schokoschendrezki hat geschrieben:(04 May 2018, 22:47)
Historisch gesehen führt nix an der Erkenntnis vorbei, dass die primären Wurzeln des vormodernen, religiösen Antijudaismus nur im Christentum liegen können.
Nicht nur historisch gesehen führt nichts an der Erkenntnis vorbei, daß Erkenntnis ohne Kenntnis nicht zu haben ist. Wer nicht zur Kenntnis nimmt, daß der christliche Antisemitismus auf dem Vorwurf des Gottesmordes basiert und dieser Vorwurf im Islam aus theologischen Gründen überhaupt keinen Sinn ergibt, somit auch nicht Vorbild für den eigenen Antisemitismus sein kann, wird über das Niveau eines bloßen Meinungsgeschwätzes nicht hinauskommen, auch wenn er noch so dick aufträgt.
schokoschendrezki hat geschrieben:(04 May 2018, 22:47)
Trivialerweise schon von der zeitlichen Abfolge her.
Die zeitliche Abfolge z.B. bezüglich der Kleiderordnung sieht so aus:
Islam
807: Der abbasidische Kalif Hārūn ar-Raschīd befiehlt für Juden einen gelben Gürtel und für Christen einen blauen.
853: Kalif al-Mutawakkil von Persien gibt ein entsprechendes Edikt heraus.
887: Juden und Christen werden im muslimisch eroberten Sizilien einer besonderen Kleiderordnung unterworfen.
1005: Der Fatimid al-Hakim verpflichtet Juden in Ägypten und Palästina Glocken an ihren Gürteln und hölzerne „Goldketten“ um den Hals zu tragen.
1121: Ein Brief aus Bagdad beschreibt die dortige jüdische Kleiderordnung: „[…] zwei gelbe Gürtel, einen um den Kopf, den andern um den Nacken. Ferner muss jeder Jude ein Stück Leder an seinen Nacken hängen, auf dem das Wort dhimmi steht. Auch um seine Taille muss er einen Gürtel tragen. Die Frauen müssen einen roten und einen schwarzen Schuh tragen, dazu eine kleine Klingel an ihren Nacken oder Schuhen.“
1301: In islamischen Ländern müssen Juden gelbe Turbane tragen.
1315–1326: Emir Ismael Abu-I-Walid zwingt die Juden von Granada den Gelben Fleck zu tragen.
Christentum
12. Jahrhundert: Der konische Judenhut wird in Deutschland üblich.
1215: Das Vierte Laterankonzil verlangt Unterscheidungskennzeichen für Juden und Muslime.
1219: Papst Honorius III. erlässt den Juden von Kastilien eine besondere Kleidungsordnung.
1222: Der Erzbischof von Canterbury, Stephen Langton, ordnet an, dass englische Juden ein weißes, später ein gelbes Band zu tragen haben.
1228: König Jakob I. befiehlt den Juden von Aragon den gelben Gürtel zu tragen.
1267: Das Provinzialkonzil von Wien fordert, dass Juden einen besonders geformten „gehörnten“ Hut (pileum cornutum) zu tragen hätten.
1269: Ludwig IX. von Frankreich erlässt mit Bezug auf das 4. Laterankonzil eine Kleiderordnung für Juden seines Landes. Jüdische Männer mussten eine kreisförmige Scheibe, die Rouelle, auf der Brust tragen, jüdische Frauen eine besondere Haube. Die Kennzeichnung diente der Umsetzung eines Edikts von 1252, das alle Juden aus Frankreich auswies, die sich nicht zu Christen taufen ließen oder sich nicht für einen bestimmten Betrag davon freikauften. Juden, die öffentlich ohne ihre Kleidungskennzeichen angetroffen wurden, mussten ein Bußgeld von zehn Silberstücken zahlen.
1274: Eduard I. von England verschärft das Dekret. Der Gelbe Fleck in Form der Gesetzestafeln des Mose muss von jedem Juden ab dem siebten Lebensjahr über dem Herzen getragen werden.
1279: Im Kirchenkonzil von Buda wird das Tragen des Judenrings vorgeschrieben. Infolge des Einspruchs des ungarischen Königs wird diese Bestimmung jedoch nicht konsequent angewandt.
1294: In Erfurt wird der Gelbe Fleck erstmal in Deutschland erwähnt.
1321: Heinrich II. von Kastilien zwingt Juden zum Tragen des Gelben Flecks.
1415: Der Gegenpapst Benedikt XIII. verhängt die Bulle von Avignon. Juden müssen einen gelben oder roten Fleck tragen, die Männer auf ihrer Brust, die Frauen auf dem Schleier.
1434: Kaiser Sigismund führt auf Wunsch der Stadt und nach entsprechenden Forderungen des Basler Konzils vom selben Jahr den Gelben Fleck in Augsburg wieder ein.
1528: Der Senat von Venedig erlaubt dem berühmten Arzt Jakob Mantino ben Samuel für zwei Monate, den regulären Doktorhut statt des gelben Judenhuts zu tragen. Später wurde die Frist auf Empfehlung des englischen und französischen Botschafters sowie des päpstlichen Legaten und anderer prominenter Patienten des Arztes verlängert.
1555: Papst Paul IV. verfügt, dass im Kirchenstaat ansässige Juden blaue (!) Hüte tragen müssen.
1566: Papst Pius V. bestätigt die Kennzeichnungspflicht für Juden durch ein gelbes Zeichen an der Außenkleidung. König Sigismund II. August unterzeichnet ein Gesetz, das den Juden Litauens gelbe Hüte und Kopfbedeckungen auferlegt. Zwanzig Jahre später wurde das Gesetz aufgehoben.
1775: Papst Pius VI. ordnet im Edikt für die Juden (Paragrafen 17 und 18) mit Bezug auf den Papsterlass von 1566 eine besondere und detaillierte Kleiderordnung für Juden des Kirchenstaates an. Das Edikt wurde 1797 als Folge der Französischen Revolution aufgehoben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gelber_Ri ... rordnungen
Die zeitliche Abfolge bezüglich antijüdischer Pogrome auf europäischem Boden sieht so aus:
"Das Massaker von Granada war ein Pogrom an Juden, das 1066 in Granada zur Zeit der Herrschaft der Ziriden im islamischen Herrschaftsgebiet von al-Andalus stattfand. Es gilt als erstes Pogrom auf europäischem Boden."
https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Granada
"Während des Bauernkreuzzuges, der im Vorfeld des Ersten Kreuzzugs der Ritter stattfand, wurden im Frühjahr 1096 die im Rheinland ansässigen Juden von Kreuzfahrern angegriffen. Dabei kam es zu den ersten organisierten Judenpogromen des Abendlandes."
https://de.wikipedia.org/wiki/Judenverf ... cite_ref-1
MIt der schlichten Logik, von der zeitlichen Abfolge auf einen kausalen Zusammenhang zu schließen, lägen
"die primären Wurzeln des vormodernen, religiösen Antijudaismus" im Islam. Das wäre der gleiche Schwachsinn, nur andersrum.
schokoschendrezki hat geschrieben:(04 May 2018, 22:47)
Und dass eine der wesentlichen Umbrüche zwischen diesem religiösen Antijudaismus und dem modernen, auf Menschenvernichtung hinauslaufenden Antisemitismus mit den Umbrüchen in der Entwicklung des Christemtums, personifiziert in Luther wie auch später in den orthodoxen Kirchen etwa in Rusland zu verorten ist.
Der moderne, exterminatorische Antisemitismus hat überhaupt keine religiöse Basis. Er versteht sich als wissenschaftlich und fußt auf der biologistisch begründeten Rassentheorie. Der religiöse Antijudaismus läßt den Juden grundsätzlich die Chance der Konversion - sowohl im Christentum wie im Islam. Der Rassenantisemitismus bietet diese Möglichkeit nicht. Ein Jude kann Christ oder Moslem werden, aber kein Arier.
schokoschendrezki hat geschrieben:(04 May 2018, 22:47)
Der sekundäre, davon abgeleitete islamisierte Antisemitismus, mit dem wir es hier und heute zu tun haben, ist aktuell tatsächlich bedrohlicher und akuter als der primäre. Die historischen Zusammenhänge ändert das aber nicht.
Der Begriff "sekundärer Antisemitismus" bedeutet zwar etwas anderes als du vermutest, an den historischen Zusammenhängen ändert das allerdings tatsächlich nichts.