Cobra9 hat geschrieben:(10 Sep 2020, 09:36)Ich habe sogar Verständnis das Trump sagt stoppt North Stream 2.
Dafür, dass er das in seiner Funktion als amerikanischer Präsident so sagt, habe ich für meinen Teil ebenfalls verständnis. Worfür ich weit weniger Verständnis habe, ist, dass darüber hierzulande gerade ernsthaft debattiert wird.
Wenn wir einmal ganz ehrlich sind, der gesammte Standpunkt, dass uns das Fertigbauen der Pipeline in zu große Abhängigkeit von Russland bringen würde, etc. ist doch vollkommener Kokolores.
Das die Pipeline fertiggstellt wird, ist doch noch lange nicht gleichbedeutend damit, dass man sie auch sofort vollumfänglich nutzt.
Finanziell gesehen, ist der Abbruch, nachdem das Teil zu 90% bereits fertig gestellt ist, am Ende sicherlich nicht besonders kostensparender, als wenn es einmal fertig gebaut wird.
Wenn sie einmal fertig ist, kann man genau Russland genau so gut dadurch sanktionieren, dass man ihre Inbetriebnahme erstmal bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag aufschiebt. Würde das getan, wäre es im Endeffekt, was den Umgang mit Russland angeht, nicht anders, als wenn die pipeline nie gebaut worden wäre. Der einzige Unterschied besteht darin, dass diese pipeline Deutschland einen Hebel in die Hand gibt, in dieser Hinsicht politische Schwierigkeiten in Osteuropa zu umgehen und sich in diese Probleme nicht einzulassen.
Darauf zu bestehen, dass die Pipeline nicht zu Ende gebaut wird (auf den Verzischt auf Inbetriebnahme vorläufig zu bestehen, wäre da etwas anderes) ist insofern weniger ein Schlag der darauf zielt Sanktionen gegen Russland wirksam ins Werk zu setzen, als viel mehr einer, der dahin zielt, zu verhindern, dass Deutschland vom energiepolitischen Standpunkt her die Möglichkeit bekommt, sich aus Konflikten aus Osteuropa heraus zu halten und das wiederrum nehme ich persönlich als einen illegitimen Angriff wahr.
Dazu zu ermahnen, dass die Pipeline nicht genutzt werden darf, dass Deutschland sich seinen Verpflichtungen gegenüber seinen osteuropäischen Nachbarn und NATO-Verbündeten gegenüber zu entziehen, wenn von russischer Seite her unprovoziert agressive Signale in diese Richtung gesandt werden und einer Ermahnung dahingehend sich nicht eigenmächtig aus gemeinsamen Sanktionsregimes (sofern sich auch die anderen Partner daran halten), auszuklinken, hielte ich für vollkommen statthaft.
Die Pipeline an und für sich verhindern zu wollen, bedeutet im Endeffekt aber nichts anderes, als zu versuchen, uns auf Gedeih und Verderb an das Gebahren unserer Osteuropäischen Nachbarn zu binden, vollkommen egal, wie diese sich verhalten.
Das bedeutet am Ende nichts anderes, als der derzeitigen Politik in Polen und Ungarn einen Persilschein auszustellen.
Gerade im Bezug auf Polen dürfte es außerordentlich schwierig werden, das Land auf die Einhaltung der Prinzipien, zu denen es sich beim Eintritt in die EU verpflichtet hat, wieder festzulegen, wenn man es als Transitland weiterhin benötigt und deswegen Schwierigkeiten hat, hier ein Sanktionsregime aufzubauen.
Insofern berrachte ich die Pipeline eigentlich als im Interesse der EU als solcher, denn die wird man erst dann wieder in wirklich handlungsfähigen Zustand bekommen, wenn die beiden notorischen Quertreiber in Osteuropa wieder auf Kurs sind. Sie dorthin zu bringen, wird mit der Pipeline in der Hinterhand wesentlich leichter fallen, als ohne. Insofern betrachte ich das Ansinnen den Bau zu stoppen, als gegen die Interessen Deutschlands und die Interessen der EU als ganzes gerichtet.
Das geht meiner Meinung nach entschieden zu weit.
Ein Einfrieren der Kooperation mit Russland, dass die Eröffnung nach vollendeter Fertigstellung aufschiebt, wäre demgegenüber eine andere Sache, für die ich micht durchaus erwärmen könnte, wie auch für andere Arten von Sanktionen.