Jekyll hat geschrieben:(07 Aug 2018, 18:27)
Das können weder Sie noch ich mit Gewissheit sagen, da zu pauschal und zu endgültig. Ja, ich gebe zu, dass meine Antwort etwas zu dezent geraten ist, aber das ist mir ehrlich gesagt auch viel lieber als in die andere Extreme zu geraten und ganzen Völkern und Nationen pauschal etwas zu unterstellen. Sie müssen verstehen, ich habe eine tiefe Abneigung gegen Pauschalisierungen und Vorurteilen. Ich erlebe sowas ja selbst oft genug am eigenen Leibe im täglichen Leben. Kein schönes Gefühl, das versichere ich Ihnen.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen...genau genommen ist Ihre Frage tatsächlich off topic, denn es sind ja nicht die Türken, die von sich behaupten, sie hätten von der Geschichte gelernt, um dann "belehrend" über andere Völker herzuziehen. Das tun hier nur Deutsche bezüglich ihrer Geschichte. Genau deswegen war es notwendig, ganz im Sinne der Diskussionsthematik, hier korrigierend einzugreifen und die Gastgeber mit der nüchternen Realität zu konfrontieren. Das verstehen Sie doch, oder?
Die Mehrheit der Türken leugnet heute den Völkermord an den Armeniern. Gerne stellt man sich selbst als das Opfer dar, obwohl man an die 1,5 Mio. Menschen vernichtet hat. Hinzu kommt, dass sich die Mehrheit der Türken eine erstarkte und expandierende Türkei herbeiwünscht. Der völkerrechtswidrige Überfall auf Efrîn und die einhergehenden ethnischen Säuberungen haben innerhalb der türkischen Mehrheitsgesellschaft lediglich positive Stimmung erzeugt. Wo bleibt die Kritik? Wo bleibt das Hinterfragen? Hinzu kommt die Unterstützung für den IS und anderen Jihadisten. Wo sind denn bitteschön die Türken, die diese Machenschaften kritisieren oder hinterfragen? Fakt ist nunmal, dass Erdo in vielen Wahlen ein ums andere mal vom Großteil der Türken bestätigt wurde (auch wenn man von einer teilweisen Wahlfälschung ausgehen darf, speziell im Osten). Sein Feldzug gegen die Kurden im eigenen Land hat auch keine kritischen Stimmen hervorgebracht. Im Gegenteil. Sogar die oppositionelle CHP unterstützte das Vorgehen und die Ausbootung der größten kurdischen Partei - der HDP. Wie die rechtsextreme MHP, die drittgrößte türkische Partei derzeit, zu Minderheitenrechten, Völkermorden, usw. steht brauch ich wohl nicht näher ausführen.
Wenn ich über "die Türken" schreibe, dann immer über die Mehrheitsgesellschaft. Und meine "Pauschalisierungen" sind niemals aus der Luft gegriffen. Ich orientiere mich an die türkische Parteienlandschaft, den Wahlergebnissen, den türkischen Medien und die offensichtlich fehlende Hinterfragung innerhalb der Gesellschaft. Wo bitte bleiben die Demos? Wo zeigt die türkische Gesellschaft ihren Unmut, dass ihre Armee Leid über fremde Völker bringt? Wieso solidarisiert sich diese türkische Gesellschaft mit unterdrückten muslimischen Völker überall auf der Welt und unterstützt gleichzeitig die Unterdrückung vor der eigenen Haustür?
Deshalb ja auch meine Frage, was haben die Türken aus ihrer Geschichte gelernt. Nichts haben sie gelernt, die Gegenwart beweist es. Und das Thema ist keineswegs off-topic. Denn wer außer dem türkischen Volk sollte Erdo stoppen? Aber wie soll das geschehen, wenn die Mehrheitsgesellschaft der Türken so denkt:
Jekyll hat geschrieben:Aber die Militärs sind mittlerweile "bereinigt", und die Türkei hat jetzt einen starken Präsidenten. Die Türkei ist nicht mehr die alte.
Der erste Schritt um Despoten wie Erdo zu stoppen ist ein gesunder Umgang mit seiner eigenen Geschichte. Das wäre ein erster Schritt. Aber genau das Gegenteil ist ja der Fall. Man wünscht sich die alte koloniale und völkermordende Türkei zurück. Denn nichts anderes impliziert der Wunsch einer starken Türkei. Und genau hier liegt der Hase begraben. Während man sich in Deutschland mit seiner eigenen dunklen Geschichte befasst hat und aufgearbeitet hat, wünscht man sich in der Türkei diese zurück. Das ist der Unterschied zwischen beiden Völkern. Das ist auch der Grund weshalb Leute wie Sie niemals in die Türkei auswandern würden.
Jekyll hat geschrieben:Eine Türkei mit einem starken, fähigen Präsidenten wird sicherlich mehr Fortschritte erzielen als eine mit vielen unfähigen Parlamentariern.
Selbst in einer parlamentarischen Demokratie leben aber von der Ferne aus die Diktatur beklatschen. Dafür stehen Sie und alle Türken in Westeuropa die Erdo wählten. Noch heuchlerischer geht es kaum.
Jekyll hat geschrieben:Ganz ruhig, Kardux. Erdo hat die russische Maschine nicht persönlich abgeschossen. Dahinter steckten die antidemokratischen, faschistoiden Militärs. Und denen hat er nach dem gescheiterten Putsch endgültig den Garaus gemacht. Der Mann ist absolut konsequent! Muss man ihm lassen. Ehre wem Ehre gebührt.
Natürlich hat er die Maschine nicht persönlich abgeschossen. Er hat den Befehl dazu gegeben und die Aktion unmittelbar nach dem Abschuss auch gerechtfertigt. An Ihrer Geschichte stimmt etwas nicht. Merken Sie es? Aber bei dicken Eiern und Ehre lässt es sich schlecht Denken...
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