »

Tom Bombadil hat geschrieben:(03 Dec 2020, 08:25)

Interessant, ich will also einen politischen Nullmeridian fixieren und ihn gleichzeitig aus irgendwelchen Gründen verschieben :D
Nein. Ein politischer Nullmeridian ist doch kein objektiver Punkt, sondern eine subjektive (Du) oder definierte (Parteiprogramm) Position.
Sei mir nicht böse, aber die Nazis als erste sozialistische Diktatur zu sehen ist so ein hanebüchener Unsinn, dass ich darüber nicht diskutieren werde.
Ich will darüber auch gar nicht diskutieren.
Hitler war kein Sozialist und der Nationalsozialismus war auch kein Sozialismus, das ist kompletter Humbug.
Hitler war Nationalsozialist und der Nationalsozialismus war nationaler Sozialismus.
Das heisst nicht, dass der deutsche Nationalsozialismus eine Variante des Marxismus war und jede theoretische Definition z.B die der ökonomischen Vorgaben, erfüllen muss.
Der gesamte politische Aufbau , die gesamte Organisation des Parteistaates des Nationalsozialismus war real existierender Sozialismus, dem sich jede gesellschaftliche Position unterzuordnen hatte.
Aus welcher Ecke dieser Geschichtsrevisionismus kommt ist ja auch wohlbekannt.
Ich komme aus keiner Ecke.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Stoner »

Selina hat geschrieben:(03 Dec 2020, 00:22)

All das hatte mit wirklichem Linkssein nix zu tun.
Geben Sie mir eine Chance, in Ruhe den Rest zu überdenken. Das hier nur kurz, weil mich das ganz grundsätzlich krank macht (was nicht auf wirkliches Linkssein beschränkt ist): Immer dann, wenn es von etwas ein "wirkliches/wahres/eigentliches" Sosein gibt, das aber noch keiner so an der Macht gesehen hat, dann: Finger weg. Zum Rest wie gesagt später.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von ThorsHamar »

Liegestuhl hat geschrieben:(03 Dec 2020, 08:39)

Überhaupt nicht. Hitlers Gesellschaftsmodell war kollektivistisch ausgerichtet. Das Individuum hat sich dem Kollektiv unterzuordnen. Das hat der Hitlerismus mit anderen Sozialismen gemein.
Die Wirtschaftspolitik war jedoch pragmatisch geprägt. Hitler war Maler und kein Ökonom. Eine klare Linie war in seiner Wirtschaftspolitik nicht zu erkennen. Unternehmer wurden unterstützt, wenn sie seiner Politik nützlich waren. Genauso wurden sie aber auch wieder fallen gelassen. Als Linie könnte man sehen, dass später alles auf Kriegswirtschaft hinaus lief.
So sehe ich das ja auch.
Und ich sehe eben eine "pragmatische Wirtschaftspolitik" nicht als Kriterium, der Diktatur den Sozialismus abzusprechen.
btw. konkret und verbindend zum Thema:
ist China links?
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Stoner »

Umetarek hat geschrieben:(03 Dec 2020, 08:57)

Links ist nicht links und rechts ist nicht rechts. es kommt ja darauf an, was man damit meint und wie man das definiert, nicht jeder Rechte ist irgendwie nationalsozialistisch, weil er ja rechts wäre und nicht jeder Linke hat was mit Stalin zu tun, man muß sich da schon sehr genau die jeweilige Position ansehen, ansonsten ist das sinnlos.
Stalin und Hitler waren vor allen Dingen Despoten, nebenher hatten sie noch eine politische Agenda.
Es geht nicht darum, ob jeder Linke etwas mit Stalin zu tun hat - ganz bestimmt nicht -, sondern darum, ob Stalin "eigentlich" oder "in Wirklichkeit" oder "auf keinen Fall" usw. usf. links war. Sogar Honecker nicht. Oder Mao, mit dessen rotem Büchlein ("Mao-Bibel") ein nicht geringer Teil meiner linken Freunde herumlief und aus dem sie stolz zitierten (der Nachfolger war Gaddafis grünes Buch). Und was ist mit Mélenchon und Badiou in Frankreich? Beide an Mao geschult - sind die dann in Wirklichkeit auch wieder nicht links?
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Umetarek »

Stoner hat geschrieben:(03 Dec 2020, 09:35)

Es geht nicht darum, ob jeder Linke etwas mit Stalin zu tun hat - ganz bestimmt nicht -, sondern darum, ob Stalin "eigentlich" oder "in Wirklichkeit" oder "auf keinen Fall" usw. usf. links war. Sogar Honecker nicht. Oder Mao, mit dessen rotem Büchlein ("Mao-Bibel") ein nicht geringer Teil meiner linken Freunde herumlief und aus dem sie stolz zitierten (der Nachfolger war Gaddafis grünes Buch). Und was ist mit Mélenchon und Badiou in Frankreich? Beide an Mao geschult - sind die dann in Wirklichkeit auch wieder nicht links?
Natürlich waren die links, allerdings hat das oft wenig bis nichts mit heutigen Linken zu tun. Und es waren Machtmenschen, die ohne Rücksicht auf Verluste regiert haben. Es sind halt oft die Gleichen, die an die Macht schwimmen, egal in welchem System, deswegen unterscheiden die sich dann auch wenig, trotz unterschiedlicher politischer Ausrichtung. In einer Demokratie sind einige Kontrollmechanismen eingebaut, die solche Herrschaftsbildungen zumindest eindämmen oder direkt unterbinden.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von ThorsHamar »

Stoner hat geschrieben:(03 Dec 2020, 09:35)

Es geht nicht darum, ob jeder Linke etwas mit Stalin zu tun hat - ganz bestimmt nicht -, sondern darum, ob Stalin "eigentlich" oder "in Wirklichkeit" oder "auf keinen Fall" usw. usf. links war. Sogar Honecker nicht. Oder Mao, mit dessen rotem Büchlein ("Mao-Bibel") ein nicht geringer Teil meiner linken Freunde herumlief und aus dem sie stolz zitierten (der Nachfolger war Gaddafis grünes Buch). Und was ist mit Mélenchon und Badiou in Frankreich? Beide an Mao geschult - sind die dann in Wirklichkeit auch wieder nicht links?
Wegen genau solcher Beispiele ist es eben müssig, ein links oder rechts Prädikat zu verteilen.
Die Bewertung ist eigentlich nur Ausdruck der subjektiven Position, immerhin.
Ein Streit darüber ist jedoch sinnlos, da alle "Referenzfälle" schon politisch vorsortiert wurden, und zwar als Prophylaxe im Hinblick auf die eigene Geschichte, denn links ist gut und rechts ist böse.
Deshalb darf nicht jeder Sozialismus links sein und deshalb kann jede Partei der Mitte als rechts bezeichnet werden.
Immerhin ein letzter Versuch, sich vor tatsächlicher und möglicherweise schmerzlicher politischer Erkenntnis zu drücken ....
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Umetarek »

ThorsHamar hat geschrieben:(03 Dec 2020, 09:50)
Deshalb darf nicht jeder Sozialismus links sein und deshalb kann jede Partei der Mitte als rechts bezeichnet werden.
Im Moment ist ja eher das Gegenteil der Fall.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Stoner »

Umetarek hat geschrieben:(03 Dec 2020, 09:42)

Natürlich waren die links, allerdings hat das oft wenig bis nichts mit heutigen Linken zu tun. Und es waren Machtmenschen, die ohne Rücksicht auf Verluste regiert haben. Es sind halt oft die Gleichen, die an die Macht schwimmen, egal in welchem System, deswegen unterscheiden die sich dann auch wenig, trotz unterschiedlicher politischer Ausrichtung. In einer Demokratie sind einige Kontrollmechanismen eingebaut, die solche Herrschaftsbildungen zumindest eindämmen oder direkt unterbinden.
Natürlich ist "links" heute etwas ganz anderes. Der Witz ist aber: Während man bei Rechten völlig selbstverständlich ein solches Anderssein sofort nazifiziert, darf man Linke auf gar keinen Fall stalinisieren oder maoisieren (manche, wie die beiden Franzosen, nennen Mao ja explizit als Lehrer). Das heißt, wie in dem Satz Selinas zu lesen: Es gibt angeblich ein "echtes" oder "wirkliches" Linkssein. Es hat, ebenso wie ein etwaiges echtes oder wirkliches Rechtssein, bloß noch keiner an der Macht gesehen. Wobei, wenn Identitätspolitik links ist, dann dürfen wir ja aktuell schon einen Blick auf echtes oder wirkliches Linkssein werfen.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Umetarek »

Stoner hat geschrieben:(03 Dec 2020, 09:55)

Natürlich ist "links" heute etwas ganz anderes. Der Witz ist aber: Während man bei Rechten völlig selbstverständlich ein solches Anderssein sofort nazifiziert, darf man Linke auf gar keinen Fall stalinisieren oder maoisieren (manche, wie die beiden Franzosen, nennen Mao ja explizit als Lehrer). Das heißt, wie in dem Satz Selinas zu lesen: Es gibt angeblich ein "echtes" oder "wirkliches" Linkssein. Es hat, ebenso wie ein etwaiges echtes oder wirkliches Rechtssein, bloß noch keiner an der Macht gesehen. Wobei, wenn Identitätspolitik links ist, dann dürfen wir ja aktuell schon einen Blick auf echtes oder wirkliches Linkssein werfen.
Also bitte, ich unterstelle weder einem CDUler noch einem FDPler rechtsradikale Umtriebe und kenne auch keinen der das tut, es sei denn derjenige (CDU oder FDPler) legt es durch seine Taten und Worte darauf an.
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Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Liegestuhl »

Eventuell wird "links" mit "sozial" verwechselt.
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Stoner

Re: Was ist (nicht) links?

Beitrag von Stoner »

Meine These zu irgendeinem "wirklichen" oder "echten" So-Sein ist: Das Echte oder Wirkliche daran ist das, als das es sich erweist, wenn es die Macht hat, seine Maximen in Realpolitik umzusetzen.

Stalin oder Honecker waren Linke, die an die Macht gekommen sind.
Hitler oder Goebbels waren Rechte, die an die Macht gekommen sind.
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