Das halte ich eben für viel zu kurz gedacht. Nicht, dass wir uns da falsch verstehen. Von rechtsextremer und extremkonservativer (um mal nicht das unglückliche migrantisch zu wählen) Seite gehen zweifelsohne akute Bedrohungen und Verletzungen aus. Ob Drangsalierung und Abwertung von Menschen wegen ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Sexualität, ihrer wasauchimmer - das sind nicht nur theoretische Erwägungen über Gefahren, es sind konkrete Gefahren für konkrete Individuen.Vongole hat geschrieben:(07 May 2019, 15:01)
Vongole definierte gar nichts, sondern schrieb:
Die deutsche rechte, oder besser ausgedrückt rechtsextreme Seite, und die migrantische Seite habe ich als Beispiele angeführt, weil momentan von diesen Seiten Gefahren für die Menschenrechte ausgehen, die ich
als sehr ernstzunehmend betrachte.
Aber das ist ja nicht die einzige Betrachtungsebene. Nehme ich die Gesellschaft in den Blick, dann verändert sich der Betrachtungswinkel. Dann spielen Überlegungen wie das Verschieben von Diskursgrenzen, die Normalisierung diskriminierender Verhaltensweisen, usw. eine größere Rolle. Und die Bereitschaft zur Aberkennung von Rechten und die dahinter stehende Verständnislosigkeit von Universalität ist mitten in der Gesellschaft zu Hause. Die Einstellung gegenüber Langzeitarbeitslosen sei hier exemplarisch genannt. Die Vorstellung ist stereotyp und ressentimentgeladen. Der Langzeitarbeitslose ist eben üblicherweise faul und nimmt uns was weg (so paraphrasiere ich zumindest die Items der Mittestudie), und das wird von über der Hälfte der Befragten geteilt. Diese Einstellung selbst verletzt weder Grund- noch Menschenrechte - sie ist aber die notwendige Bedingung dazu. Ich persönlich finde die Verbreitung schockierend. Denn es gibt keine Hierarchie der Diskriminierung (ist ein Gedanke Audrey Lordes). Es wird aufgrund konstruierter und zugeschriebener Eigenschaften diskriminiert. Notwendigerweise, es geht gar nicht anders. Die Bereitschaft zur Diskriminerung irgendeiner Gruppe bedeutet damit die Bereitschaft zur Diskriminierung aller Gruppen. Meines Erachtens äußert sich das nicht in den Zustimmungen zu den anderen Items, weil diese Einstellungen eben (noch) als verpönt gelten und die meisten sich im Nonkonformismus unwohl fühlen.
Wie gesagt, für mich lasen sich deine Beiträge so, als wenn du einerseits die liberalen Errungenschaften als kultürliche Eigenschaft betrachtest (kommt vermutlich vom Aufhänger des Artikels von Özoguz) und als wenn du andererseits diesen Gedanken fortführtest und entsprechend das als Kulturleistung der Mitte darstellen wolltest. Das wäre mir einerseits gefährlich (weil Ausschlussmöglichkeit statt Universalismus) und andererseits blind für die Gefahren. Falls du das nicht so meintest, dann entschuldige ich mich für meine harten Worte.
Was ist mit "dagegen aufstehen" gemeint und was kann und soll das bringen, wenn - lass mich doch noch einmal pointiert formulieren: - du bspw. in deiner Wortwahl "migrantische Seite" einfach alle mitnennst, die das Merkmal migrantisch in irgendeiner Form aufweisen? Natürlich sind gesellschaftliche Institutionen ebenso in der Verantwortung wie die Individuen selbst. Die Anerkennung der Gültigkeit von Menschenrechten beginnt immer bei einem selbst.Wer bitte, wenn nicht wir als Gesellschaft als Ganzes, sollte dagegen aufstehen, und was zum Teufel hat das mit kulturellem Leitbild zu tun? Doch nur insofern, dass die individuellen Menschenrechte
ein Teil der menschlichen Kultur sein sollten, und es im Deutschland der Moderne eben sind.
Und was die Frage des kulturellen Leitbildes betrifft - siehe Strangtitel und Eröffnungsbeitrag. Den Bogen hattest du gespannt von einer etwaigen Aberkennung kultureller Leistungen von Deutschen durch Özoguz hin zu liberalen Errungenschaften.