Diese mag nicht zuletzt dadurch befeuert sein, daß die EU sich politisch im Grunde genommen von der Türkei abgewandt hat. In Sachen Mitgliedschaft. Ich persönlich sehe das als praktisch gleich Null an. Dann wendet man sich eben auch mal anderen zu, direkt in der Nachbarschaft. Anfangs gab es die Null-Problem-Politik aus Ankara im Bereich der Außenpolitik. Sogar sehr erfolgreich, gleichzeitig mit einer beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung. Wer aber Macher sein will, muß aus den sicheren Gefilden heraus und dem fliegen auch die Funken und Späne um die Ohren. Siehe Syrien und Irak. Ende mit der Null-Probleme-Außenpolitik. Gewollt, wie auch aufgezwungen.
In Syrien knallten die Interessen Moskaus und Ankaras aufeinander. Das gipfelte in einem Abschuß eines russischen Bombers aufgrund Luftraumverletzungen. Was ist mit den Beziehungen dieser beiden großen Staaten (in de Region)? Was wird aus ihnen und was hat das für Folgen in der Region?
Ankaras 44-Milliarden-Dollar-Abschuss
Die russisch-türkischen Beziehungen stehen nach dem Abschuss eines Kampfbombers vor dem Aus. Demonstranten bewarfen die türkische Botschaft mit Steinen. Moskau will nun wichtige Projekte einfrieren
Sicher wird nie etwas so heiß gegessen, wie es gekocht wurde. Oder so ähnlich. Dennoch wird es mit Sicherheit signifikante Entwicklungen bilateral und in Folge dessen auch regional geben.Nach dem Abschuss eines russischen SU-24-Jagdbombers an der syrisch-türkischen Grenze gibt es nicht nur bei den einfachen Russen Vergeltungsgelüste: Auch die russische Regierung zeigte den Türken hinsichtlich Gesprächsangeboten die kalte Schulter. Außenminister Sergej Lawrow sprach von einem "gezielten Hinterhalt". Meldungen Ankaras nach einem vereinbarten Treffen wies er zurück. "Solche Erklärungen des türkischen Außenministeriums zeigen nur das Fehlen elementaren Verständnisses von Ethik und Achtung an und sind bezeichnend für den Wahrheitsgehalt dessen, was wir aus Ankara hören", sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. Der überlebende russische Pilot bestreitet, vor dem Abschuss optisch oder per Funk von der Türkei gewarnt worden zu sein, wie dies Ankara behauptet.
Energieprojekte fraglich
Premier Dmitri Medwedew, der Ankara erneut den illegalen Handel mit Öl der Terrormiliz IS vorwarf, bezeichnete die Beziehungen beider Länder, unter anderem in der Wirtschaft und im humanitären Bereich, als zerstört. "Direkte Folge kann der Verzicht auf eine Reihe wichtiger Gemeinschaftsprojekte sein", türkischen Unternehmen drohe der Verlust des russischen Markts, sagte er.
Medwedew spielt damit auf das Pipelineprojekt Turkstream an, das freilich zuletzt ohnehin zurechtgestutzt wurde – von seiner ursprünglichen Kapazität über 63 Milliarden Kubikmeter blieben 32 Milliarden übrig. Die Türkei hängt zu 60 Prozent von russischem Gas ab. Unklar ist auch die Zukunft eines mit russischer Hilfe geplanten Atomkraftwerks in der Türkei.
Im Prinzip ist der gesamte Waren- und Dienstleistungsaustausch – etwa 44 Milliarden Dollar (41,5 Milliarden Euro) – infrage gestellt: Als Erstes wurde bereits die Tourismusbranche getroffen. Das Reiseverbot des russischen Außenministeriums trifft Ankara empfindlich. 2014 ließen russische Urlauber immerhin 3,5 Milliarden Dollar in der Türkei. Die militärisch-technische Zusammenarbeit ist ohnehin eingestellt.
Daneben drohen auch den türkischen Lebensmittelhändlern Probleme. Nach dem Importbann für Nahrungsmittel aus Europa konnte die Türkei sich größere Marktanteile sichern. Nun hat die russische Verbraucherbehörde Hühnerfleisch eines türkischen Betriebs gesperrt, nachdem sie in Proben Listeriabakterien gefunden hatte.
http://derstandard.at/2000026417872/Ank ... r-Abschuss