Alster hat geschrieben:(07 Feb 2018, 10:12)
Du vermeidest es leider auf meinen konkreten Punkt einzugehen. Der Begriff "Wohnung" im Sinne des §3 RBStV ist so gehalten, dass die Inkasso jederzeit für einzelne Zimmer, Abstellräume etc. Beiträge kassieren kann (selbstverständlich auch rückwirkend). Im Ergebnis wird auf maximale Entrechtung des Bürgers hin optimiert. Der Zahler besitzt keinerlei Rechtssicherheit. Wie willst du das mit rechtsstaatlichem Denken vereinbaren?
Ich bin deshalb nicht auf deinen konkreten Punkt eingegangen, weil ich an der Stelle gar keine Einwände habe. Ich habe mich mit dieser steuer- und abgabenrechtlichen Fragestellung nicht im Detail beschäftigt, und was du hier bislang dazu geschrieben hast, erscheint mir durchaus plausibel. Es sehen ja auch offensichtlich ein paar andere Leute so ähnlich wie du.
Mir geht es um deine absurde Verallgemeinerung "der Schweizer hat im Gegensatz zum Deutschen Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit". Jetzt kann es ja sein, dass du das nur bezogen auf das ÖR-Finanzierungsthema meinst. Ist dem so? So wie es formuliert es, wirkt es wie ein allgemeiner Rundumschlag gegen die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland. Diese ist in Deutschland aber auf so vielen Ebenen (Verfassung, Gesetze, Verwaltungsvorschriften etc.) verankert und auch umgesetzt, dass man aus seiner (angenommenen oder wirklichen) Verletzung im Falle der ÖR-Finanzierung kaum auf ein allgemeines Defizit schließen kann. Dafür wird insgesamt viel zu viel für den Rechtsstaat getan.
In der Schweiz wurde 2011 publik, dass die Behörden Staatstrojaner eingesetzt haben bzw. einzusetzen planten, im Lichte des Rechtsstaatsprinzips ein sehr fragwürdiger Vorgang. Hat somit "der Schweizer keine Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit"? Nein, das ist natürlich Unsinn, da an äußerst vielen anderen Punkten die Schweiz den Rechtsstaat vorbildlich verwirklicht. Man sollte einfach mal ab und zu die Kirche im Dorf lassen.
Wegen der personellen Verstrickungen Parteien-BVerfG-ÖR versagt die repräsentative Demokratie hier.
Personelle Verstrickungen sind ein Schwachpunkt jeglicher Demokratieform. Was verhindert eigentlich, dass beim jetzt anstehenden Volksentscheid in der Schweiz zur Billag eine mit massivem publizistischen Einsatz agierende Koalition von Politik und dortigem ÖR (existent aufgrund von personellen Verstrickungen) diesen Volksentscheid massiv beeinflußt und in die gewünschte Richtung lenkt? Richtig, nichts.
Ich bin durchaus ein Freund der direkten Demokratie, die in D auch auf Bundesebene eingeführt werden sollte. Man muss sich aber einfach immer wieder klar machen, dass überhaupt nicht bewiesen und auch nicht beweisbar ist, dass der Volkswille dadurch insgesamt besser verwirklicht werden würde. Welche Themen zum Volksentscheid gelangen, ist durchaus zufällig und wird von aktuellen politischen Ereignissen sowie von medienmächtigen Interessengruppen bestimt, also ist in keiner Weise gewährleistet, dass wirklich über die wichtigsten Themen abgestimmt wird. Vielleicht sind der Mehrheit der Bürger viele andere Dinge wichtiger, als wie der ÖR finanziert wird?
Des weiteren ist gerade der ÖR ein gutes Beispiel, dass es alles andere als trivial ist, dem Volk hierzu die richtige Frage zu stellen. Wenn man fragt "sollen die Zwangsgebühren abgeschafft werden?", findet sich natürlich eine klare Mehrheit, da dies von der Qualität "sollen in Deutschland die Steuern sinken?" ist. Würde man fragen, ob das heutige Angebot von ARD, ZDF und den sonstigen ÖR-Anstalten, zwecks finanzieller Entlastung der Bürger von steuerähnlichen Zwangsabgaben, reduziert werden soll, incl. Tagesschau, Heute-Journal, Free-TV zu Fußball WM und EM, Brennpunkte, Bildungssendungen, Kinderprogramm, Tatorte etc., würde ein anderes Ergebnis herauskommen. Was ist denn nun der Volkswille?
Oder nehmen wir
die Forderung der NoBillag-Initiative, dass der Bund grundsätzlich keine Radio- und Fernsehstationen subventionieren soll. Ist das wirklich der Wille von jedem, der gegen die Billag in der heutigen Form ist? Oder gibt es vielleicht auch viele, die gegen die staatliche Beteiligung gar nichts haben, sondern sich nur eine geringere, sozialere und besser auf die tatsächliche Nutzung abhebende Beitragspolitik wünschen? Diese Alternative steht dummerweise nicht zur Wahl (ist auch schwierig, denn wie quantifiziert man "geringer" etc.?). Das kann man genauso als undemokratisch ansehen. Es gibt viele Argumente dafür, dass eine repräsentative Demokratie komplexe Fragestellungen mit vielen Entscheidungsalternativen besser und eher im Sinne des Volkes abbilden kann, als die direkte Demokratie.
Fazit: Aus der fehlenden Möglichkeit eines Volksentscheids über den ÖR ein grundsätzliches Demokratiedefizit der Deutschen abzuleiten, weil man die Demokratie ja nur "aufgesetzt" bekommen habe, ist ebenso eine absurde Verallgemeinerung, wie die obige zur Rechtsstaatlichkeit.
wir führen eine private Diskussion. Auch das muss sein, sollte in einem Staat, der sich demokratisch nennt aber nicht alles sein.
In der Schweiz hat dagegen allein der Steuercharakter der für 2019 avisierten Rundfunkabgabe große öffentliche Empörung erregt. Mit den im deutschen RBStV (meinerseits oben dargelegten) Verstößen gegen die Rechtsstatlichkeit hat es der Schweizer Nationalrat ja gleich gar nicht versucht.
Ich weiß ja nicht, was du unter einer "öffentlichen Diskussion" - von der du behauptet hast, dass es sie hier zum ÖR nicht gebe - verstehst. Dieses Forum wird nicht staatlich betrieben, sondern von einem sich aus Privatpersonen zusammensetzenden Verein, das ist richtig. Allerdings kann jeder in Deutschland lesen, was wir hier schreiben, und es kann auch jeder mitdiskutieren. Und wir hier sind ja nur ein kleines Licht im Vergleich zu Facebook oder den Kommentarspalten großer Medien, für die dasselbe gilt. Es gibt reichlich Pro- und Contra Artikel und Kommentare zu diesem Thema in Medien jeglicher Art. Das Thema ist durchaus en vogue (wie man ja auch an diesem Strang sieht). Was in aller Welt ist eine "öffentliche Diskussion", wenn nicht das?
History doesn't repeat itself, but it often rhymes (Twain). Unfortunately, we can't predict the rhyme.