schokoschendrezki hat geschrieben:(26 Sep 2018, 13:35)
Da bin ich mir nicht so sicher. Jedenfalls nicht, wenn die Kausalbeziehung so dargestellt wird: Unsere Werte sind Demokratie, Rechsstaat, Aufklärung, Humanismus. Und nun bauen wir mal diesen Werten ensprechend das Gebilde EU. Tatsächlich dürfte die Relation eher dialektisch sein. Bestimmte Dinge funktionieren in einer Freihandelsgemeinschaft einfach besser. Es läuft einfach besser so. Und Offenheit und Rechtsstaatlichkeit ist weniger eine Vorgabe als viel mehr eine gute praktische
Erfahrung, die man dann gerne nachträglich und selbstgefällig als "Wert" ausgibt.
Der Aufstieg des römischen Reichs ab etwa dem 5. Jh. v. Chr. .... Einen der Mechanismen, die dafür ursächlich waren, kann man grob vereinfacht so zusammenfassen: Die Römer hatten erkannt, dass "Fremde" und "Eroberte" eigentlich auch zu Sklaven, Abgabenverpflichteten und Soldaten gemacht werden können und nicht unbedingt einfach ausgeraubt und hingemordet werden müssen. Dass das die wesentlich effektivere Methode ist. Bis dahin, dass auch Fremde, freigelassene Sklaven zu gewissen Teilen Bürgerrechte bekamen. "Römisches Recht" ist bis heute die Hauptquelle unserer demokratischen Rechtsstaatlichkeitsvorstellungen. Es handelt sich dabei aber nicht um einen irgendwie ewigen "Wert" sondern schlicht und einfach um die Erfahrung einer sehr effizienten Expansionsstrategie.
Demokratie und Rechtsstaat, erster Volltreffer. Nun noch Gewaltenteilung in der Demokratie und Rechtssicherheit im Rechtsstaat. Sodann gegenseitige Anerkennung auf der Grundlage von Gleichheit und Wohnung innerhalb der Gemeinschaft. Nun noch Harmonisierung des Rechtswesens und der Gesetze. Ja, da hat das alte Rom einen guten und grundlegenden Beitrag geleistet. Zulassung eines grenzüberschreitenden fairen Wettbewerbs von Wirtschaft und Gewerbe innerhalb der Gemeinschaft durch gemeinsame Normen für Waren, Dienstleistungen, Maße und Gewichte. Natürlich Niederlassungsfreiheit... das war ja Ihr wesentlicher Punkt.
Das alles sind Werte, die jedem Partner Verzicht auf sein eigenes Jodeldiplom abnötigen.
Bestimmt kann man diese Werteaufzählung fortsetzen. Sie ist die freiwillige Grundlage unserer Gemeinschaft.
Wenn wir nun Humanität und Aufklärung noch ein wenig auswalzen, dann werden Sie sehr bald verstehen, weshalb der eine oder andere Partner sich peinliche Fragen gefallen lassen muß; oder der unabhängige Rechtsstaat und die Rechtssicherheit. Über das Ausmaß von Verletzungen dieser Grundsätze entscheidet der EuGH... also noch eine gemeinsame Veranstaltung, die alle Partner gemeinsam anerkannt haben, damit es in der Gemeinschaft überall mit rechten Dingen zu geht.
Ja, wenn alles das anerkannt ist und auch als tägliche Gepflogenheit gelebt wird... ja dann geht alles das, wovon Sie zu Recht träumen.
Aber wir haben sogar noch mehr: Weithin eine gemeinsame Währung, durchgängige Verkehrsnetze, weiträumig gemeinsame Uhrzeiten und Fahrpläne. Ach ja, wir haben moderne Flugzeuge, und eben ruft mir meine Frau noch zu, daß heute die 100. ARIANE zusätzliche Satelliten ins All gebracht hat. Meine Vermutung: Satelliten vom Typ GALILEO für unser europäisches Navigationssystem. Auch das sind gemeinsame Werte, denn keiner unserer Kleinstaaten hätte es jemals zu weltweit wettbewerbsfähigen Flugzeugen und Raumfahrzeugen gebracht.
Vielleicht verstehen Sie jetzt, weshalb ich mich über Rückfälle ins frühe 20. Jahrhundert so aufregen kann... und sicher verstehen Sie auch, was wir verlieren können.