Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

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Papaloooo
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Papaloooo »

Es sind ja nicht nur die Wildtiere,
und es sind nicht nur die Viren,
welche Zoonosen auslösen können.

Der Fleischkonsum von Billigfleisch und die dafür geschaffene Massentierhaltung,
in welcher zunehmend für den Menschen geschaffene Antibiotika,
ja im breiten Spektrum sogar Reserveantibiotika eingesetzt werden,
erschaffen zunehmend multiresistente Bakterien.

>>>In bis zu jeder zweiten Geflügel- und Schweinefleischprobe wurden multiresistente Erreger nachgewiesen.<<<

Die nächste Zoonose wird wohl aus den Ställen kommen,
und kann weitaus tödlicher verlaufen als Covid-19.

Das Gesundheitsministerium hält sich da raus und überlässt das dem Landwirtschaftsministerium.
Die beschließen zwar im Jahr 2022 Verschärfungen, jedoch mit so großen Schlupflöchern,
dass zu befürchten ist, dass sich gar nichts ändern wird.

Vielleicht wird es dann hier eben auch Chlorhühnchen geben, wie in den USA.
Man kann sich dann wenigstens das Zahnbleichen sparen.
Wir sind doch hier nicht im Trollhouse!
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schokoschendrezki
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Voranschreitender Klimawandel, exzessive Tiernutzung und ein dadurch stark erhöhtes Pandemierisiko: Dieser Zusammenhang spielt bei der Coronabekämpfung in der Politik kaum eine Rolle. Doch das müsste er, sagen Wissenschaftler – auch, um weitere Pandemien zu verhindern.
Das ist der Einleitungstext zu einem aktuellen "hintergrund" von Dienstag. Zumindest im ersten Teil wird - auch von einigen Wissenschaftlern - das ausgesprochen, was ich von Anfang an irgendwie instinktiv dachte und nur wegen mangelnder Fach-Kenntnisse nicht richtig formulieren konnte: Diese Corona-Pandemie ist nicht einfach nur eine in einer Abfolge von regelmäßig auftretenden mal schwächeren und dann seltener auch mal sehr viel stärkeren Pandemien. So verständlich und richtig es ist, nun ersteinmal diese aktuelle Pandemie zu bekämpfen ... Einige Wissenschaftler sehen sie lediglich als einen "ersten Warnschuss" und sprechen (wörtlich) von einer "Triple-Krise aus Klimawandel, Artensterben und Pandemien."

Alles in mir sagt mir, dass etwas grundsätzlich nicht stimmt, wenn Füchse, Waschbären und Wildschweine durch Berlin laufen und es dafür kaum noch bestimmte Insekten und bestimmte Singvogelarten mehr gibt. Das Problem ist weniger, dass das Vorhandensein dieser Arten ein Wert für sich ist. SOndern dass ein an sich sehr flexibles und sehr dehnbares Systemgleichgewicht über seine Grenzen gelangt ist und es nun aber einen rapiden Systemwechsel gibt. Es gäbe "weitaus gefährlichere Viren, die in der Tierwelt zirkulieren als das Covid-19-Virus.“

https://www.deutschlandfunk.de/klima-ti ... _id=494994
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Apr 2021, 14:59)

Das ist der Einleitungstext zu einem aktuellen "hintergrund" von Dienstag. Zumindest im ersten Teil wird - auch von einigen Wissenschaftlern - das ausgesprochen, was ich von Anfang an irgendwie instinktiv dachte und nur wegen mangelnder Fach-Kenntnisse nicht richtig formulieren konnte: Diese Corona-Pandemie ist nicht einfach nur eine in einer Abfolge von regelmäßig auftretenden mal schwächeren und dann seltener auch mal sehr viel stärkeren Pandemien. So verständlich und richtig es ist, nun ersteinmal diese aktuelle Pandemie zu bekämpfen ... Einige Wissenschaftler sehen sie lediglich als einen "ersten Warnschuss" und sprechen (wörtlich) von einer "Triple-Krise aus Klimawandel, Artensterben und Pandemien."

Alles in mir sagt mir, dass etwas grundsätzlich nicht stimmt, wenn Füchse, Waschbären und Wildschweine durch Berlin laufen und es dafür kaum noch bestimmte Insekten und bestimmte Singvogelarten mehr gibt. Das Problem ist weniger, dass das Vorhandensein dieser Arten ein Wert für sich ist. SOndern dass ein an sich sehr flexibles und sehr dehnbares Systemgleichgewicht über seine Grenzen gelangt ist und es nun aber einen rapiden Systemwechsel gibt. Es gäbe "weitaus gefährlichere Viren, die in der Tierwelt zirkulieren als das Covid-19-Virus.“

https://www.deutschlandfunk.de/klima-ti ... _id=494994
Am Kontrast aussterbender Arten in ausgeräumter Feldflur und erfolgreichen Ubiquisten in der Sadt würde ich Krisensymptomatik so nicht festmachen. Ein Gaia-Konzept oder ähnliches muss man nicht bemühen und wäre für konkretes Handeln wohl nicht hilfreich.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Corella hat geschrieben:(04 Apr 2021, 09:20)

Am Kontrast aussterbender Arten in ausgeräumter Feldflur und erfolgreichen Ubiquisten in der Sadt würde ich Krisensymptomatik so nicht festmachen. Ein Gaia-Konzept oder ähnliches muss man nicht bemühen und wäre für konkretes Handeln wohl nicht hilfreich.
Ich kann mich jetzt aber auch nicht erinnern, dass in der verwiesenen Sendung von der Gaia-Theorie die Rede war.

Es gibt ein aktuelles Buch des Agrarbiologen, Privatdozenten und Schmetterlingskundlers Josef Settele: "Die Triple-Krise: Artensterben, Klimawandel, Pandemien.
Warum wir dringend handeln müssen". Mir ist völlig klar: Es handelt sich um ein typisches Kultur-Kaufhaus-, um ein Dussmann-Buch für Dussmann-Kunden. Für pensionierte Erdkundelehrerinnen. Andererseits ist der Mann natürlich dennoch ein seriöser Wissenschaftler. Und natürlich bin ich dennoch auf Erklärungen für Laien auf diesem Gebiet angewiesen.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Apr 2021, 11:25)

Ich kann mich jetzt aber auch nicht erinnern, dass in der verwiesenen Sendung von der Gaia-Theorie die Rede war.

Es gibt ein aktuelles Buch des Agrarbiologen, Privatdozenten und Schmetterlingskundlers Josef Settele: "Die Triple-Krise: Artensterben, Klimawandel, Pandemien.
Warum wir dringend handeln müssen". Mir ist völlig klar: Es handelt sich um ein typisches Kultur-Kaufhaus-, um ein Dussmann-Buch für Dussmann-Kunden. Für pensionierte Erdkundelehrerinnen. Andererseits ist der Mann natürlich dennoch ein seriöser Wissenschaftler. Und natürlich bin ich dennoch auf Erklärungen für Laien auf diesem Gebiet angewiesen.
Volle Zustimmung. Bauchdrücken machen mir Narrative wie "die Natur schlägt zurück" oder dem schon genannten. Solch Verkürzungen können politische Kräfte entfalten, sind aber in konkreter Konfliktlage Standards contra Nutzungsinteresse sozusagen nicht nachhaltig und seriös auch nicht.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von yogi61 »

Wer Zeit, Lust und Interesse hat Studien zu lesen.

https://www.frontiersin.org/articles/10 ... 61063/full

Stark verkürzt haben die Forscher aus Frankreich nun analysiert, ob es zwischen der Abholzung von Wäldern und dem Ausbruch von Infektionskrankheiten, die von Tieren übertragen werden, einen Zusammenhang gibt. Dabei hatten sie einen besonderen Blick auf Palmölplantagen. Das Ergebnis der statistischen Auswertung: Je größer deren Flächen, desto häufiger traten Infektionskrankheiten auf.
Überraschend übrigens,dass nicht nur bei Plantagenanbau solche Zusammenhänge festgestellt wurden, sondern auch bei Aufforstungsprojekten.
Sie fanden dabei einen starken Zusammenhang zwischen Entwaldung und Epidemien etwa mit Malaria und Ebola in tropischen Ländern wie Brasilien, Peru, Bolivien, der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun, Indonesien, Myanmar und Malaysia. Hingegen zeigten gemäßigte Regionen wie die USA, China und Europa klare Zusammenhänge zwischen Aufforstung und Krankheiten wie der von Zecken übertragenen Lymeborreliose.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

yogi61 hat geschrieben:(05 Apr 2021, 13:39)

Wer Zeit, Lust und Interesse hat Studien zu lesen.

https://www.frontiersin.org/articles/10 ... 61063/full

Stark verkürzt haben die Forscher aus Frankreich nun analysiert, ob es zwischen der Abholzung von Wäldern und dem Ausbruch von Infektionskrankheiten, die von Tieren übertragen werden, einen Zusammenhang gibt. Dabei hatten sie einen besonderen Blick auf Palmölplantagen. Das Ergebnis der statistischen Auswertung: Je größer deren Flächen, desto häufiger traten Infektionskrankheiten auf.
Überraschend übrigens,dass nicht nur bei Plantagenanbau solche Zusammenhänge festgestellt wurden, sondern auch bei Aufforstungsprojekten.
Sie fanden dabei einen starken Zusammenhang zwischen Entwaldung und Epidemien etwa mit Malaria und Ebola in tropischen Ländern wie Brasilien, Peru, Bolivien, der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun, Indonesien, Myanmar und Malaysia. Hingegen zeigten gemäßigte Regionen wie die USA, China und Europa klare Zusammenhänge zwischen Aufforstung und Krankheiten wie der von Zecken übertragenen Lymeborreliose.
Danke! Das ganz grobe Bild scheint zur alten, biozönotischen Grundregel zu passen, wonach Artenarmut zur Ausbildung von Massenbeständen einzelner Arten neigt.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Corella hat geschrieben:(08 Apr 2021, 07:10)

Danke! Das ganz grobe Bild scheint zur alten, biozönotischen Grundregel zu passen, wonach Artenarmut zur Ausbildung von Massenbeständen einzelner Arten neigt.
Da müssen wir auch gar nicht so weit schauen.

Noch vor nicht allzulanger Zeit, war die Artenvielfalt in der Umgebung einer größeren Stadt wie Berlin viel größer als in der Stadt selbst. Heute ist es umgekehrt. In weiten Gebieten Brandenburgs prägen öde Kiefernwälder (sehen aus wie Panzerübgungsplätze) oder auch Raps- und Maisfelder die Landschaft. Während in der Stadt neue Biotope entstehen und die biologische Vielfalt größer ist. (Was im Falle von speziell Berlin sicher auch mit der großen Fläche und den immer noch existierenden großen Parks oder auch Ödflächen im Vergleich etwa zu Paris zusammenhängt).

Es gibt inzwischen eine Art von "Turbo-Evolution". Singvögel in den Städten etwa haben einen signifikant höheren mittleren Sington als dieselben Arten außerhalb der Stadt. Logisch. Sie müssen sich für die Paarungssuche vom allgemeinen Stadtlärm abheben. Inzwischen aber nicht nur als erlerntes Verhalten sondern als genetisch einprogrammierte Variante. Die "Stadt-Amsel" z.B. ist in kürzester Zeit als abgrenzbare Spezies entstanden. Noch interessanter ist der veränderte Hormonhaushalt einiger Tiere: Es ist einfach fürs Überleben in der Stadt besser, nicht gleich vor Menschen zu erschrecken. Nicht immer gleich wegzulaufen oder wegzurennen. Die Menschen schießen nicht mehr in der Art und Weise gleich auf Tiere wie früher noch. Im Gegenteil. Meine Schwiegereltern verfüttern im Wochenrhythmus 40-Kilo-Säcke Vogelfutter an Stadttauben. Auch diese andere Hormonsituation ist anscheinend nicht mehr nur einfach erlernt sondern genetisch verankert. Die kommen angeflogen und fliegen nicht weg.

Wenn ich mich recht erinnere: Ungefähr 95 Prozent aller Wirbeltiere sind Menschen-Nutztiere. Das ist im Vergleich zu Wildtieren ein extremes Missverhältnis. In der Natur gibt es die Tendenz, solche Missverhältnisse auszugleichen. Der goldene Schnitt oder möglicherweise eher noch der Wert 1/e sind wahrscheinlichere Werte. Auch ohne einen direkten Kausalzusammenhang angeben zu können ... ich glaube, dass neue Pandemien einfach ein Ausgleichsmechanismus sind, um dieses Missverhältnis zu beseitigen. Bzw. diese neuen Stadtpopulationen zusammen mit dem Phänomen "Turbo-Evolution" und wesentlich schnellerem Gen-Austausch sowie ein viel engeres Mensch-Tier-Zusammenleben in den Städten liefern ja eigentlich ein grundsätzliches Erklärungsmodell.

Es gibt doch auch Zusammenhänge zwischen Pestepidemien, Rattenflöhen, einer verstärkten Handelsaktivität im 14. Jahrhundert und auch verschiedenen Klimaveränderungen. An irgendeinem Punkt kippt die Summe dieser Faktoren in ein systemisches Umschlagen.

Es ist gewiss nicht verkehrt, für die grundsätzliche Prävention noch einmal verstärkt auf Arten-Divesität im ländlichen Raum zu dringen. Also ganz grundsätzlich in der Agrarpolitik umzuschwenken. Erster Punkt: Abschaffung oder weitgehende Einschränkung der EU-Agrarsubventionen. Es besteht schon lange keine Gefahr mehr, dass die Europäer irgendwie nix zu Essen haben und vom Fleische fallen wie in der Nachkriegszeit. Agrarsubventionen abbauen! Ein Huhn oder ein Kilo Schweinefleisch darf einfach nicht drei Euro neunundsechzig kosten. Das zehnfache wäre angemessen. Mindestens! Keine Agrarsubventionen mehr. Kein Kottelet-Kaiser a la Tönnies mehr. Es muss nix verboten werden. Es braucht aber auch nix künstlich billig gemacht werden.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

Moin Schoko,
der Bogen ist arg weit gespannt, für den Moment ein Kommentar zu "Stadtnatur": Artensterben beruht auf Lebensraumverlust. Gepflanzte Blumen oder einwandernde Kosmopoliten, Jagdflüchter und Neozoen sind kein Ersatz. Auf die Spitze alegoriert: stell Dir ein Blumenbeet mit Torfmoos vor und glaube an die Restitution von CO2-Senke und Wasserhaushaltsregulation. Der neuartige Hype ist nicht sinnlos, aber als Gegengewicht dessen, was in Feld und Forstacker passiert wäre es Etikettenschwindel.

Noch an Deinem Thema vorbei, ich weiß. Heute Abend noch mal länger zu ein paar Punkten.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Apr 2021, 18:47)

Es gibt inzwischen eine Art von "Turbo-Evolution". Singvögel in den Städten etwa haben einen signifikant höheren mittleren Sington als dieselben Arten außerhalb der Stadt. Logisch. Sie müssen sich für die Paarungssuche vom allgemeinen Stadtlärm abheben. Inzwischen aber nicht nur als erlerntes Verhalten sondern als genetisch einprogrammierte Variante. Die "Stadt-Amsel" z.B. ist in kürzester Zeit als abgrenzbare Spezies entstanden.
Bei sehr weitem noch lang nicht auch "nur" eine Subspezies!
Korrekt ist, dass im Prinzip so Artbildung (allopatrisch) passieren könnte. Zur Usutu-Epidemie, die auf Grund des Vektors v.a. Stadtamseln erwischt hat, war gut zu beobachten, wie Amseln aus dem Umfeld die freien Areale neu besetzt haben - subjektiv, nicht alles offensichtliche ist leicht zu beweisen. Dass Genfluss zwischen Wald- und Stadtamseln so stark unterbunden ist, dass Artbildung tatsächlich passiert, ist anbetrachts der räumlichen Nähe und der (noch) hohen Abundanz kaum zu vermuten. Eine gewisse genetische Repräsentanz der Typen steht dazu nicht im Widerspruch. Genetische Diversität unterhalb Artniveau ist Thema. Wir sprechen dann von Kleinarten (Botanik) oder Ökotypen und Varianten.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Apr 2021, 18:47)

Es ist einfach fürs Überleben in der Stadt besser, nicht gleich vor Menschen zu erschrecken. Nicht immer gleich wegzulaufen oder wegzurennen. Die Menschen schießen nicht mehr in der Art und Weise gleich auf Tiere wie früher noch. Im Gegenteil. Meine Schwiegereltern verfüttern im Wochenrhythmus 40-Kilo-Säcke Vogelfutter an Stadttauben. Auch diese andere Hormonsituation ist anscheinend nicht mehr nur einfach erlernt sondern genetisch verankert. Die kommen angeflogen und fliegen nicht weg.
Neu ist das Phänomen nicht. Seevögel haben häufig Schimpfnamen, auch in der Wissenschaftssprache. Teils, weil sie als Spezialisten des Tauchens, Fliegens oder beides dann an Land "ungeschickt" aussehen (Tordalk, Trottellumme), teils weil Seefahrer die Vögel völlig unscheu aus dem Nest in den Kochtopf stecken konnten. Ein schönes Beispiel ist die australische Bindenralle. An Land scheu wie bei uns die verwandte Wiesenralle. Versuch eine zu sehen!
Die scheuen und außerordentlich heimlichen Bindenrallen sind außerhalb der Brutzeit gern auf Inseln und laufen dort Touristen wie Spatzen zwischen den Füßen rum und picken nach Krumen.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Apr 2021, 18:47)
In der Natur gibt es die Tendenz, solche Missverhältnisse auszugleichen.
Ich glaube, solche Narrative sind zwar sehr gut gemeint, aber wenig hilfreich.
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yogi61
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von yogi61 »

Corella hat geschrieben:(19 Apr 2021, 18:04)

Bei sehr weitem noch lang nicht auch "nur" eine Subspezies!
Korrekt ist, dass im Prinzip so Artbildung (allopatrisch) passieren könnte. Zur Usutu-Epidemie, die auf Grund des Vektors v.a. Stadtamseln erwischt hat, war gut zu beobachten, wie Amseln aus dem Umfeld die freien Areale neu besetzt haben - subjektiv, nicht alles offensichtliche ist leicht zu beweisen. Dass Genfluss zwischen Wald- und Stadtamseln so stark unterbunden ist, dass Artbildung tatsächlich passiert, ist anbetrachts der räumlichen Nähe und der (noch) hohen Abundanz kaum zu vermuten. Eine gewisse genetische Repräsentanz der Typen steht dazu nicht im Widerspruch. Genetische Diversität unterhalb Artniveau ist Thema. Wir sprechen dann von Kleinarten (Botanik) oder Ökotypen und Varianten.
Zur Usutu-Epidemie könnte es einer relativ einfach Erklärung geben. Es kann sein, dass die Amsel wegen ihres schwarzen Gefieders und ihrer Größe einfach häufiger von Stechmücken angeflogen wird. Das spezifische Immunsystem der Tiere kann auch dafür verantwortlich sein, dass Amseln eine höhere Chance haben, daran zu verenden.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Apr 2021, 18:47)

Es ist gewiss nicht verkehrt, für die grundsätzliche Prävention noch einmal verstärkt auf Arten-Divesität im ländlichen Raum zu dringen. Also ganz grundsätzlich in der Agrarpolitik umzuschwenken.
Der Artenschwund ist ungeheuerlich, neue Befunde wurden bereits mehrfach verlinkt. "Dramatisch" wäre eine Untertreibung.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Aldemarin »

Ist es eigentlich normal, daß eine Zoonose, wie im Fall von COVID-19 von Tieren, welche nicht zu den engsten Verwandten des Menschen gehören, auf diese überspringt und sich dort anscheinend besser verbreitet, als bei den ursprünglichen Wirten?
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

Aldemarin hat geschrieben:(19 Apr 2021, 18:26)

Ist es eigentlich normal, daß eine Zoonose, wie im Fall von COVID-19 von Tieren, welche nicht zu den engsten Verwandten des Menschen gehören, auf diese überspringt und sich dort anscheinend besser verbreitet, als bei den ursprünglichen Wirten?
Schiere Masse und unvorbereitete Immunsysteme kannst Du sozusagen als Pionierlebensraum auffassen.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

yogi61 hat geschrieben:(19 Apr 2021, 18:22)

Zur Usutu-Epidemie könnte es einer relativ einfach Erklärung geben. Es kann sein, dass die Amsel wegen ihres schwarzen Gefieders und ihrer Größe einfach häufiger von Stechmücken angeflogen wird. Das spezifische Immunsystem der Tiere kann auch dafür verantwortlich sein, dass Amseln eine höhere Chance haben, daran zu verenden.
Ja, danke. Im Zusammenhang ging es allerdings um die unterschiedliche Betroffenheit von Stadt- und Waldamseln. M.W. ist der Vektor Culex pipiens, die vornehmlich im Siedlungsraum lebt.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von yogi61 »

Corella hat geschrieben:(19 Apr 2021, 18:34)

Ja, danke. Im Zusammenhang ging es allerdings um die unterschiedliche Betroffenheit von Stadt- und Waldamseln. M.W. ist der Vektor Culex pipiens, die vornehmlich im Siedlungsraum lebt.
Mir war gar nicht bekannt, dass die Stadtamsel häufiger betroffen ist.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

yogi61 hat geschrieben:(19 Apr 2021, 18:35)

Mir war gar nicht bekannt, dass die Stadtamsel häufiger betroffen ist.
Okay, andere Vektoren könnten gut und gern noch nicht hinreichend bekannt sein und einiges mehr, dass Städte wärmer liegen, eine Alternative. Zitabel sind meine Aussagen wohl kaum.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Aldemarin »

@Corella:
Schiere Masse und unvorbereitete Immunsysteme kannst Du sozusagen als Pionierlebensraum auffassen.
Warum soll unser Immunsystem auf die Staupe oder Afrikanische Schweinepest besser vorbereitet sein? Warum trat COVID-19 vor 2019 anscheinend nie in Erscheinung?
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von H2O »

So viel warum, warum, und so wenig deshalb, deshalb! Es gibt eben Fragen, auf die es sehr spät Antworten gibt.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Papaloooo »

Momentan steht die H5N8 in den Startlöchern.
Sie ist eine schlimme Vogelgrippe,
meist wird sie von Wildvögel auf "Nutzvögel" übertragen,
und führt in verschiedenen Ländern wie Israel schon zur Eier-Knappheit.
Übertragen auf den Menschen verläuft sie oft tödlich.
Den Übergang auf eine Infektion nur von Tier zu Tier und von Tier zu Mensch auf Mensch zu Mensch hat H5N8 bislang noch nicht geschafft.
Ausgeschlossen werden kann das aber nicht,
dass das bald passiert.
Je mehr Menschen es befällt, desto wahrscheinlicher passt es sich an den neuen Wirt an.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Der Kutscher »

Papaloooo hat geschrieben:(01 Jan 2022, 21:25)
Übertragen auf den Menschen verläuft sie oft tödlich.
Quelle?
Wikipedia sagt was anderes:
"Risiken für Menschen
Im Februar 2021 wurden erstmals Infektionen bei Menschen diagnostiziert. In Südrussland steckten sich sieben Arbeiter in einem Geflügel-Mastbetrieb bei infizierten Tieren an. Das Risiko für Infektionen beim Menschen gilt dennoch als sehr gering, da eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung nicht beobachtet werden konnte.[4][5]

Gleichwohl empfiehlt das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) vorsorglich, dass Beschäftigte, die unmittelbaren Kontakt zu infizierten Tieren hatten, zehn Tage lang auf Krankheitssymptome achten sollen, die möglicherweise auf den Kontakt mit Influenza-Viren zurückzuführen sind.[6] Hintergrund dieser Empfehlung ist unter anderem, dass es Todesfälle nach einer Infektion mit dem eng verwandten Subtyp A/H5N6 gab."
https://de.wikipedia.org/wiki/Vogelgrippe_H5N8
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Papaloooo »

Der Kutscher hat geschrieben:(01 Jan 2022, 22:36)
Das Risiko für Infektionen beim Menschen gilt dennoch als sehr gering, da eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung nicht beobachtet werden konnte.[4][5]
Ist momentan etwas schwierig, denn ich bin unterwegs, und habe den Verlauf im Computer gespeichert l, aber nutze hier das Smartphone.

Aber generell ist es eben deswegen für den Menschen noch ein geringes Risiko, weil es keine Infektionen Mensch-Mensch gibt.
Es muss also ein enger Kontakt Mensch-Huhn stattfinden, und dies trifft eben nur bei wenigen Menschen zu.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Der Kutscher »

Papaloooo hat geschrieben:(02 Jan 2022, 08:20)

Ist momentan etwas schwierig, denn ich bin unterwegs ...
Ok, das Problem ist mir vertraut - wäre aber wirklich nett wenn dann eben später ein Link zu einer Quelle kommt, denn die Aussagen sind doch arg unterschiedlich und Wikipedia zwar eine gute Quelle aber durchaus nicht fehlerfrei.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Papaloooo »

Der Kutscher hat geschrieben:(02 Jan 2022, 10:20)

Ok, das Problem ist mir vertraut - wäre aber wirklich nett wenn dann eben später ein Link zu einer Quelle kommt, denn die Aussagen sind doch arg unterschiedlich und Wikipedia zwar eine gute Quelle aber durchaus nicht fehlerfrei.
Hier: das ist aus spektum.de
"Beim aktuellen Ausbruchsgeschehen dominiert der Vogelgrippe-Subtyp H5N1, auch H5N8 kommt in geringem Ausmaß vor. Mit H5N1 können sich in Einzelfällen auch Menschen anstecken, wobei die Krankheit in vielen Fällen tödlich verläuft."
Quelle: https://www.spektrum.de/news/gefluegelp ... pa/1965586
Wobei ich mich beim Subtyp geirrt habe, sorry!
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Der Kutscher »

Papaloooo hat geschrieben:(02 Jan 2022, 11:38)

Wobei ich mich beim Subtyp geirrt habe, sorry!
Danke. Ja, kann passieren mit dem Subtyp.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

Die nächste Zoonose, Affenpocken.
Systemisches Auftauchen von Einzelfällen, wie ist das zu deuten? Weil hingeguckt wurde? Neuartiges Tierreservoir?
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