maxbreak2 hat geschrieben:(10 Jun 2018, 00:51)
Die Frage nach der Übermittlung der genauen Zielposition ist offensichtlich recht gut. Sie beweißt, wie weit manche theoretischen idealen Wunschvorstellungen selbst in vermeintlichen Detailfragen von der Realität abweichen.
Ich versuche es mal mit einem konkreten Beispiel:
Angenommen ich bin Angestellter in einem großen Industrieunternehmen und Sie sind ein Verkäufer. Sie wollen mir in dieser Funktion eine Dienstleistung verkaufen und ich habe Sie deshalb zu mir in die Firma zu einem entsprechenden Besprechungstermin eingeladen. Ich schicke Ihnen eine Einladungsbestätigung per E-Mail mit meiner Postanschrift. Melden sollen Sie sich am "Besucherempfang".
Ist-Zustand:
Sie setzen sich in ihr Auto. Sie geben die Postanschrift ein oder sagen diese dem Navi per Spracheingabe. Das Navi dirigiert Sie zu der Firma. Allerdings zu einer Pforte, die nur für Mitarbeiter zugelassen ist. Der Pförtner erklärt Ihnen den Weg zum Besucherparkplatz, der auf der anderen Seite des Blockes liegt. Sie fahren deshalb eine weitere Strecke um den Block herum von mehr als einem Kilometer und stellen dann dort auf dem Besucherparkplatz Ihr Fahrzeug ab und begeben sich von dort aus zum Besuchereingang.
Sagen Sie nicht das kommt nicht vor! Das ist ein Beispiel aus der Praxis, dass mir persönlich schon des öfteren in dieser und ähnlicher Form widerfahren ist.
Neuer Zustand:
Sie sind mit einem autonom fahrenden Auto unterwegs. Ihr Auto fährt Sie zu der angegebenen Postadresse. Dort angekommen stecken Sie erstmal fest, weil Sie Ihrem autonom fahrenden Auto die GPS-Koordinaten des Besucherparkplatzes erst übermitteln müssten. Diese werden Sie weder von mir und auch nicht vom Pförtner bekommen, weil weder ich noch der Pförtner die GPS-Koordinaten des Besucherparkplatzes kennen. Sie wollen etwas an mich verkaufen, da interessiert es mich nicht, dass Sie mit einem autonom fahrenden Auto unterwegs sind. Wieso sollte ich die Zeit und den Aufwand auf mich nehmen und Sie diesbezüglich unterstützen?
Jetzt wird die Angelegenheit aber wirklich albern! Kein Regelwerk der Welt kann offensichtliche Eingabefehler berichtigen. Wenn ich Ihnen eine falsche Hausnummer mitteile ohne den Firmennamen hinzu zu setzen, oder eine falsche Straßenbezeichnung, dann rennen Sie sich auch ohne Auto den Schädel ein. Sie werden fragen müssen. Das Regelwerk wird im Wertevorrat herum suchen... wie Sie beim Googeln doch sehr schön nachvollziehen können. Dann bekommen Sie einige Vorschläge, die am besten zum gesuchten Wert passen könnten. Und nun sitzen Sie in Ihrem Auto und bekommen "Kursvorschläge" von Ihrem Navigationssystem. Irgendwann merken Sie, daß Sie auf dem Holzweg sind. Was werden Sie nun tun? Ich würde brav anhalten und zum Handy greifen, das Unternehmen anrufen und fragen, wie ich denn nun dorthin kommen kann. Dabei setze ich voraus, daß das Navigationssystem die Firma und den Firmensitz nicht kennt. Wenn mir ein etwas verschlafener Typ erneut eine falsche Auskunft gibt, dann werde ich wohl erneut nachfragen müssen, bin aber hoffentlich schon sehr viel dichter am Ziel. Also gut, anhalten und wieder fragen, weil Sie zur falschen Einfahrt verwiesen wurden. Dann wird die Sache ja wohl klappen. Ein intelligentes System hätte Ihnen schon Angebote gemacht, so ähnlich wie google, also aufgegliedert nach Kundenparkplatz, Haupteingang, Mitarbeiterparkplatz... Woher weiß Google das? Natürlich vom Firmenimpressum, wenn die Firma darauf einigen Wert legt.
Sie können diese Art der Navigation mit etwas Geduld schon heute mit Ihrem Rechner am Schreibtisch durchführen. Der rechnet Ihnen eine Route vor zwischen Ihrem Wohnhaus und der Firma, ganz ohne Anfrage dort. Mit etwas Glück finden Sie im Google-Wertevorrat schon heute die Werksteile, die für Ihren Besuch von Interesse sein könnten... ein Angebot, aus dem Sie wählen können. Und nun kommt es ganz dicke: Hinter jeder dieser Koordinaten steht auch eine GPS-Koordinate. Die zeigt Ihnen das System nicht, aber sie ist vorhanden... wetten daß? Darauf beruht der Routenvorschlag.
Und nun setzen Sie sich in Ihr Auto und brausen los, nachdem Sie Ihr Ziel eingegeben haben. Wenn Sie Glück haben, dann kennt Ihr Navigationssystem schon heute die eingegebene Adresse mitsamt GPS-Koordinate... und berechnet Ihnen einen neuen Kursvorschlag, der vielleicht Feldwege und Autobahnen ausschließt, oder Ortsumgehungen bevorzugt.
Sie kommen am Ziel an, aber bemerken, daß die Lösung doch nicht ideal war. Dann werden Sie anrufen und fragen, und dabei genauer sagen, was Sie gern hätten... dann war das Google Angebot leider nicht vollständig, oder Sie haben sich bei der Auswahl geirrt. Heute würden Sie dann die Zieladresse nach Angabe des Pförtners ändern... und weiter fahren. Oder das Navigationssystem bietet Ihnen erneut das Google- Angebot an, und Sie berichtigen Ihre gemachte Eingabe.
Bis die Sache spruchreif ist, sind diese Funktionen in einem Regelwerk integriert, und sie können Ihr Ziel aus einem verfügbaren Angebot nachbessern.
Alte Filme zeigen noch, wie die Telefonvermittlung mit einer Steckermatrix von Hand hergestellt wurde. Das "Fräulein" von der Telefonvermittlung ist allerdings seit etwa 80 Jahren in Rente; die letzten Handbedienungen gab es noch bei Telefongesprächen ins Ausland. Daran kann ich alter Mann mich noch erinnern. Seit spätestens 1960 ist das auch vorbei, jedenfalls in Industriestaaten. Das Beispiel soll Ihnen zeigen, wie ein Regelwerk entsteht aus Abläufen, die Mesnchen sich mühevoll überlegt haben. Selbst die Internet-Telefonie folgt diesen über 100 Jahre alten Grundsätzen... natürlich mit der gerade für sinnvoll gehaltenen Technologie.
Ich habe Ihnen jetzt die Abläufe einer Anfahrt zu einem Ihnen weitgehend unbekannten Ziel zu Fuß erklärt; die automatisierten Abläufe werden diesen "händischen" Abläufen folgen müssen... was denn sonst? Wie eben die heutige Telefontechnik. Da ist nichts umwerfend Schwieriges zu erwarten, zumal flächendeckendes Internet über LTE bis dahin auch schon längst verfügbar sein wird. Dann "redet" Ihr Auto mit dem eingegeben Ziel und bekommt die notwendigen Daten in sehr hoher Auflösung und völlig sicher.
Die wirkliche Kunst besteht darin, mit dem Auto vollautomatisch durch ein reales Verkehrsgewühl zu fahren, mit unvorhersehbaren Situationen. Das bißchen Navigation ist da eher ein "Fliegenschiß" in der Entwicklungsgeschichte der automatischen Fahrzeugführung.
Ich vermute, daß Sie künftig in Ihrem Auto nur noch sagen müssen: "Ich will nach Hause!" oder "Ich möchte zum Einkaufszentrum!" oder "Ich möchte zum Golf-Club!" oder "Ich möchte zur Firma XYZ!". Dann antwortet Ihnen "Alexa" schon mit akustischer Mitteilung, was sie verstanden hat, und Sie können "Alexa" berichtigen, bis die Sache aus Ihrer Sicht paßt. Auch diese Technik ist schon verfügbar, und sie wird stetig verbessert. Natürlich wird sie in das Regelwerk eingebaut... Auch nix Dolles!