Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 22:15)
Was möchtest du denn gerne mal "angstfrei" und "rabiat" sagen? Lass es raus!
Wenn Du meinen Beitrag aufmerksam gelesen hast, dann wirst Du festgestellt haben, dass er in erster Linie eine konfliktscheue Medienlandschaft im Auge hat, was durch unausgetragene Konflikte Auswirkungen auf die Gesellschaft hat.
Deine Frage ist natürlich polemisch und unterstellend, weil Du hier wider besseren Wissens suggerieren willst, ich wolle hier irgendwelche phösen Beschimpfungen plazieren, obwohl Dir sehr bewusst ist, dass es mir genau darum niemals gegangen ist. Du verfolgst meine Beiträge, und weisst daher, dass ich sehr wohl für eine noch strengere Auslegung, in jedem Fall aber konsequentere Strafverfolgung von Volksverhetzung bin. Auf der anderen Seite stehe ich aber für eine sehr liberale Auffassung von Diskussionskultur - absolut gegenteilig zu Deiner Auffassung, die - nach meinem Empfinden - im wesentlichen das für moralisch und richtig erklärt, was Deiner Meinung entspricht, und alles andere zum Teufelszeug erklärt, gegen das man sich - auch mit zweifelhaften Methoden (siehe Diskussion zur Redefreiheit mit Einblick in Gedanken zur Selbstjustiz) - zur Wehr setzen muss.
Ich sehe gerade, dass Bernd Stegemann einen Artikel im Cicero geschrieben hat, der genau dieses Thema behandelt. Leider kann ich nur die Einleitung lesen, aber die zeigt schon den Tenor, welchen ich voll unterstütze:
MEINUNGSFREIHEIT
-Vom Missbrauch der Moral
VON BERND STEGEMANN am 5. November 2019
In der Debatte um die Grenzen der Meinungsfreiheit führen viele an, man dürfe doch alles sagen, dabei aber eben nicht empfindlich sein. Das verkennt, dass es immer häufiger um ein öffentliches Bloßstellen geht, aber nicht mehr um ein respektvolles Miteinander
63 Prozent der Deutschen glauben laut einer Umfrage, man müsse sehr aufpassen, wenn man seine Meinung öffentlich äußert. Zeit, Spiegel und viele andere Medien titelten in der Folge mit dem Thema Meinungsfreiheit. Und sogleich wurden Stimmen laut, die mit gespielter Naivität fragen, wo denn die Meinungsfreiheit in Deutschland eingeschränkt sei. Juristisch ist doch alles erlaubt, was nicht strafbar ist, und niemand wird heute von einer Stasi überwacht oder muss damit rechnen, dass ein Blockwart seine Radiosender kontrolliert. Wenn man die totalitäre Meinungsüberwachung aus finsteren Zeiten anführt, erscheinen die aktuellen Sorgen natürlich klein. ...
https://www.cicero.de/kultur/meinungsfr ... dards/plus
Leider ist da für mich Schluss - habe kein Abo. Es ist aber genau dieser Punkt.
WEIT INNERHALB des gesetzlichen Rahmens wurden von Ideologen Grenzlinie gezogen. Wer diese Linie überschreitet, der begibt sich in die Gefahr undifferenziert in einen Topf mit übelsten Charakteren geworfen zu werden. Für den Großteil der Leute reicht das schon um öffentlich schlicht die Klappe zu halten. Ziel erreicht - vordergründig.
Mehr und mehr glaube ich wir bewegen uns in eine große gesellschaftliche Krise hinein, wenn wir den Mechanismus nicht bald verstehen. Die Zahl derjenigen, die in den Extremismus abgleiten wird höher, je mehr gemäßigten Leuten ein latenter Maulkorb verpasst wird. Nach der Aussage von Stegemann im Artikel oben, empfinden 63% diesen offenbar schon. Sind aber ersteinmal alle Leute radikalisiert, dann sind die Dystopien der linken Bezichtiger zur selbsterfüllenden Prophezeihung geworden. Dieser Prozess verwirklicht sich sozusagen von alleine, wenn man ihm nicht entgegensteuert.
Ich sehe aber keinen Aufruf zu mehr Toleranz oder entspannterem Umgang miteinander. Ich erkenne nicht, wie man Leute ermutigt ihre Meinung zu sagen, auch wenn diese nicht konform geht. Alles was ich erkenne ist die latente Unterstellung, dass wenn die Leute meinen nicht frei reden zu können, das was sie sagen wollen schlicht übelster Rassismus sein müsse. Das ist keine rabiate Diskussionskultur, das ist eine diffamierende Unkultur. Eine radikale Diskussion kann immernoch sehr sachlich sein. In öffentlichen Diskussionen ist vom sachlichen Kern kaum mehr etwas zu erkennen.