Die Türkei nach dem Ende des Kalten Krieges - Vorderasien statt EU?

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olli
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Re: Die Türkei nach dem Ende des Kalten Krieges - Vorderasien statt EU?

Beitrag von olli »

Vongole hat geschrieben:(10 Apr 2021, 16:55)

Da wird sich Erdogan aber freuen, in dir so einen netten Verbündeten gefunden zu haben.
Oh je, jetzt soll ich also ein Verbündeter des Kalifen vom Bosporus sein, nur weil ich ein gewisses Verständnis dafür habe sich nicht neben diese Person setzen zu wollen ? Großes Kino :rolleyes:
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JJazzGold
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Re: Die Türkei nach dem Ende des Kalten Krieges - Vorderasien statt EU?

Beitrag von JJazzGold »

Vongole hat geschrieben:(10 Apr 2021, 16:40)

Michel hätte die unverschämte Provokation Erdogans einfach aus der Welt schaffen können, indem er, vielleicht begleitet von einer leicht süffisanten Bemerkung, den Platz mit vdL getauscht hätte.
Frau von der Leyens Stimme trägt sicher auch über die Distanz vom Sofa bis zu den Sesseln.
Wenn keiner weiß, wie er sich verhalten soll, dann macht man das Beste aus der Situation und konzentriert sich auf die anstehenden Themen. Wenn ich dieses seit Tagen andauernde Gequake wer was wie hätte tun sollen, davor, dabei, danach, dann nimmt die Form zu viel Raum ein und der Inhalt zu wenig.
Bei solch archaisch geprägten Typen wie Erdogan und Putin muss Frau darauf gefasst sein, in deren Hirn nur als unbedeutende, leicht einzuschüchtern Randfigur wahrgenommen zu werden. Es liegt an der betroffenen Frau dieses Bild nachhaltig zu korrigieren, nicht an den sie begleitenden Männern. Dass Frau von der Leyen das beherrscht, daran habe ich keinen Zweifel.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Kohlhaas
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Re: Die Türkei nach dem Ende des Kalten Krieges - Vorderasien statt EU?

Beitrag von Kohlhaas »

JJazzGold hat geschrieben:(11 Apr 2021, 07:48)

Frau von der Leyens Stimme trägt sicher auch über die Distanz vom Sofa bis zu den Sesseln.
Wenn keiner weiß, wie er sich verhalten soll, dann macht man das Beste aus der Situation und konzentriert sich auf die anstehenden Themen. Wenn ich dieses seit Tagen andauernde Gequake wer was wie hätte tun sollen, davor, dabei, danach, dann nimmt die Form zu viel Raum ein und der Inhalt zu wenig.
Bei solch archaisch geprägten Typen wie Erdogan und Putin muss Frau darauf gefasst sein, in deren Hirn nur als unbedeutende, leicht einzuschüchtern Randfigur wahrgenommen zu werden. Es liegt an der betroffenen Frau dieses Bild nachhaltig zu korrigieren, nicht an den sie begleitenden Männern. Dass Frau von der Leyen das beherrscht, daran habe ich keinen Zweifel.
Sie hat sich schon richtig verhalten. Sie hat ihrem Unmut und ihrer Verwunderung Ausdruck verliehen und dann auf einen "Eklat" verzichtet. Das war professionell. Es ist aber auch vollkommen korrekt, dass dem Herrn Erdogan im Nachgang zu dieser Aktion deutlich gemacht werden muss, dass er so nicht mit Spitzenvertretern der EU umgehen darf. Im Kontakt mit der EU neigt Erdogan dazu, immer wieder kleine provokative Nadelstiche zu setzen. So wird das nichts mit der "Annäherung", die er angeblich will. Dieses Verhalten versaut die Stimmung zwischen den Parteien.
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King Kong 2006
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Re: Die Türkei nach dem Ende des Kalten Krieges - Vorderasien statt EU?

Beitrag von King Kong 2006 »

Die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern dürfte wohl dem Verhältnis der Türkei zum Westen auch nicht gut bekommen sein.
Biden hatte am Samstag als erster US-Präsident die Einstufung als Genozid vorgenommen. "Wir gedenken all derer, die im Völkermord an den Armeniern während der Zeit der Osmanen gestorben sind", erklärte er zum 106. Jahrestag der Massaker. Der US-Präsident betonte, es handele sich um die Bestätigung einer historischen Tatsache und gehe nicht darum, der Türkei "Vorwürfe zu machen".

Mit der Einbestellung von David Satterfield bringe das türkische Außenministerium seinen Protest gegen Bidens Äußerungen vom Samstag zum Ausdruck, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Bidens Äußerungen hätten "eine Wunde" in die Beziehungen beider Länder geschlagen, "die schwer wieder gut zu machen" sei, kritisierte das Ministerium in Ankara laut Anadolu.

https://www.tagesschau.de/ausland/asien ... d-103.html
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Kohlhaas
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Re: Die Türkei nach dem Ende des Kalten Krieges - Vorderasien statt EU?

Beitrag von Kohlhaas »

King Kong 2006 hat geschrieben:(25 Apr 2021, 12:55)

Die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern dürfte wohl dem Verhältnis der Türkei zum Westen auch nicht gut bekommen sein.
Mir ist eigentlich nicht klar, warum die Türkei auf dieses Thema derart sauer reagiert. Die Anerkennung des Völkermords duch den Bundestag war ja seinerzeit schon der Grund dafür, dass das traditionell freundschaftliche Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei schwer beschädigt wurde. Jetzt im Falle der USA sieht das anders aus. Da herrscht in den Beziehungen ohnehin schon eine Eiszeit. Trump hat das in der für ihn typischen Bewunderung für Autokraten und Diktatoren noch ein bisschen gedämpft, aber Biden ist ein anderes Kaliber. Eigentlich müsste Erdogan jetzt langsam zur Kenntnis nehmen, dass es ihm nicht nutzt, wenn er sich wegen dieses Themas so aufplustert. Mit Deutschland konnte er das machen, zu seinem eigenen Schaden. Mit den USA kann er das nicht. Biden pfeift offensichtlich darauf, ob Erdogan ihn mag.
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King Kong 2006
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Re: Die Türkei nach dem Ende des Kalten Krieges - Vorderasien statt EU?

Beitrag von King Kong 2006 »

Kohlhaas hat geschrieben:(25 Apr 2021, 13:34)

Mir ist eigentlich nicht klar, warum die Türkei auf dieses Thema derart sauer reagiert. Die Anerkennung des Völkermords duch den Bundestag war ja seinerzeit schon der Grund dafür, dass das traditionell freundschaftliche Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei schwer beschädigt wurde. Jetzt im Falle der USA sieht das anders aus. Da herrscht in den Beziehungen ohnehin schon eine Eiszeit. Trump hat das in der für ihn typischen Bewunderung für Autokraten und Diktatoren noch ein bisschen gedämpft, aber Biden ist ein anderes Kaliber. Eigentlich müsste Erdogan jetzt langsam zur Kenntnis nehmen, dass es ihm nicht nutzt, wenn er sich wegen dieses Themas so aufplustert. Mit Deutschland konnte er das machen, zu seinem eigenen Schaden. Mit den USA kann er das nicht. Biden pfeift offensichtlich darauf, ob Erdogan ihn mag.
Das hat vermutlich mit der Gründung der Türkei zu tun. Das osmanische Reich verlor nicht nur im 1.Weltkrieg, es zerbrach und hörte auf zu existieren. Da wurden viele äußere, wie innere Feinde erkannt. Auch die Armenier.

Aus der Wahrnehmung von inneren und äußeren Feinden "komplett zerlegt zu werden", quasi von der Landkarte gefegt zu werden wurde ein Narrativ. Die neue Türkei fusste grundlegend auf Ethnie und Sprache, der Nationalismus als Kit (Pakistans Staatsgründung eher auf die Religion, Israels Religion/Ethnie).

Wenn jetzt jemand kommt und die "Verteidigung" gegen von der Landkarte gefegt zu werden als Völkermord und Unterdrückung bezeichnet und das durch jahrzehntelange, nationalistische Schulung und Gründungsmythos, dann geht die Hutschnur hoch.

Wenn jemand den Gründungsmythos der USA oder eines anderen amerikanischen Landes auf den Knochen und Stämmen der indigenen Völker erwähnt, würde Washington oder eine andere Hauptstadt auch nicht gerade vor Begeisterung platzen. Auf jedenfall ein heißes Eisen.
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Kohlhaas
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Re: Die Türkei nach dem Ende des Kalten Krieges - Vorderasien statt EU?

Beitrag von Kohlhaas »

King Kong 2006 hat geschrieben:(25 Apr 2021, 16:19)

Das hat vermutlich mit der Gründung der Türkei zu tun. Das osmanische Reich verlor nicht nur im 1.Weltkrieg, es zerbrach und hörte auf zu existieren. Da wurden viele äußere, wie innere Feinde erkannt. Auch die Armenier.

Aus der Wahrnehmung von inneren und äußeren Feinden "komplett zerlegt zu werden", quasi von der Landkarte gefegt zu werden wurde ein Narrativ. Die neue Türkei fusste grundlegend auf Ethnie und Sprache, der Nationalismus als Kit (Pakistans Staatsgründung eher auf die Religion, Israels Religion/Ethnie).

Wenn jetzt jemand kommt und die "Verteidigung" gegen von der Landkarte gefegt zu werden als Völkermord und Unterdrückung bezeichnet und das durch jahrzehntelange, nationalistische Schulung und Gründungsmythos, dann geht die Hutschnur hoch.

Wenn jemand den Gründungsmythos der USA oder eines anderen amerikanischen Landes auf den Knochen und Stämmen der indigenen Völker erwähnt, würde Washington oder eine andere Hauptstadt auch nicht gerade vor Begeisterung platzen. Auf jedenfall ein heißes Eisen.
Ja, sicher. Auch Österreich-Ungarn --- bis dahin eine der beherrschenden Großmächte Europas --- ist nach dem Ersten Weltkrieg zerbrochen. Und? Das ist alles mehr als hundert Jahre her! Warum macht sich ein Möchtegern-Sultan deshalb heute noch in den Frack? Weshalb sind diese Ereignisse, die vor mehr als hundert Jahren stattgefunden haben, heute noch so wichtig, dass Erdogan deswegen ein aktuelles Bündnissystem infrage stellt? Glaubst Du, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA dermaßen abkacken würden, wenn Deutschland den USA einen Völkermord an den Indianern vorwerfen würde? Ist das nicht schon passiert? Keine Ahnung. Es geht hier um Ereignisse, die viele Jahre her sind. Muss man sich deshalb so aufplustern? Ist doch alles längst vorbei. Das ist kein "heißes Eisen" mehr. Schon lange nicht mehr. Warum also der Aufstand?

Ich kann es nicht nachvollziehen. Aber meine Meinung interessiert da ja auch niemanden. Entscheidend ist die Meinung von Joe Biden. Und der hat mit seiner Äußerung gerade unmissverständlich klar gemacht, dass es ihm wurschtegal ist, was der neue Sultan der Türkei gern hätte. Nun darf Erdo darüber nachdenken, ob er noch ein bisschen weiter plustern oder auf den Boden der Tatsachen zurückkehren will. Sein Gepluster hat jedenfalls ausschließlich innenpolitische Gründe. Er will sich aufspielen als großer Führer, der selbst den USA trotz. In den USA interssiert das keinen toten Hund. Klüger wäre es gewesen, wenn Erdogan einfach die Fresse gehalten hätte. Dann hätte in der Türkei kaum jemand mitgekriegt, was Biden so gesagt hat. Aber die türkische "Ehre" lässt es ja offensichtlich nicht zu, einen begangenen Völkermord einzuräumen. Nichtmal nach mehr als 100 Jahren.
Slava Ukraini
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Re: Die Türkei nach dem Ende des Kalten Krieges - Vorderasien statt EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Oh, oh! Erdogan versucht, in der Türkei die Prohibition einzuführen. Das könnte sich als fataler Fehler erweisen. Viele Menschen bleiben ruhig, wenn man ihnen ihre Grundrechte entzieht. Aber wenn ihnen jemand ihre Drogen wegnehmen will, werden sie leicht mal ungehalten ;-)

https://www.merkur.de/welt/coronavirus- ... 77146.html
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