Zitat aus dem Artikel im Focus:
(fvm)...
Dieses Jahr sind in der Kategorie Essay nominiert: eine Geschichte über die Spätfolgen von Atomwaffentests; eine Geschichte über den alltäglichen Rassismus und den Rassisten in uns; ein Artikel, wie Joachim Gauck als Bundespräsident rechtes Denken hoffähig machte; ein Text über die Verschwörungswelt von Corona-Leugnern; eine Geschichte über die Benachteiligung alleinerziehender Mütter. Natürlich darf auch der Klimawandel nicht fehlen und warum die Angst vor einer Ökodiktatur gefährlicher Unsinn ist.
Wenn man eine Karikatur über preisverdächtige Texte anfertigten sollte, besser bekäme man es nicht hin. Es gibt zwei Artikel, die querliegen, einer über die CSU und Söder und einer über die Macht des Schicksals, aber das sind Ausreißer, die das Bild nur geringfügig aufhellen.
Die Gesinnungsprosa ist zurück - trotz des Falls Relotius
Das Lob der Gesinnungsprosa ist zurück, so, als habe es den Fall Relotius nie gegeben. Warum auch nicht, könnte man sagen? Soll sich die Branche doch selbst feiern. Das ist zwar eine bittere Nachricht für Leute, die niemals in die Nähe eines Reporterpreises gelangen werden, weil sie aus der Beobachtung der Wirklichkeit die falschen Schlüsse ziehen. Die spöttische Zeitdiagnostik geht verlässlich am Geschmack von Preisrichtern vorbei. Aber mei, so ist es halt, wie man in Bayern sagt.
Ich glaube allerdings, dass hier ein tiefer reichendes Problem liegt. Der Mangel an Perspektiven schlägt auf die Wirklichkeitserfassung durch. Wer nur Leute kennt und trifft, die so denken, wie man selbst, hat Mühe, sich vorzustellen, dass man auch ganz anders auf die Welt sehen könnte.
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90 Prozent der Nachwuchs-Journalisten sind links-grün
Die politische Selbstabschließung des journalistischen Milieus schreitet unaufhaltsam voran. Vor ein paar Tagen sorgte eine Umfrage für Aufsehen, wonach 90 Prozent der Volontäre der ARD grün-rot wählen. Rot meinte dabei übrigens nicht die SPD, sondern vor allem die Linkspartei. In einigen kritischen Kommentaren wurde daraufhin so getan, als suche die ARD gezielt linke Volontäre aus. Ein Missverständnis. Die ARD rekrutiert nicht zu 90 Prozent Nachwuchs, der links-grün wählt. 90 Prozent des journalistischen Nachwuchses sind heute links-grün.
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Hinzu kommt, dass das Konzept, das hinter den Bemühungen steht, eine sehr oberflächliche Vorstellung von Vielfalt transportiert. Diese Vielfalt macht sich an ausländisch klingenden Namen oder am Hautton fest. Schaut man genauer hin, wird schnell klar, dass diejenigen, die als Stimmen der Vielfalt gelten, erstaunlich homogen denken und fühlen.
Am bestehenden Weltbild rütteln
Kein Wunder, würde ich sagen: Sie teilen miteinander dieselben Bildungsabschlüsse, dieselben Stadtviertel, dieselbe kosmopolitische Lebensart. Würde man es mit der Vielfalt in Redaktionen wirklich ernst meinen, müsste zum Beispiel mal jemand vertreten sein, der mit der AfD sympathisiert. Oder ein Muslim, der davon überzeugt ist, dass Religion eine Sache ist, bei der der Spaß aufhört. Das ist mit Vielfalt selbstverständlich nicht gemeint.
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https://www.focus.de/politik/deutschlan ... 58785.html
Ich halte das für eine bedenkliche Entwicklung. Dabei geht es weniger darum, dass ich glauben würde, dass massenhaft Journalisten lügen oder Geschichten erfinden würden. Es ist eher meine Sorge, dass eine der Säulen der demokratischen Gesellschaft, in die Macht einer geschlossen und uniform denkenden Gesellschaft von Menschen fällt, die sich oft dazu noch eher als Aktivisten, denn als Journalisten fühlen.
Jeder Mensch hat eine Sichtweise auf die Gesellschaft und die Vorgänge in einer Gesellschaft. Dabei werden unterschiedlichen Menschen unterschiedliche Dinge auffallen, die sie thematisieren würden. SIND aber die Menschen immer ähnlicher, dann nehmen sie auch immer ähnlicher wahr. Was aber nicht auf dem Radar ist, das kann nicht mehr Gegenstand von Berichterstattung sein. Das halte ich für hochgefährlich.
Dabei ist sicherlich jedem klar, wie dramatisch es wäre, wenn "ein Großkonzern alle Medienhäuser aufkauft und nur noch seine Sichtweise verkauft". Das leuchtet jedem SOFORT ein - ist auch sehr kompatibel mit "linksgrünen" Denkschemata. Wird aber ein Berufsstand von Journalisten durch eine hochgradige politische Selektion mental monopolisiert, dann scheint das schleichend und ohne großes Aufsehen zu passieren.
Was folgt aus dieser Entwicklung? Sind wir auf dem Weg in eine berichterstatterische Spaltung? Einer professionellen aber ideologisch unterwanderten, und einer unprofessionellen, und dadurch wahrscheinlich von der gegenseitigen Ideologie unterwanderten? Wo bleibt da der Wunsch nach vielschichtiger Berichterstattung abgedeckt?
Ist das vielleicht sogar eine gute Entwicklung, weil Journalismus sich sozusagen an die "Erfordernisse anpasst", wie man es linksseitig vielleicht sehen mag? Sind Journalisten also vielleicht "weiter", oder "auf dem falschen Weg"? Bekanntlich ändert sich das Urteil darüber mit der Zielvorstellung.