Syna hat geschrieben:
1. Die "Grundversorgung" muss neu definiert werden. Alles
was mainstream-tauglich ist, was reine Unterhaltung ist
(Tatort, Kochsendungen, Spielshows) und was Massensport
ist (Fußball, Olympia), darf nicht zur Grundversorgung
gehören.
Sören74 hat geschrieben:(23 Jul 2021, 23:19)
Wenn Grundversorgung dadurch definiert wird, was durch "private" nicht abgedeckt wird, dann müsste man konsequenterweise auch die Grundversorgung bei Krankenkassen neu definieren. Dann dürften gesetzliche KK nicht mehr das anbieten, was schon private KK anbieten. Man könnte auch sagen, die Beförderung von Briefen gehört nicht mehr zur Grundversorgung, weil die auch durch private Postanbieter angeboten werden.
Nun, das sind gute Argumente! Respekt!
Diese Argumente sind nicht so einfach vom Tisch zu wischen,
sie haben mich gezwungen, länger nachzudenken.
In den angeführten Beispielen "Krankenkassen" und "Postbeförderung"
sind die Dinge komplizierter als auf den ersten Blick sichtbar.
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1. K r a n k e n k a s s e n
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Im Prinzip ist obiges Argument auch richtig: Eine staatliche
Krankenversorgung müsste all das abdecken, was "private"
nicht abdecken. Das würde bedeuten: Standard-Operationen,
die viel Geld einbringen und lukrativ sind, sind durch
private Versicherungen abgedeckt. Schwierige Operationen
und seltene Krankheiten werden von staatlichen oder gesetzl.
Versicherern beglichen.
Aus 2 Gründen geht das nicht:
1. Der Administrativer Aufwand wäre hoch: Der Patient
müsste ständig zwischen diesen Abrechnungsmodalitäten
hin- und herwechseln, zahlreiche Detail-Regelungen müssten
erdacht werden. Der Arzt muss bei jeder Diagnose und
Behandlung ständig entscheiden, in welchem "Abrechnungs-
Modus" er denn jetzt ist.
2. Wir haben ein gewachsenes Gesundheitssystem, in welchem
die Art der Versicherung ja nicht nach "Leistung" differenziert
ist (außer bei Zusatzversicherungen im Dentalbereich). Die
Versicherung ist stattdessen nach Personen differenziert: Die
einen sind gesetztl. versichert, die anderen privat. Dieses
"2-Klassenproblem" ist aber ein gesondertes Thema.
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Also das Prinzip "massentauglich lukrativ" --> privat" und
"selten aber wichtig --> staatlich" lässt sich nur schwer
übertragen auf das Gesundheitssystem, weil der bürokratische
Overhead immens anwachsen würde.
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2. P o s t b e f ö r d e r u n g
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Auch hier ist obiges Argument eigentlich gut: Die private
Postbeförderung deckt die urbanen Ballungsräume ab, denn
dort kann man effizient und kostendeckend arbeiten. Der
staatliche Beförderungsdienst deckt dagegen die entlegenen
ländlichen Gebiete ab.
Das ist unpraktibel, weil ein "staatlicher Beförderungsdienst",
also eine "abgespeckte Post" einerseits die letzte Meile
bedienen muss, um in die entlegenen Landesteile zu kommen.
Sie muss aber trotzdem auch die großen Strecken bedienen.
Beispiel: Um einen Brief von Oberammergau nach Westerborstel
zu befördern, sind folgende Teilstrecken zu absolvieren:
1. Oberammergau --> München
entlegene Strecke
2. München --> Hamburg
Hauptstrecke, machen auch die privaten
3. Hamburg --> Westerborstel
entlegene Strecke
Hier macht die Trennung also keinen Sinn, weil der staatliche
Beförderungsdienst AUCH sowieso die mainstream-Strecken
zwischen den großen Städten abdecken müsste. Dann
kann sie also auch - ohne Zusatzaufwand - die lukrativen
Strecken bedienen.
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Wir sehen: Im Detail ist das Prinzip "massentauglich lukrativ" -->
privat" und "selten aber wichtig --> staatlich" auf das Gesund-
heitswesen und die Post kaum übertragbar.
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Wie sieht es aber beim ÖRR aus?
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Hier sehe ich keinen Hinderungsgrund: "Massentauglich" und
"selten aber wichtig" sind leicht trennbar, es gäbe keinen
administrativen Zusatzaufwand, und auch geografisch steht
dem nichts entgegen.
Deshalb wäre hier das Prinzip durchaus anwendbar - und es
hätte den riesengroßen Vorteil, dass ja gerade die extrem
teuren Inhalte (Tatort, Krimi, Sportübertragungsrechte) aus dem
ÖRR-Programm gekippt würden. Und die "seltenen, aber
wichtigen" Inhalte könnten mehr Fokus bekommen.