schokoschendrezki hat geschrieben:(25 Jul 2019, 15:03)
Ein wenig weniger Energie darauf zu verwenden, jemandem "Weltschmerz" oder "Antimodernismus" nachzuweisen, der definitiv nicht vorhanden ist, wäre auch schon ein - wenn auch kleiner - Beitrag. Weder "Mobilität" noch "Umweltschonung" stehen unabhängig von dem eigentlichen Ziel eines "besseren Lebens" möglichst vieler. Ich habe mich erst diese Woche mit einem Verkäufer in der größten Filiale des größten Fahrradhändlers darüber unterhalten, warum die Lieferung von Fixies und SInglespeeds trotz großer Nachfrage inzwischen komplett eingestellt wurde. Mehr und mehr geht es um die Erzeugung von Abhängigkeiten und Wiederholbarkeiten. Irgendeine Art von Registrierung zählt mehr als irgendein Einzelkauf. Minimalismus erzeugt keine Abhängigkeiten. Das ist der entscheidende Punkt. Der Akku führt - völlig unabhängig von der verwendeten Technologie - in viel kürzere Lebenszyklen, Anschlusskonformitäten und Reproduktionszwänge. Und das auch noch völlig unnötigerweise.
Naja, wenn jemand alle technischen Neuheiten der letzten Jahrzehnte verteufelt und den Weltuntergang prophezeit, wenn man so weitermacht, dann ist da mehr vorhanden als manch einer eingestehen möchte. Und was ein einzelner Verkäufer -- sprich, vermutlich sehr gering gebildeter Mensch -- annimmt und glaubt, interessiert mich ehrlich gesagt nicht.
Abhängigkeit ist auch eine sehr emotionale Sache. Du willst nicht wissen, wie oft mir jemand sagte, er habe ein Auto, weil er damit unabhängig sei. Dass er von diesem Fahrzeug so abhängig ist, dass sein Mobilitätsverhalten (z.B. im ländlichen Raum) massiv eingeschränkt wäre, das sehen sie nicht. Und so sieht es auch kein Radfahrer, der morgens darauf angewiesen ist, dass sein Rad in Ordnung ist, dass es niemand geklaut oder beschädigt hat. Während der registrierte Abhängige schauen kann, ob er eins von 15 Leihrädern nimmt, zu Fuß geht, den ÖPNV nutzt, sich einen Tretroller krallt, ein MOIA-Taxi ruft, nach Car2Go-Fahrzeugen Ausschau hält etc. pp.
Es liegt in der Natur der Sache, dass viele Menschen das Bedürfnis haben, sich sehr unabhängig und frei zu fühlen. Und das funktioniert selbst beim total gegenseitigen Konsumverhalten, wenn man nur fest daran glaubt. Mit etwas Nüchternheit und Abstand zur emotionalen Nähe (ob Kauf oder Miete), würde man in beiden Fällen nur mit dem Kopf schütteln. Aber damit ich auch mal das Phrasenschwein füttere: Eigentum ist Diebstahl und sharing is caring.
Die Annahme, kürzere Lebenszyklen seien schlecht, ist übrigens nostalgischer Murks ohne Grundlage. Das gilt nicht nur für Fahrzeuge oder Kühlschränke, sondern auch Infrastrukturen. Lieber schreibe ich über acht Jahre ein BHKW ab, nutze es noch ein, zwei Jahre für den Profit, hau es raus und ersetze es anschließend durch ein effizienteres, moderneres System. Langlebigkeit heißt, man baut ein ineffizientes, riesiges Kohlekraftwerk, das sich erst nach Jahrzehnten rentiert, eine zentrale Abhängigkeit schafft und uns nach einem halben Jahrhundert noch mit total überalterten Technik mit Strom versorgt. Es ist ja da, rechnet sich nicht so flott und alles, was neu ist, ist ja eh pfuibäh und hält nie lange.