ÖRR - struktureller Reformbedarf

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jack000
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von jack000 »

syna hat geschrieben:(22 Jul 2021, 20:33)
2. Die Finanzierung der neuen ÖRR muss vollständig auf
Steuerfinanzierung umgestellt werden.
Warum? Zahlen muss der Bürger so oder so. Daher macht es Sinn Transparenz zu schaffen indem die Rundfunkgebühr in eine Kopfsteuer (z.B. 10 Personen schauen mehr Fernsehen als 2) umgewandelt und quartalsweise in Bar direkt an der Haustür abkassiert wird.
=> Danach macht man dann eine Umfrage, ob es strukturelle Änderungen beim ÖR geben sollte.
Sledge Hammer: Ich mag einem Verbrecher nicht seine Verbrechen vorlesen ... aber ich kann wenigstens lesen!
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Skeptiker »

Kritikaster hat geschrieben:(23 Jul 2021, 12:40)
Unfug. :rolleyes:

Natürlich darf sich jede/r wünschen, was sie/er möchte. Aussagen dergestalt wie etwa "muss neu definiert werden" oder etwas "darf nicht zur Grundversorgung gehören" sind jedoch so absolut formuliert, dass man dem die Rechtslage entgegen halten sollte, vielleicht sogar muss.

Es besteht nämlich genauso wenig ein "Muss" für das geforderte, wie es der Zustimmung einzelner UserINNEN für die Festlegung dessen bedarf, was Teil des Programmauftrags sein "darf". Derartige Dinge mit "sollte" oder "sollte nicht" anzusprechen, wäre die richtige Ausdrucksweise, um "Wünsche" zu äußern.
Das ist Forderungen. Selbstverständlich kann man Forderungen im Imperativ formulieren. Dass man einer entsprechenden Formulierung mit formaljuristischen Entgegenhaltungen kommt, zeit eigentlich eine Gewisse Leere in der Argumentation. Für mich Erbsenzählerei. :rolleyes:
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Vongole
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Vongole »

Skeptiker hat geschrieben:(23 Jul 2021, 17:35)

Das ist Forderungen. Selbstverständlich kann man Forderungen im Imperativ formulieren. Dass man einer entsprechenden Formulierung mit formaljuristischen Entgegenhaltungen kommt, zeit eigentlich eine Gewisse Leere in der Argumentation. Für mich Erbsenzählerei. :rolleyes:
Sicherlich kann man eine Forderung, die jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehrt, im Imperativ formulieren.
Dann muss man aber auch damit leben, dass andere User diese Forderung schon deswegen als grundfalsch betrachten.
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Skeptiker »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(23 Jul 2021, 15:04)
Stimmt, wobei Grundversorgung für mich impliziert, dass eben ein Vollprogramm in der Breite abgedeckt wird, also Nachrichten, Unterhaltung, Kultur, Sport, Bildung. Alles andere ergibt auch wenig Sinn, denn dann würden die Marktanteile des ÖRR noch kleiner werden, sprich die Anzahl der Nutzer sinken. Damit würden immer noch mehr für immer weniger bezahlen, die das Angebot noch nutzen. Nur wird halt weniger bezahlt. Das Grundproblem bleibt aber.
Da bin ich eben fundamental anderer Meinung.

Eine Grundversorgung sollte in meinen Augen die Defizite ausgleichen, die der Markt nicht abbildet - aus welchen Gründen auch immer.

Beispiel: Sagen wir mal es gäbe ein Gesetz zur Grundversorgung der Bürger mit Joghurt. Das kann man natürlich auf unterschiedliche Weise umsetzen.
1. Man stellt jedem Bürger morgens einen Sechserpack Joghurt ungefragt vor die Tür.
2. Man analysiert den Markt und gleicht die Warenverfügbarkeit mit den Zielen der Grundversorgung aus. Dort wo Defizite bestehen greift der Staat ein um die Grundversorgung mit Joghurt zu retten.

Beim Fernsehen - nicht etwa bei anderen Medien - hat man sich für Variante 1 entschieden. Es wäre aber absurd zu glauben, dass dies die einzig sinnvolle Interpretation von "Grundversorgung" ist - tatsächlich ist es ein staatlich garantiertes Programmproduktionssystem, mit dem sich super Geld machen lässt, und welches man viel besser kontrollieren kann, als private Anbieter. In Deutschland, einem Land in dem die Bürger traditionell marktskeptisch und staatsgläubig sind, ein WinWin für ÖR-Nutzniesser und Schäfchenbürger. Wer halt eher im Markt Vorteile sieht, der ist halt in Deutschland in einer Minderheit.
Skeptiker

Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Skeptiker »

Vongole hat geschrieben:(23 Jul 2021, 17:45)
Sicherlich kann man eine Forderung, die jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehrt, im Imperativ formulieren.
Dann muss man aber auch damit leben, dass andere User diese Forderung schon deswegen als grundfalsch betrachten.
Oh, ich hoffe Syna ist ja auch nicht daran gestorben. Natürlich kann man damit leben. Es ist halt nur sachlich leere Argumentation.

Im Kern besagt das Argument ja "was nicht im Rahmen heutiger Gesetze ist, das darf man sich nicht wünschen". Supi, dann können wir die gesamte Legislative abschaffen, weil es ja außerhalb der schon bestehenden Gesetze keine möglichen Wünschen geben kann/darf.

Eine sachliche Diskussion würde Synas Forderung nicht abblocken, sondern ihr entgegenhalten warum das falsch wäre (mal abgesehen davon, dass seine/ihre Forderung vollkommen richtig ist). Aber naja, inhaltliche Debatte ist halt nur die Notlösung, wenn wir mit Erbsenzählerei die Diskussion nicht abwürgen können ... :rolleyes:
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Vongole »

Skeptiker hat geschrieben:(23 Jul 2021, 17:53)
(..)

Eine sachliche Diskussion würde Synas Forderung nicht abblocken, sondern ihr entgegenhalten warum das falsch wäre.. .
Dieser Forderung wurde hier schon vielmals sachlich widersprochen, nur verpuffen die fachlichen Gegenargumente völlig wirkungslos. Warum also alten Brei wieder und wieder aufwärmen?
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Kritikaster »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(23 Jul 2021, 15:04)

Stimmt, wobei Grundversorgung für mich impliziert, dass eben ein Vollprogramm in der Breite abgedeckt wird, also Nachrichten, Unterhaltung, Kultur, Sport, Bildung.
Genau so ist es, und deshalb sind bislang die Angriffe der ÖR-Hasser auf den Programmauftrag, die von deren Seite auf dem Weg über das Verfassungsgericht erfolgten, im wesentlichen gescheitert. Und das ist auch gut so.

Daran erinnert werden diese Personen offensichtlich nur nicht allzu gerne. ;)
Der am höchsten entwickelte Sinn ist der Unsinn. (Peter E. Schumacher)
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Skeptiker hat geschrieben:(23 Jul 2021, 17:48)

Da bin ich eben fundamental anderer Meinung.

Eine Grundversorgung sollte in meinen Augen die Defizite ausgleichen, die der Markt nicht abbildet - aus welchen Gründen auch immer.

Beispiel: Sagen wir mal es gäbe ein Gesetz zur Grundversorgung der Bürger mit Joghurt. Das kann man natürlich auf unterschiedliche Weise umsetzen.
1. Man stellt jedem Bürger morgens einen Sechserpack Joghurt ungefragt vor die Tür.
2. Man analysiert den Markt und gleicht die Warenverfügbarkeit mit den Zielen der Grundversorgung aus. Dort wo Defizite bestehen greift der Staat ein um die Grundversorgung mit Joghurt zu retten.

Beim Fernsehen - nicht etwa bei anderen Medien - hat man sich für Variante 1 entschieden. Es wäre aber absurd zu glauben, dass dies die einzig sinnvolle Interpretation von "Grundversorgung" ist - tatsächlich ist es ein staatlich garantiertes Programmproduktionssystem, mit dem sich super Geld machen lässt, und welches man viel besser kontrollieren kann, als private Anbieter. In Deutschland, einem Land in dem die Bürger traditionell marktskeptisch und staatsgläubig sind, ein WinWin für ÖR-Nutzniesser und Schäfchenbürger. Wer halt eher im Markt Vorteile sieht, der ist halt in Deutschland in einer Minderheit.
Ich versuche es mal anders zu erklären. Wenn der Staat den Antrag einer Grundversorgung mit Lebensmitteln hätte, dann würde die Versorgung eben die gesamte Breite von Lebensmitteln umfassen, die eben für eine Grundversorgung ausreichen und nicht nur das was eben vom Markt nicht angeboten wird. Zweiteres wäre eben keine Grundversorgung sondern eine Versorgung mit Gütern die der Markt nicht anbietet. Dafür kann man dann eben erwarten, dass die Grundversorgung eine entsprechende Qualität hat und preislich attraktiv ist. Aber eben auch nichts oder wenig enthält was darüber hinausgeht.
Wenn man mal dieses Verständnis einer Grundversorgung hat, wäre zu diskutieren, ob der Staat in Bezug auf den ÖR dieser Aufgabe nachkommt. Und da bin ich der Meinung, dass er weit darüber hinausschießt, also mehr als die Grundversorgung liefert, zu Lasten derjenigen die das eben bezahlen müssen und vor allem das Angebot nicht nutzen. Und das funktioniert eben wie so oft nur über staatlichen Zwang, also dass man alle verpflichtet das zu bezahlen. Und das wiederum öffnet Tür und Tor für die für staatliche Organisationen übliche Verselbständigung weg vom eigentlichen Auftrag. Reicht das Geld nicht mehr erhöht man einfach die Zwangsgebühren ohne sich darüber die Gedanken zu machen inwieweit der Kunde das will. Denn der hat ja die Wahl nicht, das Angebot nicht anzunehmen und dementsprechend nicht dafür zu bezahlen.
Die Lösung läge somit in einer Reduzierung der Vielfalt, aber eben nicht in einer Reduzierung der Breite des Angebots. Warum sollte z.B. eine Versorgung wie in Österreich nicht auch in Deutschland reichen. Würden wir über Grundversorgung reden gäbe es keinen Grund, dass die Grundversorgung in D eine andere ist als in AT. Der Vorteil in D wäre, dass man aufgrund der höheren Einwohnerzahl deutlich niedrigere Rundfunkgebühren hätte. So denkt der Staat aber nicht. Hier scheint es vielfach so sein, dass man halt schaut was man dem Bürger abknöpfen kann und sich das Angebot eben daran orientiert das Geld auch auszugeben, statt daran was Grundversorgung tatsächlich heißt.
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Kritikaster hat geschrieben:(23 Jul 2021, 18:34)

Genau so ist es, und deshalb sind bislang die Angriffe der ÖR-Hasser auf den Programmauftrag, die von deren Seite auf dem Weg über das Verfassungsgericht erfolgten, im wesentlichen gescheitert. Und das ist auch gut so.

Daran erinnert werden diese Personen offensichtlich nur nicht allzu gerne. ;)
Wobei man über die Effizienz mit der die Grundversorgung "sichergestellt" durchaus nachdenken sollte. Siehe mein letzter Beitrag.
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syna
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von syna »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(23 Jul 2021, 15:04)

Stimmt, wobei Grundversorgung für mich impliziert, dass eben ein Vollprogramm in der Breite abgedeckt wird, ...
Stimmt. Für mich allerdings bedeutet die "Grundversorgung durch den ÖRR" die "Grundversorgung im Sinne unseres
demokratischen Gemeinsinns". Grund: Sie wird von der Gemeinschaft bezahlt. Und da gehören eben
Unterhaltung und Sport nicht dazu. :thumbup:
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

syna hat geschrieben:(23 Jul 2021, 20:27)

Stimmt. Für mich allerdings bedeutet die "Grundversorgung durch den ÖRR" die "Grundversorgung im Sinne unseres
demokratischen Gemeinsinns". Grund: Sie wird von der Gemeinschaft bezahlt. Und da gehören eben
Unterhaltung und Sport nicht dazu. :thumbup:
Natürlich gehört Unterhaltung und Sport auch dazu, wobei man durchaus in Frage stellen kann ob das rechtfertigt Unsummen für Übertragungsrechte von Bundesligaspielen im Fußball zu bezahlen oder sich bei Unterhaltung im Niveaulimbo mit den Privaten zu messen.
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syna
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von syna »

BlueMonday hat geschrieben:(23 Jul 2021, 15:31)

Und das Grundproblem besteht nach wie vor im Zwangschararakter der Finanzierung.
Ganz genau!

Dieser Zwangschararakter bringt es mit sich, dass ganz besonders hohe Anforderungen an
die Gelder dieser Zwangsgebühren gestellt werden müssen. D.h. sie dürfen nicht
verschwendet werden.

Und daraus folgen genau diese Forderungen: Keine Gelder für Promis wie Gottschalk oder
Till Schweiger oder millionenschwere Fußballprofis. Diese mit Zwangsgeldern zu finanzieren,
das ist einfach pervers! :mad:
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syna
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von syna »

Syna hat geschrieben:In aller Kürze:

1. Historische Entwicklung: In den Nachkriegsjahren
gehörten Unterhaltung und Sport dazu. Heute nicht mehr.
Alexyessin hat geschrieben:(23 Jul 2021, 16:40)
Das ist deine Behauptung. Warum denn nicht?
Haha, jaja, das ist meine Behauptung. :D

Aber sehen wir mal, was unser Altmeister H2O dazu
schon sagte:
H2O hat geschrieben: In den Anfangsjahren des Rundfunks stand ein Angebot an allgemeiner Unterhaltung flächendeckend nicht zur Verfügung. Diese Lücke hat der ÖRR folgerichtig ausgefüllt. Inzwischen sehe ich eher ein Überangebot dieser Unterhaltung. Das Überangebot könnte man beim ÖRR beschneiden ohne dadurch eine Lücke auf zu reißen.
Genau - H2O führt hier die historische Betrachtung auf:

Bei Gründung der Rundfunkanstalten vor 70 Jahren war an
privatrechtlich kommerzielle Sender gar nicht zu denken. Und
so musste der ÖRR hier die ganze Palette abdecken:
Information, Bildung, Unterhaltung und Sport - eigentlich alles,
was überhaupt gesendet und verbreitet werden kann.

Unsere aktuelle Gesetzgebung, der "Rundfunkstaatsvertrag",
ist immer noch im Sinne dieser Anfangsjahre formuliert. Der
RStV - so hat man den Eindruck - atmet immer noch den
Geist der Nachkriegsjahre ab 1950.

Wir haben aber heute einge ganz andere, pluralistische
Medienlandschaft. Da passt der "Nachkriegsgeist"
überhaupt nicht mehr hinein.
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syna
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von syna »

Syna hat geschrieben:2. Die Finanzierung der neuen ÖRR muss vollständig auf
Steuerfinanzierung umgestellt werden.
jack000 hat geschrieben:(23 Jul 2021, 16:54)

Warum? Zahlen muss der Bürger so oder so. Daher macht es Sinn Transparenz zu schaffen, indem die Rundfunkgebühr in eine Kopfsteuer (z.B. 10 Personen schauen mehr Fernsehen als 2) umgewandelt und quartalsweise in Bar direkt an der Haustür abkassiert wird.
=> Danach macht man dann eine Umfrage, ob es strukturelle Änderungen beim ÖR geben sollte.
Haha, ich mag Deine sarkastischen Einwürfe! :D

Wir haben momentan eine Quasi-Kopfsteuer: Die Gebühren werden pro
Haushalt erhoben. Wir haben in den Ballungsräumen über 50% Single-
Haushalte, und für diese ist die Haushaltsabgabe eine Kopfsteuer!

Eine Kopfpauschale ist die krudeste, unsozialste, feudalherrrschafts-arroganteste
Erhebungsart überhaupt; sie ist in demokratischen Gemeinschaften indiskutabel. Wir
glaubten, so eine Erhebung sei seit dem Mittelalter Geschichte! Aber nein: Die ÖRR-
Beitragsregelung ab 2013 ist genau so eine Kopfpauschale für beinahe die meisten
Haushalte.

Warum aber Steuerfinanzierung?


1. Mit den Steuern könnten die ÖRR finanziert werden. Man müßte dann nicht mit
überboardendem bürokratischen Aufwand eine zusätzlich Gebührenerhebungs-
maschinerie - wie ja jetzt die GEZ (neudeutsch AZDB) und all ihre Agenturen -
am Laufen halten.

2. Steuern werden sozial kompatibel erhoben: Geringverdiener zahlen weniger,
Gutverdiener mehr. Kleinunternehmer würden nicht so überproportional belastet, und
diejenigen, die ein großes Einkommen haben, zahlen einen größeren Anteil.

3. Die ÖRR-Leute werden, wie andere Bedienstete auch, gemäß des Tarifs des
"Öffentlichen Dienstes" bezahlt. Die zur Zeit üblichen überbordenden Personalgehälter
wären damit Vergangenheit (die meisten Intendanten haben ein höheres Salär
als die Bundeskanzlerin).

Also (1) bis (3): Viele Vorteile - deshalb: Umstieg auf Steuerfinanzierung!
Zuletzt geändert von syna am Sa 24. Jul 2021, 08:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Alexyessin »

syna hat geschrieben:(23 Jul 2021, 20:39)

Haha, jaja, das ist meine Behauptung. :D
Ja, du sagst es. Es ist DEINE Behauptung. Begründe diese doch mal ordentlich.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
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Mia glangt das i woas das i kennt wenn i woin dadat
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Sören74 »

syna hat geschrieben:(22 Jul 2021, 20:33)

1. Die "Grundversorgung" muss neu definiert werden. Alles
was mainstream-tauglich ist, was reine Unterhaltung ist
(Tatort, Kochsendungen, Spielshows) und was Massensport
ist (Fußball, Olympia), darf nicht zur Grundversorgung
gehören.
Wenn Grundversorgung dadurch definiert wird, was durch "private" nicht abgedeckt wird, dann müsste man konsequenterweise auch die Grundversorgung bei Krankenkassen neu definieren. Dann dürften gesetzliche KK nicht mehr das anbieten, was schon private KK anbieten. Man könnte auch sagen, die Beförderung von Briefen gehört nicht mehr zur Grundversorgung, weil die auch durch private Postanbieter angeboten werden.
Sören74

Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Sören74 »

Skeptiker hat geschrieben:(23 Jul 2021, 17:48)
Eine Grundversorgung sollte in meinen Augen die Defizite ausgleichen, die der Markt nicht abbildet - aus welchen Gründen auch immer.

Beispiel: Sagen wir mal es gäbe ein Gesetz zur Grundversorgung der Bürger mit Joghurt. Das kann man natürlich auf unterschiedliche Weise umsetzen.
1. Man stellt jedem Bürger morgens einen Sechserpack Joghurt ungefragt vor die Tür.
2. Man analysiert den Markt und gleicht die Warenverfügbarkeit mit den Zielen der Grundversorgung aus. Dort wo Defizite bestehen greift der Staat ein um die Grundversorgung mit Joghurt zu retten.
Man muss es gar nicht so abstrakt machen. Es gibt ja in einigen Bereichen gesetzlich beschriebene Grundversorgungen. Zum Beispiel bei der Übersendung von Briefen und Paketen. Das wird im PUDLV - Post-Universaldienstleistungsverordnung beschrieben. Die Deutsche Post AG muss eine gesetzlich geforderte Grundversorgung gewährleisten. Da könnte man auch sagen, brauchen wir doch nicht, es gibt auch Privat-Postanbieter, die Briefe und Pakete versenden.
Sören74

Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Sören74 »

syna hat geschrieben:(23 Jul 2021, 20:32)

Und daraus folgen genau diese Forderungen: Keine Gelder für Promis wie Gottschalk oder
Till Schweiger oder millionenschwere Fußballprofis. Diese mit Zwangsgeldern zu finanzieren,
das ist einfach pervers! :mad:
Tja, der eine findet das pervers, der andere nicht. Deshalb gibt es in Demokratien definierte Gremien, die bei Meinungsunterschieden dann endgültig entscheiden müssen. Und das passiert beim ÖRR. :)
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von H2O »

Kritikaster hat geschrieben:(23 Jul 2021, 12:40)

Unfug. :rolleyes:

Natürlich darf sich jede/r wünschen, was sie/er möchte. Aussagen dergestalt wie etwa "muss neu definiert werden" oder etwas "darf nicht zur Grundversorgung gehören" sind jedoch so absolut formuliert, dass man dem die Rechtslage entgegen halten sollte, vielleicht sogar muss.

Es besteht nämlich genauso wenig ein "Muss" für das geforderte, wie es der Zustimmung einzelner UserINNEN für die Festlegung dessen bedarf, was Teil des Programmauftrags sein "darf". Derartige Dinge mit "sollte" oder "sollte nicht" anzusprechen, wäre die richtige Ausdrucksweise, um "Wünsche" zu äußern.
Mit "sollte" und "sollte nicht" müssen wir Wahlbürger wohl den Gesetzgeber ansprechen. Richter entscheiden nach Lage der Gesetze... Unsere sogenannten Volksparteien (>10%) sind aber zu tief in das bestehende Rundfunksystem eingebunden... der Drang zu Änderungen wird sich deshalb nicht so leicht durchsetzen lassen. Der Witz ist doch, daß die Rundfunkanstalten sich blitzschnell und auch gekonnt mit der technischen Entwicklung anfreunden konnten, daß sie ansonsten aber ihren Auftrag erfüllen, der ihnen so unter ganz anderen technischen Voraussetzungen gesetzlich erteilt worden war.

Aber aus meiner Sicht gibt es wichtigere Dinge, die der Gesetzgeber vordringlich auf die Reihe bringen muß: Energiewende, Katastrophenschutz, Siedlungswesen, Infrastruktur, Wasserwirtschaft. Vermutlich schon gar nicht mehr auf nationaler Ebene sinnvoll an zu gehen!
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tarkomed
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von tarkomed »

Skeptiker hat geschrieben:(23 Jul 2021, 17:48)

Da bin ich eben fundamental anderer Meinung.

Eine Grundversorgung sollte in meinen Augen die Defizite ausgleichen, die der Markt nicht abbildet - aus welchen Gründen auch immer.

Beispiel: Sagen wir mal es gäbe ein Gesetz zur Grundversorgung der Bürger mit Joghurt. Das kann man natürlich auf unterschiedliche Weise umsetzen.
1. Man stellt jedem Bürger morgens einen Sechserpack Joghurt ungefragt vor die Tür.
2. Man analysiert den Markt und gleicht die Warenverfügbarkeit mit den Zielen der Grundversorgung aus. Dort wo Defizite bestehen greift der Staat ein um die Grundversorgung mit Joghurt zu retten.

Beim Fernsehen - nicht etwa bei anderen Medien - hat man sich für Variante 1 entschieden. Es wäre aber absurd zu glauben, dass dies die einzig sinnvolle Interpretation von "Grundversorgung" ist - tatsächlich ist es ein staatlich garantiertes Programmproduktionssystem, mit dem sich super Geld machen lässt, und welches man viel besser kontrollieren kann, als private Anbieter. In Deutschland, einem Land in dem die Bürger traditionell marktskeptisch und staatsgläubig sind, ein WinWin für ÖR-Nutzniesser und Schäfchenbürger. Wer halt eher im Markt Vorteile sieht, der ist halt in Deutschland in einer Minderheit.
Blindes Marktvertrauen wäre aus meiner Sicht naiv. Der Markt deckt nur Bedürfnisse, die Profit versprechen und er richtet sich nicht nach den Interessen der Allgemeinheit, sondern nach seinen eigenen Interessen. Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Gemeinwohl und ähnliche Werte sind für den Markt nur solange interessant, solange sie nicht mit seinen Interessen kollidieren.
Dein Beispiel mit dem Joghurt ist ein totaler Fehlgriff, denn es bezieht sich auf eine Grundversorgung, die nur einen Einheitsbrei zu bieten hat. Das gilt für totalitären Staaten, aber nicht für Deutschland. Um eine solche Grundversorgung zu bedienen, bräuchte der ÖRR nur eine Sendezeit von zwei bis drei Stunden auf den Tag verteilt.
Selbst in den Staatsmedien totalitärer Staaten wird neben der Staatspropaganda auch Unterhaltung angeboten, sonst kann man die Zielgruppe nicht erreichen.
Es geht um Informationsvielfalt im ÖRR, um die Bürger nicht den Rattenfängern zum Opfer werden zu lassen. Die Unterhaltung dient lediglich dazu, dass die Bürger das Interesse für den ÖRR nicht verlieren und sich dadurch nur noch aus dubiosen Quellen informieren. Dass das bei vielen bereits der Fall ist, sieht man auch hier.
Am Beispiel der Grundversorgung mit sauberem Trinkwasser in Deutschland kann man viel besser die Parallele zum ÖRR ziehen. Man überlässt es aus gutem Grund nicht dem freien Markt, denn es gibt Beispiele wie in den USA, die zeigen, dass das Wasser schnell zum Spekulationsobjekt wird und die Wasserversorgung und die Wasserqualität zum Spielball der Märkte.
https://www.daserste.de/information/pol ... t-100.html
Gib dich nicht so, dass alle andern dich für etwas halten, was du nicht sein willst.
Wenn sie es trotzdem tun, dann bist du es...
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syna
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von syna »

Syna hat geschrieben:
1. Die "Grundversorgung" muss neu definiert werden. Alles
was mainstream-tauglich ist, was reine Unterhaltung ist
(Tatort, Kochsendungen, Spielshows) und was Massensport
ist (Fußball, Olympia), darf nicht zur Grundversorgung
gehören.
Sören74 hat geschrieben:(23 Jul 2021, 23:19)

Wenn Grundversorgung dadurch definiert wird, was durch "private" nicht abgedeckt wird, dann müsste man konsequenterweise auch die Grundversorgung bei Krankenkassen neu definieren. Dann dürften gesetzliche KK nicht mehr das anbieten, was schon private KK anbieten. Man könnte auch sagen, die Beförderung von Briefen gehört nicht mehr zur Grundversorgung, weil die auch durch private Postanbieter angeboten werden.
Nun, das sind gute Argumente! Respekt! :thumbup:

Diese Argumente sind nicht so einfach vom Tisch zu wischen,
sie haben mich gezwungen, länger nachzudenken. ;)

In den angeführten Beispielen "Krankenkassen" und "Postbeförderung"
sind die Dinge komplizierter als auf den ersten Blick sichtbar.

-------------------------------------
1. K r a n k e n k a s s e n
-------------------------------------

Im Prinzip ist obiges Argument auch richtig: Eine staatliche
Krankenversorgung müsste all das abdecken, was "private"
nicht abdecken. Das würde bedeuten: Standard-Operationen,
die viel Geld einbringen und lukrativ sind, sind durch
private Versicherungen abgedeckt. Schwierige Operationen
und seltene Krankheiten werden von staatlichen oder gesetzl.
Versicherern beglichen.

Aus 2 Gründen geht das nicht:

1. Der Administrativer Aufwand wäre hoch: Der Patient
müsste ständig zwischen diesen Abrechnungsmodalitäten
hin- und herwechseln, zahlreiche Detail-Regelungen müssten
erdacht werden. Der Arzt muss bei jeder Diagnose und
Behandlung ständig entscheiden, in welchem "Abrechnungs-
Modus" er denn jetzt ist.

2. Wir haben ein gewachsenes Gesundheitssystem, in welchem
die Art der Versicherung ja nicht nach "Leistung" differenziert
ist (außer bei Zusatzversicherungen im Dentalbereich). Die
Versicherung ist stattdessen nach Personen differenziert: Die
einen sind gesetztl. versichert, die anderen privat. Dieses
"2-Klassenproblem" ist aber ein gesondertes Thema.

-----------------------------------------------------------------------------

Also das Prinzip "massentauglich lukrativ" --> privat" und
"selten aber wichtig --> staatlich" lässt sich nur schwer
übertragen auf das Gesundheitssystem, weil der bürokratische
Overhead immens anwachsen würde.

-------------------------------------
2. P o s t b e f ö r d e r u n g
-------------------------------------

Auch hier ist obiges Argument eigentlich gut: Die private
Postbeförderung deckt die urbanen Ballungsräume ab, denn
dort kann man effizient und kostendeckend arbeiten. Der
staatliche Beförderungsdienst deckt dagegen die entlegenen
ländlichen Gebiete ab.

Das ist unpraktibel, weil ein "staatlicher Beförderungsdienst",
also eine "abgespeckte Post" einerseits die letzte Meile
bedienen muss, um in die entlegenen Landesteile zu kommen.
Sie muss aber trotzdem auch die großen Strecken bedienen.

Beispiel: Um einen Brief von Oberammergau nach Westerborstel
zu befördern, sind folgende Teilstrecken zu absolvieren:

1. Oberammergau --> München entlegene Strecke
2. München --> Hamburg Hauptstrecke, machen auch die privaten
3. Hamburg --> Westerborstel entlegene Strecke

Hier macht die Trennung also keinen Sinn, weil der staatliche
Beförderungsdienst AUCH sowieso die mainstream-Strecken
zwischen den großen Städten abdecken müsste. Dann
kann sie also auch - ohne Zusatzaufwand - die lukrativen
Strecken bedienen.

-----------------------------------------------------------------------------

Wir sehen: Im Detail ist das Prinzip "massentauglich lukrativ" -->
privat" und "selten aber wichtig --> staatlich" auf das Gesund-
heitswesen und die Post kaum übertragbar.

-------------------------------------
Wie sieht es aber beim ÖRR aus?
-------------------------------------

Hier sehe ich keinen Hinderungsgrund: "Massentauglich" und
"selten aber wichtig" sind leicht trennbar, es gäbe keinen
administrativen Zusatzaufwand, und auch geografisch steht
dem nichts entgegen.

Deshalb wäre hier das Prinzip durchaus anwendbar - und es
hätte den riesengroßen Vorteil, dass ja gerade die extrem
teuren Inhalte (Tatort, Krimi, Sportübertragungsrechte) aus dem
ÖRR-Programm gekippt würden. Und die "seltenen, aber
wichtigen" Inhalte könnten mehr Fokus bekommen. :thumbup:
--~~/§&%"$!\~~--
Sören74

Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Sören74 »

Hallo syna, freut mich estmal, dass mein Posting Dich zum Denken angeregt haben und Dich ausführlicher mit den genannten Beispielen auseinander gesetzt hast. :)
syna hat geschrieben:(29 Jul 2021, 09:13)

-------------------------------------
1. K r a n k e n k a s s e n
-------------------------------------

Im Prinzip ist obiges Argument auch richtig: Eine staatliche
Krankenversorgung müsste all das abdecken, was "private"
nicht abdecken. Das würde bedeuten: Standard-Operationen,
die viel Geld einbringen und lukrativ sind, sind durch
private Versicherungen abgedeckt. Schwierige Operationen
und seltene Krankheiten werden von staatlichen oder gesetzl.
Versicherern beglichen.

Aus 2 Gründen geht das nicht:

1. Der Administrativer Aufwand wäre hoch: Der Patient
müsste ständig zwischen diesen Abrechnungsmodalitäten
hin- und herwechseln, zahlreiche Detail-Regelungen müssten
erdacht werden. Der Arzt muss bei jeder Diagnose und
Behandlung ständig entscheiden, in welchem "Abrechnungs-
Modus" er denn jetzt ist.

2. Wir haben ein gewachsenes Gesundheitssystem, in welchem
die Art der Versicherung ja nicht nach "Leistung" differenziert
ist (außer bei Zusatzversicherungen im Dentalbereich). Die
Versicherung ist stattdessen nach Personen differenziert: Die
einen sind gesetztl. versichert, die anderen privat. Dieses
"2-Klassenproblem" ist aber ein gesondertes Thema.
Ja, das Grundproblem ist, wenn gesetzliche KK nur noch das abdecken sollen, was private KK nicht abdecken, wäre man als Patient gezwungen, eine private (oder mehrere) KK zu nutzen, um überhaupt die wesentlichen Leistungen zu bekommen.
syna hat geschrieben: -------------------------------------
2. P o s t b e f ö r d e r u n g
-------------------------------------

Auch hier ist obiges Argument eigentlich gut: Die private
Postbeförderung deckt die urbanen Ballungsräume ab, denn
dort kann man effizient und kostendeckend arbeiten. Der
staatliche Beförderungsdienst deckt dagegen die entlegenen
ländlichen Gebiete ab.
Da natürlich auch Zustimmung, schließlich hatte ich das Beispiel selbst gebracht. :)
syna hat geschrieben: -------------------------------------
Wie sieht es aber beim ÖRR aus?
-------------------------------------

Hier sehe ich keinen Hinderungsgrund: "Massentauglich" und
"selten aber wichtig" sind leicht trennbar, es gäbe keinen
administrativen Zusatzaufwand, und auch geografisch steht
dem nichts entgegen.

Deshalb wäre hier das Prinzip durchaus anwendbar - und es
hätte den riesengroßen Vorteil, dass ja gerade die extrem
teuren Inhalte (Tatort, Krimi, Sportübertragungsrechte) aus dem
ÖRR-Programm gekippt würden. Und die "seltenen, aber
wichtigen" Inhalte könnten mehr Fokus bekommen. :thumbup:
Ich möchte hier noch ein Argument nennen. Nicht jeder kann oder will Satellit oder Kabel oder Internet für den Fernsehempfang nutzen. Es bleibt dann nur der terrestrische Weg. Die analogen Sender sind weggefallen, heute gibt es DVB-T. Die technische Bandbreite ist zwar größer als früher, aber die Zahl der Sender trotzdem begrenzt. Man hätte also nicht das volle Angebot und ist dann froh, zumindest die ÖRR zu haben, die den Menschen die Grundversorgung anbieten.
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BlueMonday
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von BlueMonday »

So hat sich der Mensch gewandelt, viele Menschen zumindest. Und nicht zum Guten. Die längste Zeit waren die Menschen noch Anpasser, die sich bewegten, wenn es nötig wurde. Heute muss "grundversorgt" werden. Ran den den Staatstropf.

Nehmen wir allein eines der drängendsten Grundbdürfnisse: Trinkwasser. Was haben da die Menschen die längste Zeit getan? Sie haben sich bewegt - zum Wasser hin, sind dem Wasser gefolgt. Haben sich an den Flüssen angesiedelt.
Wer weiter weg vom Fluß leben wollte, musste selbst einen Kanal graben, eine Leitung legen oder einen Brunnen ausheben. Kurz: Man musste sich diese Extravaganz leisten können.

Und der heutige zunehmend staatsumsorgte Mensch? Wenn man den wundersam in irgendeine Pampa versetzen würde, würde der sich noch bewegen, zurücklaufen? Oder wurde er erwarten und darauf warten, dass man zu ihm ne lange Leitung legt und ihn mit allem "grundversorgt", gleichgültig, wie groß die Aufwände auch wären... Ist schließlich sein "Recht", sich nicht bewegen zu müssen und an Ort und Stelle versorgt zu werden.
Und selbst wenn es noch vereinzelt Menschen geben sollte, die das gar nicht wünschen, "grundversorgt" zu werden, die noch ihren eigenen Brunnen haben wollen, die zumindest wählen wollen, werden zwangsangeschlossen, ihnen die letzte Selbstständigkeit und Würde ausgetrieben.
ensure that citizens are informed that the vaccination is not mandatory and that no one is under political, social or other pressure to be vaccinated if they do not wish to do so;
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von tarkomed »

BlueMonday hat geschrieben:(29 Jul 2021, 15:09)

So hat sich der Mensch gewandelt, viele Menschen zumindest. Und nicht zum Guten. Die längste Zeit waren die Menschen noch Anpasser, die sich bewegten, wenn es nötig wurde. Heute muss "grundversorgt" werden. Ran den den Staatstropf.

Nehmen wir allein eines der drängendsten Grundbdürfnisse: Trinkwasser. Was haben da die Menschen die längste Zeit getan? Sie haben sich bewegt - zum Wasser hin, sind dem Wasser gefolgt. Haben sich an den Flüssen angesiedelt.
Wer weiter weg vom Fluß leben wollte, musste selbst einen Kanal graben, eine Leitung legen oder einen Brunnen ausheben. Kurz: Man musste sich diese Extravaganz leisten können.

Und der heutige zunehmend staatsumsorgte Mensch? Wenn man den wundersam in irgendeine Pampa versetzen würde, würde der sich noch bewegen, zurücklaufen? Oder wurde er erwarten und darauf warten, dass man zu ihm ne lange Leitung legt und ihn mit allem "grundversorgt", gleichgültig, wie groß die Aufwände auch wären... Ist schließlich sein "Recht", sich nicht bewegen zu müssen und an Ort und Stelle versorgt zu werden.
Und selbst wenn es noch vereinzelt Menschen geben sollte, die das gar nicht wünschen, "grundversorgt" zu werden, die noch ihren eigenen Brunnen haben wollen, die zumindest wählen wollen, werden zwangsangeschlossen, ihnen die letzte Selbstständigkeit und Würde ausgetrieben.
Genau so isses… Man zahlt heute seine Steuern, Seine Strom-, seine Wasserrechnung und seinen Rundfunkbeitrag und bekommt alles bequem ins Haus geliefert. Es gibt dann natürlich welche, die es wieder so haben wollen, wie es früher war. Tja, sie leben halt im falschen Land… :D
Ungarn ist nicht weit...
Gib dich nicht so, dass alle andern dich für etwas halten, was du nicht sein willst.
Wenn sie es trotzdem tun, dann bist du es...
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Sören74 »

BlueMonday hat geschrieben:(29 Jul 2021, 15:09)

Und der heutige zunehmend staatsumsorgte Mensch? Wenn man den wundersam in irgendeine Pampa versetzen würde, würde der sich noch bewegen, zurücklaufen? Oder wurde er erwarten und darauf warten, dass man zu ihm ne lange Leitung legt und ihn mit allem "grundversorgt", gleichgültig, wie groß die Aufwände auch wären... Ist schließlich sein "Recht", sich nicht bewegen zu müssen und an Ort und Stelle versorgt zu werden.
Die Entwicklung, Rechte zu definieren und umzusetzen, gepaart mit einer "Faulheit" nicht mehr zum Fluss zu ziehen, sondern Leitungen vom Wasser in Richtung unserer Häuser zu bauen, egal wo die stehen, hat zum zivilisatorischen Fortschritt beigetragen. Und das ist auch gut so. :)
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von busse »

tarkomed hat geschrieben:(29 Jul 2021, 16:20)

Genau so isses… Man zahlt heute seine Steuern, Seine Strom-, seine Wasserrechnung und seinen Rundfunkbeitrag und bekommt alles bequem ins Haus geliefert. Es gibt dann natürlich welche, die es wieder so haben wollen, wie es früher war. Tja, sie leben halt im falschen Land… :D
Ungarn ist nicht weit...
Noch nicht in Ungarn gewesen ?
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von syna »

BlueMonday hat geschrieben:(29 Jul 2021, 15:09)

Und der heutige zunehmend staatsumsorgte Mensch? Wenn man den wundersam in irgendeine Pampa versetzen würde, ...
Nun, die Argumentation ist etwas schräg. Denn schließlich ist eine gewisse
"zivilisatorische Bequemlichkeit" wichtig, damit die Menschen Zeit für die
eigentlichen Dinge haben: Familie, Politik, Wissenschaft und Kunst. Statt ihre
Zeit mit Wasserholen zu vergeuden.

Hier verstehe ich unter "Grundversorgung des ÖRR" vor allem ein Korrektiv,
das gegen die Fake-Blasen im Internet antritt, das solide und recherchierte
Informationen anbietet, und das durch investigatives Vorgehen auch eine
Kontroll-Säule der Demokratie ist.

Unter diesem Aspekt ist die Grundversorgung also unverzichtbar als Bewahrer
von Zivilisation und Demokratie. Dazu gehört auch der Diskurs über Werte
und Gerechtigkeit.

Allerdings - gerade unter diesen wichtigen Gesichtspunkten - stören seichte
Unterhaltung und Kommerzsport doch sehr. Und an dieser Stelle hast Du mit
Deiner Kritik recht: Wir werden zwangsverpflichtet, teure Tatort-Drehs,
Tatortpromis (die sogar noch nuscheln) zu bezahlen. Und wir werden
gezwungen, druch Bietergefechte für Übertragungsrechte sogar millionen-
teuren Bundesligaprofis noch mehr Geld in den Hintern zu schieben. Und
das stimmt: Das schmerzt. Vor allem, wenn dieser Zwang unter dem
Deckmantel der "Grundversorgung" daherkommt. :s
--~~/§&%"$!\~~--
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von syna »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2021, 08:06)
Aber aus meiner Sicht gibt es wichtigere Dinge, die der Gesetzgeber vordringlich auf die Reihe bringen muß: Energiewende, Katastrophenschutz, Siedlungswesen, Infrastruktur, Wasserwirtschaft. Vermutlich schon gar nicht mehr auf nationaler Ebene sinnvoll an zu gehen!
Hmmm .... also .... :mad2: :?: :mad: ... ja ...

mit dieser Argumentation könnte man aber jede politische Diskussion abwürgen.
Denn es wird immer aktuell etwas wichtigeres geben: Jetzt die Hochwasserflut-
geschädigten in Baden-Würtemberg, Rheinland Pfalz und NRW. Und natürlich
weitergehend deren Ursachen.

Aber das würde bedeuten, dass man alle anderen Probleme und Schrägheiten
in der Gesellschaft niemals angehen würde - denn es gibt ja "immer Wichtigeres". :rolleyes:
Auf lange Sicht werden diese "unwichtigen" vermeintlich kleinen Dinge
aber fatal, wenn wir sie ständig ausblenden.

Wenn es um den Diskurs in unsere Gesellschaft geht, und Nachrichten und
Identitäten, Gerechtigkeit und Demokratie, dann kommt den Medien allgemein
viel Bedeutung zu. Und dazu gehört insbesondere der ÖRR. ;)

Wenn wir über Gerechtigkeit reden - und das müssen wir eigentlich immer -
dann müssen wir auch sowas wie "absolute Abgaben pro Kopf oder Haushalt"
betrachten. Und auch da sind wir wieder beim ÖRR. ;)
--~~/§&%"$!\~~--
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von H2O »

Nun, der Druck auf eine Gesellschaft, doch bitte Dinge zu ändern, läßt sich leider nicht auf alle Themen in gleicher Weise aufbauen. Wenn die Hütte brennt, dann überlege ich jedenfalls nicht, ob ich mir zur Hochzeit meiner Tochter einen Smoking machen lasse. Das Thema ist ja nicht weg; es wird nur verdeckt von anderen Notwendigkeiten.
Skeptiker

Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Skeptiker »

Es geht um 86 Cent
Bundesverfassungsgericht hebt den Rundfunkbeitrag vorläufig auf 18,36 Euro an
...
Das Bundesverfassungsgericht hat die von Sachsen-Anhalt blockierte Erhöhung des Rundfunkbeitrags vorläufig in Kraft gesetzt. Das Bundesland habe die im Grundgesetz gesicherte Rundfunkfreiheit verletzt, weil es dem vereinbarten Staatsvertrag nicht zugestimmt habe, entschied das Karlsruher Gericht nach Angaben vom Donnerstag.
...
https://www.focus.de/politik/deutschlan ... 60391.html

Nun, das BVG sieht die Rundfunkfreiheit eingeschränkt, wenn ein Bundesland sein Recht wahrnimmt einer Gebührenerhöhung zuzustimmen.

Könnte mir dann bitte mal jemand erklären, warum die überhaupt zustimmen müssen? Ist das so eine DDR-Sache, dass alle in einem Kasperletheater Zustimmung heucheln müssen, damit der Anschein von Kontrolle gewahrt ist?

Vielleicht sollte als Teil einer Reform die Systematik der Kostenkontrolle überdacht werden, auf eine Art und Weise, dass vorgesehene Kontrollmechanismen von den zuständigen Institutionen auch wahrgenommen werden können, ohne dass das BVG deren Entscheidung wieder kassieren muss.
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von H2O »

Tja, der ÖRR ist eine Art Selbstbedienungsladen, in dem 16 Bundesländer ihre eigenen Ziele verfolgen. Wenn da niemand eingreifen kann, um daraus erwachsenden Wildwuchs nach Art und Umfang zu beschneiden, dann bekommt man das, was wir haben: Viel zu viel vom fast immer Gleichen.

Das System heilt sich nicht aus sich selbst heraus. Prima Planstellen für Gefolgsleute und nicht so schlecht bezahlte... so ist das doch zu vermuten. Sogar maßgebliche Gerichte erkennen diese Entwicklung nicht: Alles rechtens, muß so sein!
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von BlueMonday »

H2O hat geschrieben:(05 Aug 2021, 11:12)

Viel zu viel vom fast immer Gleichen.

Das System heilt sich nicht aus sich selbst heraus.
Dabei wäre das heilsame Korrektiv ganz einfach: Beendigung der Zwangsfinanzierung.

Dann kann jeder Einzelne des Volkes frei entscheiden, ob und was ihm/ihr der ÖRR wert ist. Aber genau vor dieser Art der Demokratie scheint man sich gewaltig zu fürchten bei den per Zwangsabgabe Eingerichteten.
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von BlueMonday »

Skeptiker hat geschrieben:(05 Aug 2021, 09:59)


Könnte mir dann bitte mal jemand erklären, warum die überhaupt zustimmen müssen? Ist das so eine DDR-Sache, dass alle in einem Kasperletheater Zustimmung heucheln müssen, damit der Anschein von Kontrolle gewahrt ist?
Das ist von der Form her eher eine Sache der Bürgerlichkeit, des Vertrages eben.
Und weil dieser "Staatsvertrag" ein Vertrag zwischen allen 16 Ländern ist. Und zumindest in der Zivilsphäre kommt ein Vertrag nur zustande, wenn *alle* Vertragsparteien dem Vertrag frei zustimmen.
Das stellt nun das Verfassungsgericht auf den Kopf. Der Abweichler hat gefälligst dieses Einvernehmen herzustellen, ansonsten kommt es trotz Nichtzustimmung zum Vertrag.

Man entfernt sich mit diesem Urteil also immer mehr von wirklicher Demokratie und vor allem von einem zivilisierten Benehmen. Und wie gesagt, eigentlich müsste es ja um einen Vertrag zwischen dem ÖRR und jedem einzelnen Beitragszahler gehen. Dann wäre man in der Demokratie erst wirklich angekommen.
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Fliege »

Skeptiker hat geschrieben:(05 Aug 2021, 09:59)

[...]

https://www.focus.de/politik/deutschlan ... 60391.html

Nun, das BVG sieht die Rundfunkfreiheit eingeschränkt, wenn ein Bundesland sein Recht wahrnimmt einer Gebührenerhöhung zuzustimmen.

Könnte mir dann bitte mal jemand erklären, warum die überhaupt zustimmen müssen? Ist das so eine DDR-Sache, dass alle in einem Kasperletheater Zustimmung heucheln müssen, damit der Anschein von Kontrolle gewahrt ist?
Ist am Ende gar eine zulässige Kündigung des Rundfunkstaatsvertrages verboten?
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Liberty »

Skeptiker hat geschrieben:(05 Aug 2021, 09:59)
Könnte mir dann bitte mal jemand erklären, warum die überhaupt zustimmen müssen? Ist das so eine DDR-Sache, dass alle in einem Kasperletheater Zustimmung heucheln müssen, damit der Anschein von Kontrolle gewahrt ist?
Gute Frage. Wird es die Abstimmungen in den Landtagen jetzt überhaupt noch geben, oder schafft man die direkt ab?

Macht ja auch keinen Sinn, wenn nur eine Zustimmung des Landestages legal ist und eine mehrheitliche Ablehnung des Landtages automatisch ungültig.

Demokratie 2021 im besten Deutschland aller Zeiten (BeDaZ).
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von H2O »

BlueMonday hat geschrieben:(05 Aug 2021, 13:43)

Das ist von der Form her eher eine Sache der Bürgerlichkeit, des Vertrages eben.
Und weil dieser "Staatsvertrag" ein Vertrag zwischen allen 16 Ländern ist. Und zumindest in der Zivilsphäre kommt ein Vertrag nur zustande, wenn *alle* Vertragsparteien dem Vertrag frei zustimmen.
Das stellt nun das Verfassungsgericht auf den Kopf. Der Abweichler hat gefälligst dieses Einvernehmen herzustellen, ansonsten kommt es trotz Nichtzustimmung zum Vertrag.

Man entfernt sich mit diesem Urteil also immer mehr von wirklicher Demokratie und vor allem von einem zivilisierten Benehmen. Und wie gesagt, eigentlich müsste es ja um einen Vertrag zwischen dem ÖRR und jedem einzelnen Beitragszahler gehen. Dann wäre man in der Demokratie erst wirklich angekommen.
Auch in einer Demokratie gibt es Einrichtungen, über die bestenfalls das Parlament entscheiden kann. Der ÖRR ist eine Einrichtung des Staats als öffentlich rechtlicher Betrieb. Da sind wir in ähnlicher Weise gefangen wie mit unserer Staatsbürgerschaft und unserer Steuerpflicht.

Ein Tipp: Deutsche Auswanderer müssen außer Landes keine Rundfunkgebühren an den deutschen ÖRR entrichten. ;)
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von frems »

Eine vernünftige Entscheidung von Karlsruhe. Die Demokratie-Abgabe ist zwar noch immer zu niedrig, aber so langsam kommt Bewegung in Richtung einer angemessenen Finanzierung.
Labskaus!

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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Sören74 »

H2O hat geschrieben:(05 Aug 2021, 16:26)

Der ÖRR ist eine Einrichtung des Staats als öffentlich rechtlicher Betrieb.
Da muss ich jetzt doch mal Widerspruch anmelden. :) Der ÖRR ist eine Einrichtung, die dem öffentlichen Recht unterliegt. Das ist etwas anderes als eine Einrichtung des Staates.
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Vongole »

Ich stelle mal die Begründung des BVerfG ein, ehe hier wieder die Mutmaßungen ins Kraut schießen:
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... C.1_cid377
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von H2O »

Das ist natürlich inhaltlich ein sehr hartes Brot; dem Sinngehalt des Gelesenen entnehme ich, daß bei der nächsten ordentlich begründetenen Gebührenerhöhung der neue Beitrag den Verlust ausgleichen soll, der den Rundfunkanstalten durch die gesetzwidrig aufgehaltene Gebührenerhöhung entstanden ist. Schade, daß nicht der Verursacher der ausgebliebenen Finanzierung zum Schadenersatz verpflichtet ist, sondern die Gebührenzahler.

Am Status des ÖRR kann nur ein einvernehmlich verabschiedeter Staatsvertrag des Bundes und der Länder etwas ändern. Wenn das keine Garantie für "ewiges Bestehen" des ÖRR ist!
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Michael Alexander »

Erstaunlich, dass das Bundesverfassungsgericht so weit in eine Entscheidung eingreift, die ihrer Natur nach politisch und nicht juristisch ist. Ob und in welcher Grösse sich Deutschland einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk leistet, sollte meiner Meinung nach eine politische Entscheidung sein, die demokratisch getroffen wird.

Offenbar soll aber von oben durch Gerichte und Kommissionen darüber entschieden werden, unter Missachtung der Volksvertreter. Die Abstimmungen in den Landtagen kann man sich unter diesen Umständen auf jeden Fall sparen - das wäre ehrlicher. Sogenannte Parlamente, die gar nicht anders können, als zuzustimmen, kennt man sonst eigentlich nur aus anderen politischen Systemen.

Ich frage mich, wie vor diesen engen "juristischen" (eigentlich politischen) Leitplanken der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland noch ernsthaft reformiert oder gar verkleinert werden könnte. Möglicherweise geht dies nun gar nicht mehr.

Damit hat die politische Linke in Deutschland im Verbund mit ARD und ZDF einen grossen Sieg errungen, denn damit ist der fortgesetzten Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne der politischen Linken Tür und Tor geöffnet. Gerade bei der Jugend haben ARD und ZDF eine regelrechte Kampagne (etwa über soziale Medien wie YouTube) gestartet, die sich sicherlich im Wählerverhalten niederschlagen wird.

Die meisten Deutschen werden ihren Obolus sicher weiterhin brav entrichten, trotz gelegentlichen Murrens. Ein Vermögensaufbau wird ihnen durch die hohen Steuern und Abgaben, zu denen die "Demokratieabgabe" (was für ein schmieriger Propagandabegriff!) gehört, weiterhin erschwert werden. Darüber werden sie sich aber immer weniger im klaren sein, denn sie werden entsprechend auf allen Kanälen von ARD und ZDF beschallt werden.
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Alexyessin »

Michael Alexander hat geschrieben:(05 Aug 2021, 18:13)

Erstaunlich, dass das Bundesverfassungsgericht so weit in eine Entscheidung eingreift, die ihrer Natur nach politisch und nicht juristisch ist.
Falsch, die Entscheidung ist nicht politisch, sondern eine juristische Entscheidung gemäß unseres GG. Lies das Urteil lieber noch mal durch, bevor du wieder nur Schnodder von dir gibst.
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Michael Alexander »

Alexyessin hat geschrieben:(05 Aug 2021, 18:39)

Falsch, die Entscheidung ist nicht politisch, sondern eine juristische Entscheidung gemäß unseres GG. Lies das Urteil lieber noch mal durch, bevor du wieder nur Schnodder von dir gibst.
Im Grundgesetz steht dazu:
Art 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/B ... 10949.html

Dieser Artikel soll angeblich verletzt worden sein. Ich kann das jedoch nicht erkennen.

Woraus geht hervor, dass der Artikel einen gigantisch grossen öffentlich-rechtlichen Rundfunk - oder überhaupt einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk - beinhaltet? Es steht dort lediglich, dass die Freiheit der Berichterstattung - und nicht etwa die Berichterstattung selbst - gewährleistet wird. Diese wäre auch ohne den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewährleistet, wenn man andere nicht daran hindert, einen Rundfunk zu betreiben.

Bedeutet Pressefreiheit, dass der Staat auch dafür sorgen muss, dass es öffentlich-rechtliche Zeitungen gibt? Das wäre mir neu.

Ich bitte um Aufklärung. Ansonsten gehe ich davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht aus politischen Gründen in das Grundgesetz etwas hineinliest, was dort nicht steht.
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Vongole »

Unter dem Begriff des Rundfunks versteht die Rechtswissenschaft die Übermittlung von Inhalten mittels elektromagnetischer Wellen an einen unbestimmten Personenkreis. Die Rundfunkfreiheit schützt die Herstellung und Verbreitung von Inhalten. Insofern weist das Grundrecht eine Parallele zur Pressefreiheit auf. Der Unterschied zwischen beiden Grundrechten liegt nach überwiegender Auffassung darin, dass die verbreiteten Informationen bei der Pressefreiheit in einem Medium verkörpert sind.[62]

Neben dieser Abwehrfunktion enthält die Rundfunkfreiheit einen umfassenden Schutzauftrag zugunsten des freien Rundfunks:[63] Aus Art. 5 Absatz 1 Satz 2 GG leitet das Bundesverfassungsgericht die Aufgabe des Staates ab, ein freiheitliches Rundfunkwesen zu schaffen, das die tatsächlich bestehende Meinungsvielfalt angemessen im Rundfunk repräsentiert.[64] Es betrachtet den Rundfunk als besonders bedeutendes Kommunikationsmedium, da er sich in besonderer Weise durch Aktualität auszeichnet sowie eine große Breitenwirkung und Suggestivkraft besitzt. Darüber hinaus ist die Produktion von Rundfunk kostenaufwändig. Schließlich konnte Rundfunk aufgrund einer begrenzten Anzahl von Frequenzen lediglich in begrenztem Umfang betrieben werden. Diese Sondersituation des Rundfunks führt dazu, dass dem Gesetzgeber die Aufgabe zufällt, eine freiheitliche Rundfunkordnung zu schaffen. Als wesentliche Voraussetzung einer solchen Ordnung sieht das Bundesverfassungsgericht die Abbildung der gesellschaftlichen Vielfalt an. Um dies zu gewährleisten, müssen Rundfunkanstalten pluralistisch organisiert sein. Der staatliche Einfluss muss hierbei begrenzt werden.[65] Dem Rundfunk komme ferner die Aufgabe zu, mit seinen Programmen eine mediale Grundversorgung zu bieten.

Auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit können sich zum einen private Rundfunkveranstalter berufen. Zum anderen steht das Grundrecht öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten offen, da sie trotz ihrer Zugehörigkeit zur öffentlichen Hand durch ihre Informationstätigkeit ein Freiheitsrecht zugunsten der Bürger ausüben.[66] Diesen räumt das Grundrecht auch einen Anspruch auf eine funktionsgerechte Finanzmittelausstattung ein.[67]
https://de.wikipedia.org/wiki/Artikel_5 ... nkfreiheit
Zur Finanzmittelausgestaltung wurden Rundfunkbeitrag-Staatsverträge sowie medienrechtliche Staatsverträge zwischen allen Bundesländern geschlossen.
Gegen diese Verträge hat das Land Sachsen-Anhalt verstoßen.
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Alexyessin »

Michael Alexander hat geschrieben:(05 Aug 2021, 19:04)

Im Grundgesetz steht dazu:

https://www.gesetze-im-internet.de/gg/B ... 10949.html

Dieser Artikel soll angeblich verletzt worden sein. Ich kann das jedoch nicht erkennen.
Du willst es nicht erkennen können. Das ist aber dein Problem. Siehe Beitrag von Vongole. Da ist es gut erklärt.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Michael Alexander »

Vongole hat geschrieben:(05 Aug 2021, 19:32)

Zur Finanzmittelausgestaltung wurden Rundfunkbeitrag-Staatsverträge sowie medienrechtliche Staatsverträge zwischen allen Bundesländern geschlossen.
Gegen diese Verträge hat das Land Sachsen-Anhalt verstoßen.
Verstossen wurde gegen Artikel 5 des Grundgesetzes, so das Verfassungsgericht.

Wie aber kommt das Verfassungsgericht zu der an den Haaren herbeigezogenen Interpretation, Artikel 5 schreibe die Schaffung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks hervor, geschweige denn dessen fürstliche Finanzierung? Das steht dort einfach nicht - vielleicht sollte man es ihnen sagen?

Wozu stimmen die Landtage eigentlich ab, wenn Gebührenerhöhungen grundsätzlich durchgewinkt werden müssen? Um den Anschein einer Beteiligung der Volksvertreter zu wahren?

In der Schweiz gibt es auch einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Allerdings ist es dort möglich, ihn zu reformieren, zu verkleinern oder abzuschaffen - ganz so, wie es demokratisch beschlossen wird. Erst vor kurzem wurde eine entsprechende Initiative über die Abschaffung der Gebühren dem Volk vorgelegt (und abgelehnt).

Das nenne ich demokratische Kontrolle im Gegensatz zum deutschen obrigkeitsstaatlichen System, das immer mehr von Vetternwirtschaft und Parteienherrschaft geprägt zu sein scheint. Die Flexibilität, mit der Parteimitglieder zwischen Regierung, öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Verfassungsgericht rotieren, irritiert, erklärt aber Urteile wie das jetzige.
Schnitter
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Schnitter »

Vongole hat geschrieben:(05 Aug 2021, 17:13)

Ich stelle mal die Begründung des BVerfG ein, ehe hier wieder die Mutmaßungen ins Kraut schießen:
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... C.1_cid377
Die Begründung ist für mich angesichts der ganzen Fake News Blasen nachvollziehbar.

Richtige Entscheidung.
Skeptiker

Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Skeptiker »

Vongole hat geschrieben:(05 Aug 2021, 17:13)

Ich stelle mal die Begründung des BVerfG ein, ehe hier wieder die Mutmaßungen ins Kraut schießen:
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... C.1_cid377
Danke dafür.

Hier für mich ein wichtiger Punkt:
a) Im gegenwärtigen System der Rundfunkfinanzierung ist eine Abweichung von der Bedarfsfeststellung der KEF nur durch alle Länder einvernehmlich möglich. Hält ein Land eine Abweichung für erforderlich, ist es Sache dieses Landes, das Einvernehmen aller Länder über die Abweichung von der Bedarfsfeststellung der KEF herbeizuführen. Das ist nicht gelungen.
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... C.1_cid377

Bedeutet also, dass das BVG der Ansicht ist, dass die Bundesländer - als Budgetverantwortliche - dem Vorschlag der KEF nur einstimmig widersprechen können.

Die KEF allerdings, hat keine Kontrolle über das Budget, sondern ermittelt nur, ob das was produziert wird, kosteneffizient produziert wird.
Aufgaben
Zum Aufgabenbereich der KEF gehören:
mindestens alle zwei Jahre die Erstellung eines Berichts an die Länder
die Darlegung der Finanzlage der Rundfunkanstalten
ggf. die Empfehlung von Höhe und Zeitpunkt für eine Änderung des Rundfunkbeitrags
die Stellungnahme zum Finanzausgleich der Rundfunkanstalten.
Die KEF ist im Gegensatz zu den Aufsichtsgremien von ARD und ZDF nicht für die Prüfung zuständig, ob die Programmgestaltung gemäß dem gesetzlichen Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfolgt. Sie weist Jahr für Jahr darauf hin, dass Sport mit Abstand der größte Kostenblock ist (z. B. im ersten Fernsehprogramm 27,7 % der Erstsende-Selbstkosten, Stand 2010).[3]
https://de.wikipedia.org/wiki/Kommissio ... kanstalten

Wie ergibt sich also das Budget der ÖR? Offensichtlich indem die Rundfunkanstalten die Leistungen so weit expandieren, bis es irgendwann ausnahmslos allen Ländern zu viel wird.

Herzlichen Glückwunsch! Mit dem Urteil ist tolldreistem Systemausbau bis in freakhafte Übertreibungen Tür und Tor geöffnet. Bis in Deutschland ALLE Länder den Finanzbedarf ablehnen und stattdessen eine Konsolidierung beschließen, dürfte die Hölle bereits eingefroren sein.
Liberty
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Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Liberty »

Alexyessin hat geschrieben:(05 Aug 2021, 18:39)
Falsch, die Entscheidung ist nicht politisch, sondern eine juristische Entscheidung gemäß unseres GG.
Warum stimmen die Landtage dann überhaupt darüber ab, wenn das Ergebnis einer Gebührenerhöhung sowieso schon vor der Abstimmung feststeht und demokratische Mehrheitsentscheidungen nicht zählen?
Skeptiker

Re: ÖRR - struktureller Reformbedarf

Beitrag von Skeptiker »

Cool, es hat nicht lange gedauert und auch die Redaktion der Welt hat offenbar die Entscheidung in Karlsruhe verstanden:
ERHÖHUNG DES RUNDFUNKBEITRAGS
Eine weitgehend sinnlose Demokratie-Inszenierung
Der Erhöhung des Rundfunkbeitrags mussten bislang alle 16 Bundesländer zustimmen. In Zukunft kann sie auch ein einzelnes Land erzwingen. Die Abstimmung gerät damit endgültig zur demokratischen Farce.
...
Denn wenn die Länder gegen den KEF-Vorschlag stimmen, hebt das Bundesverfassungsgericht ihre Entscheidung einfach wieder auf. So geschehen 2007, als die Karlsruher Richter die von allen 16 Landesparlamenten getragene Unterschreitung der KEF-Empfehlung für verfassungswidrig erklärten. Eine Ablehnung der Gebührenerhöhung, so das Bundesverfassungsgericht damals, sei nur in eng umrissenen Ausnahmefällen möglich – vor allem dann, wenn andernfalls eine „unangemessene Belastung“ der Beitragszahler drohe.

Wann das der Fall sein soll, wissen die Götter: Das anderthalbjährige Wachkoma zahlloser Branchen und die wirtschaftliche Vernichtung ungezählter Existenzen infolge einer globalen Pandemie reichen zur Begründung jedenfalls nicht aus, wie die jüngste Karlsruher Entscheidung zeigt.
...
Doch selbst, wenn Sachsen-Anhalt das Offenkundige ausbuchstabiert hätte, und selbst, wenn die Verfassungsrichter dem Land in seiner Bewertung gefolgt wären, hätte das am Ergebnis nichts geändert. Denn das eigentliche Novum im aktuellen Karlsruher Beschluss findet sich einige Randnummern früher, wenn es heißt: „Im gegenwärtigen System der Rundfunkfinanzierung ist eine Abweichung von der Bedarfsfeststellung der KEF nur durch alle Länder einvernehmlich möglich.“ Wenn ein Land der KEF-Empfehlung nicht zustimmen wolle, sei es „Sache dieses Landes, das Einvernehmen aller Länder über die Abweichung […] herbeizuführen. Das ist nicht gelungen.“

Mit anderen Worten: Nicht die Zustimmung zur Beitragserhöhung soll künftig der Einstimmigkeit bedürfen – sondern ihre Ablehnung. Was das Bundesverfassungsgericht hier so beiläufig formulierte, als handelte es sich bloß um eine Zusammenfassung der allgemein bekannten Rechtslage, ist in Wahrheit eine Umkehr der Verhältnisse um 180 Grad. Bislang galt nämlich, dass bereits ein einziger Abweichler die Gebührenerhöhung zu Fall bringen konnte, sofern er für seine Ablehnung tragfähige Gründe hatte – nur deshalb schlug das Nein aus Sachsen-Anhalt ja überhaupt so hohe Wellen.
https://www.welt.de/politik/deutschland ... erung.html

Es ist genau die Stelle im Urteil, die auch mir aufgefallen war. Denn Sachsen-Anhalts Veto war ja nur deshalb ein Veto, weil bislang das Einstimmigkeitsprinzip galt. Das hat man lapidar mal eben so umgekehrt. Im Ergebnis ist die Abstimmung also eine Farce.

Der richtige Weg um dennoch die Kosten zu reduzieren wird dort auch aufgezeigt:
Eine Schlankheitskur setzt man nicht durch, indem man am Ende des Abends die Rechnung zurückweist – sondern, indem man gleich zu Anfang weniger bestellt. Einer deutlichen Kürzung des Programmauftrags, der Senderzahl, der Formate und Kanäle steht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zumindest bisher) nicht entgegen. Besonders wahrscheinlich ist sie dennoch nicht, denn auf solche tiefgehenden Eingriffe unmittelbar im Medienstaatsvertrag müssten alle Bundesländer sich einigen können. Einstimmig. Im klassischen Sinn des Wortes.
... und daher wird es dazu auch wohl nicht kommen.
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