Moses hat geschrieben:(04 Mar 2018, 22:11)
Ich springe ein letztes mal über meinen Schatten,
ich habe mich sehr lange und intensiv mit Schranken und Schranken-Schranken zwischen den Grundrechten im GG beschäftigt, viele unterschiedliche Meinungen studiert und mit vielen Staatsrechtlern diskutiert.
allein die Aussage:
"Keiner sieht das anders als ich" ist Schwachsinn
und die Aussage:
Diese dürfen jedoch die von der Menschenwürdegarantie (Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)
gezogenen Grenzen nicht überschreiten. Letzteres wäre der Fall, wenn die Dienstpflichten die
betroffenen Frauen und Männer unverhältnismäßig belasten und ihren unantastbaren Bereich
menschlicher Freiheit verletzen.
lässt Spielraum für bücherdicke Auslegungen, Interpretationen und Diskussionen. (für Fachleute)
Nun, ich hab mir das Gutachten ja auch durchgelesen. Und ich finde sehr viele Argumente darin, die ich auch vorgebracht habe, z.B. auch, dass die Art von Zwangsdiensten, wie sie hier im Thread teilweise gefordert werden oft nur bei totalitären Staaten zu finden sind. Typisch auch für ein Gutachten dieser Art ist, dass das Ende offen ist. Dass es ein "es ist grundsätzlich möglich, aber ...". Das wiederum bezieht sich aber nur auf die Möglichkeit eines allgemeinen Pflichtdienstes. Ob sich der verfassungkonform dann umsetzen lässt ist wieder ein anderes Thema.
Und genau das ist der Punkt. Wir diskutieren hier ja nicht ob das verfassungsrechtlich grundsätzlich möglich wäre, sondern es geht um einen konkreten Vorschlag. Und dieser Vorschlag, den ich kritisiere lautet konkret, alle Bürger (jetzt von einem bestimmten Jahrgang an) zu einem Pflichtdienst von 15 bis 18 Monaten zu verpflichten, unabhängig von einer Wehrpflicht also dem "Gemeinwohl" zu dienen und dieses Dienen kann im extremen Fall auch bedeuten, dass man im Finanzamt Akten sortiert.
Und da sehe ich erhebliche Bedenken. Die sollten auch dir bewußt sein, da du dich ja intensiv mit Verfassungrecht beschäftigt hast. Das Grundgesetz sichert gerade im ersten Abschnitt die allgemeinen Grundrechte zu, abgeleitet aus den Menschrechten. Desweiteren sind in diesem Absatz auch die möglichen Einschränkungen der Grundrechte dargestellt. Diese Einschränkungen sind in vielen Fällen Kann-Bestimmungen und keine Muss-Bestimmungen. Im konkreten Fall, das Grundgesetz legt fest, dass es Wehrpflicht geben kann, aber nicht muss. Ob es diese Einschränkung dann gibt, das legt der Gesetzgeber fest. Und zwar in Form eines konkreten Gesetzes. Dieses Gesetz muss dann durch die Verfassung gedeckt sein. Im Falle von Einschränkungen muss auch die Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Um beim konkreten Beispiel zu bleiben. Es besteht jetzt zwar aktuell die Möglichkeit, Männer zu Wehrdienst zu verpflichten, aber deswegen wäre ein Gesetz, dass z.B. einen Wehrdienst von 20 Jahren vorsieht wohl nicht verfassungskonform, obwohl sich das GG über die Länge ja nicht ausläßt. Es wäre in so einem Fall also auch unsinnig zu behaupten, dass dieses Gesetz durch die Verfassung gedeckt ist.
Und damit sind wir beim eigentlichen Thema. Das Loslösen des Pflichtdienstes vom Wehrdienst, der ja seinen Ursprung darin hat, dass der Staat seiner Aufgabe die nationale Sicherheit zu garantieren möglicherweise ohne Wehrpflicht nicht nachkommen kann, weil sich nicht genügend Freiwillige finden führt das ganze Thema ad absurdum. Es steht hinter dieser Einschränkung plötzlich keine nationales Interesse, eine staatliche Aufgabe ... nein sie wird ausgeweitet zu einem allgemeinen Pflichtdienst in dem jeder "seinen Beitrag" leisten muss. Und die Begründung ist nicht mehr die nationale Sicherheit, die der Staat sicherstellen muss, sondern wenn man sich das so ansieht ein rein erzieherischer. Und genau das findet man nur in totalitären Staaten. Das muss man einfach so festhalten. Im Endeffekt bedeutet es, dass man jungen Erwachsenen im Alter von sagen wir 18 bis 28 Jahren einfach mal 18 Monate ihres Lebens stiehlt indem man sie im Extremfall Akten im Finanzamt sortieren lässt. Und das ganze ohne jegliche Notwendigkeit. Wo bitte ist hier die Verhältnismäßigkeit?
Bin ich wirklich der Einzige, der das extrem daneben findet?