Ein Buch zum Thema:
"Noch nie war ein Unternehmen so dominant wie Amazon" INTERVIEW ANDRÁS SZIGETVARI
Für die Gesellschaft sei Innovation wichtiger als alles andere, sagt Autor Scott Galloway. Darum konnten die US-Technologiefirmen so viel Einfluss erlangen
Seitdem Scott Galloways Buch* über Amazon, Apple, Facebook und Google erschienen ist, avancierte er zum Medienstar. Galloway, Professor für Marketing in New York und selbst Gründer mehrerer Unternehmen, argumentiert, dass die vier dominanten US-Technologiekonzerne zu viel politische und wirtschaftliche Macht besitzen. Durch die Ermittlungen in den USA wegen russischer Manipulationen im Präsidentschaftswahlkampf via Facebook, Twitter und Google, ist das öffentliche Interesse für das Thema in Übersee immens gestiegen.
STANDARD: Warum differenzieren Sie zwischen den US-Technologiekonzernen nicht stärker? Zwischen Apple und Facebook, ihren Produkten und ihrer Stellung, gibt es ja gewaltige Unterschiede. Was verbindet alle überhaupt?
Galloway: Es sind die vier mächtigsten Konsumentenunternehmen der Welt. Sie haben Angebote an Unternehmenskunden, aber im Wesentlichen produzieren sie für Konsumenten. Sie wecken zudem in einem beispiellosen Ausmaß fundamentale Instinkte in uns. Google befriedigt auf gewisse Weise unseren Drang nach einem Superwesen, nach einer göttlichen Autorität. Wohlhabende Industriestaaten haben alle die gleiche Entwicklung durchgemacht. Der Glauben geht zurück, Menschen gehen seltener in die Kirche. Die tiefsitzenden Ängste sind aber gleich geblieben. Es gibt eine Lücke, die Google füllt. So sind viele der Anfragen bei Google noch nie gestellt worden. Facebook erfüllt unser Bedürfnis nach Liebe und unser Bedürfnis andere zu lieben.
STANDARD: Wo setzen Amazon und Apple an?
Galloway: Die größte Vernichtungsmaschine in der Menschheitsgeschichte war Hunger. Es ist daher unser Urtrieb, dass wir ständig mehr wollen. Nach Schätzungen verfügen Menschen über zehn bis 100 mal mehr Dinge, als sie brauchen. Genau das macht doch Amazon aus: Das Unternehmen kann sicherstellen, dass wir ständig mehr haben können, als wir brauchen. Apple schließlich ist in vielerlei Hinsicht ein Symbol der Sexualität. Die Apple Produkte signalisieren Stil, Wohlstand, in gewisser Weise zeigt Apple, dass wir gute Gene haben. Gott, Liebe, Konsum, Sex: All das sind Funktionen unser selbst als Menschen. Die Unternehmen haben diese Instinkte genommen und neu zusammengebaut.
Wie wird man dieser Macht Herr? Durch Politik?
STANDARD: Was folgt aus all ihren Thesen?
Galloway: Das kommt darauf an, über wen wir reden. Sprechen wir über Konsumenten, dann würde ich sagen: Genießen sie weiter die Vorzüge der Angebote der Technologieunternehmen. Sprechen wir über Studenten, würde ich ihnen empfehlen, Amazon, Apple und Co genau zu studieren um herauszufinden, warum gerade sie diese Machtfülle und Marktdominanz erringen konnten. Sprechen wir über Staatsbürger, würde ich diesen empfehlen, dass sie für Politiker stimmen, die diese Unternehmen zur Verantwortung ziehen, etwa wenn es darum geht, Steuern zu bezahlen. Es sollte den Unternehmen auch nicht erlaubt sein, die Behörden anzulügen.
derstandard.at/2000068463920/Noch-nie-war-ein-Unternehmen-so-dominant-wie-Amazon
Auch hier haben wir dann wieder die Frage, "Primat der Politik" oder "Primat der Ökonomie"? Wer bestimmt? Haben die Politiker noch die Kontrolle?
Im Grunde genommen entwickeln sich die Technologieriesen in beispielloser Art und Weise. Noch vor nicht allzulanger Zeit wirkt die Orwellsche Dystopie, daß der große Bruder bis in die eigenen Vier Wände watchen konnte noch als ein politisches Schreckgespenst. Die Technologieriesen sind da viel weiter? Siri, Alexa und wie sie heißen. Sie hören genau, was wir tun und wollen. Amazon, Apple, Google usw. Selbst Microsoft erzürnte die Fans, als ein Konsolenmodell verlangen sollte mindest einmal am Tag online zu gehen und das Micros und Kamera am Gerät in der Bude ihr Unwesen treiben können, egal ob man gerade spielt oder nicht.
Zwar ist die Utopie, daß man alles per Sprache steuern kann ganz reizvoll, aber gleichzeitigt können die Micros und Kameras, Interface auch in eine Art und Weise - theoretisch - agieren, davon haben die Sowjets und Orwell geträumt. Von diesen Möglichkeiten.
Wie Europa die US-Technologie-Giganten bändigen will
Angeführt von einer dänischen Politikerin will die EU dafür sorgen, dass Amazon, Apple, Google und Facebook ihre Macht nicht missbrauchen. Ob das gelingt?
Unbehagen allein reicht nicht
Kann man einem Unternehmen wie Facebook überhaupt nachsagen, seine Monopolstellung zu missbrauchen, wenn es seine Dienste kostenlos anbietet? Wer sind die Verlierer? Amazon wächst, der Konzern erzielt in Österreich bereits mehr Umsatz als Ikea. Damit steigt der Druck auf den stationären Handel. Doch für Konsumenten sind die zusätzlichen Alternativen mit Amazon eher gestiegen denn gefallen.
Der deutsche Kartellrechtsexperte Justus Haucap mahnt zur Vorsicht. Das Unbehagen an den IT-Giganten kann er nachvollziehen. Aber nur, weil ein Unternehmen rasant wächst, dürfe man nicht von Marktmissbrauch ausgehen. In vielen Fällen existiere nicht einmal Marktmacht. Im Vergleich zum stationären Handel sei Amazon nur ein Player von vielen. Zudem: Viele Menschen störten sich gar nicht daran, Daten herzugeben.
derstandard.at/2000068450572/Wie-Europa-die-US-Technologie-Giganten-baendigen-will