Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

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Quatschki
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Quatschki »

Keinen_Faschismus! hat geschrieben:(06 Sep 2020, 18:26)

Und ist das denn so falsch?
Wir haben gesehen was passiert ist als sich die Deutschen als „Herrenmenschen“ aufgespielt haben.

Heute sind die Deutschen demütiger und es geht ihnen besser als jemals zuvor!

Deutschland Heute ist deutlich weniger deutsch als noch vor 50 Jahren. Und es ist ein besseres Land für alle seine Einwohner!
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Billie Holiday
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Billie Holiday »

Keinen_Faschismus! hat geschrieben:(06 Sep 2020, 18:26)

Und ist das denn so falsch?
Wir haben gesehen was passiert ist als sich die Deutschen als „Herrenmenschen“ aufgespielt haben.

Heute sind die Deutschen demütiger und es geht ihnen besser als jemals zuvor!

Deutschland Heute ist deutlich weniger deutsch als noch vor 50 Jahren. Und es ist ein besseres Land für alle seine Einwohner!
Tatsächlich? An jeder Ecke wird geplärrt, wie schrecklich hier alles ist, alles ungerecht, voll Nazi, alle werden diskriminiert, böse AN, böse Polizisten, keiner kriegt BGE fürs Nichtstun, alle werden ausgebeutet, jeder einzelne Migrant wird blöd angeguckt, alle Frauen diskriminiert....wo ist dieses bessere Land? :?: Seit wann ist Links mit diesem Land zufrieden?
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Keinen_Faschismus! »

Billie Holiday hat geschrieben:(06 Sep 2020, 20:52)
Tatsächlich? An jeder Ecke wird geplärrt, wie schrecklich hier alles ist, alles ungerecht, voll Nazi, alle werden diskriminiert, böse AN, böse Polizisten, keiner kriegt BGE fürs Nichtstun, alle werden ausgebeutet, jeder einzelne Migrant wird blöd angeguckt, alle Frauen diskriminiert....wo ist dieses bessere Land? :?: Seit wann ist Links mit diesem Land zufrieden?
Es ist deutlich besser im Vergleich zu vor 50 Jahren.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von schokoschendrezki »

Linke Identitätspolitik ist Klassenkampf und Klassenbewusstsein. Politik, die auf dem Bewusstsein und der Überzeugung aufbaut, einer sozialen Klasse anzugehören. Eigentlich trivial. Und vor allem bei Marx, Engels und Lenin bis ins Detail ausgearbeitet.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von schokoschendrezki »

LGBT, Feminismus und dergleichen sind für mich lediglich Kultur-Phänomene dieser sogenannten "nivellierten Mittelstandsgesellschaft". Also im Wesentlichen der Gesellschaften des globalen Nordens der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die - glaubt man etwa dem Soziologen Andreas Reckwitz - in jüngerer Zeit mehr und mehr durch eine, we ers nennt "3 plus1-Gesellschaft" ersetzt wird. Mit einer zahlenmäßig kleinen Oberschicht, einer Unterschicht, einer klassischen Mittelschicht (die ehemalige nivellierte Gesellschaftsmehrheit) und einer modernen Mittelschicht aus "Wissensarbeitern". Diese Schichten zeichnen sich aber nicht dadurch aus, dass ihre Mitglieder ein Bewusstsein darüber pflegen, dieser oder jener Schicht anzugehören. Sie tun es einfach de facto.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Meruem »

Billie Holiday hat geschrieben:(06 Sep 2020, 20:52)

Tatsächlich? An jeder Ecke wird geplärrt, wie schrecklich hier alles ist, alles ungerecht, voll Nazi, alle werden diskriminiert, böse AN, böse Polizisten, keiner kriegt BGE fürs Nichtstun, alle werden ausgebeutet, jeder einzelne Migrant wird blöd angeguckt, alle Frauen diskriminiert....wo ist dieses bessere Land? :?: Seit wann ist Links mit diesem Land zufrieden?
Oder man kann es machen wie andere hier und alles schön reden frei nach der Devisie von Leibnitz " Wir leben in der besten aller möglichen Welten" ach ist dass so? Natürlich wenn man einen deutschen Hartz4 Empfänger etwa mit einem chinesischen Wanderarbeiter vergleicht ode einem indischen Bettler, lebt der Hartz Empfänger freilich wie ein Krösus, nur sind der Wanderarbeiter oder der Bettler aus Indien plötzlich der allein selig machende Maßstab??? Kann man so sehen muss aber auch nicht , Ansichtssache.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Laertes »

schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Sep 2020, 16:29)
Linke Identitätspolitik ist Klassenkampf und Klassenbewusstsein. Politik, die auf dem Bewusstsein und der Überzeugung aufbaut, einer sozialen Klasse anzugehören.
schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Sep 2020, 16:46)
Diese Schichten zeichnen sich aber nicht dadurch aus, dass ihre Mitglieder ein Bewusstsein darüber pflegen, dieser oder jener Schicht anzugehören. Sie tun es einfach de facto.
Die Identitätsgruppen, die von linker Identitätspolitik vertreten decken sich m. E. weder mit der oberen noch mit der unteren Kategorisierung. Identitäten wie 'people of color' verlaufen doch offensichtlich quer zu obigen Einteilungen.
"Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann."
(Ernst-Wolfgang Böckenförde)
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von schokoschendrezki »

Laertes hat geschrieben:(07 Sep 2020, 17:42)

Die Identitätsgruppen, die von linker Identitätspolitik vertreten decken sich m. E. weder mit der oberen noch mit der unteren Kategorisierung. Identitäten wie 'people of color' verlaufen doch offensichtlich quer zu obigen Einteilungen.
Das sind ja auch quasi eigendefinierte Identitäten. Nach meinem Verständnis ist so etwas wie die "politische Linke" untrennbar wenigstens in den Ansätzen mit dem Begriff der sozialen Klasse und dem Begriff des Klassenkampfs verbunden. So wie es im weitesten Sinne im klassischen Marxismus der Fall ist.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Quatschki »

schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Sep 2020, 22:09)

Das sind ja auch quasi eigendefinierte Identitäten. Nach meinem Verständnis ist so etwas wie die "politische Linke" untrennbar wenigstens in den Ansätzen mit dem Begriff der sozialen Klasse und dem Begriff des Klassenkampfs verbunden. So wie es im weitesten Sinne im klassischen Marxismus der Fall ist.
Das war früher.
Aber diese klassischen Linken (vielleicht am ehesten noch verkörpert durch Sahra Wagenknecht) haben die Deutungshoheit über den Begriff, was "links" ist, an die Fake-Linken verloren.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von McKnee »

schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Sep 2020, 22:09)

Das sind ja auch quasi eigendefinierte Identitäten. Nach meinem Verständnis ist so etwas wie die "politische Linke" untrennbar wenigstens in den Ansätzen mit dem Begriff der sozialen Klasse und dem Begriff des Klassenkampfs verbunden. So wie es im weitesten Sinne im klassischen Marxismus der Fall ist.
Und wie viel Sozialismus steckte im Programm der NSDAP?

In der extremen Linken lebt Rassismus und Antisemitismus.

Nur die Namen unterscheiden sich, die Ziele sind im Kern gleich, die Machtübernahme und Abschaffung der freien demokratischen Grundordnung.
Der Hauptgrund für Stress ist der tägliche Kontakt mit Idioten.

Es ist mir egal, ob es ein Albert-Einstein-Zitat ist ...

.....er wusste es :D
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Laertes »

Quatschki hat geschrieben:(07 Sep 2020, 22:54)
Das war früher. Aber diese klassischen Linken (vielleicht am ehesten noch verkörpert durch Sahra Wagenknecht) haben die Deutungshoheit über den Begriff, was "links" ist, an die Fake-Linken verloren.
Fake-Linke finde ich übertrieben. Mit links-rechts halten wir vielleicht an veralteten Begrifflichkeiten für neue Phänomene fest. Ich meine damit, dass im Zeitalter von Internet und Wissensarbeit, Bildung und Know-How als wesentliche Faktoren neben die industriellen Produktionsmittel der marxistischen Theorie treten.

Ich denke, dass linke Identitätspolitik die Reaktion darauf ist, dass soziale Ungerechtigkeiten und soziale Ungleichheit nicht mehr primär als Resultate des Konflikts Arbeiterklasse vs. Kapitalistenklasse (... Produktivkraft vs. Produktionsmittel etc.) erlebt werden. Stattdessen wird soziale Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Ausbeutung auf Faktoren wie Herkunft, Ethnie oder Geschlecht zurückgeführt.

Gemeinsamkeit der klassischen Linken mit linker Identitätspolitik sind weniger theoretischer Natur, als vielmehr praktische Zielsetzungen (mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Partizipation) für benachteiligte Gruppen.

Das wäre dann wohl auch der Unterschied zu rechter Identitätspolitik, deren Zielsetzung eher der Erhalt oder die Ausweitung bestehender Privilegien zu sein scheint, auf der Basis der Zugehörigkeit zur dominierenden ethnischen, kulturellen oder traditionsgebenden gesellschaftlichen Gruppe.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Wähler »

schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Sep 2020, 16:46)
LGBT, Feminismus und dergleichen sind für mich lediglich Kultur-Phänomene dieser sogenannten "nivellierten Mittelstandsgesellschaft". Also im Wesentlichen der Gesellschaften des globalen Nordens der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die - glaubt man etwa dem Soziologen Andreas Reckwitz - in jüngerer Zeit mehr und mehr durch eine, we ers nennt "3 plus1-Gesellschaft" ersetzt wird. Mit einer zahlenmäßig kleinen Oberschicht, einer Unterschicht, einer klassischen Mittelschicht (die ehemalige nivellierte Gesellschaftsmehrheit) und einer modernen Mittelschicht aus "Wissensarbeitern". Diese Schichten zeichnen sich aber nicht dadurch aus, dass ihre Mitglieder ein Bewusstsein darüber pflegen, dieser oder jener Schicht anzugehören. Sie tun es einfach de facto.
Über seine kulturelle Identität nachzudenken, ist für mich Ausdruck eines Zeitgeistes, der nach Orientierung sucht, wo vieles wirtschaftlich und politisch im Umbruch ist. Die gesellschaftliche Entwicklung ist dynamisch und dadurch unübersichtlich für den Einzelnen. Die Ungewissheit, sich nicht richtig einordnen zu können, will ausgehalten werden, ohne in kurzfristigen Aktivismus zu verfallen.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Quatschki »

Laertes hat geschrieben:(08 Sep 2020, 08:38)

Fake-Linke finde ich übertrieben. Mit links-rechts halten wir vielleicht an veralteten Begrifflichkeiten für neue Phänomene fest. Ich meine damit, dass im Zeitalter von Internet und Wissensarbeit, Bildung und Know-How als wesentliche Faktoren neben die industriellen Produktionsmittel der marxistischen Theorie treten.
Wenn eines typisch ist für diese neue Linke, dann die Entfremdung von der körperlichen Arbeit und denen, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von schokoschendrezki »

McKnee hat geschrieben:(08 Sep 2020, 02:05)

Und wie viel Sozialismus steckte im Programm der NSDAP?

In der extremen Linken lebt Rassismus und Antisemitismus.

Nur die Namen unterscheiden sich, die Ziele sind im Kern gleich, die Machtübernahme und Abschaffung der freien demokratischen Grundordnung.
Im Programm der NSDAP steckt eine Menge Sozialismus. Nationalsozialismus halt. Aber die Begriffe einfacht in einen Topf werfen und von "gleich im Kern" sprechen ... dann können wir gleich auch alles, was irgendwie auf politische Analyse, auf begriffliche Genauigkeit, auf Beobachten und Nachdenken überhaupt hinausläuft beiseite lassen.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von schokoschendrezki »

Quatschki hat geschrieben:(08 Sep 2020, 12:12)

Wenn eines typisch ist für diese neue Linke, dann die Entfremdung von der körperlichen Arbeit und denen, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen.
Es entspricht ja vielleicht dem, was Andreas Reckwitz die neue 3+1-Gesellschaft nennt. Die neue Unterschicht in den Gesellschaften des globalen Nordens bildet sich mehr und mehr aus den unqualifizierten Beschäftigten der IT-Dienstleistern. Menschen, die bei DHL ausliefern oder im Amazon-Logistik-Center Zeug sortieren zum Beispiel. Dann die klassische Mittelschicht, die sich im wesentlichen aus der Mehrheit der ehemals nivellierten Mittelstandsgesellschaft bildet. Und dann die neue Mittelschicht derer, die er "Wissensarbeiter" nennt. Ob diese soziale neue Teilung der Mittelschicht, die mit Globalisierung, technologischen Entwicklungen usw. zusammenhängt, etwas mit einer politischen Identität als Kosmopolit oder Kommunitarist zu tun hat ... darüber spekuliert Reckwitz ein wenig in einem jüngst gehaltenen Vortrag:
Aufstieg einer neuen Mittelschicht

Dann sei der Wechsel von der Industrie- hin zur Dienstleistungsgesellschaft erfolgt, unter anderem begleitet von einer gewaltigen Bildungsexpansion. Die Gewinner und Gewinnerinnen seien die Hochschulabsolventen und -absolventinnen gewesen, die heute in Forschung und Entwicklung, in den Medien und Kreativberufen oder in Bereichen wie Medizin, Finanzen und Recht tätig sind. Sie alle wohnen in der Regel in größeren Städten und bildeten die neue Mittelschicht.

"Erstrebenswert scheint es den Individuen nun, nach den persönlichen Bedürfnissen zu leben und die Wünsche des Lebens zu entfalten."

Die alte Mittelschicht hingegen lebe vor allem auf dem Land, habe Vorbehalte gegen die Globalisierung und verliere zunehmend an Prestige, so Andreas Reckwitz in seiner Analyse. Diese alte Mittelschicht sei hervorgegangen aus den Industriearbeitern, für die lokale Wurzeln, Disziplin und Fleiß noch immer hohe Werte darstellten.
https://www.deutschlandfunknova.de/beit ... terschicht

Identitätspolitik in Hinsicht auf politisch links zu denken ... scheint mir jedenfalls kaum möglich, ohne sich nicht in irgendeinem Sinne an ökonomische Gebundenheiten auszurichten, die wenigstens im weitesten Sinne etwas mit Marxens sozialen Klassen zu tun haben.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von schokoschendrezki »

Wähler hat geschrieben:(08 Sep 2020, 10:13)

Über seine kulturelle Identität nachzudenken, ist für mich Ausdruck eines Zeitgeistes, der nach Orientierung sucht, wo vieles wirtschaftlich und politisch im Umbruch ist. Die gesellschaftliche Entwicklung ist dynamisch und dadurch unübersichtlich für den Einzelnen. Die Ungewissheit, sich nicht richtig einordnen zu können, will ausgehalten werden, ohne in kurzfristigen Aktivismus zu verfallen.
Das ist aber genaugenommen das, was viele Menschen unter "Identität" vestehen und nicht "Identitätspolitik". Unter "Identitätspolitik" würde ich politische Bestrebungen verstehen, die dieser Tatsache in irgendeiner Art Rechnung tragen.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von BlueMonday »

schokoschendrezki hat geschrieben:(08 Sep 2020, 14:35)

Es entspricht ja vielleicht dem, was Andreas Reckwitz die neue 3+1-Gesellschaft nennt. Die neue Unterschicht in den Gesellschaften des globalen Nordens bildet sich mehr und mehr aus den unqualifizierten Beschäftigten der IT-Dienstleistern. Menschen, die bei DHL ausliefern oder im Amazon-Logistik-Center Zeug sortieren zum Beispiel. Dann die klassische Mittelschicht, die sich im wesentlichen aus der Mehrheit der ehemals nivellierten Mittelstandsgesellschaft bildet. Und dann die neue Mittelschicht derer, die er "Wissensarbeiter" nennt. Ob diese soziale neue Teilung der Mittelschicht, die mit Globalisierung, technologischen Entwicklungen usw. zusammenhängt, etwas mit einer politischen Identität als Kosmopolit oder Kommunitarist zu tun hat ... darüber spekuliert Reckwitz ein wenig in einem jüngst gehaltenen Vortrag:

https://www.deutschlandfunknova.de/beit ... terschicht

Identitätspolitik in Hinsicht auf politisch links zu denken ... scheint mir jedenfalls kaum möglich, ohne sich nicht in irgendeinem Sinne an ökonomische Gebundenheiten auszurichten, die wenigstens im weitesten Sinne etwas mit Marxens sozialen Klassen zu tun haben.
Nun ist das eine beliebige, rein deskriptive Einordnung von diesem Reckwitz und keine selbst bewusst gebildete oder selbst erkannte Bildung von "Klassen".

Genauso gut könnte man auch ein unterscheidenes Bewusstsein für die Klasse der Nettosteuerzahler und Nettosteuerempfänger wachrufen und daraus einen Klassenantagonismus spinnen. Das bricht ja auch hier und da in der Praxis auf, wenn etwa der Polizist einem am Boden fixierten Demonstranten das Knie in den Rücken drückt und ihm dann als Reaktion der lautsstarke Einwand der Umstehenden entgegenschlägt, dass er auch von den Steuern der Demonstranten bezahlt wird. Ist nun ein derartiges Klassenbewusstsein "links" oder "rechts"? Wie ich bereits schrieb: letztlich kommt es auf die Bewegungrichtung an. Ob man nun differenziert oder sich weiter ins Grobe bewegt. Wenn man dann etwa darauf erwidert, dass man doch "ein Volk" wäre oder gar eine "Menschheit" und es um das "Allgemeinwohl" ginge. Geweinwohl vor Eigennutz. Dann ist dies eine Bewegungsrichtung nach links. Die Gleich-gültigkeit steht als linkes Endziel.

Bei Marx ging es auch darum, die Klassengegensätze letztlich zu überwinden und aufzulösen, nicht durch Differenzierung, sondern indem man Begriffsumfänge erweitert und immer mehr Menschen damit einfängt. Indem man die Bauernschaft bspw. zum Proletariat macht, bis eben nur noch Proletariat weltweit übrig bleibt und damit der Begriff überflüssig wird und der "Staat absterben" kann. Im Marxschen Sinne ist ja der Staat ein Unterdrückungsinstrument der herrschenden Klasse.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(08 Sep 2020, 13:53)

Im Programm der NSDAP steckt eine Menge Sozialismus.
Das stimmt: http://www.documentarchiv.de/wr/1920/ns ... gramm.html

Und auch später, nach der Machtergreifung, wurden sozialistische Methoden angewandt, siehe: Reichskommissar für die Preisbildung

Das macht das Dritte Reich natürlich nicht zu einem sozialistischen Arbeiter- und Bauernparadies.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(08 Sep 2020, 15:28)

Nun ist das eine beliebige, rein deskriptive Einordnung von diesem Reckwitz und keine selbst bewusst gebildete oder selbst erkannte Bildung von "Klassen".
Reckwitz als Soziologe braucht ja auch nur festzustellen, dass sich infolge technologischer Wandlungen, Globalisierung und allen möglichen sonstigen objektiv laufenden gesellschaftlichen Veränderungen eine Veränderung der sozialen Struktur der Bevölkerung herausbildet oder nicht. Zum Beispiel hinsichtlich der kulturellen Präferenzen. Zu denen zum Beispiel so etwas wie eine Sympathie für Feminismus oder LGBT-Bewegung gehört. Ob die Betroffenen sich selbst als zu den herausgestellten Gruppen bewusst zugehörig fühlen oder nicht, ist bis dahin erstmal egal.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(08 Sep 2020, 15:32)

Das stimmt: http://www.documentarchiv.de/wr/1920/ns ... gramm.html

Und auch später, nach der Machtergreifung, wurden sozialistische Methoden angewandt, siehe: Reichskommissar für die Preisbildung

Das macht das Dritte Reich natürlich nicht zu einem sozialistischen Arbeiter- und Bauernparadies.
Am Ende stand dieses Dritte Reich für die Schaffung von Lebensraum für die arische Rasse, die Vernichtung angeblich lebensunwerten Lebens und nicht für die soziale Wohlfahrt der Arbeiter sondern dafür, dass Unternehmerfamilien (oder besser: Verbrecher-Clans) wie die Quandts und andere nicht zuletzt auch durch Profitierung von der Enteignung von Juden zu Macht, Einfluss und Kapital gekommen waren (und sind). Diese "arische Rasse" ist in keinster Weise an die Nation oder an eine soziale Klasse gebunden. Sie hätte dann eher RADUP, "Rassistisch-Antisemitische Deutsche Unternehmer-Partei" heißen sollen als NSDAP, "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei". Die Frage ist, ob es sich überhaupt um eine Entwicklung dahin handelt oder ob "NSDAP", Sozialismus, Solidarität mit den Arbeitern nicht vielleicht von Anfang an nur eine Erzählung fürs dumme Volk war.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Laertes »

schokoschendrezki hat geschrieben:(08 Sep 2020, 15:44)
Ob die Betroffenen sich selbst als zu den herausgestellten Gruppen bewusst zugehörig fühlen oder nicht, ist bis dahin erstmal egal.
Ich kann mir schwer vorstellen, dass aus dem Bewusstsein, dass man zur neuen Unterschicht oder der alten Mittelklasse i. S. v. Reckwitz zählt, politisches Momentum entsteht. Nicht in dem Maße, wie es die empfundene Zugehörigkeit zu Arbeiterklasse oder zu den people of color generiert. Und was die alte Mittelklasse angeht, wendet die sich, wenn sie denn politisch wird, nicht eher rechtspopulistischen politischen Strömungen zu?
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Tom Bombadil »

Die Aneinanderreihung von solchen Phrasen hilft nur auch nix gegen die verlinkten Fakten. Der Antikapitalismus der NSDAP - zumindest bis zur Machtergreifung - lässt sich nicht wegreden. Die NSDAP als Nachfolgerin der DAP hatte durchaus sozialistische Inhalte zu bieten (siehe links), nicht umsonst sind ganz Verbände des Rotfronkämpferbundes zur SA übergelaufen und vice versa. Es hilft nichts, dies zu leugnen, dass es in Kriegen auch immer Kriegsgewinnler gibt, besonders wenn sie denn kriegswichtige Güter produzieren, tut dem auch keinen Abbruch.

Und nochmal ganz dick für dich: nein, das macht das Dritte Reich in Vollendung nicht zu einem sozialistischen Staat.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von McKnee »

schokoschendrezki hat geschrieben:(08 Sep 2020, 13:53)

Im Programm der NSDAP steckt eine Menge Sozialismus. Nationalsozialismus halt. Aber die Begriffe einfacht in einen Topf werfen und von "gleich im Kern" sprechen ... dann können wir gleich auch alles, was irgendwie auf politische Analyse, auf begriffliche Genauigkeit, auf Beobachten und Nachdenken überhaupt hinausläuft beiseite lassen.
Nur warum haben diese Aspekte oin deiner Behauptung eine Bedeutung und ist bei mir eine ungenaue Behauptung ohne nachzudenken?

Mir schient eher, du legst es dir zurecht, wie es DIR passt.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von schokoschendrezki »

Laertes hat geschrieben:(08 Sep 2020, 19:31)

Ich kann mir schwer vorstellen, dass aus dem Bewusstsein, dass man zur neuen Unterschicht oder der alten Mittelklasse i. S. v. Reckwitz zählt, politisches Momentum entsteht. Nicht in dem Maße, wie es die empfundene Zugehörigkeit zu Arbeiterklasse oder zu den people of color generiert.
Bertolt Brecht hat geschrieben: Und weil der Prolet ein Prolet ist, drum wird ihn kein anderer befrein, es kann die Befreiung der Arbeiter nur das Werk der Arbeiter sein. Drum links, zwei, drei …
Nee, in einem solchen starken Sinne wie es dieses Arbeiterkampflied zum Ausdruck bringt, nicht. Das musste aber auch erst mal irgendwann entstehen. Die Frage ist aber, ob wir uns in einer Periode der Formierung eines solchen auch politischen Bewusstseins von sozialen Zugehörigkeiten befinden. Bei der FFF-Bewegung zum Beispiel habe ich zumindest den Eindruck, dass es sich auch um eine Art Absetzbewegung der Kinder der "Wissensarbeiter" und der zukünftigen WissensarbeiterInnen von der klassischen Mittelschicht, von den Beschäftigten der Autoindustrie oder den Versicherungsvertretern handelt.
Und was die alte Mittelklasse angeht, wendet die sich, wenn sie denn politisch wird, nicht eher rechtspopulistischen politischen Strömungen zu?
Ganz sicher ist das so!

Ich bin bestimmt kein autoritätsgläubiger Mensch. Aber Andreas Reckwitz, das scheint mir gewiss, ist der derzeit einflussreichste und für am bedeutsamst gehaltene deutsche Soziologe. Da sollte man zumindest mal hinhören und draufschauen.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Uffhausen »

Doku über die (Rechts-)Identitäre Bewegung:

Vergiftete Heimat - Die netten Rechten von nebenan

Hm...bomfortionös find' ich's inhaltlich nicht unbedingt - man erfährt eigentlich nur, dass Neurechts ein bisschen distanzierter von Altrechts begriffen werden will, dass sie nicht so aussehen, wie man sie sich aufgrund Klischeedenken vielleicht vorstellt (man könnte sie darumhalber auch für für "Linke" halten), dass sie gescheit daherreden können und fähig sind, modere Techniken und Kommunikationmöglichkeiten zu benutzen. Und jetzt?

Angst oder Sorge machen die mir nicht - so wie hier dargestellt werden. Wären mir nicht mal ein Schulterzucken wert, wenn sie mich mit ihrem identitären Zeugs anprechen würden. Leben halt in ihrer eigenen Welt, keine Ahnung warum - keine Hobbies, langweilige Freunde, desinteressierte Eltern. Hm. Sie sind besonders geil auf Youtube-Clicks und würden sich dafür sogar strafbar machen. Naja, machen viele nicht-rechtsidentitäre auch. :|

Ist die (Rechts-)Identitäre Bewegung in dieser Doku vielleicht zu harmlos dargestellt? :?:

Jaja, Selina: Du darfst den Teufel an die Wand malen! Aber wasch' dir danach die Hände, sei bitte so gut. ;)
"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen." Erich Kästner
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Billie Holiday »

Uffhausen hat geschrieben:(15 Apr 2021, 20:33)

Doku über die (Rechts-)Identitäre Bewegung:

Vergiftete Heimat - Die netten Rechten von nebenan

Hm...bomfortionös find' ich's inhaltlich nicht unbedingt - man erfährt eigentlich nur, dass Neurechts ein bisschen distanzierter von Altrechts begriffen werden will, dass sie nicht so aussehen, wie man sie sich aufgrund Klischeedenken vielleicht vorstellt (man könnte sie darumhalber auch für für "Linke" halten), dass sie gescheit daherreden können und fähig sind, modere Techniken und Kommunikationmöglichkeiten zu benutzen. Und jetzt?

Angst oder Sorge machen die mir nicht - so wie hier dargestellt werden. Wären mir nicht mal ein Schulterzucken wert, wenn sie mich mit ihrem identitären Zeugs anprechen würden. Leben halt in ihrer eigenen Welt, keine Ahnung warum - keine Hobbies, langweilige Freunde, desinteressierte Eltern. Hm. Sie sind besonders geil auf Youtube-Clicks und würden sich dafür sogar strafbar machen. Naja, machen viele nicht-rechtsidentitäre auch. :|

Ist die (Rechts-)Identitäre Bewegung in dieser Doku vielleicht zu harmlos dargestellt? :?:

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Ich habs nicht angeguckt...was sind deren Ziele? Machtübernahme und Weltbeherrschung?
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Uffhausen »

Billie Holiday hat geschrieben:(15 Apr 2021, 20:53)
Ich habs nicht angeguckt...was sind deren Ziele? Machtübernahme und Weltbeherrschung?
Nee, eben nicht. Zumindest wird das von Identitären selbst so nicht ausgesagt, eher irgendwie via Voice-Over zwischen den Zeilen angedeutet - so nach dem Motto: Sie geben's zwar nicht zu Protokoll, aber zutrauen sollte man es ihnen dennoch. Teilweise leicht bedrohliche Aufmachung und Inszenierung - wirkt stellenweise schon wieder fast belustigend. :s

Wichtigst scheint den Identitären wohl ihr Verständnis von Heimat (= Deutschland/Europa) zu sein und das man selbiges respektiert, ganz besonders bspw. Flüchtlinge mit einem anderem Heimatverständnis. Sie wollen sich bspw. nach Deutschland/Europa geflüchteten Muslimen gesellschaftlich nicht anpassen/entgegen kommen müssen, sondern erwarten das genaue Gegenteil (= Assimilation). Sie respektieren anderes Heimatdenken, andere Kulturen usw., aber sie befürchten, ihre eigene Heimat und Kultur zu verlieren, wenn sie sie eben nicht versuchen zu schützen/bewahren via Grenzen ziehen durch identitäres Denken.

Ich hab' das jetzt mal in eigene Worte gefasst, wie ich's meine verstanden zu haben.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Billie Holiday »

Uffhausen hat geschrieben:(15 Apr 2021, 21:29)

Nee, eben nicht. Zumindest wird das von Identitären selbst so nicht ausgesagt, eher irgendwie via Voice-Over zwischen den Zeilen angedeutet - so nach dem Motto: Sie geben's zwar nicht zu Protokoll, aber zutrauen sollte man es ihnen dennoch. Teilweise leicht bedrohliche Aufmachung und Inszenierung - wirkt stellenweise schon wieder fast belustigend. :s

Wichtigst scheint den Identitären wohl ihr Verständnis von Heimat (= Deutschland/Europa) zu sein und das man selbiges respektiert, ganz besonders bspw. Flüchtlinge mit einem anderem Heimatverständnis. Sie wollen sich bspw. nach Deutschland/Europa geflüchteten Muslimen gesellschaftlich nicht anpassen/entgegen kommen müssen, sondern erwarten das genaue Gegenteil (= Assimilation). Sie respektieren anderes Heimatdenken, andere Kulturen usw., aber sie befürchten, ihre eigene Heimat und Kultur zu verlieren, wenn sie sie eben nicht versuchen zu schützen/bewahren via Grenzen ziehen durch identitäres Denken.

Ich hab' das jetzt mal in eigene Worte gefasst, wie ich's meine verstanden zu haben.
Ach Gottchen...wüßte nicht, dass woanders Einheimische scharf darauf sind, sich Fremden anzupassen.

Aber wird das überhaupt von diesen dubiosen Typen verlangt? Hat jemand sie aufgefordert, sich Muslimen anzupassen? Wer und wieso? Also von mir hat das noch niemand verlangt, mal abgesehen davon, dass derjenige einen Tinitus von meinem haltlosen Gelächter hätte.

Ich glaub, die wollen nur spielen.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Vongole »

Die identitäre Bewegung wird in Deutschland als rechtsextremistisch eingestuft und vom Verfassungsschutz beobachtet.
https://www.zeit.de/politik/deutschland ... dia.org%2F

Es gibt enge Verbindungen zur IBO Österreich unter Martin Sellner, der neben rassistischen auch antisemitische Ansichten und Hetze verbreitet.
https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Sellner
Belustigend ist an dieser Gruppierung überhaupt nichts.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Billie Holiday »

600 Nasen ca., ungefähr soviele wie Islamisten.

Naja, beängstigende Menge ist das nicht.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Uffhausen »

Billie Holiday hat geschrieben:(15 Apr 2021, 21:42)
Aber wird das überhaupt von diesen dubiosen Typen verlangt? Hat jemand sie aufgefordert, sich Muslimen anzupassen? Wer und wieso?
Wenn's bspw. in der Kantine aus Rücksichtnahme auf Muslime keine Gerichte mit Schweinefleisch gibt. Das wurde von einem Identitären in der Doku als Besipeil aufgeführt.

Ich finde, das ist natürlich mehr als albern, wegen ausbleibendem Schweinefleisch gleich seine Heimat in Gefahr zu sehen. Aber andereseits kann ich den Ärger auch ein Stück weit nachvollziehen, schließlich wird über "Fremdenfreundlichkeiten" nicht diskutiert, sondern sie werden wie eine längst beschlossene Sache gehandhabt/umgesetzt. Würde man es anders machen und eben erst darüber reden, müsste man sich ggf. Vorwürfe gefallen lassen, die gen Rassimus laufen. :?
Also von mir hat das noch niemand verlangt, mal abgesehen davon, dass derjenige einen Tinitus von meinem haltlosen Gelächter hätte.
:D
Zuletzt geändert von Uffhausen am Do 15. Apr 2021, 22:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Vongole »

Billie Holiday hat geschrieben:(15 Apr 2021, 22:00)

600 Nasen ca., ungefähr soviele wie Islamisten.

Naja, beängstigende Menge ist das nicht.
Das war 2019. Die Bewegung ist auch sehr aktiv bei den Corona-Demos vertreten, bzw. macht sie sich zunutze.
Ich würde die nicht unterschätzen.
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Re: Was sind die Unterschiede rechter und linker Identitätspolitik?

Beitrag von Uffhausen »

Vongole hat geschrieben:(15 Apr 2021, 21:57)
Belustigend ist an dieser Gruppierung überhaupt nichts.
Die Aufmachung der Doku war stellenweise belustigend - in meinen Augen. Ich mag so melodramtisches Theater halt nicht, wenn ich bitteschön und gefälligst was ernster als ernst nehmen soll. :rolleyes:

Damals, als ich mit meiner ersten richtigen Freundin in "Titanic" war, hab ich auch lachen müssen, als dem Leo sein Caprio eingefroren und untergegangen ist... im Film war alles so entsetzlich künstlich-dramatisch und alles um mich rum hat Rotz und Wasser geheult - das war echt komisch! :D
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