Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

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Corella
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

X3Q hat geschrieben:(02 Feb 2021, 18:01)

Sequenzanalysen. Aus Schuppertieren wurden Genome von Coronaviren isoliert, die in ihrer Sequenz hohe Ähnlichkeiten zu den Fledermaus- und SARS-CoV2-Viren auszeigten. Beim genaueren Vergleich der RBD (Receptor Binding Domain) weisen die Coronaviren aus den Schuppentieren mit SARS-CoV2 fünf identische Aminosäuren im kritischen Sequenzbereich auf. Mit den Fledermaus-Viren gibt es in diesem Bereich hingegen nur 1 Übereinstimmung.
Und dann gibt es da noch ein paar weitere Sequenzähnlichkeiten, welche Schuppentiere als Zwischenstation zwischen Fledermaus und Mensch sehr wahrscheinlich erscheinen lassen.

--X
Danke! ...was aber eine eigenständig entwickelte Struktur sein kann, wofür wohl einiges sprach, nachdem die Sequenzierung vollständiger vorlag. So ein älterer Kommentar:
https://www.spektrum.de/news/neues-raet ... us/1709380
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schokoschendrezki
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(02 Feb 2021, 19:43)

Es muss auch keine große Zahl von Menschen in Erstkontakt mit dem tierischen Träger gekommen sein. Die eigentliche Verbreitung findet dann von Mensch zu Mensch statt: Der "wurzellose" Superspreader, der durch die Welt jettet, mit unzähligen Menschen in kurzer Zeit Kontakt hat, die große Konzentration von Menschen in Millionenmetropolen, dort die vorherrschenden öffentlichen Verkehrsmittel statt Indvidualverkehr, der zunehmende Verschmähung des ländlichen Raumes, des vereinzelteren Lebenstils, Kinos, Stadien, Konzerte, Zwangsbeschulung, Präsenzpflichten in der Arbeitswelt, auf Ämtern...

Von vielen früheren Zoonosen hat man vermutlich gar nicht erst Notiz genommen, weil sie sich mangels Ausbreitungsmöglichkeiten schnell totliefen
Den irionischen Unterton höre ich durchaus heraus ... Aber übrelege dir mal: Madras, Jakarta, Kalkutta ... Städtemonster mit Bevölkerungsdichten über 20 000 pro qkm. Mit teils unsäglichen hygienischen Verhältnissen. Ein S-Bahnwagen in Berlin oder Berlin als Stadt (ca. 4000 Ew pro qkm) ist gar nix dagegen. Und immer und auch schon im vorigen Jahrhundert reisten die entsprechenden Kolonialverwalter hin und her von und nach Europa. Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass an irgendeiner Stelle 2021 systemisch etwas anders sein muss.

Aber davon mal abgesehen. Klimakrise, nicht zuletzt hervorgerufen durch CO2-Eintrag infolge von Überhandnehmen von motorisiertem Individualverkehr und Pandemien ... das kann man nicht einfach trennen oder das eine mehr bewichten als das andere. Wenn nach Abebben der aktuellen Pandemie die Leute nur noch in ihren Autos sitzen und ihre Pizzas auf dem Parkplatz essen ... mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke!
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Beitrag von schokoschendrezki »

In der Reihe "Hörsaal" von DLF Nova gab es übrigens vor gut einer Woche einen interessanten Vortrag des Historikers Malthe Thiessen zum Thema "Geschichte von Seuchen und Pandemien". (https://www.deutschlandfunknova.de/beit ... ndenboecke) Eine der Kernaussagen war, dass, ob man das nun will oder nicht oder gut findet oder nicht, Seuchen in der Geschichte realiter immer so etwas wie eine sozial-gesellschaftliche "Kalibrierungswirkung" hatten. Die eine Gruppen hatte einen Grund, sich von der anderen abzusetzen. Die Pest wurde von Juden eingeschleppt. Das Bild des "verlausten" Osteuropäers entstand. Aids war halt eine Schwulenseuche. Und für Donald Trump ist das Coronavirus eben das "chinesische" Virus.

Und in diesem Zusammenhang verwies er darauf, dass so auch das Bild von der "Stadt" als Seuchenherd und Sündenpfuhl entstand. Dass aber dieses Bild nur eben durch Pandemien verstärkten Feindbildern und Sündenbockschemas entspringt.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Feb 2021, 11:25)
...dass an irgendeiner Stelle 2021 systemisch etwas anders sein muss...
Globalisierung? Wirtschaftswettbewerb hat sich internationalisiert, nationale Konflikte gelindert, schließlich sind sie teuer. Aber Vorsorge und Standards sind auch teuer. Wer gibt was für die WHO? Wer bricht wissenschaftliche Empfehlungen auf konkretes politisches Handeln runter? Da hat im Wettbewerb keiner für Zeit oder Geld. Feigenblätter für PR, oder Investitionen, die man etikettieren kann, aber echte Standards? Das sind Hemmnisse, bis es dann passiert.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Ebiker »

Nach der Pandemie ist vor der Pandemie

https://www.bbc.com/news/world-europe-56140270
Folgen sie den Anweisungen
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Papaloooo »

schokoschendrezki hat geschrieben:(29 Jan 2021, 13:42)

Es ist einfach so: Das Phänomen "Insektenrückgang" ist völlig neu und das Phänomen "Wildtiere in der Stadt" ist es auch. Der Verzehr von Wildfleisch und der Betrieb von Wildtiermärkten in Südöstasien dagegen ist überhaupt nix neues. Der Instinkt sagt einem doch, dass es für eine Zoonose eher zu ersterem einen Zusammenhang geben könnte. Auch wenn man von Biologie kaum eine Ahnung hat.
Sehr häufig geschahen und geschehen Zoonosen aus den HxNx-Virentypen.
Die H1N1 (Schweinegrippe) gehört mit dazu.
Ein ein- bis niedriger zweistelliger Anteil unseres Genoms stammt aus Zoonosen,
meist von den Vögeln.
Vererbt wird das immer dann an die Folgegenerationen,
wenn es beim infizierten Menschen die Keimzellen infiziert.
In den meisten Fällen stirbt der Embryo dann ab.
Nun hat der Mensch keinen Vorteil von der Vogel-DNA.
Diese sitzt auch meist in den Telomeren (an den Chromosomen-Enden),
wo sie ohnehin nicht in eine RNA übersetzt wird,
das heißt also, nicht ausgelesen wird.

Die meisten zoonotische HxNx-Viren haben es auch nicht geschafft,
nach dem Sprung von Tier zu Mensch dann von Mensch zu Mensch weitergegeben zu werden.

Dies geschieht meist, wenn eine menschliche Zelle zugleich von einem zoonotischen und einem menschlichen Virus befallen ist.
Dann können sich beide Viren in ihrem Erbgut vermischen,
und das Hybrid-Virus ist dann ggf. auf den Menschen optimiert.

Man sollte dabei aber auch nicht vergessen,
dass es ohne die Zoonosen bis jetzt auf der Erde maximal niedere Lebensformen (wie im Kambrium) gäbe.
Gerade zoonotische Viren ermöglichen den Gentransfer zwischen den Spezies,
und so müssen genetische Errungenschaften durch Mutation und Selektion nicht auf jedem Ast der evolutiven Stammbaumes neu erfunden werden.

Die Viren versetzen die Evolution in die Lage,
dass es in dem Stammbaum zwischen den Zweigen Querverbindungen gibt.
Wir sind doch hier nicht im Trollhouse!
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von X3Q »

Papaloooo hat geschrieben:(22 Feb 2021, 07:03)


Man sollte dabei aber auch nicht vergessen,
dass es ohne die Zoonosen bis jetzt auf der Erde maximal niedere Lebensformen (wie im Kambrium) gäbe.
Das halte ich für eine sehr gewagte These.

—X
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von BlueMonday »

schokoschendrezki hat geschrieben:(29 Jan 2021, 13:42)

Es ist einfach so: Das Phänomen "Insektenrückgang" ist völlig neu und das Phänomen "Wildtiere in der Stadt" ist es auch. Der Verzehr von Wildfleisch und der Betrieb von Wildtiermärkten in Südöstasien dagegen ist überhaupt nix neues. Der Instinkt sagt einem doch, dass es für eine Zoonose eher zu ersterem einen Zusammenhang geben könnte. Auch wenn man von Biologie kaum eine Ahnung hat.
Tja, oder dass Proben von infizierten Tieren zu Forschungszwecken über größere Strecken transportiert werden, dass Viren modifiziert werden, um ansteckender zu sein (gain of function), dass es auch Vorfälle in solchen Hochsicherheitslaboren geben kann...

Ein sehr detaillierter Einblick: https://yurideigin.medium.com/lab-made- ... 6dd7413748
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(29 Jan 2021, 13:42)

Es ist einfach so: Das Phänomen "Insektenrückgang" ist völlig neu und das Phänomen "Wildtiere in der Stadt" ist es auch. Der Verzehr von Wildfleisch und der Betrieb von Wildtiermärkten in Südöstasien dagegen ist überhaupt nix neues. Der Instinkt sagt einem doch, dass es für eine Zoonose eher zu ersterem einen Zusammenhang geben könnte. Auch wenn man von Biologie kaum eine Ahnung hat.
Kann ja tatsächlich genau so sein. Danach sind aber wirklich sehr viele Fragen zu stellen, die von anderen Ursachen für den Insektenschwund ausgehen, bis endgültig gar nichts anderes mehr übrig bleibt als Ihre Theorie.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Papaloooo »

X3Q hat geschrieben:(22 Feb 2021, 14:48)

Das halte ich für eine sehr gewagte These.

—X
Schau mal hier:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Horizon ... entransfer
Aber dennoch richtig, über das Ausmaß diesbezüglich, also der Rolle in der Evolution, lässt sich streiten.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

H2O hat geschrieben:(22 Feb 2021, 16:22)

Kann ja tatsächlich genau so sein. Danach sind aber wirklich sehr viele Fragen zu stellen, die von anderen Ursachen für den Insektenschwund ausgehen, bis endgültig gar nichts anderes mehr übrig bleibt als Ihre Theorie.
Also "völlig neu" @Schoko ist völlig übertrieben! Was stimmt, mit Verweis auf schon verlinktes Nature paper der TU München, ist, dass Profis auf sehr niedriger Erwartung nochmal negativ überrascht sind, für die letzten 10 Jahre.
Am grundsätzlichen, wonach Lebensraumverlust maßgebliche Ursache ist, hat sich ebenfalls nichts geändert und das kann man artspezifisch auch konkretisieren. Es ist nicht alles immer so unbekannt! Aber einiges schon. So steht m.W. ein zusätzlicher Effekt der Neonics als Verdacht im Raum.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von H2O »

Corella hat geschrieben:(22 Feb 2021, 18:34)

Also "völlig neu" @Schoko ist völlig übertrieben! Was stimmt, mit Verweis auf schon verlinktes Nature paper der TU München, ist, dass Profis auf sehr niedriger Erwartung nochmal negativ überrascht sind, für die letzten 10 Jahre.
Am grundsätzlichen, wonach Lebensraumverlust maßgebliche Ursache ist, hat sich ebenfalls nichts geändert und das kann man artspezifisch auch konkretisieren. Es ist nicht alles immer so unbekannt! Aber einiges schon. So steht m.W. ein zusätzlicher Effekt der Neonics als Verdacht im Raum.
Dazu mußte ich wirklich nachschlagen... heutzutage nach-googeln. Sollte also tatsächlich LED-Licht & Co. für den Insektenschwund mitverantwortlich sein? Oder nicht doch unser ausdauerndes Streben danach, die Natur nach unseren Vorstellungen zu gestalten und alles zu vernichten, was unseren Zielen im Wege steht?

Eine kleine Theorie neulich war doch, daß milde Winter Parasiten begünstigen, die Insektenlarven vernichten. Inzwischen hatten wir ja einige Winter ohne Schnee und Frost. Allerdings kann ich nicht behaupten, daß hier in Pommern am Haff inmitten von Natura 2000 ein Mangel an Stechfliegen, Pferdebremsen, Mücken, Wespen, Hornissen zu beklagen wäre. Natürlich gibt es hier keine chemische Kriegsführung gegen diese Lästlinge. Unsere Wohnung haben wir wohlweißlich mit Insektennetzen abgedichtet und Spinnen halten wir hier als liebe Gäste.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Papaloooo »

H2O hat geschrieben:(22 Feb 2021, 18:59)

Dazu mußte ich wirklich nachschlagen... heutzutage nach-googeln. Sollte also tatsächlich LED-Licht & Co. für den Insektenschwund mitverantwortlich sein? Oder nicht doch unser ausdauerndes Streben danach, die Natur nach unseren Vorstellungen zu gestalten und alles zu vernichten, was unseren Zielen im Wege steht?

Eine kleine Theorie neulich war doch, daß milde Winter Parasiten begünstigen, die Insektenlarven vernichten. Inzwischen hatten wir ja einige Winter ohne Schnee und Frost. Allerdings kann ich nicht behaupten, daß hier in Pommern am Haff inmitten von Natura 2000 ein Mangel an Stechfliegen, Pferdebremsen, Mücken, Wespen, Hornissen zu beklagen wäre. Natürlich gibt es hier keine chemische Kriegsführung gegen diese Lästlinge. Unsere Wohnung haben wir wohlweißlich mit Insektennetzen abgedichtet und Spinnen halten wir hier als liebe Gäste.
Ja auch den Bienen setzt ein milder Winter zu.
Wobei in Wildbienenvölkern gibt es die Symbiose zum Pseudoskorpion.
Dieser verspeist mit Vorliebe Bienenmilben.
Den Pseudoskorpion findet man manchmal, wenn man im Garten Steinplatten hochhebt.
In Bienenstöcken die aus Holz und Stroh sind, fühlen sich auch Pseudoskorpione zu Hause.

Ansonsten kann man sagen,
dass in tropischen Ländern die Insektenlarven kein Problem mit milden Temperaturen haben.
Diese werden sich einfach nach und nach in wärmer werdende Gegenden ausbreiten.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

H2O hat geschrieben:(22 Feb 2021, 18:59)

Dazu mußte ich wirklich nachschlagen... heutzutage nach-googeln. Sollte also tatsächlich LED-Licht & Co. für den Insektenschwund mitverantwortlich sein? Oder nicht doch unser ausdauerndes Streben danach, die Natur nach unseren Vorstellungen zu gestalten und alles zu vernichten, was unseren Zielen im Wege steht?

Eine kleine Theorie neulich war doch, daß milde Winter Parasiten begünstigen, die Insektenlarven vernichten. Inzwischen hatten wir ja einige Winter ohne Schnee und Frost. Allerdings kann ich nicht behaupten, daß hier in Pommern am Haff inmitten von Natura 2000 ein Mangel an Stechfliegen, Pferdebremsen, Mücken, Wespen, Hornissen zu beklagen wäre. Natürlich gibt es hier keine chemische Kriegsführung gegen diese Lästlinge. Unsere Wohnung haben wir wohlweißlich mit Insektennetzen abgedichtet und Spinnen halten wir hier als liebe Gäste.
Je prekärer die Situation von Restbeständen, desto bedeutsamer werden Umstände und Zufälle, weil anfällig. Die Kiebitzkolonie, die sich gemeinsam verteidigen kann. Die letzten beiden Paare holen Fuchs und Krähe und bekannte Lobbyisten deuten die dann als Ursache aus. Oder die letzten Rebhühner, deren zu schmaler Streifen Deckungsfläche nicht mehr hinreichend schützt. Ein falscher Mahdzeitpunkt, das war s.
Und so werden Fallen, die vor 20 Jahren wenig bedeutsam waren nun doch wichtig und so steht Lichtverschmutzung mit Berechtigung nun im Fokus. Aber wohl auch deshalb, weil es mit neuer LED-Technik auch einfacher ist, als an die eigentlichen Ursachen zu gehen, ein Stück Feigenblatt überlagert das ganze m.Mn.n. auch.

Zur Witterung: wer in Mitteleuropa wild überleben will, muss sowohl Frost als auch dunkle, milde Winter überleben. Die Kombination ist eine hoch spezielle Anpassung, selten auf dem Globus und mit Erklärung für die vergleichsweise natürliche Artenarmut Mitteleuropas. Daran ändert der Klimawandel bis jetzt nicht so viel, es sei denn Umstände sind wegen anderweitig verursachter Faktoren bedeutsam, s.o.
Hier sind es eher zonale Verschiebungen in Kombi mit Barrieren sowie, dass die Witterung extremer wird, dadurch ökologische Amplituden sprengt und, dass die Zufluchten flächenmäßig abnehmen. Denke an Ausweichbewegung Richtung Bergspitze. Richtung Pol ist es auch so, wie ein runder Berg.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(22 Feb 2021, 18:59)

Dazu mußte ich wirklich nachschlagen... heutzutage nach-googeln. Sollte also tatsächlich LED-Licht & Co. für den Insektenschwund mitverantwortlich sein? Oder nicht doch unser ausdauerndes Streben danach, die Natur nach unseren Vorstellungen zu gestalten und alles zu vernichten, was unseren Zielen im Wege steht?
Also wir hatten hier (Randberlin) auf unserem Grundstück in den letzten Jahren schon zweimal ein Hornissennest. (Hornissen bauen jedes Jahr ihr Nest neu). Ich kann definitiv und aus eigener Erfahrung sagen, dass diese Insekten mit künstlichem Licht, vor allem mit LED-Licht, wirklich absolut nicht klarkommen. Ich hatte mich dazu mal umgehört und dann versuchsweise über ebay eine alte Dunkelkammerlampe gekauft und die bedarfsweise angehenden LED-Außenleuchten damit ersetzt. Nützt alles nix. Zumindest Hornissen schalten auch bei kleinstem Lichtschein jede Spur von Vernunft und Einsicht aus.

Eine ganz andere Geschichte ist, dass ich die Sichtbarkeit des Sternenhimmel, das bewusste Wahrnehmen des Sternenhimmels für eine außerordentlich wichtige Sache für das sozusagen philosophische Bewusstsein der Menschen und insbesondere auch der Kinder halte. Und deshalb vehement für Lichtreduktion bin.

Aber davon abgesehen: Von den eigentlichen biologischen Vorgängen, auch was irgendwelche Zoonosen anbelangt, hab' ich offen gestanden so gut wie Null Ahnung.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Papaloooo »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Feb 2021, 10:43)Zumindest Hornissen schalten auch bei kleinstem Lichtschein jede Spur von Vernunft und Einsicht aus.
Ich schätze, dass bei Insekten das Programm abläuft,
dass sie die im Dunkeln und zum Hellen glauben, fliegen zu müssen,
sie seien irgendwo drin eingesperrt,
und dorthin, wo es heller ist, ist wieder der Weg nach draußen.

Hier kann man nur auf die Evolution hoffen,
dass dieses Programm durch Mutation und Selektion relativiert wird,
wenn es sich um künstliches Licht bei Nacht handelt.

Die Menschen werden das so schnell nicht ändern.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Feb 2021, 10:43)

Also wir hatten hier (Randberlin) auf unserem Grundstück in den letzten Jahren schon zweimal ein Hornissennest. (Hornissen bauen jedes Jahr ihr Nest neu). Ich kann definitiv und aus eigener Erfahrung sagen, dass diese Insekten mit künstlichem Licht, vor allem mit LED-Licht, wirklich absolut nicht klarkommen. Ich hatte mich dazu mal umgehört und dann versuchsweise über ebay eine alte Dunkelkammerlampe gekauft und die bedarfsweise angehenden LED-Außenleuchten damit ersetzt. Nützt alles nix. Zumindest Hornissen schalten auch bei kleinstem Lichtschein jede Spur von Vernunft und Einsicht aus.

Eine ganz andere Geschichte ist, dass ich die Sichtbarkeit des Sternenhimmel, das bewusste Wahrnehmen des Sternenhimmels für eine außerordentlich wichtige Sache für das sozusagen philosophische Bewusstsein der Menschen und insbesondere auch der Kinder halte. Und deshalb vehement für Lichtreduktion bin.

Aber davon abgesehen: Von den eigentlichen biologischen Vorgängen, auch was irgendwelche Zoonosen anbelangt, hab' ich offen gestanden so gut wie Null Ahnung.
Bei der Übernahme meines polnischen Grundstücks hatte ich eine schon etwas baufällige Hütte geerbt, die noch so richtig verrammelt werden konnte, damit niemand ohne Mühe die Hütte leerräumen konnte. Die Fensterläden mit Quereisen 100 X 10 und Schloßschrauben durch die Stützbalken im Innenhaus festgeschraubt. Na ja, wenn man sich drinnen aufhält, dann sind diese Durchgangslöcher 10 mm Durchmesser natürlich offen, weil alles entriegelt wurde. Das Innenlicht in der Hütte lockte Hornissen nachts durch diese Durchgangslöcher in die Hütte, und plötzlich kreisten einige um diese Lampe und uns um die Köpfe. Also diese kleine Lichtquelle hat die Hornissen angelockt! Später fand ich, daß sie in einem alten Vogel-Brutkasten auf meinem Grundstück lebten. Mit den Hornissen habe ich seit etlichen Jahren meinen Frieden geschlossen.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von BlueMonday »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Feb 2021, 11:25)

Den irionischen Unterton höre ich durchaus heraus ... Aber übrelege dir mal: Madras, Jakarta, Kalkutta ... Städtemonster mit Bevölkerungsdichten über 20 000 pro qkm. Mit teils unsäglichen hygienischen Verhältnissen. Ein S-Bahnwagen in Berlin oder Berlin als Stadt (ca. 4000 Ew pro qkm) ist gar nix dagegen. Und immer und auch schon im vorigen Jahrhundert reisten die entsprechenden Kolonialverwalter hin und her von und nach Europa. Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass an irgendeiner Stelle 2021 systemisch etwas anders sein muss.

Aber davon mal abgesehen. Klimakrise, nicht zuletzt hervorgerufen durch CO2-Eintrag infolge von Überhandnehmen von motorisiertem Individualverkehr und Pandemien ... das kann man nicht einfach trennen oder das eine mehr bewichten als das andere. Wenn nach Abebben der aktuellen Pandemie die Leute nur noch in ihren Autos sitzen und ihre Pizzas auf dem Parkplatz essen ... mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke!

Eine gewisse Konzentration von Menschen und damit Nähe von Mensch zu Mensch ist eine Bedingung für Epidemien, aber nicht Erklärung, wie ein Erreger von Tier zu Mensch überspringt. Und danach fragst du ja. Da reichen - wie gesagt - wenige Kontakte. Und ein Kontakt kommt auch zustande, wenn einzelne Menschen sich auf das in weitestgehend in Isolation lebende Wildtier zubewegen (etwa in irgendeine Fledermaushöhle) und sei es aus forschender Neugier. Oder wenn man Virenmaterial kombiniert, der Natur gewissermaßen auf die Sprünge hilft, einen besseren Weg zu finden...

Und für die Pestepidemien (14. Jahrhundert und früher) haben schließlich weitaus geringere Bevölkerungszahlen genügt. Reisende schleppten schon damals die Krankheit von Ort zu Ort. Und damals schon die gleiche Problematik, dass es initial zum Mensch-Tier-Kontakt kommt. Das ist ja eine universale Tatsache: Tiere nehmen Raum ein und Menschen nehmen Raum ein, und auch oft denselben Raum, da der verfügbare Raum begrenzt ist.

Man kann sich räumlich hermetisch abriegeln, jeden einzelnen Menschen unter eine abgeschlossene Haube setzen - oder man lebt damit, lässt eine gewisse natürliche Auslese zu. Die Angepassteren überleben. Wenn, dann ist genau dies "systemisch" anders geworden, dass man systematisch versucht, alles zu erhalten bis zum Gehtnichtmehr. Und die Aufwände dafür werden immer weiter steigen. Die Gebrechlichkeiten, Anfälligkeiten usw. werden zunehmen.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(23 Feb 2021, 16:56)

Eine gewisse Konzentration von Menschen und damit Nähe von Mensch zu Mensch ist eine Bedingung für Epidemien, aber nicht Erklärung, wie ein Erreger von Tier zu Mensch überspringt. Und danach fragst du ja. Da reichen - wie gesagt - wenige Kontakte. Und ein Kontakt kommt auch zustande, wenn einzelne Menschen sich auf das in weitestgehend in Isolation lebende Wildtier zubewegen (etwa in irgendeine Fledermaushöhle) und sei es aus forschender Neugier. Oder wenn man Virenmaterial kombiniert, der Natur gewissermaßen auf die Sprünge hilft, einen besseren Weg zu finden...

Und für die Pestepidemien (14. Jahrhundert und früher) haben schließlich weitaus geringere Bevölkerungszahlen genügt. Reisende schleppten schon damals die Krankheit von Ort zu Ort. Und damals schon die gleiche Problematik, dass es initial zum Mensch-Tier-Kontakt kommt. Das ist ja eine universale Tatsache: Tiere nehmen Raum ein und Menschen nehmen Raum ein, und auch oft denselben Raum, da der verfügbare Raum begrenzt ist.

Man kann sich räumlich hermetisch abriegeln, jeden einzelnen Menschen unter eine abgeschlossene Haube setzen - oder man lebt damit, lässt eine gewisse natürliche Auslese zu. Die Angepassteren überleben. Wenn, dann ist genau dies "systemisch" anders geworden, dass man systematisch versucht, alles zu erhalten bis zum Gehtnichtmehr. Und die Aufwände dafür werden immer weiter steigen. Die Gebrechlichkeiten, Anfälligkeiten usw. werden zunehmen.
Ja. Das ist schon richtig. Das ist tatsächlich anders geworden.

In einer Gesprächsrunde vor einigen Wochen war die Chefradakteurin einer philosophischen Zeitschrift dabei. Sie meinte, man müsse die Ansätze einer "skandinavischen", speziell schwedischen Philosophie ernster nehmen. Ja, vielleicht geht dieses "lasst es einfach werden" und dieses skandinavische "Jeder Mensch ist eine Insel" ja so etwas in diese Richtung. Einer der vielleicht bekanntesten ist der Nobelpreisträger Gunnar Myrdal. Einerseits steht er für die sozialdemokratisch motivierte Einführung von Sozialhilfen. Andererseits:
Mit seiner Frau Alva schrieb Gunnar Myrdal das Buch Die Krise in der Bevölkerungsfrage (schwedisch: Kris i befolkningsfrågan, 1934), durch das der damalige schwedische Minister für Soziale Aufgaben, Gustav Möller, angeregt wurde, die Sozialhilfe für Familien einzuführen. In dem Buch forderten sie auch ein Sterilisationsprogramm, damit sich „hochgradig lebensuntaugliche“ Individuen nicht fortpflanzen und die Sozialhilfe nicht unbezahlbar werde.
Mit mir ist das nicht zu machen. Dann lieber Ansteckung und Zoonosen. Diese Philosophie riecht nach Auschwitz.

[MOD] Interessanter Hinweis auf schwedische Überlegungen zur Eugenik. Aber bitte nicht diesen Strang über Zoonose in einen über soziale Eugenik verwandeln! H2O
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Eine ganz andere Geschichte ist die des steigenden Hangs der Deutschen zur Haltung exotischer Tiere. Hund und Hauskatze bekommen zunehmend Konkurrenz durch Terarrienhaltung, Liebhaber von Spinnen, bunten Fröschen und allerlei sonstiger Fauna. Wens interessiert: https://www.swr.de/swr2/wissen/schlange ... 3-100.html

Es werden auch illegal exotische Tiere eingeführt. Da ergibt sich schon die Frage, ob sich da nicht das Risiko von Zoonosen erhöht.

Ich habe keine Ahnung, woher dieses Verlangen kommt. Ich selbst habe einen Bekannten, der seit einiger Zeit zwei Pumas hält. Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt legal ist. Das ist so ein Putin-Typ. Der lässt sich ja auch gern mit sibirischen Tigern fotografieren. Meinem Bekannten im Raum Randberlin gefällt das irgendwie ...mit dem Trennschleifer eine gelieferte Schweinehälfte zu zerteilen und sie diesen Raubkatzen vorzuwerfen. Mein Gott. Er wird sich die erforderlichen Sondergenehmigungen schon irgendwie beschaffen. Er sorgt für Arbeitsplätze im Dorf und kennt natürlich den Gemeindeteilbürgermeister. Es läuft im Grunde ganz genauso und überall so wie es in der bekannten Kabarett-Sendung von Gerhard Polt zum Thema "Gemeinderatssitzung" dagrestellt wird. Ob in Bayern oder Brandenburg. "Wir genehemigens" Mit einer Flasche 6-Ämter-tropfen.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Papaloooo »

Es sind ja nicht nur die Wildtiere,
und es sind nicht nur die Viren,
welche Zoonosen auslösen können.

Der Fleischkonsum von Billigfleisch und die dafür geschaffene Massentierhaltung,
in welcher zunehmend für den Menschen geschaffene Antibiotika,
ja im breiten Spektrum sogar Reserveantibiotika eingesetzt werden,
erschaffen zunehmend multiresistente Bakterien.

>>>In bis zu jeder zweiten Geflügel- und Schweinefleischprobe wurden multiresistente Erreger nachgewiesen.<<<

Die nächste Zoonose wird wohl aus den Ställen kommen,
und kann weitaus tödlicher verlaufen als Covid-19.

Das Gesundheitsministerium hält sich da raus und überlässt das dem Landwirtschaftsministerium.
Die beschließen zwar im Jahr 2022 Verschärfungen, jedoch mit so großen Schlupflöchern,
dass zu befürchten ist, dass sich gar nichts ändern wird.

Vielleicht wird es dann hier eben auch Chlorhühnchen geben, wie in den USA.
Man kann sich dann wenigstens das Zahnbleichen sparen.
Wir sind doch hier nicht im Trollhouse!
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Voranschreitender Klimawandel, exzessive Tiernutzung und ein dadurch stark erhöhtes Pandemierisiko: Dieser Zusammenhang spielt bei der Coronabekämpfung in der Politik kaum eine Rolle. Doch das müsste er, sagen Wissenschaftler – auch, um weitere Pandemien zu verhindern.
Das ist der Einleitungstext zu einem aktuellen "hintergrund" von Dienstag. Zumindest im ersten Teil wird - auch von einigen Wissenschaftlern - das ausgesprochen, was ich von Anfang an irgendwie instinktiv dachte und nur wegen mangelnder Fach-Kenntnisse nicht richtig formulieren konnte: Diese Corona-Pandemie ist nicht einfach nur eine in einer Abfolge von regelmäßig auftretenden mal schwächeren und dann seltener auch mal sehr viel stärkeren Pandemien. So verständlich und richtig es ist, nun ersteinmal diese aktuelle Pandemie zu bekämpfen ... Einige Wissenschaftler sehen sie lediglich als einen "ersten Warnschuss" und sprechen (wörtlich) von einer "Triple-Krise aus Klimawandel, Artensterben und Pandemien."

Alles in mir sagt mir, dass etwas grundsätzlich nicht stimmt, wenn Füchse, Waschbären und Wildschweine durch Berlin laufen und es dafür kaum noch bestimmte Insekten und bestimmte Singvogelarten mehr gibt. Das Problem ist weniger, dass das Vorhandensein dieser Arten ein Wert für sich ist. SOndern dass ein an sich sehr flexibles und sehr dehnbares Systemgleichgewicht über seine Grenzen gelangt ist und es nun aber einen rapiden Systemwechsel gibt. Es gäbe "weitaus gefährlichere Viren, die in der Tierwelt zirkulieren als das Covid-19-Virus.“

https://www.deutschlandfunk.de/klima-ti ... _id=494994
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Apr 2021, 14:59)

Das ist der Einleitungstext zu einem aktuellen "hintergrund" von Dienstag. Zumindest im ersten Teil wird - auch von einigen Wissenschaftlern - das ausgesprochen, was ich von Anfang an irgendwie instinktiv dachte und nur wegen mangelnder Fach-Kenntnisse nicht richtig formulieren konnte: Diese Corona-Pandemie ist nicht einfach nur eine in einer Abfolge von regelmäßig auftretenden mal schwächeren und dann seltener auch mal sehr viel stärkeren Pandemien. So verständlich und richtig es ist, nun ersteinmal diese aktuelle Pandemie zu bekämpfen ... Einige Wissenschaftler sehen sie lediglich als einen "ersten Warnschuss" und sprechen (wörtlich) von einer "Triple-Krise aus Klimawandel, Artensterben und Pandemien."

Alles in mir sagt mir, dass etwas grundsätzlich nicht stimmt, wenn Füchse, Waschbären und Wildschweine durch Berlin laufen und es dafür kaum noch bestimmte Insekten und bestimmte Singvogelarten mehr gibt. Das Problem ist weniger, dass das Vorhandensein dieser Arten ein Wert für sich ist. SOndern dass ein an sich sehr flexibles und sehr dehnbares Systemgleichgewicht über seine Grenzen gelangt ist und es nun aber einen rapiden Systemwechsel gibt. Es gäbe "weitaus gefährlichere Viren, die in der Tierwelt zirkulieren als das Covid-19-Virus.“

https://www.deutschlandfunk.de/klima-ti ... _id=494994
Am Kontrast aussterbender Arten in ausgeräumter Feldflur und erfolgreichen Ubiquisten in der Sadt würde ich Krisensymptomatik so nicht festmachen. Ein Gaia-Konzept oder ähnliches muss man nicht bemühen und wäre für konkretes Handeln wohl nicht hilfreich.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Corella hat geschrieben:(04 Apr 2021, 09:20)

Am Kontrast aussterbender Arten in ausgeräumter Feldflur und erfolgreichen Ubiquisten in der Sadt würde ich Krisensymptomatik so nicht festmachen. Ein Gaia-Konzept oder ähnliches muss man nicht bemühen und wäre für konkretes Handeln wohl nicht hilfreich.
Ich kann mich jetzt aber auch nicht erinnern, dass in der verwiesenen Sendung von der Gaia-Theorie die Rede war.

Es gibt ein aktuelles Buch des Agrarbiologen, Privatdozenten und Schmetterlingskundlers Josef Settele: "Die Triple-Krise: Artensterben, Klimawandel, Pandemien.
Warum wir dringend handeln müssen". Mir ist völlig klar: Es handelt sich um ein typisches Kultur-Kaufhaus-, um ein Dussmann-Buch für Dussmann-Kunden. Für pensionierte Erdkundelehrerinnen. Andererseits ist der Mann natürlich dennoch ein seriöser Wissenschaftler. Und natürlich bin ich dennoch auf Erklärungen für Laien auf diesem Gebiet angewiesen.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Apr 2021, 11:25)

Ich kann mich jetzt aber auch nicht erinnern, dass in der verwiesenen Sendung von der Gaia-Theorie die Rede war.

Es gibt ein aktuelles Buch des Agrarbiologen, Privatdozenten und Schmetterlingskundlers Josef Settele: "Die Triple-Krise: Artensterben, Klimawandel, Pandemien.
Warum wir dringend handeln müssen". Mir ist völlig klar: Es handelt sich um ein typisches Kultur-Kaufhaus-, um ein Dussmann-Buch für Dussmann-Kunden. Für pensionierte Erdkundelehrerinnen. Andererseits ist der Mann natürlich dennoch ein seriöser Wissenschaftler. Und natürlich bin ich dennoch auf Erklärungen für Laien auf diesem Gebiet angewiesen.
Volle Zustimmung. Bauchdrücken machen mir Narrative wie "die Natur schlägt zurück" oder dem schon genannten. Solch Verkürzungen können politische Kräfte entfalten, sind aber in konkreter Konfliktlage Standards contra Nutzungsinteresse sozusagen nicht nachhaltig und seriös auch nicht.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von yogi61 »

Wer Zeit, Lust und Interesse hat Studien zu lesen.

https://www.frontiersin.org/articles/10 ... 61063/full

Stark verkürzt haben die Forscher aus Frankreich nun analysiert, ob es zwischen der Abholzung von Wäldern und dem Ausbruch von Infektionskrankheiten, die von Tieren übertragen werden, einen Zusammenhang gibt. Dabei hatten sie einen besonderen Blick auf Palmölplantagen. Das Ergebnis der statistischen Auswertung: Je größer deren Flächen, desto häufiger traten Infektionskrankheiten auf.
Überraschend übrigens,dass nicht nur bei Plantagenanbau solche Zusammenhänge festgestellt wurden, sondern auch bei Aufforstungsprojekten.
Sie fanden dabei einen starken Zusammenhang zwischen Entwaldung und Epidemien etwa mit Malaria und Ebola in tropischen Ländern wie Brasilien, Peru, Bolivien, der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun, Indonesien, Myanmar und Malaysia. Hingegen zeigten gemäßigte Regionen wie die USA, China und Europa klare Zusammenhänge zwischen Aufforstung und Krankheiten wie der von Zecken übertragenen Lymeborreliose.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

yogi61 hat geschrieben:(05 Apr 2021, 13:39)

Wer Zeit, Lust und Interesse hat Studien zu lesen.

https://www.frontiersin.org/articles/10 ... 61063/full

Stark verkürzt haben die Forscher aus Frankreich nun analysiert, ob es zwischen der Abholzung von Wäldern und dem Ausbruch von Infektionskrankheiten, die von Tieren übertragen werden, einen Zusammenhang gibt. Dabei hatten sie einen besonderen Blick auf Palmölplantagen. Das Ergebnis der statistischen Auswertung: Je größer deren Flächen, desto häufiger traten Infektionskrankheiten auf.
Überraschend übrigens,dass nicht nur bei Plantagenanbau solche Zusammenhänge festgestellt wurden, sondern auch bei Aufforstungsprojekten.
Sie fanden dabei einen starken Zusammenhang zwischen Entwaldung und Epidemien etwa mit Malaria und Ebola in tropischen Ländern wie Brasilien, Peru, Bolivien, der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun, Indonesien, Myanmar und Malaysia. Hingegen zeigten gemäßigte Regionen wie die USA, China und Europa klare Zusammenhänge zwischen Aufforstung und Krankheiten wie der von Zecken übertragenen Lymeborreliose.
Danke! Das ganz grobe Bild scheint zur alten, biozönotischen Grundregel zu passen, wonach Artenarmut zur Ausbildung von Massenbeständen einzelner Arten neigt.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Corella hat geschrieben:(08 Apr 2021, 07:10)

Danke! Das ganz grobe Bild scheint zur alten, biozönotischen Grundregel zu passen, wonach Artenarmut zur Ausbildung von Massenbeständen einzelner Arten neigt.
Da müssen wir auch gar nicht so weit schauen.

Noch vor nicht allzulanger Zeit, war die Artenvielfalt in der Umgebung einer größeren Stadt wie Berlin viel größer als in der Stadt selbst. Heute ist es umgekehrt. In weiten Gebieten Brandenburgs prägen öde Kiefernwälder (sehen aus wie Panzerübgungsplätze) oder auch Raps- und Maisfelder die Landschaft. Während in der Stadt neue Biotope entstehen und die biologische Vielfalt größer ist. (Was im Falle von speziell Berlin sicher auch mit der großen Fläche und den immer noch existierenden großen Parks oder auch Ödflächen im Vergleich etwa zu Paris zusammenhängt).

Es gibt inzwischen eine Art von "Turbo-Evolution". Singvögel in den Städten etwa haben einen signifikant höheren mittleren Sington als dieselben Arten außerhalb der Stadt. Logisch. Sie müssen sich für die Paarungssuche vom allgemeinen Stadtlärm abheben. Inzwischen aber nicht nur als erlerntes Verhalten sondern als genetisch einprogrammierte Variante. Die "Stadt-Amsel" z.B. ist in kürzester Zeit als abgrenzbare Spezies entstanden. Noch interessanter ist der veränderte Hormonhaushalt einiger Tiere: Es ist einfach fürs Überleben in der Stadt besser, nicht gleich vor Menschen zu erschrecken. Nicht immer gleich wegzulaufen oder wegzurennen. Die Menschen schießen nicht mehr in der Art und Weise gleich auf Tiere wie früher noch. Im Gegenteil. Meine Schwiegereltern verfüttern im Wochenrhythmus 40-Kilo-Säcke Vogelfutter an Stadttauben. Auch diese andere Hormonsituation ist anscheinend nicht mehr nur einfach erlernt sondern genetisch verankert. Die kommen angeflogen und fliegen nicht weg.

Wenn ich mich recht erinnere: Ungefähr 95 Prozent aller Wirbeltiere sind Menschen-Nutztiere. Das ist im Vergleich zu Wildtieren ein extremes Missverhältnis. In der Natur gibt es die Tendenz, solche Missverhältnisse auszugleichen. Der goldene Schnitt oder möglicherweise eher noch der Wert 1/e sind wahrscheinlichere Werte. Auch ohne einen direkten Kausalzusammenhang angeben zu können ... ich glaube, dass neue Pandemien einfach ein Ausgleichsmechanismus sind, um dieses Missverhältnis zu beseitigen. Bzw. diese neuen Stadtpopulationen zusammen mit dem Phänomen "Turbo-Evolution" und wesentlich schnellerem Gen-Austausch sowie ein viel engeres Mensch-Tier-Zusammenleben in den Städten liefern ja eigentlich ein grundsätzliches Erklärungsmodell.

Es gibt doch auch Zusammenhänge zwischen Pestepidemien, Rattenflöhen, einer verstärkten Handelsaktivität im 14. Jahrhundert und auch verschiedenen Klimaveränderungen. An irgendeinem Punkt kippt die Summe dieser Faktoren in ein systemisches Umschlagen.

Es ist gewiss nicht verkehrt, für die grundsätzliche Prävention noch einmal verstärkt auf Arten-Divesität im ländlichen Raum zu dringen. Also ganz grundsätzlich in der Agrarpolitik umzuschwenken. Erster Punkt: Abschaffung oder weitgehende Einschränkung der EU-Agrarsubventionen. Es besteht schon lange keine Gefahr mehr, dass die Europäer irgendwie nix zu Essen haben und vom Fleische fallen wie in der Nachkriegszeit. Agrarsubventionen abbauen! Ein Huhn oder ein Kilo Schweinefleisch darf einfach nicht drei Euro neunundsechzig kosten. Das zehnfache wäre angemessen. Mindestens! Keine Agrarsubventionen mehr. Kein Kottelet-Kaiser a la Tönnies mehr. Es muss nix verboten werden. Es braucht aber auch nix künstlich billig gemacht werden.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

Moin Schoko,
der Bogen ist arg weit gespannt, für den Moment ein Kommentar zu "Stadtnatur": Artensterben beruht auf Lebensraumverlust. Gepflanzte Blumen oder einwandernde Kosmopoliten, Jagdflüchter und Neozoen sind kein Ersatz. Auf die Spitze alegoriert: stell Dir ein Blumenbeet mit Torfmoos vor und glaube an die Restitution von CO2-Senke und Wasserhaushaltsregulation. Der neuartige Hype ist nicht sinnlos, aber als Gegengewicht dessen, was in Feld und Forstacker passiert wäre es Etikettenschwindel.

Noch an Deinem Thema vorbei, ich weiß. Heute Abend noch mal länger zu ein paar Punkten.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Apr 2021, 18:47)

Es gibt inzwischen eine Art von "Turbo-Evolution". Singvögel in den Städten etwa haben einen signifikant höheren mittleren Sington als dieselben Arten außerhalb der Stadt. Logisch. Sie müssen sich für die Paarungssuche vom allgemeinen Stadtlärm abheben. Inzwischen aber nicht nur als erlerntes Verhalten sondern als genetisch einprogrammierte Variante. Die "Stadt-Amsel" z.B. ist in kürzester Zeit als abgrenzbare Spezies entstanden.
Bei sehr weitem noch lang nicht auch "nur" eine Subspezies!
Korrekt ist, dass im Prinzip so Artbildung (allopatrisch) passieren könnte. Zur Usutu-Epidemie, die auf Grund des Vektors v.a. Stadtamseln erwischt hat, war gut zu beobachten, wie Amseln aus dem Umfeld die freien Areale neu besetzt haben - subjektiv, nicht alles offensichtliche ist leicht zu beweisen. Dass Genfluss zwischen Wald- und Stadtamseln so stark unterbunden ist, dass Artbildung tatsächlich passiert, ist anbetrachts der räumlichen Nähe und der (noch) hohen Abundanz kaum zu vermuten. Eine gewisse genetische Repräsentanz der Typen steht dazu nicht im Widerspruch. Genetische Diversität unterhalb Artniveau ist Thema. Wir sprechen dann von Kleinarten (Botanik) oder Ökotypen und Varianten.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Apr 2021, 18:47)

Es ist einfach fürs Überleben in der Stadt besser, nicht gleich vor Menschen zu erschrecken. Nicht immer gleich wegzulaufen oder wegzurennen. Die Menschen schießen nicht mehr in der Art und Weise gleich auf Tiere wie früher noch. Im Gegenteil. Meine Schwiegereltern verfüttern im Wochenrhythmus 40-Kilo-Säcke Vogelfutter an Stadttauben. Auch diese andere Hormonsituation ist anscheinend nicht mehr nur einfach erlernt sondern genetisch verankert. Die kommen angeflogen und fliegen nicht weg.
Neu ist das Phänomen nicht. Seevögel haben häufig Schimpfnamen, auch in der Wissenschaftssprache. Teils, weil sie als Spezialisten des Tauchens, Fliegens oder beides dann an Land "ungeschickt" aussehen (Tordalk, Trottellumme), teils weil Seefahrer die Vögel völlig unscheu aus dem Nest in den Kochtopf stecken konnten. Ein schönes Beispiel ist die australische Bindenralle. An Land scheu wie bei uns die verwandte Wiesenralle. Versuch eine zu sehen!
Die scheuen und außerordentlich heimlichen Bindenrallen sind außerhalb der Brutzeit gern auf Inseln und laufen dort Touristen wie Spatzen zwischen den Füßen rum und picken nach Krumen.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Apr 2021, 18:47)
In der Natur gibt es die Tendenz, solche Missverhältnisse auszugleichen.
Ich glaube, solche Narrative sind zwar sehr gut gemeint, aber wenig hilfreich.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von yogi61 »

Corella hat geschrieben:(19 Apr 2021, 18:04)

Bei sehr weitem noch lang nicht auch "nur" eine Subspezies!
Korrekt ist, dass im Prinzip so Artbildung (allopatrisch) passieren könnte. Zur Usutu-Epidemie, die auf Grund des Vektors v.a. Stadtamseln erwischt hat, war gut zu beobachten, wie Amseln aus dem Umfeld die freien Areale neu besetzt haben - subjektiv, nicht alles offensichtliche ist leicht zu beweisen. Dass Genfluss zwischen Wald- und Stadtamseln so stark unterbunden ist, dass Artbildung tatsächlich passiert, ist anbetrachts der räumlichen Nähe und der (noch) hohen Abundanz kaum zu vermuten. Eine gewisse genetische Repräsentanz der Typen steht dazu nicht im Widerspruch. Genetische Diversität unterhalb Artniveau ist Thema. Wir sprechen dann von Kleinarten (Botanik) oder Ökotypen und Varianten.
Zur Usutu-Epidemie könnte es einer relativ einfach Erklärung geben. Es kann sein, dass die Amsel wegen ihres schwarzen Gefieders und ihrer Größe einfach häufiger von Stechmücken angeflogen wird. Das spezifische Immunsystem der Tiere kann auch dafür verantwortlich sein, dass Amseln eine höhere Chance haben, daran zu verenden.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Apr 2021, 18:47)

Es ist gewiss nicht verkehrt, für die grundsätzliche Prävention noch einmal verstärkt auf Arten-Divesität im ländlichen Raum zu dringen. Also ganz grundsätzlich in der Agrarpolitik umzuschwenken.
Der Artenschwund ist ungeheuerlich, neue Befunde wurden bereits mehrfach verlinkt. "Dramatisch" wäre eine Untertreibung.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Aldemarin »

Ist es eigentlich normal, daß eine Zoonose, wie im Fall von COVID-19 von Tieren, welche nicht zu den engsten Verwandten des Menschen gehören, auf diese überspringt und sich dort anscheinend besser verbreitet, als bei den ursprünglichen Wirten?
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

Aldemarin hat geschrieben:(19 Apr 2021, 18:26)

Ist es eigentlich normal, daß eine Zoonose, wie im Fall von COVID-19 von Tieren, welche nicht zu den engsten Verwandten des Menschen gehören, auf diese überspringt und sich dort anscheinend besser verbreitet, als bei den ursprünglichen Wirten?
Schiere Masse und unvorbereitete Immunsysteme kannst Du sozusagen als Pionierlebensraum auffassen.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

yogi61 hat geschrieben:(19 Apr 2021, 18:22)

Zur Usutu-Epidemie könnte es einer relativ einfach Erklärung geben. Es kann sein, dass die Amsel wegen ihres schwarzen Gefieders und ihrer Größe einfach häufiger von Stechmücken angeflogen wird. Das spezifische Immunsystem der Tiere kann auch dafür verantwortlich sein, dass Amseln eine höhere Chance haben, daran zu verenden.
Ja, danke. Im Zusammenhang ging es allerdings um die unterschiedliche Betroffenheit von Stadt- und Waldamseln. M.W. ist der Vektor Culex pipiens, die vornehmlich im Siedlungsraum lebt.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von yogi61 »

Corella hat geschrieben:(19 Apr 2021, 18:34)

Ja, danke. Im Zusammenhang ging es allerdings um die unterschiedliche Betroffenheit von Stadt- und Waldamseln. M.W. ist der Vektor Culex pipiens, die vornehmlich im Siedlungsraum lebt.
Mir war gar nicht bekannt, dass die Stadtamsel häufiger betroffen ist.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

yogi61 hat geschrieben:(19 Apr 2021, 18:35)

Mir war gar nicht bekannt, dass die Stadtamsel häufiger betroffen ist.
Okay, andere Vektoren könnten gut und gern noch nicht hinreichend bekannt sein und einiges mehr, dass Städte wärmer liegen, eine Alternative. Zitabel sind meine Aussagen wohl kaum.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Aldemarin »

@Corella:
Schiere Masse und unvorbereitete Immunsysteme kannst Du sozusagen als Pionierlebensraum auffassen.
Warum soll unser Immunsystem auf die Staupe oder Afrikanische Schweinepest besser vorbereitet sein? Warum trat COVID-19 vor 2019 anscheinend nie in Erscheinung?
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von H2O »

So viel warum, warum, und so wenig deshalb, deshalb! Es gibt eben Fragen, auf die es sehr spät Antworten gibt.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Papaloooo »

Momentan steht die H5N8 in den Startlöchern.
Sie ist eine schlimme Vogelgrippe,
meist wird sie von Wildvögel auf "Nutzvögel" übertragen,
und führt in verschiedenen Ländern wie Israel schon zur Eier-Knappheit.
Übertragen auf den Menschen verläuft sie oft tödlich.
Den Übergang auf eine Infektion nur von Tier zu Tier und von Tier zu Mensch auf Mensch zu Mensch hat H5N8 bislang noch nicht geschafft.
Ausgeschlossen werden kann das aber nicht,
dass das bald passiert.
Je mehr Menschen es befällt, desto wahrscheinlicher passt es sich an den neuen Wirt an.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Der Kutscher »

Papaloooo hat geschrieben:(01 Jan 2022, 21:25)
Übertragen auf den Menschen verläuft sie oft tödlich.
Quelle?
Wikipedia sagt was anderes:
"Risiken für Menschen
Im Februar 2021 wurden erstmals Infektionen bei Menschen diagnostiziert. In Südrussland steckten sich sieben Arbeiter in einem Geflügel-Mastbetrieb bei infizierten Tieren an. Das Risiko für Infektionen beim Menschen gilt dennoch als sehr gering, da eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung nicht beobachtet werden konnte.[4][5]

Gleichwohl empfiehlt das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) vorsorglich, dass Beschäftigte, die unmittelbaren Kontakt zu infizierten Tieren hatten, zehn Tage lang auf Krankheitssymptome achten sollen, die möglicherweise auf den Kontakt mit Influenza-Viren zurückzuführen sind.[6] Hintergrund dieser Empfehlung ist unter anderem, dass es Todesfälle nach einer Infektion mit dem eng verwandten Subtyp A/H5N6 gab."
https://de.wikipedia.org/wiki/Vogelgrippe_H5N8
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Papaloooo »

Der Kutscher hat geschrieben:(01 Jan 2022, 22:36)
Das Risiko für Infektionen beim Menschen gilt dennoch als sehr gering, da eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung nicht beobachtet werden konnte.[4][5]
Ist momentan etwas schwierig, denn ich bin unterwegs, und habe den Verlauf im Computer gespeichert l, aber nutze hier das Smartphone.

Aber generell ist es eben deswegen für den Menschen noch ein geringes Risiko, weil es keine Infektionen Mensch-Mensch gibt.
Es muss also ein enger Kontakt Mensch-Huhn stattfinden, und dies trifft eben nur bei wenigen Menschen zu.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Der Kutscher »

Papaloooo hat geschrieben:(02 Jan 2022, 08:20)

Ist momentan etwas schwierig, denn ich bin unterwegs ...
Ok, das Problem ist mir vertraut - wäre aber wirklich nett wenn dann eben später ein Link zu einer Quelle kommt, denn die Aussagen sind doch arg unterschiedlich und Wikipedia zwar eine gute Quelle aber durchaus nicht fehlerfrei.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Papaloooo »

Der Kutscher hat geschrieben:(02 Jan 2022, 10:20)

Ok, das Problem ist mir vertraut - wäre aber wirklich nett wenn dann eben später ein Link zu einer Quelle kommt, denn die Aussagen sind doch arg unterschiedlich und Wikipedia zwar eine gute Quelle aber durchaus nicht fehlerfrei.
Hier: das ist aus spektum.de
"Beim aktuellen Ausbruchsgeschehen dominiert der Vogelgrippe-Subtyp H5N1, auch H5N8 kommt in geringem Ausmaß vor. Mit H5N1 können sich in Einzelfällen auch Menschen anstecken, wobei die Krankheit in vielen Fällen tödlich verläuft."
Quelle: https://www.spektrum.de/news/gefluegelp ... pa/1965586
Wobei ich mich beim Subtyp geirrt habe, sorry!
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Der Kutscher »

Papaloooo hat geschrieben:(02 Jan 2022, 11:38)

Wobei ich mich beim Subtyp geirrt habe, sorry!
Danke. Ja, kann passieren mit dem Subtyp.
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Re: Zoonose... Wie können Wildtiere Krankheiten auf Menschen übertragen?

Beitrag von Corella »

Die nächste Zoonose, Affenpocken.
Systemisches Auftauchen von Einzelfällen, wie ist das zu deuten? Weil hingeguckt wurde? Neuartiges Tierreservoir?
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