Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

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Skeptiker

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Skeptiker »

Selina hat geschrieben:(08 Nov 2019, 00:49)
Aber was ist es denn dann Geheimnisvolles, was man lieber für sich behält? Du kannst das wortreich umschreiben oder knapp beantworten: Es gibt schlicht nichts Ungesagtes. Selbst, wenn man dabei in Abgründe blicken muss, alles wurde bereits gesagt. Und das in einer brutalen Offenheit und Klarheit, dass es einem kalte Schauer über den Rücken jagt. Ja, was denn nun noch? Was ist es, was noch zu sagen wäre?
Selina, irgendwann nehme ich es Dir leider nicht mehr ab, dass Du nicht verstehst was ich sagen will.

Natürlich wurde "alles gesagt". Von vielen - es wird ständig diskutiert. Und alles legal - prima könnte man meinen. Aber nein! Wenn sich die Berichte mehren, dass die Leute ihren Mund nicht mehr aufmachen wollen - und ich rede von der Mitte der Gesellschaft, nicht den Schreiern von den Rändern - dann muss man das doch als besorgniserregend wahrnehmen. Du offenbar nicht. Ich nehme das zur Kenntnis. Manche sind halt sensibel wenn Effekte einsetzen, die für die Demokratie nicht wünschenswert sind, manchen anderen ist es egal, solange ihre persönliche Vorstellung von Politik Oberwasser hat.

Immer und immer wieder dreht sich in der bürgerlichen Presse alles um das Thema der moralischen Stigmatisierung konservativer oder gar rechter Positionen. Was glaubst Du, denken die sich das nur aus? Sind die alle bekloppt? Hast Du schonmal darüber nachgedacht ob da - rein theoretisch - etwas falsch laufen könnte?

Kristina Schröder liefert heute ganz aktuell nochmal einen Einblick in der Welt (wieder Bezahlartikel):
KRISTINA SCHRÖDER
Diese Verachtung hat mich eingeschüchtert
Meinungsfreiheit heißt nicht automatisch Meinungsvielfalt. Kristina Schröder kennt Pöbeleien noch aus ihrer Zeit als Familienministerin. Sie habe Positionen vertreten, die in „tonangebenden Milieus“ verpönt sind. Die Reaktionen seien heftig gewesen.

Zwei Deutungen in Sachen Meinungsfreiheit ringen derzeit in Deutschland miteinander.

Da sind die AfD und ihre befreundeten Truppen. In diesen Kreisen wird hingebungsvoll das Bild gepflegt, dass man dies und das heute „ja nicht mehr sagen darf“. Gesagt wird es dann aber doch, nämlich von den mutigen Leuten von der AfD, die sich dem „linken Meinungsterror“ und den „Mainstreammedien“ wacker widersetzen.

Auf der anderen Seite die deutschen Feuilletons, zumindest die fortschrittlichen. Nach den Vorfällen um Bernd Lucke, Thomas de Maizière und Christian Lindner nehmen sie sich des Themas derzeit an. Und kommen nach einigen pflichtschuldigen Demutsgesten an die Freiheit der Andersdenkenden dann doch ziemlich unisono zu dem Schluss: Habt euch doch nicht so. Wer eine kontroverse Position äußert, muss auch mit der Kritik daran leben.
...
Rechtliche Meinungsfreiheit heißt aber nicht automatisch tatsächliche Meinungsvielfalt. Letztere ist bedroht, und zwar deshalb, weil bestimmte Positionen zwar nicht von den Gerichten, aber dafür von der Gesellschaft umso empfindlicher sanktioniert werden.

Die Themen, bei denen der Furor droht, sind gar nicht so viele: Bisher war es vor allem Deutschlands nationalsozialistische Vergangenheit, die zuverlässig für Sprengstoff sorgte. Aber mit dem Aussterben der Generation, die direkt involviert war, lässt auch die Emotionalität der Auseinandersetzung nach.
...
Derzeit sind es vor allem Aussagen zu den Themen Migration und Islam, die streng bewertet und schnell verurteilt werden. Außerdem jede Bemerkung zur Situation und Befindlichkeit von tatsächlichen oder vermeintlichen Minderheiten: Homo-, Trans- und Intersexuelle, Menschen anderer Hautfarbe, Frauen, Menschen, die sozial, körperlich oder ästhetisch benachteiligt sind. Und Einlassungen zum Klimawandel und Klimaschutz, die sind auch immer gefahrengeneigter.

Das Spezifische der Debatten über diese Themen ist nicht, dass sie kontrovers sind. Sondern dass demjenigen, der hier eine missliebige Position äußert, nicht nur sachlich widersprochen, sondern er als Person moralisch verurteilt, oft geradezu verbal hingerichtet wird. Er ist fortan in der öffentlichen Etikettierung derjenige, der „das“ gesagt hat, und kann so oft über Jahre nicht mehr unbefangen am öffentlichen Diskurs teilnehmen.

Ich sprach über deutschenfeindlichen Rassismus bei Migranten und die überproportionale Gewaltneigung von muslimischen Männern, über die zweifelhafte Verfassungstreue mancher Initiative „gegen rechts“ und die aus freien Stücken getroffene Entscheidung vieler Frauen, Kinder zeitweise wichtiger zu finden als Karriere.
...
Denn die Reaktionen waren heftig. Mir wurde zugetragen, dass in einer frauenbewegten Redaktion nur höhnisch gelacht wurde, wenn mein Name fiel. Oft setzte man sich mit mir nicht inhaltlich auseinander, sondern sprach mir schlicht die intellektuelle Satisfaktionsfähigkeit ab. In der Presse wurde ich als „Feindin aller Frauen“ und „törichtes Mädchen“ bezeichnet.
...
Denn es zeigt, dass der Versuch, das Spektrum des legitim Sagbaren einzuschränken, durchaus erfolgreich ist. Man braucht einiges an Stehvermögen, um sich dagegen zu behaupten.

Allerdings unterliegen die tabuisierten Themen durchaus Schwankungen: Während nach meiner Wahrnehmung bei den Themen Migration und Islam heute sehr viel mehr sagbar ist, ohne gleich den Rassismus- oder Islamophobievorwurf zu ernten, verengt sich die Debatte über die sogenannten Minderheitenthemen immer mehr.
...
Die politische Stoßrichtung dieser Diskursverbote ist dabei in der öffentlichen Debatte eindeutig: nach rechts. Intellektuelle, die sich in Deutschland wirkmächtig zu Wort melden, sind nach wie vor überwiegend links. Egal, ob sie einen universitären, publizistischen oder künstlerischen Hintergrund haben. Dieser tonangebenden Schicht gelingt es seit vielen Jahren, den Korridor des legitimen Diskurses an ihren Überzeugungen und Bedürfnissen auszurichten und dabei die intellektuelle Freiheit, die unser Grundgesetz gewährt, immer mehr einzuschränken.
...

https://www.welt.de/debatte/kommentare/ ... htert.html

Für Dich ist das alles Kinderkram. Ja, genau so lange, wie es keinen Widerstand gegen solches Verhalten gibt. Den gibt es nun aber, und der wiederum schmeckt Dir nicht.

Schonmal darüber nachgedacht, dass diese unsägliche Arroganz und Intoleranz gegenüber politisch Andersdenkenden sich mal rächen könnte? Das tut es gerade, aber ihr macht weiter und weiter und weiter ...
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Selina
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

Skeptiker hat geschrieben:(08 Nov 2019, 23:30)

Selina, irgendwann nehme ich es Dir leider nicht mehr ab, dass Du nicht verstehst was ich sagen will.

Natürlich wurde "alles gesagt". Von vielen - es wird ständig diskutiert. Und alles legal - prima könnte man meinen. Aber nein! Wenn sich die Berichte mehren, dass die Leute ihren Mund nicht mehr aufmachen wollen - und ich rede von der Mitte der Gesellschaft, nicht den Schreiern von den Rändern - dann muss man das doch als besorgniserregend wahrnehmen. Du offenbar nicht. Ich nehme das zur Kenntnis. Manche sind halt sensibel wenn Effekte einsetzen, die für die Demokratie nicht wünschenswert sind, manchen anderen ist es egal, solange ihre persönliche Vorstellung von Politik Oberwasser hat.

Immer und immer wieder dreht sich in der bürgerlichen Presse alles um das Thema der moralischen Stigmatisierung konservativer oder gar rechter Positionen. Was glaubst Du, denken die sich das nur aus? Sind die alle bekloppt? Hast Du schonmal darüber nachgedacht ob da - rein theoretisch - etwas falsch laufen könnte?

Kristina Schröder liefert heute ganz aktuell nochmal einen Einblick in der Welt (wieder Bezahlartikel):

https://www.welt.de/debatte/kommentare/ ... htert.html

Für Dich ist das alles Kinderkram. Ja, genau so lange, wie es keinen Widerstand gegen solches Verhalten gibt. Den gibt es nun aber, und der wiederum schmeckt Dir nicht.

Schonmal darüber nachgedacht, dass diese unsägliche Arroganz und Intoleranz gegenüber politisch Andersdenkenden sich mal rächen könnte? Das tut es gerade, aber ihr macht weiter und weiter und weiter ...
Selbstverständlich verstehe ich, was du sagen willst. Nur zu gut. Kein Wunder: Der Popanz von der angeblich eingeschränkten Meinungsfreiheit wird in schöner Regelmäßigkeit von Neurechts verbreitet und am Leben gehalten. Und von einigen Konservativen auch. Der Grund: Solange man den Leuten verklickern kann, dass angeblich keine echte Meinungsfreiheit herrsche und ein "Meinungsdiktat" von Linksgrün ausgeübt werde, solange kann man auch die Legende aufrechterhalten, man müsse nun endlich für andere, neue, freiere Verhältnisse sorgen. Alles Erfindung, alles Theater, um für Neurechts künstlich eine Legitimation zu schaffen. Denn was willst du denn zum Beispiel gerne noch gegen die Migration sagen, was angeblich sofort bestraft und geächtet wird? Was? Gibt es da einen einzigen Satz, der noch nicht gesagt worden ist? Nein, gibt es nicht. Über Migration ist von allen Seiten schon alles gesagt worden. Und besonders seit 2015. Es gibt die ständig in larmoyantem Ton beklagte Beschränkung und Einengung der Meinungsfreiheit nicht.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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naddy
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von naddy »

Selina hat geschrieben:(09 Nov 2019, 00:22)

Kein Wunder: Der Popanz von der angeblich eingeschränkten Meinungsfreiheit wird in schöner Regelmäßigkeit von Neurechts verbreitet und am Leben gehalten.
Und auf diesen Popanz fallen 58% der Bevölkerung herein? Das sollte dann aber zumindest zu noch mehr Zweifeln an der Demokratie führen als die Wahl Trumps, Orbans und Erdogans, oder?
Alles Erfindung, alles Theater, um für Neurechts künstlich eine Legitimation zu schaffen. Denn was willst du denn zum Beispiel gerne noch gegen die Migration sagen, was angeblich sofort bestraft und geächtet wird? Was? Gibt es da einen einzigen Satz, der noch nicht gesagt worden ist? Nein, gibt es nicht. Über Migration ist von allen Seiten schon alles gesagt worden. Und besonders seit 2015. Es gibt die ständig in larmoyantem Ton beklagte Beschränkung und Einengung der Meinungsfreiheit nicht.
Schönes Beispiel dafür, wie das mit der "Meinungsfreiheit" funktioniert: Einfach jeder Kritik an der Nicht-Migrationspolitik der Bundesregierung - die übrigens bis vor Kurzem offiziell noch "Flüchtlingskrise" hieß - das Etikett "Neurechts" aufpappen - und schon sind alle kritischen Betrachter in einen Topf mit echten Rassisten geworfen und zum Abschuß im neuen Volkssport "Rassismus-Tourette" freigegeben. Und die ehemals vom Verfassungsschutz als potentielle Terrortruppe verdächtigte ANTIFA mutiert derweil zur Volksbefreiungsbewegung: "Der bayerische Verfassungsschutz 2016 lobte Recherche- und Enttarnungserfolge von Antifagruppen: Das „Outing“ von Rechtsextremisten habe Straftaten verhütet und Teilnahme von Enttarnten an Aussteigerprogrammen bewirkt." (wiki).
"Das gefährliche an der Dummheit ist, daß sie die dumm macht, die ihr begegnen." (Sokrates).
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von conscience »

naddy hat geschrieben:die ehemals vom Verfassungsschutz als potentielle Terrortruppe verdächtigte ANTIFA mutiert derweil zur Volksbefreiungsbewegung:
Starker Tobak :thumbup:
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Selina
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

Ich sehe in meinem Umfeld niemanden, der sich in der Öffentlichkeit vorsichtig äußert. Zumindest niemanden von den AfD-Wählern. Die plärren den ganzen Tag herum, die Meinungsfreiheit sei eingeschränkt, äußern sich aber bei jeder Gelegenheit ganz unverblümt fremdenfeindlich. Überall, wo im Wohngebiet mal was kaputtgeht, mal ein Kübel umgeworfen wird oder ne Scheibe zu Bruch geht, heißt es bei den lieben Nachbarn gleich "kein Wunder bei den vielen Ausländern". Ungefragt, ungeprüft.
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naddy
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von naddy »

Selina hat geschrieben:(13 Nov 2019, 10:15)

Ich sehe in meinem Umfeld niemanden, der sich in der Öffentlichkeit vorsichtig äußert. Zumindest niemanden von den AfD-Wählern. Die plärren den ganzen Tag herum, die Meinungsfreiheit sei eingeschränkt, äußern sich aber bei jeder Gelegenheit ganz unverblümt fremdenfeindlich. Überall, wo im Wohngebiet mal was kaputtgeht, mal ein Kübel umgeworfen wird oder ne Scheibe zu Bruch geht, heißt es bei den lieben Nachbarn gleich "kein Wunder bei den vielen Ausländern". Ungefragt, ungeprüft.
(fett von mir).

Guter Ansatz! Vielleicht solltest Du den auch mal in diesem Thread vertreten.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von jack000 »

Selina hat geschrieben:(13 Nov 2019, 10:15)

Ich sehe in meinem Umfeld niemanden,
Du sowieso nicht. Aber stelle dir mal 2 Autos vor bei denen bei einem ein AfD-Aufleber und bei dem anderen ein AntiFa-Aufkleber angebracht wird.
=> Welches Auto wird aus deiner Sicht als erstes beschädigt werden und welche Erkenntnis lässt sich daraus ziehen?
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von unity in diversity »

jack000 hat geschrieben:(13 Nov 2019, 21:17)

Du sowieso nicht. Aber stelle dir mal 2 Autos vor bei denen bei einem ein AfD-Aufleber und bei dem anderen ein AntiFa-Aufkleber angebracht wird.
=> Welches Auto wird aus deiner Sicht als erstes beschädigt werden und welche Erkenntnis lässt sich daraus ziehen?
Beide brennen gleichzeitig. Daran erkennt man die Verrohung der Gesellschaft, in der immer weniger diskutiert wird. Stattdessen handeln immer mehr emotionsgeladen im Affekt.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
Aus den USA.
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Selina
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

jack000 hat geschrieben:(13 Nov 2019, 21:17)

Du sowieso nicht. Aber stelle dir mal 2 Autos vor bei denen bei einem ein AfD-Aufleber und bei dem anderen ein AntiFa-Aufkleber angebracht wird.
=> Welches Auto wird aus deiner Sicht als erstes beschädigt werden und welche Erkenntnis lässt sich daraus ziehen?
Bitte nicht herablassend werden und bitte im Kontext zitieren. Wird man ja nochmal sagen dürfen :D
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

jack000 hat geschrieben:(13 Nov 2019, 21:17)

Du sowieso nicht. Aber stelle dir mal 2 Autos vor bei denen bei einem ein AfD-Aufleber und bei dem anderen ein AntiFa-Aufkleber angebracht wird.
=> Welches Auto wird aus deiner Sicht als erstes beschädigt werden und welche Erkenntnis lässt sich daraus ziehen?
Weder das eine noch das andere. Nach Kriminalstatistiken geht gerade das Delikt "Sachbeschädigung" zurück. 2018 2,8 Prozent weniger als 2017. Gleichzeitig nimmt die sprachliche Verrohung in den Medien und im Internet im gleichen Zeitraum für jedermann spürbar zu.

Was heißt hier "Man äußert sich vorsichtig in der Öffentlichkeit"? Soll das ein Witz sein? Man lässt - im Gegenteil - Schritt für Schritt alle Schranken fallen.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Tom Bombadil »

Selina hat geschrieben:(08 Nov 2019, 00:49)

Aber was ist es denn dann Geheimnisvolles, was man lieber für sich behält?
Das wurde hier doch schon xmal durchgekaut. Wer es wagte, Merkels Flüchtlingspolitik zu kritisieren oder das Bildungsniveau der Flüchtlinge ansprach oder auch nur der Meinung war, dass das nicht allesamt liebe Flüchtlinge sind, die da kommen, der wurde hier ganz flugs in die Naziecke gestellt. Natürlich nicht expressiv verbis, sondern blumig, aber dennoch pejorativ, umschrieben.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Skeptiker hat geschrieben:(08 Nov 2019, 23:30)
Immer und immer wieder dreht sich in der bürgerlichen Presse alles um das Thema der moralischen Stigmatisierung konservativer oder gar rechter Positionen. Was glaubst Du, denken die sich das nur aus? Sind die alle bekloppt? Hast Du schonmal darüber nachgedacht ob da - rein theoretisch - etwas falsch laufen könnte?
Ja. Aber du ziehst eben nicht den rapiden Bedeutungsverlust ebenjener "bürgerlichen Presse" in Betracht. Und parallel dazu den Bedeutungsverlust der sogenannten "Volksparteien". Die FAZ gilt gemeinhin als die bürgerliche Zeitung. Rückgang der verkauften Auflage in den letzten 20 Jahren: 43,4 Prozent. Hallo?

Die Frage ist natürlich schon, was hier Ursache und was Folge ist. Und ob da überhaupt ein kausaler Zusammenhang besteht. Ich glaube absolut nicht, dass die FAZ nicht mehr gekauft und gelesen wird, weil dort nur noch politisch korrektes Zeug geschrieben wird.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Do 14. Nov 2019, 09:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 09:51)

Rückgang der verkauften Auflage in den letzten 20 Jahren: 43,4 Prozent. Hallo?
Und wie hoch war der Zuwachs an Klicks auf die FAZ-Website im gleichen Zeitraum?
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(14 Nov 2019, 09:54)

Und wie hoch war der Zuwachs an Klicks auf die FAZ-Website im gleichen Zeitraum?
Das weiß ich nicht. Aber unter "bürgerlich" verstehe ich "lesen" und nicht "klicken" oder "wischen".
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 09:56)

Das weiß ich nicht. Aber unter "bürgerlich" verstehe ich "lesen" und nicht "klicken" oder "wischen".
Die FAZ-website wird also nur einfach angeklickt, dort wird dann nichts gelesen, weil "Bürgerliche" nach deiner Definition das nicht tun?
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 09:42)

Weder das eine noch das andere. Nach Kriminalstatistiken geht gerade das Delikt "Sachbeschädigung" zurück. 2018 2,8 Prozent weniger als 2017. Gleichzeitig nimmt die sprachliche Verrohung in den Medien und im Internet im gleichen Zeitraum für jedermann spürbar zu.

Was heißt hier "Man äußert sich vorsichtig in der Öffentlichkeit"? Soll das ein Witz sein? Man lässt - im Gegenteil - Schritt für Schritt alle Schranken fallen.
Genau so siehts aus. Andersrum wird ein Schuh daraus: In einigen Gebieten läuft man Gefahr, "bestraft" zu werden, äußert man sowas wie, die Herkunft der Menschen spiele keine Rolle.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Alexyessin »

naddy hat geschrieben:(09 Nov 2019, 13:32)
Und die ehemals vom Verfassungsschutz als potentielle Terrortruppe verdächtigte ANTIFA mutiert derweil zur Volksbefreiungsbewegung: "Der bayerische Verfassungsschutz 2016 lobte Recherche- und Enttarnungserfolge von Antifagruppen: Das „Outing“ von Rechtsextremisten habe Straftaten verhütet und Teilnahme von Enttarnten an Aussteigerprogrammen bewirkt." (wiki).
Juhu, du widersprichst dir mit deinem Zitat selbst. Schön zu lesen. :thumbup:
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(14 Nov 2019, 10:02)

Die FAZ-website wird also nur einfach angeklickt, dort wird dann nichts gelesen, weil "Bürgerliche" nach deiner Definition das nicht tun?
Nein. Natürlich wird dort auch (quer)gelesen.

Es geht schlicht und einfach darum: Diese bürgerliche Konsens-Bundesrepublik der Nachkriegszeit existiert nicht mehr. Das sollte man einfach erst mal zur Kenntnis nehmen. Anstelle einer Mehrheitskonsens-Gesellschaft oder einer top-down gegliederten hierarchischen Gesellschaft existieren mehrere nebeneinander laufende Gruppen und soziologische Biotope. Mit jeweils eigenen Kommunikationsgewohnheiten. Wir haben heute gleichzeitg und parallel Studierende und Professorxe anstelle von Studenten und Professoren, Stiefelnazis, Juristen und Mediziner, die bei den alten Herren in den schlagenden Verbindungen dabei sind und die sogenannten normalen Leute. Die allgemeine These von der Vorsichtigkeit der Öffentlichkeitsäußerung setzt notwendigerweise irgendeinen gesellschaftlichen Mainstream voraus, von dem man dann so eine allgemeine Behauptung aufstellen könnte. Diesen Mainstream gibts aber in der Form nicht mehr.
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Stoner

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Stoner »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 11:27)

Nein. Natürlich wird dort auch (quer)gelesen.

Es geht schlicht und einfach darum: Diese bürgerliche Konsens-Bundesrepublik der Nachkriegszeit existiert nicht mehr. Das sollte man einfach erst mal zur Kenntnis nehmen. Anstelle einer Mehrheitskonsens-Gesellschaft oder einer top-down gegliederten hierarchischen Gesellschaft existieren mehrere nebeneinander laufende Gruppen und soziologische Biotope. Mit jeweils eigenen Kommunikationsgewohnheiten. Wir haben heute gleichzeitg und parallel Studierende und Professorxe anstelle von Studenten und Professoren, Stiefelnazis, Juristen und Mediziner, die bei den alten Herren in den schlagenden Verbindungen dabei sind und die sogenannten normalen Leute. Die allgemeine These von der Vorsichtigkeit der Öffentlichkeitsäußerung setzt notwendigerweise irgendeinen gesellschaftlichen Mainstream voraus, von dem man dann so eine allgemeine Behauptung aufstellen könnte. Diesen Mainstream gibts aber in der Form nicht mehr.

Ich glaube man sollte zwei Dinge zur Kenntnis nehmen: Erstens den Verlust des privaten Raumes und seinen Übergang in den totalen öffentlichen - auch die Arbeit am Selbst geschieht ja längst vor aller Augen - und den zweitens damit einhergehenden Kontrollverlust des Einzelnen über seine Äußerungen. Daher wird, wer halbwegs bei klarem Verstand ist, sich in der Öffentlichkeit auch vorsichtig äußern, da man weder die Heftigkeit der Gegenreaktion vernünftig abschätzen kann noch die mögliche Verbreitung.

Die köstliche Ironie der politischen Debatte liegt darin, dass die "öffentlich rechtlichen Bedürfnisanstalten" (heute Plasberg und Will) und die "emotionale Pissrinne" (heute Lanz) sich mit dem Auftauchen einer Ekel-Partei de facto über Nacht in Kathedralen der Meinungsfreiheit und -vielfalt verwandelt haben, in denen ihre bekehrten Gegner Abbitte leisten und ihre Verachtungsgebete des heiligen Zeitgeistes des Positiven sprechen.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 11:27)

Diesen Mainstream gibts aber in der Form nicht mehr.
Der "Kampf gegen Rechts" ist Mainstream und wird oft genug völlig übertrieben.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(14 Nov 2019, 12:31)

Der "Kampf gegen Rechts" ist Mainstream und wird oft genug völlig übertrieben.
Da kann ich dir aus meiner eigenen Erfahrung nur widersprechen. Der "Kampf gegen Rechts" ist überhaupt nicht Mainstream.

Das wichtigste soziologische Gesellschaftsmodell der Gegenwart arbeitet bei den "Sinus-Millieus" mit einem zweidimensionalen Koordinatensystem. "Soziale Lage/Einkommen" auf der y-Achse und "Grundorientierung" (von "traditionell/konservativ" bis "modernistisch") auf der x-Achse. Darin zeichnen sich dann insgesamt zehn wesentliche soziale Milieus ab. Wie etwa "Konservativ-Etablierte", "Hedonisten" oder "Prekäre". Und alle haben sie ganz unterschiedliche Einstellungen zu Meinungsäußerungen, politische Korrektheit, "Kampf gegen Rechts" usw. Pauschale Aussagen, was irgendeine "Mehrheit der Deutschen" angeblich tut, wie sie denkt, was sie möchte, sind so nicht mehr möglich.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

MäckIntaier hat geschrieben:(14 Nov 2019, 11:43)

Ich glaube man sollte zwei Dinge zur Kenntnis nehmen: Erstens den Verlust des privaten Raumes und seinen Übergang in den totalen öffentlichen - auch die Arbeit am Selbst geschieht ja längst vor aller Augen - und den zweitens damit einhergehenden Kontrollverlust des Einzelnen über seine Äußerungen. Daher wird, wer halbwegs bei klarem Verstand ist, sich in der Öffentlichkeit auch vorsichtig äußern, da man weder die Heftigkeit der Gegenreaktion vernünftig abschätzen kann noch die mögliche Verbreitung.
In einem Artikel der linken-nahestenden Rosa-Luxemburg-Stiftung (von 2005) ist - im Gegenteil - vom "Verlust des öffentlichen Raums" die Rede. (https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_up ... ndgens.pdf). Aber so widersprüchlich ist das gar nicht. Wo überall Öffentlichkeit ist, ist am Ende nirgends Öffentlichkeit. Die Wahrnehmung von "Öffentlichkeit", von Meinungsäußerungsfreiheit in der Öffentlichkeit kann meiner Ansicht nach nur über die Wahrnehmung von Widerstand und Reibung passieren. Kaum etwas ist aus meiner Sicht der individuellen Wahrnehmung von Meinungsfreiheit so förderlich, als wenn ich laute Buhrufe auf meine Meinungsäußerung zu erwarten habe. Man muss gegen irgendeine Flussrichtung schwimmen, um überhaupt einen FLuss wahrzunehmen. Aber vielleicht ist das auch meine persönliche Macke. Die Öffentlchkeit der neuen sozialen Medien kennt nur Likes oder Ignorieren. Ich sehe im öffentlichen Verkehr in den Gesichtern der Leute am Smartphone nur Lächeln oder Gelangweiltheit.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 12:56)

Der "Kampf gegen Rechts" ist überhaupt nicht Mainstream.
Ich kenne niemanden, der sich GEGEN den Kampf gegen Rechtsradikalismus/-extremismus ausspricht, weder privat, noch bei demokratischen Politikern, noch in den seriösen Medien, überall ist es Konsens, dass Rechtsradikalismus/-extremismus bekämpft werden muss. Was ja auch nur gut und richtig ist.

Dein Ausflug in die Soziologie mag zwar interessant sein, ist aber nicht zielführend, es geht um Meinungsfreiheit und wie sie von radikalen Kräften immer mehr eingeschränkt wird, entweder mit verbaler oder tatsächlicher Gewalt. Das ist inakzeptabel und dieser Zustand muss bereinigt werden, in einer Demokratie sind Diskurs und Kompromiss unverzichtbar.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Stoner »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 13:08)

In einem Artikel der linken-nahestenden Rosa-Luxemburg-Stiftung (von 2005) ist - im Gegenteil - vom "Verlust des öffentlichen Raums" die Rede. (https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_up ... ndgens.pdf). Aber so widersprüchlich ist das gar nicht. Wo überall Öffentlichkeit ist, ist am Ende nirgends Öffentlichkeit. Die Wahrnehmung von "Öffentlichkeit", von Meinungsäußerungsfreiheit in der Öffentlichkeit kann meiner Ansicht nach nur über die Wahrnehmung von Widerstand und Reibung passieren. Kaum etwas ist aus meiner Sicht der individuellen Wahrnehmung von Meinungsfreiheit so förderlich, als wenn ich laute Buhrufe auf meine Meinungsäußerung zu erwarten habe. Man muss gegen irgendeine Flussrichtung schwimmen, um überhaupt einen FLuss wahrzunehmen. Aber vielleicht ist das auch meine persönliche Macke. Die Öffentlchkeit der neuen sozialen Medien kennt nur Likes oder Ignorieren. Ich sehe im öffentlichen Verkehr in den Gesichtern der Leute am Smartphone nur Lächeln oder Gelangweiltheit.
Zum öffentlichen Raum haben beispielsweise Pörksen oder Rauterberg ganz andere Auffassungen.

Was die Buhrufe angeht, so sind sie eben in der Form von Shitstorms auch Diskurstöter - es gibt ja Buhrufe in alle Richtungen und für buchstäblich alles. Daraus ist die Hasskultur entstanden.

Es geht dabei gar nicht nur um politisch extreme Meinungen. Ich habe keine Kontrolle, was mit Bemerkungen von mir im digitalen Raum geschieht, wohin sie gezerrt werden, ohne dass ich auch nur den geringsten Einfluss darauf habe. Man schaue sich diese amerikanische Politikerin an, die plötzlich mit dem Privaten im Öffentlichen landet. Und darüber muss jeder sich inzwischen im Klaren sein. Ich habe digital niemals eine allgemeine Bemerkung über eine zweifelhalfte Branche gemacht, die mein Arbeitgeber hätte gegen mich verwenden können. Und ab dem Auftauchen der AfD war es ebenso ratsam, bestimmte Themen lieber sein zu lassen. Das ist eine Frage der Klugheit und der Erkenntnis, was die neuen Medien leisten können. Insofern muss man sich auch nicht beklagen, dass die Schere im Kopf, die angeblich wie von Zauberhand verschwunden ist, niemals präsenter war.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

Dieses ständige Beklagen, die Meinungsfreiheit sei nicht mehr gewährleistet, geht in die Richtung Diskursverschiebung. Indem die Neue Rechte (in allen ihren Schattierungen) gebetsmühlenartig wiederholt, es gäbe keine freie Meinungsäußerung mehr und man könne sich in der Öffentlichkeit nicht mehr angstfrei äußern, will sie erreichen, das gefragt wird: Wie kann man diesen Zustand einer "wirklichen Meinungsfreiheit" wieder erreichen? Verlogene und nicht ganz ungefährliche Sache. Die Leute sollen manipuliert und überzeugt werden, dass sich die Verhältnisse (Machtverhältnisse) endlich ändern müssten, damit man wieder "frei" reden könne. Gemeint sind damit extrem rechtsnationale Verhältnisse, die man anstrebt. Das Ergebnis wäre dann aber wahrhaftig eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, weil dann nur noch gesagt werden darf, was diese rechtsradikalen und rechtsextremen Höcke-Leute für opportun halten. Wer dem widerspricht, erfährt dann die Höckesche "wohltemperierte Grausamkeit". Alles bereits ernsthaft angekündigt.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Die Selbstinszenierung zum Opfer eines angeblichen linken politisch korrekten und gutmenschlichen Meinungskartells hat eine offensichtliche historische Parallele:
Während die marxistischen Zeitungen in der gemeinsten Weise gegen alles, was Menschen heilig zu sein vermag, in das Feld zogen, Staat und Regierung in der infamsten Weise angriffen und große Volksteile gegeneinander hetzten, verstanden es die bürgerlich-demokratischen Judenblätter, sich den Anschein der berühmten Objektivität zu geben, mieden peinlich alle Kraftworte, genau wissend, daß alle Hohlköpfe nur nach dem Äußeren zu urteilen vermögen und nie die Fähigkeit besitzen, in das Innere einzudringen, so daß für sie der Wert einer Sache nach diesem Äußeren bemessen wird statt nach dem Inhalt; eine menschliche Schwäche, der sie auch die eigene Beachtung verdanken. Für diese Leute war und ist freilich die "Frankfurter Zeitung" der Inbegriff aller Anständigkeit. Verwendet sie doch niemals rohe Ausdrücke, lehnt jede körperliche Brutalität ab und appelliert immer an den Kampf mit den "geistigen" Waffen, der eigentümlicherweise gerade den geistlosesten Menschen am meisten am Herz liegt.
Aus A. Hitler: "Mein Kampf",

"Judenpresse" und "Lügenpresse" werden heute nicht selten auf derselben Demo gerufen. Eine besonders antiurbane und intellektuellenfeindliche Angelegenheit war die Beklagung einer angeblichen "Wiener Judenpresse". Sie gebe vor wie man zu denken habe, was man sagen dürfe und was nicht.

Jetzt bitte nicht mit "Nazikeule" kommen. Es wurden auch schon damals einfach die Kommunikationsformen des einen (in diesem Fall urbanen, gebildeten) sozialen Millieus für sozusagen kanonisch und verbindlich gehalten. Das waren sie gar nicht. [...] Das (für "gehoben" gehaltene) Zeitungswesen in Deutschland und Österreich wurde allerdings tatsächlich zu einem großen Teil von Menschen jüdischer Herkunft aufgebaut. Und zwar sehr erfolgreich. In den Zeilen Hitlers zum Zeitpunkt der Niederschrift schwingt neben einem grundsätzlichen intellektuellenfeindlichen Antikosmopolitismus noch deutlich auch so etwas wie Neid auf diesen Erfolg mit.
Zuletzt geändert von Brainiac am So 17. Nov 2019, 07:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Fliege »

Gegen 58 Prozent der Deutschen (siehe den Threadstartbeitrag: "in der Öffentlichkeit [äußern sich] jedoch 58 Prozent [vorsichtig]") möchte ich nicht die Nazi-Keule schwingen.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Tom Bombadil »

Hat sich damit erledigt.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Schnitter »

Ich denke mal Schoko geht es nicht um die "58%" sondern die die diese Umfrage für ihre braune Agenda missbrauchen wollen.

Hätte man aber von ganz alleine drauf kommen können-
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 15:16)

Die Selbstinszenierung zum Opfer eines angeblichen linken politisch korrekten und gutmenschlichen Meinungskartells hat eine offensichtliche historische Parallele:
Aus A. Hitler: "Mein Kampf",

"Judenpresse" und "Lügenpresse" werden heute nicht selten auf derselben Demo gerufen. Eine besonders antiurbane und intellektuellenfeindliche Angelegenheit war die Beklagung einer angeblichen "Wiener Judenpresse". Sie gebe vor wie man zu denken habe, was man sagen dürfe und was nicht.

Jetzt bitte nicht mit "Nazikeule" kommen. Es wurden auch schon damals einfach die Kommunikationsformen des einen (in diesem Fall urbanen, gebildeten) sozialen Millieus für sozusagen kanonisch und verbindlich gehalten. Das waren sie gar nicht. [...] Das (für "gehoben" gehaltene) Zeitungswesen in Deutschland und Österreich wurde allerdings tatsächlich zu einem großen Teil von Menschen jüdischer Herkunft aufgebaut. Und zwar sehr erfolgreich. In den Zeilen Hitlers zum Zeitpunkt der Niederschrift schwingt neben einem grundsätzlichen intellektuellenfeindlichen Antikosmopolitismus noch deutlich auch so etwas wie Neid auf diesen Erfolg mit.
Aber schon ziemlich deutlich und erschütternd die Parallelen zwischen dem Mein-Kampf-Zitat und heutigen Diskurs-Beiträgen. Scrollt man nur allmählich runter und sieht dieses "A. Hitler" unten drunter noch nicht gleich (wie bei mir am Handy zufällig beim ersten Lesen geschehen), dann glaubt man wahrhaftig zunächst, einen Beitrag aus den bekannten heutigen Ecken vor sich zu haben. Gruselig.
Zuletzt geändert von Selina am Do 14. Nov 2019, 18:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

Schnitter hat geschrieben:(14 Nov 2019, 17:54)

Ich denke mal Schoko geht es nicht um die "58%" sondern die die diese Umfrage für ihre braune Agenda missbrauchen wollen.

Hätte man aber von ganz alleine drauf kommen können-
Erstens das und zweitens sind unter den 58 Prozent selbstverständlich auch Leute, die einfach länger und gründlicher nachdenken, bevor sie sich äußern. Und wenn sie eine Auskunft dazu in einer Umfrage geben sollen, wird das dann mitgezählt unter dem Stichwort "äußert sich vorsichtig in der Öffentlichkeit". Wie weiter oben im Thread schon oft ausgeführt, ist eine bestimmte Nachdenklichkeit und Zurückhaltung heutzutage eher zu loben statt zu kritisieren. Denn wenn man sieht und hört, welch rassistischer und fremdenfeindlicher Müll von morgens bis abends so abgesondert wird, dann sind die nicht gesagten Worte oft eher eine Wohltat.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Fliege »

Schnitter hat geschrieben:(14 Nov 2019, 17:54)
Ich denke mal Schoko geht es nicht um die "58%" sondern die die diese Umfrage für ihre braune Agenda missbrauchen wollen.
Wie stellst du dir einen solchen "Missbrauch" vor?
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Schnitter »

Fliege hat geschrieben:(14 Nov 2019, 18:06)

Wie stellst du dir einen solchen "Missbrauch" vor?
Der allgegenwärtige Katzenjammer und das erbärmlicher Geopfere der rechtsbraunen bezüglich irgendwelcher angeblichen Einschränkungen der Meinungsfreiheit für Neonazis wird dir nicht entgangen sein nehme ich an.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Fliege »

Schnitter hat geschrieben:(14 Nov 2019, 19:59)
Der allgegenwärtige Katzenjammer und das erbärmlicher Geopfere der rechtsbraunen bezüglich irgendwelcher angeblichen Einschränkungen der Meinungsfreiheit für Neonazis wird dir nicht entgangen sein nehme ich an.
Was Rechtsextemisten finden, ist mir nicht wichtig. Mir ist hingegen wichtig, dass (siehe Threadstartbeitrag) 58 Prozent der Deutschen finden, man müsse bei der öffentlichen Ausübung seiner Meinungsfreiheit vorsichtig sein.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Schnitter »

Fliege hat geschrieben:(14 Nov 2019, 20:22)

Was Rechtsextemisten finden, ist mir nicht wichtig. Mir ist hingegen wichtig, dass (siehe Threadstartbeitrag) 58 Prozent der Deutschen finden, man müsse bei der öffentlichen Ausübung seiner Meinungsfreiheit vorsichtig sein.
Ich habe nur festgestellt dass Schoko nicht 58% der Deutschen als Nazi bezeichnet hat, wie du in deiner Antwort an ihn suggeriertest.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Fliege »

Schnitter hat geschrieben:(14 Nov 2019, 20:29)
Ich habe nur festgestellt dass Schoko nicht 58% der Deutschen als Nazi bezeichnet hat, wie du in deiner Antwort an ihn suggeriertest.
Bitte nicht ablenken davon, dass 58 Prozent der Deutschen befürchten, ihre öffentliche Meinungsäußerung könnte ihnen schädlich sein.

(Übrigens: Mit der Nazi-Keule werden nicht Nazis geschlagen, sondern Leute als Nazis verunglimpft, egal ob sie Nazis sind oder nicht.)
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Fliege hat geschrieben:(14 Nov 2019, 15:36)

Gegen 58 Prozent der Deutschen (siehe den Threadstartbeitrag: "in der Öffentlichkeit [äußern sich] jedoch 58 Prozent [vorsichtig]") möchte ich nicht die Nazi-Keule schwingen.
Verschreiber: Bitte nicht mit dem Vorwurf der Nazikeule kommen.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(14 Nov 2019, 17:57)

Aber schon ziemlich deutlich und erschütternd die Parallelen zwischen dem Mein-Kampf-Zitat und heutigen Diskurs-Beiträgen. Scrollt man nur allmählich runter und sieht dieses "A. Hitler" unten drunter noch nicht gleich (wie bei mir am Handy zufällig beim ersten Lesen geschehen), dann glaubt man wahrhaftig zunächst, einen Beitrag aus den bekannten heutigen Ecken vor sich zu haben. Gruselig.
Dabei aber nicht vergessen, dass "Mein Kampf" in den 20er Jahren geschrieben wurde und auch bereits in ebendiesen ein Bestseller war. Und auch der "Völkische Beobachter" erschien bereits in den 20ern. Der erste Band entstand unmittelbar nach dem Hitlerputsch am 9. November 23 (noch so ein 9. November ...). Es geht nicht um den "Holocaust" sondern um das gesellschaftliche Klima der Weimarer Republik oder auch das in Wien, Prag, Budapest um die Jahrhundertwende. Das "gesunde Volksempfinden" wird gegen eine vermeintliche urbane, kosmopolitische, "abgehobene" Gruppe ins Feld geführt. Heute spricht man nicht mehr von "gesundem Voksempfinden" und es geht abgesehen von Ausnehmen auch nicht gegen die Juden. Man kann aber auch in diesem Forum Sätze lesen wie "Bei uns hier in ... redet man noch Klartext". "Hier kann man uns nicht ein x für ein y vormachen". Die Mechanismen sind ähnlich. Und selbst noch gestern im Ersten bei Dieter Nuhr kann man das beobachten: Ein Ausnutzen und gleichzeitiges Einüben von Reiz-Reflex-Kreisläufen. Die dann immer wieder wie auf Knopfdruck auslösbar sind. "Professix!" ... "Haha. Ja. Der sagts mal. Der traut sich!" Und diese Kreisläufe spielen sich mehr und mehr nur noch in einem Debattentheater ab. Schaut man wirklich einmal in die Wirklichkeit, siehts erheblich komplexer und vielfältiger aus. Keineswegs können junge Menschen und schon gar nicht Studenten ihr Wissen nur noch über das Smartphone abrufen. Im Gegenteil: Haptik, Arbeiten mit der Hand erlebt geradezu einen Höhenflug. Zumindest in einigen urbanen Kulturen. Freie Werkstätten, Urban Gardening ... um nur einige Beispiele zu nennen. Gestern habe ich tatsächlich in einem Regionalzug junge Leute gesehen, die ein komplettes Band-Equipment im Fahradabteil auf Radkarren transportierten. Also jetzt nicht Streetmusic-Technik mit Akkus, sondern richtige Instrumentalverstärker. Dieter Nuhr sollte öfter mal mit Öffentlichen fahren.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Stoner »

Ob nun Weimarer Republik oder Mein Kampf - diese Art der Kostümierung der Wirklichkeit des 21. JH mit seinen neuen Medien und Kommunikationsräumen verstellt den Blick auf die eigene Wirklichkeit. Es ist ein a-historischer Historizismus.

Wer noch ganz bei Trost ist, wird sich in einem öffentlichen Medium wie Zwitscher oder Fehsbuk auch unter Wahrung allen Anstands zu einigen Themen nicht äußern. Diese Themen stehen nicht für alle Ewigkeit fest, sondern unterliegen bestimmten gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Und wer glaubt, er könne sich im Zeitalter der Hysterie und Shitstürme sanktionsfrei gegen diese Machtverhältnisse stellen, ist bestenfalls naiv.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Fliege hat geschrieben:(14 Nov 2019, 20:53)

Bitte nicht ablenken davon, dass 58 Prozent der Deutschen befürchten, ihre öffentliche Meinungsäußerung könnte ihnen schädlich sein.
Das ist eine Schlussfolgerung von dir, die sich aus dem Artikel so nicht rauslesen lässt.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von PeterK »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(15 Nov 2019, 12:21)
Das ist eine Schlussfolgerung von dir, die sich aus dem Artikel so nicht rauslesen lässt.
Ich las:
Es gebe "viele ungeschriebene Gesetze, welche Meinungen akzeptabel und welche tabu sind" – dieser Ansicht sind 63 Prozent der Befragten.
Ich meine, der Wert sei zu niedrig. Das bedeutete ja, dass 37% meinen, es gebe keine "ungeschriebenen Gesetze" wie z.B. Anstand und Rücksichtnahme mehr. Das wäre in der Tat besorgniserregend.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

MäckIntaier hat geschrieben:(15 Nov 2019, 11:37)

Ob nun Weimarer Republik oder Mein Kampf - diese Art der Kostümierung der Wirklichkeit des 21. JH mit seinen neuen Medien und Kommunikationsräumen verstellt den Blick auf die eigene Wirklichkeit. Es ist ein a-historischer Historizismus.

Wer noch ganz bei Trost ist, wird sich in einem öffentlichen Medium wie Zwitscher oder Fehsbuk auch unter Wahrung allen Anstands zu einigen Themen nicht äußern. Diese Themen stehen nicht für alle Ewigkeit fest, sondern unterliegen bestimmten gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Und wer glaubt, er könne sich im Zeitalter der Hysterie und Shitstürme sanktionsfrei gegen diese Machtverhältnisse stellen, ist bestenfalls naiv.
Seit Oktober gibts erstmals seit längerer Zeit in Budapest einen Oberbürgermeister, der nicht von der vaterländischen allmächtigen Orbán-Partei Fidesz gestellt wird. Sondern von einer grün-linksliberalen Partei. Dreimal darfst du raten, was bestimmt einer von zwei Fidesz-Wählern in einer ungarischen Kleinstadt in der Provinz als erstes darüber denkt. Auch wenn er das Wort "zsidók" (Juden) nicht explizit in den Mund nimmt. Die Vergangenheit lebt auf erschreckende Art und Weise weiter. Und die Metropolen samt ihrem kosmopolitischen Bewohneranteil werden noch eine entscheidende Rolle bei der Überwindung dieser Vergangenheit und der Rettung der Idee von Liberalismus und Demokratie spielen.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(15 Nov 2019, 09:06)

Dabei aber nicht vergessen, dass "Mein Kampf" in den 20er Jahren geschrieben wurde und auch bereits in ebendiesen ein Bestseller war. Und auch der "Völkische Beobachter" erschien bereits in den 20ern. Der erste Band entstand unmittelbar nach dem Hitlerputsch am 9. November 23 (noch so ein 9. November ...). Es geht nicht um den "Holocaust" sondern um das gesellschaftliche Klima der Weimarer Republik oder auch das in Wien, Prag, Budapest um die Jahrhundertwende. Das "gesunde Volksempfinden" wird gegen eine vermeintliche urbane, kosmopolitische, "abgehobene" Gruppe ins Feld geführt. Heute spricht man nicht mehr von "gesundem Voksempfinden" und es geht abgesehen von Ausnehmen auch nicht gegen die Juden. Man kann aber auch in diesem Forum Sätze lesen wie "Bei uns hier in ... redet man noch Klartext". "Hier kann man uns nicht ein x für ein y vormachen". Die Mechanismen sind ähnlich. Und selbst noch gestern im Ersten bei Dieter Nuhr kann man das beobachten: Ein Ausnutzen und gleichzeitiges Einüben von Reiz-Reflex-Kreisläufen. Die dann immer wieder wie auf Knopfdruck auslösbar sind. "Professix!" ... "Haha. Ja. Der sagts mal. Der traut sich!" Und diese Kreisläufe spielen sich mehr und mehr nur noch in einem Debattentheater ab. Schaut man wirklich einmal in die Wirklichkeit, siehts erheblich komplexer und vielfältiger aus. Keineswegs können junge Menschen und schon gar nicht Studenten ihr Wissen nur noch über das Smartphone abrufen. Im Gegenteil: Haptik, Arbeiten mit der Hand erlebt geradezu einen Höhenflug. Zumindest in einigen urbanen Kulturen. Freie Werkstätten, Urban Gardening ... um nur einige Beispiele zu nennen. Gestern habe ich tatsächlich in einem Regionalzug junge Leute gesehen, die ein komplettes Band-Equipment im Fahradabteil auf Radkarren transportierten. Also jetzt nicht Streetmusic-Technik mit Akkus, sondern richtige Instrumentalverstärker. Dieter Nuhr sollte öfter mal mit Öffentlichen fahren.
Der Nuhr ist in den letzten Jahren in dieselbe Richtung gewandert wie Lengsfeld und co. Das Paradoxe dabei: Wirkliches Kabarett im besten Wortsinne kommt normalerweise nicht aus so einer Ecke. Ein weiteres Zeichen dafür, wie verschoben und verquer die politischen Koordinatensysteme und Verhältnisse inzwischen sind. Und urban gardening, so schön das auch klingt, es erinnert mich doch ein wenig an Rudolf Steiner mit seiner "biologisch-dynamischen Landwirtschaft", einschließlich Gartenbau. Aber was solls, hängt ja alles mit allem irgendwie zusammen.
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Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(15 Nov 2019, 12:58)

Seit Oktober gibts erstmals seit längerer Zeit in Budapest einen Oberbürgermeister, der nicht von der vaterländischen allmächtigen Orbán-Partei Fidesz gestellt wird. Sondern von einer grün-linksliberalen Partei. Dreimal darfst du raten, was bestimmt einer von zwei Fidesz-Wählern in einer ungarischen Kleinstadt in der Provinz als erstes darüber denkt. Auch wenn er das Wort "zsidók" (Juden) nicht explizit in den Mund nimmt. Die Vergangenheit lebt auf erschreckende Art und Weise weiter. Und die Metropolen samt ihrem kosmopolitischen Bewohneranteil werden noch eine entscheidende Rolle bei der Überwindung dieser Vergangenheit und der Rettung der Idee von Liberalismus und Demokratie spielen.
Genau. Auch die relativ niedrigen Großstadt-Ergebnisse für die AfD lassen hoffen.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(15 Nov 2019, 13:08)

Der Nuhr ist in den letzten Jahren in dieselbe Richtung gewandert wie Lengsfeld und co. Das Paradoxe dabei: Wirkliches Kabarett im besten Wortsinne kommt normalerweise nicht aus so einer Ecke. Ein weiteres Zeichen dafür, wie verschoben und verquer die politischen Koordinatensysteme und Verhältnisse inzwischen sind. Und urban gardening, so schön das auch klingt, es erinnert mich doch ein wenig an Rudolf Steiner mit seiner "biologisch-dynamischen Landwirtschaft", einschließlich Gartenbau. Aber was solls, hängt ja alles mit allem irgendwie zusammen.
"Urban Gardening" ist mir nur eingefallen, weil es gestern in der Sendung um "Bildung" ging und einfach nur ein 0815-Pauschalurteil nach dem anderen abgelassen und beklatscht wurde.

Bei einem Satz wie "Soldaten sind Mörder" musst du schon eher aufpassen. 1931 von Tucholsky in der Weltbühne geschrieben. (Typisches Exemplar für das, was seine Gegner "Judenpresse" nannten). Der letzte einer Reihe von Prozessen zu diesem Satz fand 1995 in der Bundesrepublik statt. Woher die Aufregung, fragt man sich, wenn doch alles schon historisiert ist.
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Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(15 Nov 2019, 13:22)

"Urban Gardening" ist mir nur eingefallen, weil es gestern in der Sendung um "Bildung" ging und einfach nur ein 0815-Pauschalurteil nach dem anderen abgelassen und beklatscht wurde.

Bei einem Satz wie "Soldaten sind Mörder" musst du schon eher aufpassen. 1931 von Tucholsky in der Weltbühne geschrieben. (Typisches Exemplar für das, was seine Gegner "Judenpresse" nannten). Der letzte einer Reihe von Prozessen zu diesem Satz fand 1995 in der Bundesrepublik statt. Woher die Aufregung, fragt man sich, wenn doch alles schon historisiert ist.
Ja. Und dass es auch bei jüngeren Leuten wieder eine stärkere Hinwendung zu Selbstgedachtem und Selbstgemachtem - weg vom ewigen Smartphone - gibt, ja, das sehe ich auch so.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Von Weltbühnen-Herausgeber Jabosohn ist übrigens bekannt, was er auf Leserbriefe aufgebrachter Bürger antwortete: "Sie haben nur ein Recht: Mein Blatt nicht zu lesen." Das müsste man auch all diesen Leuten sagen, die unentwegt diesen Unsinn von der Entreißung der "Deutungshoheit" faseln. Wenn ich das schon höre. Eine "Deutungshoheit" muss man sich im eigenen Kopf selbst schaffen. Und niemand hat ein Anrecht darauf, dass andere dieser eigenen Deutungshoheit folgen müssen.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von schokoschendrezki »

Wenn mit dieser "Deutungshoheit" der Einfluss auf die öffentliche Meinung gemeint ist, so muss meiner Ansicht nach genau dieser Begriff einmal hinterfragt werden. Inwiefern und ob die "öffentliche Meinung" tatsächlich mehr und anderes ist als die Summe individueller Meinungen oder die Summe der Positionierungen von politischen und sonstigen Gruppen. Und zwar in einer Gesellschaft, in der bereits auch der politische Willen mehr und mehr nicht von 2 ein viertel "Volksparteien" repräsentiert wird sondern von mehr und mehr ganz unterschiedlichen politischen Parteien. Ich glaube, die "öffentliche Meinung" ist bei denen, die von ihr sprechen und die sie zu kennen glauben, einfach nur das, was sie sich jeweils als "öffentliche Meinung" vorstellen. In vielen Fällen einfach das imaginierte Ziel einer Wutablassung oder umgekehrt die imaginierte Quelle einer Meinungsbestätigung.
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Man braucht sich nur die Entstehungsgeschichte des Wortes "Deutungshoheit" ansehen. Vor allem die der letzten Jahre. Dann weiß man alles.
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Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(15 Nov 2019, 09:06)

Dabei aber nicht vergessen, dass "Mein Kampf" in den 20er Jahren geschrieben wurde und auch bereits in ebendiesen ein Bestseller war. Und auch der "Völkische Beobachter" erschien bereits in den 20ern. Der erste Band entstand unmittelbar nach dem Hitlerputsch am 9. November 23 (noch so ein 9. November ...). Es geht nicht um den "Holocaust" sondern um das gesellschaftliche Klima der Weimarer Republik oder auch das in Wien, Prag, Budapest um die Jahrhundertwende. Das "gesunde Volksempfinden" wird gegen eine vermeintliche urbane, kosmopolitische, "abgehobene" Gruppe ins Feld geführt. Heute spricht man nicht mehr von "gesundem Voksempfinden" und es geht abgesehen von Ausnehmen auch nicht gegen die Juden. Man kann aber auch in diesem Forum Sätze lesen wie "Bei uns hier in ... redet man noch Klartext". "Hier kann man uns nicht ein x für ein y vormachen". Die Mechanismen sind ähnlich. Und selbst noch gestern im Ersten bei Dieter Nuhr kann man das beobachten: Ein Ausnutzen und gleichzeitiges Einüben von Reiz-Reflex-Kreisläufen. Die dann immer wieder wie auf Knopfdruck auslösbar sind. "Professix!" ... "Haha. Ja. Der sagts mal. Der traut sich!" Und diese Kreisläufe spielen sich mehr und mehr nur noch in einem Debattentheater ab. Schaut man wirklich einmal in die Wirklichkeit, siehts erheblich komplexer und vielfältiger aus. Keineswegs können junge Menschen und schon gar nicht Studenten ihr Wissen nur noch über das Smartphone abrufen. Im Gegenteil: Haptik, Arbeiten mit der Hand erlebt geradezu einen Höhenflug. Zumindest in einigen urbanen Kulturen. Freie Werkstätten, Urban Gardening ... um nur einige Beispiele zu nennen. Gestern habe ich tatsächlich in einem Regionalzug junge Leute gesehen, die ein komplettes Band-Equipment im Fahradabteil auf Radkarren transportierten. Also jetzt nicht Streetmusic-Technik mit Akkus, sondern richtige Instrumentalverstärker. Dieter Nuhr sollte öfter mal mit Öffentlichen fahren.
In den 20er Jahren war "Mein Kampf" noch kein Bestseller. Zu dem wurde dieses Machwerk erst in den 30ern.
Das hat zwar mit dem eigentlichen Thema des Stranges wieder einmal nichts zu tun, ist aber bezeichnend für das Argumentationsmuster:

Mein Kampf - gesundes Volksempfinden - Dieter Nuhr.

Und schon sind wir tatsächlich beim Thema: die Diffamierung eines Andersdenkenden.

Ein Ausnutzen und gleichzeitiges Einüben von Reiz-Reflex-Kreisläufen. Die dann immer wieder wie auf Knopfdruck auslösbar sind. "Professix!" ... "Haha. Ja. Der sagts mal. Der traut sich!"

Auf deine "Empfehlung" hin habe ich mir die Sendung angeschaut. Diese Stelle kommt überhaupt nicht vor. Aber das macht nichts. Der Vorwurf ist zwar sachlich falsch, aber moralisch korrekt, also darfst du das auch behaupten.
Dieter Nuhr hat allerdings, und zwar in ganzen Sätzen, auf eine Umfrage unter Soziologie- und Politologiestudenten in Frankfurt hingewiesen, derzufolge rund die Hälfte der Studierenden kontroverse Standpunkte an der Universität ablehnt:

"Der Soziologe und Kommunikationswissenschaftler Matthias Revers und der Politologe Richard Traunmüller hatten ihre Befragung durchgeführt, weil sie den Eindruck gewonnen hatten, dass es unter den Studenten einen hohen ideologischen und sprachlichen Konformitätsdruck gibt. Die Ausladung des Polizeigewerkschafters Rainer Wendt an der Universität Frankfurt Ende 2017 war einer der Auslöser, die Haltung einiger Studenten genauer kennenzulernen. Auch damals war es Susanne Schröter gewesen, die ihn einlud, dann aber nach dem offenen Brief von 60 Wissenschaftlern der Universität wieder auslud.

Bücher sollen entfernt werden

In der repräsentativen Befragung der beiden Wissenschaftler hat sich gezeigt, dass ein Drittel bis über die Hälfte der Befragten sich dezidiert dagegen aussprachen, dass Menschen mit kontroversen Standpunkten an der Universität reden dürfen. Bis zu ein Drittel der Befragten war sogar dagegen, dass deren Bücher in der Universitätsbibliothek ausgelegt werden können, und forderte deren Entfernung. Als Themen dienten Revers und Traunmüller Beispiele wie die Unvereinbarkeit von Islam und westlichem Lebensstil, biologische Unterschiede in den Fähigkeiten von Männern und Frauen und die Ablehnung jeglicher Form der Einwanderung."

https://edition.faz.net/woche/politik/2 ... c/?GEPC=s5

Wenn Dieter Nuhr im Nazi-Kontext steht, in welchem Kontext steht dann die Forderung, Bücher von Andersdenkenden aus der Unibibliothek zu entfernen? Haptik, Urban Gardening, Instrumentalverstärker, ÖPNV?

Es ging übrigens um Bildung. Das Resümee:
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