H2O hat geschrieben:(11 Oct 2018, 10:34)
Gehört nun dieser Beitrag hier unter "Mögliche Fahrverbote", oder greift er doch zu weit in die Zukunft?
Als eifriger DLF-Hörer konnte ich verfolgen, daß die EU (vermutlich im Auftrag des EU-Ministerrats) einen Abgleich der Umweltminister aus noch 28 Staaten der EU für den CO2-Ausstoß künftiger Kraftfahrzeuge durchgeführt hat. Die deutsche Ministerin Svenja Schulze gestand zähneknirschend ein, daß sie persönlich das höhere Ziel einer 40%-CO2-Absenkung der Fahrzeugflotte eines Herstellers unterstütze, sie die Kabinettsdisziplin aber nötige, auf 30% zu bestehen. Am Ende war sie aber befugt, einem Kompromiß von 35% zu zu stimmen.
Es geht wohl darum, den erwarteten Anstieg der mittleren Erdtemperatur auf <2°C gegenüber einem Meßwert der Vergangenheit zu halten, indem der Zuwachs der CO2 Anteile in der Atmosphäre begrenzt wird... natürlich auch mit Blick auf technische Möglichkeiten. Deshalb war die EU mit dem 40%-Ziel in die Gespräche eingestiegen.
Tja, und nun wird es bitter ernst. Die deutschen Hersteller haben sich auf schwere und sehr teure Fahrzeuge mit hohem Verbrauch hin bewegt, vermutlich um dem Geltungsbedürfnis einer weltweit vorhandenen Käuferschar entgegen zu kommen. Diese Fahrzeuge sind vielfach mit Dieselmotoren ausgerüstet worden, um sowohl den Kraftstoffverbrauch als auch den CO2-Ausstoß im erträglichem Rahmen halten zu können. Stickoxyde NOx hatte da noch niemand wirklich auf dem Zettel stehen, und der gemeinschaftlich organisierte Betrug von amtlicher Zulassung und Herstellern bei der Abgasbehandlung war noch geheime Kommandosache.
Also nicht Diesel und mehr Benzin, damit die werte Kundschaft wieder überall herumkurven kann... das wird wohl wieder mehr CO2 als je zuvor heißen. Oder hohe Verdichtung und gleichfalls vermehrte NOx-Abgabe in die Umwelt, geringfügig verringerte Wahnsinnsverbräuche obendrein.
Mit ihrer Flottengestaltung sitzt die deutsche Fahrzeugindustrie jetzt ziemlich tief in der Tinte. Entsprechend dramatische Arbeitsplatzverluste wurden vorsorglich angekündigt.
Andererseits glaubt fast die ganze Welt mit wenigen Ausnahmen an den Klimawandel zu höheren mittleren Temperaturen, und der vergangene lange und heiße Sommer wird nicht unbedingt als die große Ausnahme verstanden. Demnach muß der CO2-Ausstoß als "Klimagas" dringend vermindert werden, und in den Innenstädten wollen die Fahrzeugbesitzer natürlich auch noch fahren dürfen, also ohne das giftige NOx ab zu geben.
Was also tun... auch aus der Sicht als möglicher Käufer eines Fahrzeugs? Vor allem also kleinere und leichtere Fahrzeuge, wie VW das vor fast 20 Jahren mit dem 3-Liter-Auto LUPO 3L demonstriert hatte. Ein teurer Spaß damals, und leider auch noch ein Diesel, der damals noch völlig unbescholten war. Immerhin Umweltklasse 4 ohne Abgasreinigung! Nur wenige Kunden konnten sich für einen Kleinstwagen zu so hohen Preisen begeistern... nach 60.000 Stück wurde die Herstellung eingestellt. (Aus meiner Sicht hat sich die Anschaffung gelohnt... das Ding schnurrt noch nach 18 Jahren Betrieb ganz einwandfrei, nur werde ich irgendwann die großen Innenstädte meiden müssen. CO2-Ausstoß 81 g/km, NOx-Ausstoß unbekannt)
Man muß sich jetzt vorstellen, daß der kleine Lupo 3L (81 g/km) gerade soeben die CO2-Bedingung 35% für einen VW-Passat (120 g/km CO2) erfüllt, um abschätzen zu können, vor welcher Aufgabe unser großer Fahrzeughersteller steht. Für den VW Golf sieht das nicht wesentlich besser aus. Als Diesel wäre etwas möglich. Aber es ist ja die Rede vom Flottenverbrauch... was den Mittelwert über die gesamte Produktpalette eines Herstellers bedeutet. Das alles würde bedeuten, daß VW für die Zielvorgabe -40% CO2-Ausstoß nur noch den LUPO 3L herstellen dürfte, aber bitte als Benziner.
Damit stehen wir als "Autonation" vor der Wahl, den erwarteten Klimawandel zu beschleunigen und dabei fröhlich weiter unsere Premium-Modelle zu benutzen, oder wir müssen uns künftig sehr einschränken. Es hilft ja nichts, sich um 30%, 35%, 40% zu streiten, wenn man die Folgen solcher Festlegungen nicht betrachtet.
Natürlich kann VW einen Elektro-Golf oder einen Elektro-up! aufbieten. Wenn diese Fahrzeuge dann 1:1 in die Flotte eingerechnet werden, obwohl sie nur handverlesen verkauft werden, dann ist das wohl der nächste Betrug/Trick ein Gesetz zu umgehen. Der Begriff "Flottenverbrauch muß schon auf die verkaufte Flotte und ihren zahlenmäßigen Betrieb angewandt werden.
Noch ein Gedanke dazu: Wenn VW dann tatsächlich nur noch LUPO 3L herstellen würde, um das 35% oder 40%-Ziel zu erfüllen, dann wäre die nächste CO2-Grenzwertverschiebung in einigen Jahren technisch nicht mehr mit Verbrennungsmotoren durchführbar! Schon die derzeitig angedachte CO2-Absenkung ist nur bei Verzicht auf große und schwere Fahrzeuge denkbar. Wehe, wenn ein Hersteller von vornherein nur kleine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor im Angebot hat... wo soll der die 35% oder 40% CO2-Absenkung für seine "Flotte" hernehmen ohne zu stehlen?
Also werden wir demnächst Staatsgäste mit einem LUPO3L vom Flughafen abholen.
Was heißt Flughafen: Der CO2-Ausstoß der Flugzeuge dürfte haarsträubend hoch sein... also Rückkehr zur guten alten Eisenbahn und zum Passagierdampfer.
Die Antwort darauf wird nicht allein der Stromer aus erneuerbaren Energien sein; dazu zähle ich einmal synthetisches Methangas als CNG-Antriebsstoff. Alles das gibt es mit den entsprechenden Kinderkrankheiten. Das wird sich bessern, aber zu welchen Kosten? Zeit sich mit neuen Systemen der Mobilität und des Transports von Gütern zu befassen... und wenn es die ganz alten sind. Zu Pferd und Wagen wird man wohl nicht zurück kehren können.
Zu Ihren sehr interessanten Gedanken und Ausführungen sollte man vielleicht noch ergänzend anmerken:
Bei dem von Ihnen angesprochenen Geschacher um neue EU-Grenzwerte schlug Frankreich 40% vor, was natürlich für die deutsche Autoherstellerseite, für die die Regierung die deutsche Umweltministerin als Autoindustrie Lobbyistin dorthin schickte, um die neuen Schadstoffgrenzewerte möglichst zu sabotieren oder zu blockieren. Was ihr auch gelang. Wie kann es sein, oder wie geht das für Sie zusammen, dass ausgerechnet FRA 40% vorschlug,
obwohl auch dort die Autoindustrie eine Schlüsselindustrie ist, und die franz. Hersteller nicht unbedingt mit Kleinstschüsseln wie Ihrem LUPO 3L glänzten oder auch hinkünftig glänzen.
Die franz. Hersteller dürften, da lange nicht so in überaus üppigen Renditeseen schwimmend wie ihre deutsche Konkurrenz, dann ja auch vor der "ruinösen" Entscheidung stehen, nur noch Kleinstwagen analog zum
damals von VW und Herrn Piech als reines Augenwischerei - Fahrzeug angebotenem Lupo 3L zu produzieren. Sofern man die angesprochenen Klimaziele und eine folgenschwere Klimaerwärmung über 1,5% tatsächlich einhalten will,
oder doch lieber nach dem derzeit besonders auf deutscher Seite der Autoherstellerseite handelnden Motto "lma mit euren Klimascheiss" weiterfährt.
Selbstverständlich wäre es möglich, auch in schwere Kisten wirksame Reinigungssysteme einzubauen, bzw. diese Technologie eben stringent und vorrangig für Benzin- und Dieselrosse voranzutreiben und weiterzuentwickeln.
Aber die jüngsten Ereignisse um Hardware-Nachrüstung mit Abgasreinigungssystemen anlässlich der Dieselproblematik und drohender Fahrverbote zeigte eines ganz deutlich:
Die deutsche Autoindustrie schert sich einen feuchten Kehricht darum, technisch saubere Lösungen, sprich wirksame Abgasreinigungssysteme für Verbrennungsmotoren freiwillig zu entwickeln und einzubauen.
Wer sich noch an das Aufheulen der deutschen Autohersteller und die damalige, genauso bockstarrige Jammerorgie bezüglich eines freiwilligen Einbaus von Kat-Systemen bei Benzinern erinnert, wird wissen, mit Freiwilligkeit erreicht man bei der deutschen Autoindustrie nichts. Man erntet höchstens ignorantes und selbstgefälliges Jammern und nötigenfalls miese Drohungen über Standortverlagerungen oder Arbeitsplatzverluste.
Dennoch leuchtete, bei aller Samthandschuhpolitik der politisch Verantwortlichen irgendwann auch dem BMW-, VW- oder Daimler-Schosshund ein, dass es eine gesetzliche Vorgabe, also ein zwingendes "must" für die Hersteller
geben musste. Und siehe da, plötzlich war der Kat nicht mehr so teuer und auch technisch machbar, ohne dass die Autohersteller in den vollständigen Ruin abschmierten oder die Arbeitsplätze verschütt gingen.
Es fehlt einfach daran, dass die Politik der selbstverschuldeten und entsprechend lahmarschigen Veränderungshaltung der deutschen Autoindustrie keine Vorgaben macht, wie etwa Kaliforniern damals knallhart
Vorgaben für alle Hersteller festsetzte, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verlangten, dass jeder Autohersteller in CAL mindestens ein vollkommen schadstoff-freies Fahrzeug anbieten muss und der Rest der Angebotspalette
im Sinne einer tatsächlich wirksamen Schadstoffreduzierung auch ernsthafte Hausaufgaben gestellt bekam. Das ging alles.
Nur nicht in D oder in der EU.
Meine Meinung ist, die Autohersteller bräuchten einen knallharten gesetzlichen Arschtritt in ihren durchaus fähigen und innovativen Entwicklungsarsch. Ich bin überzeugt, dass bei entsprechenden gesetzlichen Vorgaben - auch hinsichtlich enger Zeitfenster - Lösungen technisch möglich sind, die auch schwerere Fahrzeuge, egal ob Benziner oder Diesel, in kürzester Zeit so sauber machen, bis sich klar abzeichnet, ob die Zukunft tatsächlich in E-Mobilität oder doch bei reinen wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen im Individualverkehr liegt. Oder einem Mix aus beiden, sofern entsprechende flächendeckende Infrastrukturen ebenso ernsthaft ins Werk gesetzt werden.
Ihren Ausführungen bzw. ihren düsteren Ahnungen, dass Hersteller wie VW, Audi, Daimler und Co. wegen der EU-Abgasgrenzwerte und künftiger Klimaziele das Schicksal von LUPO-Herstellern dräuen könnte, kann ich mich also nicht so recht anschließen.
Ich bin im übrigen der Meinung, dass man die Autohersteller EU-weit zwingen sollte, bestehende Diesel- und Benzinfahrzeuge mit Abgasreinigungssystemen nachzurüsten. Und dazu zeitlich ein Rahmen von max. zwei Jahren festgesetzt werden solllte, um kostengünstig in Massenproduktion Abgasreinigungssysteme zu erschwinglichen Kosten (sagen wir mal ca. 1500,-- EUR) für kleinere Fahrzeuge zu realisieren. Wenn bei den ganzen Protz- und Imagekisten der Schwergewichtsklasse diese Nachrüstkosten höher liegen, ist das marginal. Für Felgen oder überflüssigen Zubehör - und Ausstattungsschnickschnack wird ein vielfaches dieser Geldbeträge gerne verpulvert.
Insofern wäre dann eine Lösung, diese Nachrüstkosten halbe-halbe auf die Autohersteller und Konsumenten zu verteilen, sicher auch ein verschmerzbarer und fairer Kompromiß. Letztlich sind die Verbraucher und Käufer der
Blechkisten ja nicht ganz schuldlos mit ihrem Drang nach immer noch mehr Leistung, Imagestyling und angeberischer Dickbäuchigkeit der Fahrzeuge, die die Autohersteller natürlich nur zu gerne bedienen und bedienten. Und beide Seiten Abgasreinigung und saubere, sparsame Motorisierung eher als Hobby für Moralisten sahen. Selbstredend würde das heute kein Autobesitzer zugeben. Es wird natürlich opportunistisch und alleinig herumgeopfert, wie sehr man betrogen wurde. So, als ob man der Autoindustrie den behaupteten Saubermann als wahren Weihnachtsmann einfach glauben musste, bis sich herausstellte, was jeder wusste: Der Weihnachtsmnn ist ein Märchen für Kinder bis sechs Jahre. Aber nicht für Erwachsene.