H2O hat geschrieben:(19 Dec 2017, 07:25)
Ich würde nicht behaupten, daß eines der genannten Länder erfolgreich regiert wird. Das ist sicher Geschmacksache!...
Die Gliederung der Bundesrepublik in Bundesländer beschert uns noch einmal eine Heerschar von Ganztagspolitikern. Vergleichbares suchen Sie in Frankreich vergebens, oder in Polen. Trotzdem funktioiniert's ganz ordentlich.
Es ist nicht bloss eine Geschmacks- sondern auch eine Machtfrage. Wir sind ja nicht föderativ, weils Spass macht, sondern weil Deutschland in der heutigen Form anders gar nicht existieren würde.
Die eher zentralistisch regierten Länder wie eben Frankreich, Spanien oder eben auch China haben ihre Regierungsform aus ihrer Geschichte gewählt. Wenn das Land eine AG wäre, dann hätte in Frankreich der Präsident die wesentliche Mehrheit der Stimmrechte. Er kann deswegen auch einfach so entscheiden, dass es eine Halbierung der Aktienanteile gibt, und die Leute schlucken das, weil es egal ist, ob du mit einer oder zwei Stimmen nicht stimmberechtigt bist. In föderalistischen Ländern sind die Stimmrechte aber schon länderbedingt weitaus weiter gestreut, und hier zählt dann auch jede Stimme. Und die Länder, das hat sich gezeigt, sind nicht wirklich gewillt, Macht und Kompetenzen abzugeben, oftmals nicht einmal dann, wenn es angebracht wäre. Es ist also eigentlich unsinnig, über eine Verkleinerung des Parlaments zu diskutieren, solange man die föderativen Strukturen nicht abschaffen kann, ja nicht einmal Gründe findet, warum man das tun sollte.
Als Beispiel sei hier nur mal Berlin genannt: Man hat dort völlig problemlos Bezirke wie das östliche Friedrichshain und das westliche Kreuzberg als Verwaltungseinheiten zusammenlegen können. Bei der Zusammenlegung von Berlin und Brandenbrg zu einem Land war aber eine Volksbefragung notwendig - und die endete wenig schmeichelhaft für die Berliner. Und die gegenseitige Abneigung dieser beiden Länder ist noch überschaubar.
Aber wenn man sich schon mal die Geschmacksfrage stellen will: ja, zentralistisch regierte Länder haben gewisse Vorteile bei grossen, landesübergreifenden Strukturprojekten. Deswegen haben z.B. Frankreich und Spanien weitaus mehr Hochgeschwindigkeitstrassen für Schnellzüge als Deutschland, Grossbritannien oder Italien. Dafür führt diese Regierungsform aber auch zu weitaus heftigeren Spannungen, wenn sie es drauf anlegt. Bei den Reformen Alain Juppes in Frankreich Ende der 90er Jahre gab es wochenlang landesweit Generalstreiks. Schröder hat es dagegen mit seiner Agenda 2010 gerade mal auf ein paaer armselige Montagsdemos gebracht.
Noch besser zeigt es sich beim jetzigen Katalonien-Konflikt. Frag dich doch mal, warum Spanien den hat, und warum wir keinen Bayern-Konflikt haben, oder die Engländer kein Schottland-Konflikt, oder die Italiener keinen Norditalien-Konflikt. Es ist nicht bloss die Überforderung der Regierung Rajoy. Der spanische Zentralismus sorgt strukturbedingt für das kompromisslose Vorgehen der Regierung, obwohl das kontraproduktiv ist und den Separatisten Zulauf beschehrt, selbst von sonst eigentlich gemässigten Leuten. Auch Polens derzeitige Regierungsprobleme sind auf die zentralistischen Strukturen zurückzuführen.