ausgestorben wegen genetischem Flaschenhals? Unfug!

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Tantris
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Re: ausgestorben wegen genetischem Flaschenhals? Unfug!

Beitrag von Tantris »

Der Neandertaler » So 29. Jun 2014, 19:35 hat geschrieben:Hallo Tantris.Inwieweit homo neanderthalensis und homo sapiens sich vermicht haben ... ob dies überhaupt geschehen ist (sie also 'fruchtbare' Nachkommen gezeugt haben), darüber streiten in der Tat noch heute Wissenschaftler.

Beispielsweise schreiben Stephanie Müller und der deutsche Paläoanthropologe, Friedemann Schrenk:
  • "Spuren eines solchen möglichen Intermezzos wären dann aber deutlich in der Anatomie nachzuweisen, wenn man bedenkt, daß der stämmige Neandertaler der Eiszeit trotzte und der grazilere Homo sapiens der Sonne Afrikas entflohen war. Doch sämtliche gefundenen Schädel- und Skelettteile wurden – wenn auch nach einigen Irrungen und Wirrungen – entweder als eindeutig modern oder eindeutig neandertaloid eingestuft."
Der US-amerikanische Paläoanthropologe Erik Trinkaus vertritt hingegen die Vermischungshypothese. So hat er einige europäische Neandertaler-Funde als "Mischlinge" ... als "Hybride" interpretiert.
Beispiele:
  • 1998 wurde im Lapedo-Tal in Zentralportugal ein Kinderskelett gefunden - das 'Kind von Lagar Velho'. 1952 wurde in der Höhle von Peștera Muierii in Rumänien Knochen entdeckt (etwa 30.000 Jahre alt). Auch sie weisen ebenfalls auf Gemeinsamkeiten zwischen Neandertaler und modernem Menschen hin.
Der britische Paläoanthropologe Chris Stringer sagte 2012 zusammenfassend:
  • "Obwohl die normale Artendefinition durch die unvollständige reproduktive Abgrenzung nicht gegeben ist, ist es zu früh und angesichts der morphologischen großen Unterschiede aus praktischen Gründen noch nicht erforderlich, homo heidelbergensis, homo neanderthalensis und Denisova-Mensch mit homo sapiens in einer Art zusammenzufassen."
Svante Pääbo vom 'Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie' (EVA) wollte es genauer wissen - wie häufig gemeinsame, 'fruchtbare' Nachkommen von Neandertalern und anatomisch modernen Menschen gezeugt wurden. 2014 verglich er dazu die Häufigkeit von Neandertaler-Allelen (Zustandsform eines Gens) in den Autosomen (Chromosomen, die nicht zu den Gonosomen (Geschlechtschromosomen) gehören), mit deren Häufigkeit in den X-Chromosomen der heute lebenden Menschen. Heraus kam, daß dies (Nachkommen) möglicherweise nur viermal vorgekommen sei.

Fazit:
  • Eine Vermischung muß es gegeben haben - wie auch immer. Svante Pääbo und ein Team aus Genetikern, Frühmenschenforschern, Archäologen und weiteren Spezialisten verkündeten 2010 im Magazin 'Science':
    • "All jene von uns, die außerhalb Afrikas leben, tragen ein kleines bisschen Neandertaler in sich"
Ich möchte nicht überheblich oder besserwisserisch erscheinen, aber ...

Laut Duden ist eine Spezies:
  • eine "besondere, bestimmte Art, Sorte von etwas ... von einer Gattung" (eine besondere Spezies Mensch) - eine "eine ausgestorbene, seltene Spezies ... die Spezies Mensch, Homo sapiens ... unsere Spezies"
Was Du vermutlich meinst, sind: "Hybride" ... 'Arthybride' oder 'Hybridarte'. Arthybriden sind vielfach nicht oder nur verringert fertil - es scheint aber etliche Ausnahmen zu geben. Von Arthybriden oder Hybridarten spricht man, wenn eine Kreuzung zwischen unterschiedlichen Arten vorliegt.
  • Maultier (Muli) ist so ein Fall - bestimmt bekannt. Ein Maultier ist das Kreuzungsprodukt einer Pferdestute und eines Eselhengstes. Maultiere können den Geschlechtsakt ausführen (sie verfügen auch über einen natürlichen Geschlechtstrieb), sind aber stets unfruchtbar.
    • (nur gelegentlich kommen fruchtbare Stuten hervor.)
Hybriden, deren Eltern derselben Art angehören (die also lediglich verschiedene genetische Linien, Sorten oder Rassen darstellen), sind meist fertil. Vielfach tritt aber ab der folgenden Generation eine Aufspaltung der Merkmale ein. (mendelsche Regel)

Nichts für Ungut! Aber dies mußte rauß! Danke für die Aufmerksamkeit.
Bei hybriden würden ja keine neandertaler gene überlebt haben. Wer solle die denn mehr als eine generation weitergeben?
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Cat with a whip
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Re: ausgestorben wegen genetischem Flaschenhals? Unfug!

Beitrag von Cat with a whip »

Für Mitleser wirds ausserdem unübersichtlich wenn unnötige Fullquotes von langen Texten gemacht werden, wenn ohnehin nur ein Detail nachgefragt wird.

Dort steht "Hybride von Eltern derselbenr Art". Weiterhin werden Ausnahmen extra betont. Damit erübrigt sich doch die Frage.

Der Begriff Hybridisierung ist keineswegs für die Kreuzung zweier verschiedener Arten reserviert. Weiterhin ist der Artbegriff selbst willkürlich und nicht widerspruchsfrei und ist keineswegs an die Bedingung geknüpft, dass Nachkommen einer Hyridisierung aus zwei versch. Arten unfruchtbar sein müssen. Arthybridisierung ist normal im Tierreich.
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Tantris
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Re: ausgestorben wegen genetischem Flaschenhals? Unfug!

Beitrag von Tantris »

Cat with a whip » Mo 30. Jun 2014, 02:43 hat geschrieben:Für Mitleser wirds ausserdem unübersichtlich wenn unnötige Fullquotes von langen Texten gemacht werden, wenn ohnehin nur ein Detail nachgefragt wird.

Dort steht "Hybride von Eltern derselbenr Art". Weiterhin werden Ausnahmen extra betont. Damit erübrigt sich doch die Frage.

Der Begriff Hybridisierung ist keineswegs für die Kreuzung zweier verschiedener Arten reserviert. Weiterhin ist der Artbegriff selbst willkürlich und nicht widerspruchsfrei und ist keineswegs an die Bedingung geknüpft, dass Nachkommen einer Hyridisierung aus zwei versch. Arten unfruchtbar sein müssen. Arthybridisierung ist normal im Tierreich.
WAs unterscheidet dann die hybridisierung von der normalen fortpflanzung zwischen zwei rassen?

Sind schon ähnlich viele esel-gene bei den pferden gelandet?
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Der Neandertaler
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Re: ausgestorben wegen genetischem Flaschenhals? Unfug!

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo Cat with a whip.
Cat with a whip hat geschrieben:Der Neanderthaler soll angeblich nicht so musisch druff gewesen sein. Warscheinlkich wars so, dass der Homo Sapiens aus Afrika gleich mal frech beim Herr und Frau Neanderthal eingezogen ist, ihnen die Höhlenwände getagged und dann mit Aggrorhymes an die selbige gebattelt haben. Das hat er nervlich nicht mehr verkraftet, weil er mit schon hundertausenden Jahren auf dem Buckel zu bodenständig für dieses zweckfreie neumodische Zeugs wurde. "Verzierungen in Speere? Was soll der dusselige Schnick-schnack, da mach ich nicht mehr mit."
Dat war et wahrscheinlich!
Wenn bei Dir Gäste einziehen, 'Gäste', die Du nicht bestellt ... eingeladen hast (die sich also selbst eingeladen haben), und die Dir dann noch alles Wohlgeordnete in Deiner Umgebung ... in Deiner Wohnung durcheinander bringen, ... wer würde da nicht fliehen.

In unseren höhlenartigen Wohnräumen lebten wir auf drei Ebenen, die wir auf unterschiedliche Weise nutzten. Die oberste Ebene diente uns als eine Art Werkbank - dort hat mein Vater Tiere getötet und zerlegt.
Ich weiß noch, wie meine Mutter immer schimpfte, wenn wir im Wohnzimmer (dat hatten wir auf der mittleren Ebene), wenn wir Kinder dort werkelten und die anfallenden Splitter der Tierknochen, die bei der Herstellung von Steinwerkzeugen angefallen sind, wenn wir die nach getaener Arbeit nicht an den vorderen Rand gekehrt haben. Aber als Aufenthaltsraum diente uns der gut gefegte Raum um die Feuerstelle herum.
Forscher um den Paläoanthropologen Julien Riel-Salvatore von der University of Colorado Denver - 2013:
  • "Wir haben herausgefunden, daß die Neandertaler ihre Sachen nicht einfach irgendwohin geworfen haben, sondern in ihren Wohnräumen gut organisiert und umsichtig waren.
    Im Großen und Ganzen ist diese Studie ein weiterer Beleg dafür, daß die Neandertaler eine Art Logik nutzten, um ihren Lebensraum zu organisieren."
    • (hätten se mich mal gefragt - dat Geld und die Zeit hätten se sich sparen können!)
Cat with a whip hat geschrieben:... nicht so musisch druff gewesen sein."
Was soll dat denn heißen?
Wenn wir früher so um's Feuer saßen, erinnere ich mich, haben wir uns nicht nur Geschichten von den besten, größten und schönsten Jagdgebieten erzählt - von großen Mammutherden. Erzählt und erklärt wurde auch, wo auf den großen Wanderungen die besten und geräumigsten Höhlen zu finden waren. Aber wo Höhlen sind, ... die haben teilweise schon Untermieter: Höhlenbären. Da wir aber schon immer recht geschicht und erfinderisch waren, wurde nicht nur das Fleisch der erlegten Höhlenuntermieter verwertet, sondern auch deren Knochen.
Ein Ur-Ur-Ur-(ach, ich weiß nicht wieviel Uhren er hatte)-Onkel, väterlicherseits, nahm ein Stück vom Oberschenkelknochen eines Bären, brach es auf die erforderliche Länge, höhlte ihn aus und bohrte zwei Löcher hinein.
  • (zwei Fingerlöcher reichten erstmal - für den Anfang, später wurden es vier)
An den Bruchkanten fügte er jeweils weitere Lochränder hinzu.
Und so haben wir geflötet!

So, und nun stell Dir vor, da kommt jemand (uneingeladen!), der bringt Dir alles durcheinander, er spannt Dir vielleicht auch noch die holde Weiblichkeit aus (weil er grazieler, beweglicher ausschaut) und Du mußt ihm umständlich ... sehr umständlich erst die Flötentöne beibringen?

Letztens hab ich noch gelesen, daß der Musikwissenschaftler Bob Fink (Kanada) 1998 solch ein Ding untersucht hat. Er hat die 1995 von dem Archäologen Ivan Turk in der 'Divje Babe I'-Höhle (im Idrijca Tal/Slowenien) entdeckte Knochenflöte analysiert.
Er stellte fest, daß der Abstand zwischen dem zweiten und dritten Loch auf dem Knochen doppelt so groß ist, wie der zwischen dem dritten und vierten Loch. Somit entsprechen die Intervalle einem ganzen und einem halben Ton. Mit dem Instrument konnte man mindestens vier Töne erzeugen, die der dritten, vierten und sechsten Note der kleinen diatonischen Tonleiter entsprechen. Er hat das Alter auf auf 43.000 bis 67.000 Jahre datiert - die Flöte stammt damit also aus der Zeit der Neandertaler.
  • (wenn das mal nicht die Flöte meines Ur-Ur-...-Onkels war!)
Der 'moderne' Mensch schaffte es erst viel Jahre später, solche Flöteninstrumente herzustellen ... und zu benutzen! ... und dann nur welche mit drei Fingerlöcher!
  • (wahrscheinlich konnte er anfangs nur bis drei zählen!)
Gefunde Flöten des anatomisch modernen Menschen sind deutlich jünger und viel einfacher gebaut. In der Geißenklöstere-Höhle bei Blaubeuren wurde soeine gefunden: Alter etwa 40.000 Jahre - aber, wie erwähnt, nur mit drei Fingerlöcher!
  • (und die werden nun aber als der Beginn der menschlichen Kultur gesehen - tzzz, tzzz, tzzz)
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
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Papaloooo
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Re: ausgestorben wegen genetischem Flaschenhals? Unfug!

Beitrag von Papaloooo »

Inzucht ist natürlich die Folge,
wenn die Menge der Individuen in lokalen Bereichen dramatisch zurückgeht.
Und dies wird dann der letzte Todesstoß für die humanoide Spezies gewesen sein.
Hätte es damals eine Dating-Plattform gegeben,
und ein gutes Funknetz, dann hätten sich ja noch genügend Neandertaler finden lassen,
um die Inzucht zu verhindern.

Aber Inzucht wird nicht der Auslöser für den Rückgang der Spezies gewesen sein.
Für die Eiszeit waren sie mehr gemacht, als Sapiens.
Sapiens war aber wohl anpassungsfähiger, als die Eiszeit endete.
Hätten sie nicht die Konkurrenz durch Sapiens gehabt,
hätten sie wohl diese Anpassung auch geschafft.
An für sich haben ja beide Spezies lange koexistiert.
Nur hatte Sapiens wohl bei den Änderungen der Umweltbedingungen die Nase vorn.
Und so geriet der Neandertaler so weit ins Hintertreffen,
bis nur noch so wenig aus den Sippen übrig blieben,
dass es zur Inzucht kam.
Wir sind doch hier nicht im Trollhouse!
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