Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

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Sextus Ironicus
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Dark Angel hat geschrieben:(01 Dec 2017, 22:31)

Ach du meinst Integration habe irgend etwas mit "Aufdrücken wollen" oder Ideologie zu tun?
Na dann weißt du ganz offensichtlich nicht, was Integration in der Soziologie bedeutet.

"Der Prozess der Integration von Menschen mit einem Migrationshintergrund besteht aus Annäherung, gegenseitiger Auseinandersetzung, Kommunikation, Finden von Gemeinsamkeiten, Feststellen von Unterschieden und der Übernahme gemeinschaftlicher Verantwortung zwischen Zugewanderten und der anwesenden Mehrheitsbevölkerung.
Die Möglichkeit der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben der Aufnahmegesellschaft setzt den Erwerb von bestimmten Kenntnissen, Fähigkeiten, Einstellungen und den Willen, eine weitgehende Neu-Sozialisation und Neuorganisation der Persönlichkeit einzugehen, voraus. Zentral ist hier das Erlernen der neuen Sprache und eine gewisse Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft gegenüber der Aufnahmegesellschaft."


Integration bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die Grundvoraussetzung für ein friedliches Miteinander/Zusammenleben von Zuwanderern/Einwanderern und der Mehrheitsgesellschaft zum gegenseitigen Vorteil und Nutzen.
Der einzige, der hier "herum faselt", das bist mit deinen Individualitäts- und "Vereinzelungswahn". Kein menschliches Individuum kann "vereinzelt", OHNE Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder Integration in eine Gemeinschaft überleben!

Zur Integration gehört vor allem auch eine Definition und ein Verständnis des Eigenen, also des Verbindenden, und ein Wisseen über dessen historische und aktuelle Grundlagen und Bedingungen, damit jene notwendige Zweitsozialisierung überhaupt auch nur theoretisch gelingen kann. Die lustige Vorstellung, es reiche, sich an ein paar Gesetze zu halten, ist lebensfremd. Das ist keine Integration, sondern die Anerkennung von Parallelwelten.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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schokoschendrezki
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(02 Dec 2017, 11:13)

Die Grundbedingung hierfür wäre ein ständig steigender Wohlstand, aber der leistet am Ende auch nicht das, was zum Zusammenhalt notwendig wäre.
Eine liberale Gesellschaft braucht ja auch gar keinen übergreifenden gesamtgesellschaftlichen "Zusammenhalt" außer der sozusagen vertraglichen Bindung an die Rechtsordnung. Vom Grundgesetz mit seinen demokratischen Prinzipien bis hinunter zur Straßenverkehrsordnung. Die Frage, ob irgendwas einen Zusammenhalt herstellt, aufrechterhält oder erodiert, stellt sich aus einer solchen liberalen Sicht gar nicht. Jeder Mensch kann in seinem sozialen Mikrobereich die Art des Zusammenhalts frei nach seinem Gusto selbst gestalten. So wie die jeweilige Gruppe es in diesem Mikrobereich wünscht.

In einem anderen Thread wird das angebliche Sterben der Rockmusik diskutiert. Ein solches Sterben findet keineswegs statt. Diese Art der Musik zieht sich nur tendenziell in entsprechende Mikroszenen zurück. Tendenziell zumindest ohne übergreifenden Superstarkult. Ganz wunderbar!
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Sextus Ironicus
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Dec 2017, 11:31)

Eine liberale Gesellschaft braucht ja auch gar keinen übergreifenden gesamtgesellschaftlichen "Zusammenhalt" außer der sozusagen vertraglichen Bindung an die Rechtsordnung. Vom Grundgesetz mit seinen demokratischen Prinzipien bis hinunter zur Straßenverkehrsordnung. Die Frage, ob irgendwas einen Zusammenhalt herstellt, aufrechterhält oder erodiert, stellt sich aus einer solchen liberalen Sicht gar nicht. Jeder Mensch kann in seinem sozialen Mikrobereich die Art des Zusammenhalts frei nach seinem Gusto selbst gestalten. So wie die jeweilige Gruppe es in diesem Mikrobereich wünscht.!
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Damit das funktioniert, müsstest du alle menschlichen Beziehungen verrechtlichen, um dieser Individualspezies den autistischen Spielraum zu schützen. Nur so kann jeder nach seinem Gusto dann in seinem von allem Sozialen befreiten Sein überleben.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von think twice »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(02 Dec 2017, 11:26)

Die lustige Vorstellung, es reiche, sich an ein paar Gesetze zu halten, ist lebensfremd. Das ist keine Integration, sondern die Anerkennung von Parallelwelten.
Solange sie sich an Gesetze halten, können sie doch in ihren Parallelwelten leben. Wen stört es?
Das ist eben das Abstoßende: Dieses zwangsweise Herbeiführen wollen einer verbindlich, verbindenden Kultur. Integriert ist nur, wer sich "unserer" Kultur anpasst.
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Selina
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Selina »

think twice hat geschrieben:(02 Dec 2017, 11:46)

Solange sie sich an Gesetze halten, können sie doch in ihren Parallelwelten leben. Wen stört es?
Das ist eben das Abstoßende: Dieses zwangsweise Herbeiführen wollen einer verbindlich, verbindenden Kultur. Integriert ist nur, wer sich "unserer" Kultur anpasst.
Muss niemand, braucht niemand in einem freiheitlich demokratischen Staat.
:thumbup:

Das brauchen nur diejenigen, die auch das "Verbindende" und das "Eigene" brauchen und es gegen "fremde Einflüsse" verteidigen müssen. Kaum vorstellbar, dass es wirklich Menschen gibt, die an so etwas Merkwürdiges glauben :D
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von think twice »

Selina hat geschrieben:(02 Dec 2017, 11:56)

:thumbup:

Das brauchen nur diejenigen, die auch das "Verbindende" und das "Eigene" brauchen und es gegen "fremde Einflüsse" verteidigen müssen. Kaum vorstellbar, dass es wirklich Menschen gibt, die an so etwas Merkwürdiges glauben :D
Ich glaube, sie wollen ihre eigene Parallelwelt deshalb für verbindend und verbindlich erklaeren, weil sie ahnen, dass sie die eigentlichen Aussenseiter sind mit ihrer Kulturtümelei von vorgestern.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Billie Holiday »

Vielleicht sollte man dann nicht von Multikulti reden, sondern von diversen Parallelgesellschaften, die nebenher leben ohne sehr vielen Berührungspunkten außer der lästigen Pflicht, sich an hiesige Gesetze zu halten und den Wunsch, sich aus den Sozialkassen zu bedienen, was bei Unwillen, sich zu integrieren, wohl der einzige Grund sein mag, in dieses kalte Land zu kommen, denn ohne Integration und Spracherwerb reicht es oft nur, um auf Baustellen zu fegen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von think twice »

Billie Holiday hat geschrieben:(02 Dec 2017, 12:05)

Vielleicht sollte man dann nicht von Multikulti reden, sondern von diversen Parallelgesellschaften, die nebenher leben ohne sehr vielen Berührungspunkten außer der lästigen Pflicht, sich an hiesige Gesetze zu halten und den Wunsch, sich aus den Sozialkassen zu bedienen, was bei Unwillen, sich zu integrieren, wohl der einzige Grund sein mag, in dieses kalte Land zu kommen, denn ohne Integration und Spracherwerb reicht es oft nur, um auf Baustellen zu fegen.
Tja, wenn einem zu Parallelgesellschaften nur Libanesenclans aus Berlin einfallen, kommt man zu einem solchen Beitrag. ;)
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

think twice hat geschrieben:(02 Dec 2017, 11:46)

Solange sie sich an Gesetze halten, können sie doch in ihren Parallelwelten leben. Wen stört es?
Das ist eben das Abstoßende: Dieses zwangsweise Herbeiführen wollen einer verbindlich, verbindenden Kultur. Integriert ist nur, wer sich "unserer" Kultur anpasst.
Muss niemand, braucht niemand in einem freiheitlich demokratischen Staat.
Heute wieder Strohmänner im Angebot.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von think twice »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(02 Dec 2017, 12:21)

Heute wieder Strohmänner im Angebot.
Das ist Fakt in unserer FDGO: Jeder kann nach seiner Fasson glücklich werden, solange er nicht gegen geltendes Recht und Ordnung verstößt. Daran aendern auch keine pseudo-wissentschaftlichen Abhandlungen etwas.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Selina »

think twice hat geschrieben:(02 Dec 2017, 12:26)

Das ist Fakt in unserer FDGO: Jeder kann nach seiner Fasson glücklich werden, solange er nicht gegen geltendes Recht und Ordnung verstößt. Daran aendern auch keine pseudo-wissentschaftlichen Abhandlungen etwas.
Genau. Und wenn wir schon bei "Strohmännern" sind: Da hat die Achse ganz offenbar auch ein paar von ihnen hierher abgesandt :D
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Billie Holiday »

Selina hat geschrieben:(02 Dec 2017, 12:40)

Genau. Und wenn wir schon bei "Strohmännern" sind: Da hat die Achse ganz offenbar auch ein paar von ihnen hierher abgesandt :D
Würdest du gern Maulkörbe verpassen lassen?
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Billie Holiday »

think twice hat geschrieben:(02 Dec 2017, 12:26)

Das ist Fakt in unserer FDGO: Jeder kann nach seiner Fasson glücklich werden, solange er nicht gegen geltendes Recht und Ordnung verstößt. Daran aendern auch keine pseudo-wissentschaftlichen Abhandlungen etwas.
Viele sind ja nicht glücklich. :( Die schreiben dann in einem Blog, dass die Deutschen sie nicht mögen, ihre Sprache nicht verstehen und überhaupt sind alle so böse Rassisten. :( :(
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Selina »

Billie Holiday hat geschrieben:(02 Dec 2017, 12:43)

Würdest du gern Maulkörbe verpassen lassen?
Nö. Das Argument "wieder Strohmänner unterwegs" kam nicht zuerst von mir. Bitte genau lesen. Da sehe ich dann schon eher eine Art Maulkorb, wenn man missliebige Leute mit dem Strohmann-Etikett versieht. Und so war das nur eine adäquate Reaktion darauf.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von think twice »

Billie Holiday hat geschrieben:(02 Dec 2017, 12:45)

Viele sind ja nicht glücklich. :( Die schreiben dann in einem Blog, dass die Deutschen sie nicht mögen, ihre Sprache nicht verstehen und überhaupt sind alle so böse Rassisten. :( :(
Da sie die deutsche Sprache nicht verstehen, schreiben sie sicher auf türkisch und arabisch, oder? Was wiederum du verstehst und daher genau weisst, was sie schreiben. :D
Kannst du mal einen solchen Blog verlinken? Ich kenne die garnicht, würde mich aber mal interessieren.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(02 Dec 2017, 11:45)

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Damit das funktioniert, müsstest du alle menschlichen Beziehungen verrechtlichen, um dieser Individualspezies den autistischen Spielraum zu schützen. Nur so kann jeder nach seinem Gusto dann in seinem von allem Sozialen befreiten Sein überleben.
Ich reich' dir mal mit einem Zitat aus dem Wikipedia-Artikel zu "Liberalismus"
In einem engeren Sinne liberalistischer Positionen beschränkt sich die Rolle des Staates auf den konkreten Schutz der Freiheit der Individuen und der die Freiheit garantierenden Rechtsordnung.
symbolisch einen Schluck Wasser auf den Schreck. ;) Es ist eine völlig normale Position. Auch wenn sie natürlich nicht von allen geteilt wird.

Dass der Mensch im Rahmen dieser Rechtsordnung selbstverständlich soziale Beziehungen aufbaut und ein auch kulturell und auch in Gruppenzusammenhängen interagierendes Wesen ist und bleibt, steht damit ja in keinem Widerspruch. Es bedarf nur keiner staatlichen Regelung und keiner gesamtgesellschaftlichen Bewusstheit.

Und ganz konkret: Kein Innenminister hat sich zu erdreisten, der Bevölkerung eine "Leitkultur" vorzusetzen, Fast alles ist geregelt in der Bundesrepublik. Bis hin zur LeereFlaschenEinsortierung nach Farbe, Jetzt will man an die Gehirne oder was? Das ist eindeutig bereits im Reich des Bösen, Kein Mensch, der einmal die Morgenluft der Freiheit geatmet hat, wird dieses Ansinnen tolerieren.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Dark Angel »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(02 Dec 2017, 11:26)

Zur Integration gehört vor allem auch eine Definition und ein Verständnis des Eigenen, also des Verbindenden, und ein Wisseen über dessen historische und aktuelle Grundlagen und Bedingungen, damit jene notwendige Zweitsozialisierung überhaupt auch nur theoretisch gelingen kann. Die lustige Vorstellung, es reiche, sich an ein paar Gesetze zu halten, ist lebensfremd. Das ist keine Integration, sondern die Anerkennung von Parallelwelten.
Aber genau das (gefettet) wird ja von den Kulturleugnern/Kulturverweigerern abgelehnt - die verbindende gemeinsame Geschichte, auch das aus der Geschichte lernen - und damit meine ich nicht nur die dunkelsten 12 Jahre deutscher Geschichte - sondern die gesamte Geschichte, dazu gehört die Anerkennung der Leistungen, die für die kulturelle Entwicklung erbracht worden sind, die Anerkennung der Werte, die in dieser Kultur entstanden sind etc. Aber das brauche ich dir ja nicht zu erläutern.
Die Leugner des Verbindenden einer Kultur habe die Parallelwelten doch längst anerkannt, sie tolerieren doch die schleichende Veränderung, Unterwanderung und "Demontage" unserer Kultur, indem immer mehr Forderungen der Zuwanderer nachgegeben wird. Sie tolerieren es indem sie sich mit kulturellen Unterschieden eben nicht auseinander setzen, das Verbindende der eigenen Kultur nicht sehen wollen bzw sogar ablehnen. ==> siehe "Grenzen der Toleranz" von Dr. Michael Schmidt Salomon
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Sextus Ironicus
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Dec 2017, 17:39)

Ich reich' dir mal mit einem Zitat aus dem Wikipedia-Artikel zu "Liberalismus"

symbolisch einen Schluck Wasser auf den Schreck. ;) Es ist eine völlig normale Position. Auch wenn sie natürlich nicht von allen geteilt wird.

Dass der Mensch im Rahmen dieser Rechtsordnung selbstverständlich soziale Beziehungen aufbaut und ein auch kulturell und auch in Gruppenzusammenhängen interagierendes Wesen ist und bleibt, steht damit ja in keinem Widerspruch. Es bedarf nur keiner staatlichen Regelung und keiner gesamtgesellschaftlichen Bewusstheit.

Und ganz konkret: Kein Innenminister hat sich zu erdreisten, der Bevölkerung eine "Leitkultur" vorzusetzen, Fast alles ist geregelt in der Bundesrepublik. Bis hin zur LeereFlaschenEinsortierung nach Farbe, Jetzt will man an die Gehirne oder was? Das ist eindeutig bereits im Reich des Bösen, Kein Mensch, der einmal die Morgenluft der Freiheit geatmet hat, wird dieses Ansinnen tolerieren.
Ach, das mag der Innenminister tun, wie ihm beliebt. Ich hatte ja schon einmal geschrieben, dass er das besser "X Leitlinien zur Integration" genannt hätte, dann wäre klar gewesen, dass es nicht Aufgabe der Politik ist, Kultur zu definieren, weil Kultur größer ist als Politik.

Was die Grundsatzfrage angeht: In manchem Praktischen unterscheiden wir uns sicher nicht so stark, allerdings gehen wir anders damit um, ziehen andere Schlussfolgerungen aus Persönlichem. Jemand wie ich, für den nach den schon bei den Nonnen im Kindergarten beginnenden Erfahrungen später alles Kollektive verdächtig, ja schon Chorsingen eine Art Faschismus war, blieb die Parteinahme für die Füchse gegen die Igel (wie Isaiah Berlin das in seinem Essay so schön beschreibt) zeitlebens bestimmend (aller Igel-Versuche zum Trotz). Nur: Ich war mir immer bewusst, dass das idiosynkratisch ist, diese Bevorzugung des Individuellen, dieses Abstandhalten. Aber ich habe es zumeist erfolgreich geschafft, die Maximen, die mit dem Idiosynkratischen verbunden sind, nicht in den Rang eines allgemeinen Gesetzes zu erheben. Die anthropologischen Grundlagen des Menschen als soziales Tier hätte ich nie in Frage gestellt, ebensowenig die Grundlagen von Kultur, des Sozialen, aber auch nicht die Bedingungen, die ein liberaler Rechtsstaat zu Selbstsicherung braucht. Das bleibt völlig unberührt. Was in meiner persönlichen Universalgeschichte der Niedertracht steht, angefangen mit den Nonnen, die ganz exemplarisch die praktische Niedertracht theoretischer Glaubenssätze verkörpert haben, hat damit nichts zu tun. Heute nehme ich dafür die neuen säkularen Betschwestern (und Betbrüder) des Ordens der Denunzierenser mitsamt ihrem Doppeldenk darin auf. :D

Über den Liberalismus gibt's vielleicht mal einen eigenen Thread. Für ihn zieht die Abendröte auf, er wird nach dem kurzen aber heftigen Leben des Faschismus und dem an Altersschwäche dahingeschiedenen Kommunismus als letzter der drei ungleichen und doch aufeinander bezogenen Brüder sein Leben aushauchen, wenn er sich weiterhin auf den Staat als seinen Hauptfeind konzentriert. Spannend bleibt, was auf ihn folgt.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von ryu1850 »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(02 Dec 2017, 11:26)

Zur Integration gehört vor allem auch eine Definition und ein Verständnis des Eigenen, also des Verbindenden, und ein Wisseen über dessen historische und aktuelle Grundlagen und Bedingungen, damit jene notwendige Zweitsozialisierung überhaupt auch nur theoretisch gelingen kann. Die lustige Vorstellung, es reiche, sich an ein paar Gesetze zu halten, ist lebensfremd. Das ist keine Integration, sondern die Anerkennung von Parallelwelten.
Was ist denn die Definition und das Verständnis des Verbindenden?
Was verbindet einen Kölner Hausmeister, einen Berliner Lehrer und einen Aufsichtsratvorsitzenden aus München außer der Gesetze an die sich alle zu halten haben?
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

ryu1850 hat geschrieben:(02 Dec 2017, 21:12)

Was ist denn die Definition und das Verständnis des Verbindenden?
Was verbindet einen Kölner Hausmeister, einen Berliner Lehrer und einen Aufsichtsratvorsitzenden aus München außer der Gesetze an die sich alle zu halten haben?
Am einfachsten geht das, wenn du dir überlegst, was dich mit den dreien verbindet.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von ryu1850 »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(02 Dec 2017, 21:49)

Am einfachsten geht das, wenn du dir überlegst, was dich mit den dreien verbindet.
Ich finde bei mir nichts.
Was ist denn bei dir? Du sagst die Kultur sind mehr als die Gesetze die wir achten. Was verbindet dich denn mit den 3en?
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(02 Dec 2017, 21:04)

Über den Liberalismus gibt's vielleicht mal einen eigenen Thread. Für ihn zieht die Abendröte auf, er wird nach dem kurzen aber heftigen Leben des Faschismus und dem an Altersschwäche dahingeschiedenen Kommunismus als letzter der drei ungleichen und doch aufeinander bezogenen Brüder sein Leben aushauchen, wenn er sich weiterhin auf den Staat als seinen Hauptfeind konzentriert.
Wie kann er das. Wenn er die Rechtsordnung als Basis und Garant für persönliche Freiheit ansieht. Wie schon geschrieben: Von Grundgesetz und Demokratieprinzip bis hinunter zu Straßenverkehrsordnung und Schulpflicht. Er weiß doch, dass er dafür Verfassungsgericht, Justiz, Polizei, Bildungssystem usw. braucht. Und dass das auch eine Stange Geld kostet. Wer das nicht akzeptiert, kann doch eigentlich kein Liberaler im eigentlichen SInne sein. Mal so ganz naiv gesagt.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

ryu1850 hat geschrieben:(02 Dec 2017, 22:12)

Ich finde bei mir nichts.
Was ist denn bei dir? Du sagst die Kultur sind mehr als die Gesetze die wir achten. Was verbindet dich denn mit den 3en?
Ja, dann ist das so bei dir. Wenn du als Flüchtling ohne Mittel und Kontake irgendwo in Südostasien landen würdest und kein Weg nach Europa, nach Deutschland zurückführte, meinst du es würde dir reichen, wenn du dort die Gesetze einhältst, um ein Mitglied der Gesellschaft zu werden? Und wenn dir dann die drei als Mitflüchtlinge begegnen, glaubst du, es würde dich dann mit ihnen auch nur das Einhalten verbinden?

Ich bin immer wieder erstaunt, wie a-historisch, wie völlig anti-anthropologisch, a-sozial, anti-(entwicklungs)psychologisch Menschen an solche Themen rangehen. Ich kenne das eigentlich sonst nur von tief religiösen Menschen aus dem Unterricht, die Evolution ablehnen und behaupten, Gott habe sie genau als derjenige gemeint, der sie sind und der sie unter allen Bedingungen geworden wären. So ähnlich, wenn auch säkular ist das, was du sagst, auch.

Du sagst: Ich finde nichts bei mir. Also gibt es das nicht? In Südostasien würden sie sich, falls sie es verstehen könnten, halbtot lachen. Was euch dort, falls ihr alle vier zu diesem Ergebnis dort kämt, verbände, wäre euer Paria-Dasein. Denn da ihr eure Kultur nicht verstehen könnt und euch aufs Gesetzeeinhalten beschränken würdet, würdet ihr dort einfach durchfallen.

Was ich mit denen teile, hatte ich schon oben mal an einem Beispiel erläutert. Ich teile, falls du hier aufgewachsen sein solltest, mit dir zum Beispiel die Tatsache, dass wir beide unter bestimmten Sozialisierungsbedingungen aufgewachsen bin. Die uns zu dem gemacht haben, was und wer wir sind.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(03 Dec 2017, 01:30)

Wie kann er das. Wenn er die Rechtsordnung als Basis und Garant für persönliche Freiheit ansieht. Wie schon geschrieben: Von Grundgesetz und Demokratieprinzip bis hinunter zu Straßenverkehrsordnung und Schulpflicht. Er weiß doch, dass er dafür Verfassungsgericht, Justiz, Polizei, Bildungssystem usw. braucht. Und dass das auch eine Stange Geld kostet. Wer das nicht akzeptiert, kann doch eigentlich kein Liberaler im eigentlichen SInne sein. Mal so ganz naiv gesagt.
Zur Erinnerung:


„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“

– Ernst-Wolfgang Böckenförde: Staat, Gesellschaft, Freiheit. 1976, S. 60.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(03 Dec 2017, 09:38)

Ja, dann ist das so bei dir. Wenn du als Flüchtling ohne Mittel und Kontake irgendwo in Südostasien landen würdest und kein Weg nach Europa, nach Deutschland zurückführte, meinst du es würde dir reichen, wenn du dort die Gesetze einhältst, um ein Mitglied der Gesellschaft zu werden? Und wenn dir dann die drei als Mitflüchtlinge begegnen, glaubst du, es würde dich dann mit ihnen auch nur das Einhalten verbinden?

Ich bin immer wieder erstaunt, wie a-historisch, wie völlig anti-anthropologisch, a-sozial, anti-(entwicklungs)psychologisch Menschen an solche Themen rangehen. Ich kenne das eigentlich sonst nur von tief religiösen Menschen aus dem Unterricht, die Evolution ablehnen und behaupten, Gott habe sie genau als derjenige gemeint, der sie sind und der sie unter allen Bedingungen geworden wären. So ähnlich, wenn auch säkular ist das, was du sagst, auch.

Du sagst: Ich finde nichts bei mir. Also gibt es das nicht? In Südostasien würden sie sich, falls sie es verstehen könnten, halbtot lachen. Was euch dort, falls ihr alle vier zu diesem Ergebnis dort kämt, verbände, wäre euer Paria-Dasein. Denn da ihr eure Kultur nicht verstehen könnt und euch aufs Gesetzeeinhalten beschränken würdet, würdet ihr dort einfach durchfallen.

Was ich mit denen teile, hatte ich schon oben mal an einem Beispiel erläutert. Ich teile, falls du hier aufgewachsen sein solltest, mit dir zum Beispiel die Tatsache, dass wir beide unter bestimmten Sozialisierungsbedingungen aufgewachsen bin. Die uns zu dem gemacht haben, was und wer wir sind.
Den Gedanken dahinter kann man übrigens auch in theoretisch auf den Pubkt bringen: Von der Tatsache, dass das Verbindende aufgrund seiner alltäglichen Selbstverständlichkeit nicht ständig ins Bewusstsein dringt, kann nicht darauf geschlossen werden, es gäbe dieses Verbindende nicht. So, wie Glück erst nach einem plötzlichen Negativereignis nach seinem Ende als etwas, das gewesen ist, ins Bewusstsein dringt, so ist das mit dem Verbindenden in meinem Gedankenspiel Flucht nach Südostasien auch. Spätestens dort würde einem klar, was einen mit dem Hausmeister, dem Lehrer und dem Aufsichtsratvorsitzenden verbindet.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von ryu1850 »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(03 Dec 2017, 09:38)
Ich teile, falls du hier aufgewachsen sein solltest, mit dir zum Beispiel die Tatsache, dass wir beide unter bestimmten Sozialisierungsbedingungen aufgewachsen bin. Die uns zu dem gemacht haben, was und wer wir sind.
Zu was außer zu Menschen die sich an Gesetze halten wurden wir denn sozialisiert?
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

ryu1850 hat geschrieben:(03 Dec 2017, 12:54)

Zu was außer zu Menschen die sich an Gesetze halten wurden wir denn sozialisiert?
Ich mach keine Stöckchenspiele :D
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von ryu1850 »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(03 Dec 2017, 13:24)

Ich mach keine Stöckchenspiele :D
Das beantwortet meine Frage nicht. Was haben wir beide gemeinsam, außer den Gesetzen an die wir uns halten?
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Kürzlich in der S-Bahn: Eine Gruppe von Menschen in drei Generationen (Großeltern, Eltern, Enkel vermutlich) über und über in irgendwelchen Fantrachten für (vemutlich) irgendeinen Fußball- oder Eishockey-Club. Ich habe auch nicht die allerleisteste Ahnung, worum es bei solchen kulturellen Ritualen eigentlich geht. Was eigentlich hinter einem Begriff wie "Fankultur" steht. Was sich in einem Bereich, den man mir mit "Fankurve" bezeichnet, eigentlich abspielt. Ebensogut hätten Marsmenschen neben mir sitzen können.

Noch die 60er, 70er waren in Europa doch noch sehr von gemeinschaftlich ausgeübten kulturellen Ritualen geprägt. Vorabendserie, Abendbrot, Tagesschau usw. Die von allen verstanden wurden. Es gehört nicht sehr viel Prophetie dazu, vorherzusagen, dass wir uns, insbesondere durch die Entwicklung digitaler Medien, schon kurzrfristig in einer Realität völlig disparater Lebenswelten auch innerhalb geographisch lokaler Räume befinden werden.

Für mich besteht zwischen einer Ansammlung von 40, 50 Frauen mit Kopftuch und Kindern in Neukölln und eine Gruppe von EHC-Fans in der S-Bahn kein wesentlicheri Unterschied. In beiden Fällen ist es eine Konfrontation mit einer Lebenswelt, die mir vollkommen fremd ist.

Zu dieser gesellschaftlichen Fragmentierung kommt es so oder so. Oder ist es schon gekommen. Ob mit oder ohne Flüchtlingsphänomen. Wie damit anders umgehen, als sich auf die Gültigkeit einer Rechtsordnung als letztes, verbleibendes Regularium zu berufen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Zunder »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(03 Dec 2017, 09:59)

Zur Erinnerung:
Böckenförde hat mit der "Homogenität der Gesellschaft" allerdings keine ethnische Homogenität gemeint, sondern die breite gesellschaftliche Anerkennung der Werte, die der freiheitlichen Rechtsordnung zu Grunde liegen.

Für die Freiheit ist die Gesellschaft verantwortlich, nicht der Staat.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(03 Dec 2017, 09:38)
Du sagst: Ich finde nichts bei mir. Also gibt es das nicht? In Südostasien würden sie sich, falls sie es verstehen könnten, halbtot lachen. Was euch dort, falls ihr alle vier zu diesem Ergebnis dort kämt, verbände, wäre euer Paria-Dasein. Denn da ihr eure Kultur nicht verstehen könnt und euch aufs Gesetzeeinhalten beschränken würdet, würdet ihr dort einfach durchfallen.
Du darfst die "Berufung auf eine Rechtsordnung" nicht einfach auf "Gesetzeeinhalten" verkürzen. Nur als ein Beispiel: Die KZ-Gedenkstätten in Deutschland werden im wesentlichen durch Stiftungen getragen. Für die es entsprechende rechtliche Grundlagen gibt. Und auf der anderen Seite gibt es gesetzlich festgelegte Bildungsrichtlinien. Zum Beispiel die landesbezogenen Schulgesetze. Im ersten Satz des ersten Paragrpahen des ersten Teils des Berliner Schulgetzes heißt es dazu:
Auftrag der Schule ist es, alle wertvollen Anlagen der Schülerinnen und Schüler zur vollen Entfaltung zu bringen und ihnen ein Höchstmaß an Urteilskraft, gründliches Wissen und Können zu vermitteln. Ziel muss die Heranbildung von Persönlichkeiten sein, welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit, der Menschenwürde, der Gleichstellung der Geschlechter und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten.
Anders gesagt: Das, was in diesem Strang schon einigemale als "Erinnerungskultur" erwähnt wurde, ist voll und ganz notwendige Folge unserer "Rechtsordnung". Dabei ist aber nicht das Herumreiten auf formalen Paragrafen wichtig, sondern genau umgekehrt: Die Absicherung, dass es jenseits dieser festgeschriebenen Regeln keinerlei Beschränkungen, keinerlei Vorgaben gibt. Dass der Mensch vollkommen frei machen kann, wie er will.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Zunder hat geschrieben:(04 Dec 2017, 09:52)

Böckenförde hat mit der "Homogenität der Gesellschaft" allerdings keine ethnische Homogenität gemeint, sondern die breite gesellschaftliche Anerkennung der Werte, die der freiheitlichen Rechtsordnung zu Grunde liegen.
Schon klar, dass es bei einigen da falsch klingelt. Aber das ist nicht mein Problem, wenn dieser oder jener versteht, was er verstehen will :D
Zunder hat geschrieben:(04 Dec 2017, 09:52)
Für die Freiheit ist die Gesellschaft verantwortlich, nicht der Staat.
Eben. Und mit dem Verlust der Homogenität, d.h. mit dem Übergang vom "Wert" des Allgemeinen auf die multiplen "Werte" des Besonderen verliert sich ein Grundkonsens, und diese Werte müssen immer stärker gegeneinander durchgesetzt bzw. zwangsweise gleichgesetzt werden. Das kann die Gesellschaft der Singularitäten nicht mehr leisten, sondern muss die Dinge mit den "Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen". Das ist ja der Grundgedanke hinter Konzepten wie identity politics bzw. das sind ihre Folgen. Und das ist die Variante, bei der sich der Liberalismus von innen her selbst auffrisst, wenn sie erfolgreich ist. Die Alternative besteht darin, eine Gegenbewegung auf den Plan zu rufen, die dann das Allgemeine mit Zwang durchsetzt. Anti-liberale Nomokratien sind beide, nur auf andere Art.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Wir leben in einer Gesellschaft, die vorschreibt, was zu tun ist und was zu lassen ist. Und die eben nicht vorschreibt, wie man zu sein hat.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(04 Dec 2017, 09:52)
Für die Freiheit ist die Gesellschaft verantwortlich, nicht der Staat.
Grundverkehrt. Für die Freiheit ist jedes Individuum selbst verantwortlich. Indem es sie entweder wahrnimmt oder eben nicht.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(04 Dec 2017, 09:52)

Böckenförde hat mit der "Homogenität der Gesellschaft" allerdings keine ethnische Homogenität gemeint, sondern die breite gesellschaftliche Anerkennung der Werte, die der freiheitlichen Rechtsordnung zu Grunde liegen.
Dieses mittlerweile fast totzitierte Böckenförde-Diktum ist vor allem im Zusammenhang mit der Säkularisierung des Staats entstanden. Der Staat schafft aber etwa mit Bildungssystem und Bemühung um sozialen Ausgleich durchaus auf freiheitliche Art Voraussetzungen, mit denen er die eigene freiheitliche Fortexistenz - wenn vielleicht nicht garantieren - aber weitgehend absichern kann. Eine Art "Zivilreligion" wie Böckenförde sie fordert ist nicht nötig.

Das ganze ist aber auch einfach aus der Zeit gefallen.
Heute darf der Satz vom Garantieausschluss nicht fehlen, wo Kardinäle, Bundespräsidenten oder Feuilletonisten zur Lage der Verfassungsnation sprechen.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/b ... 50342.html
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Dec 2017, 11:18)

Dieses mittlerweile fast totzitierte Böckenförde-Diktum ist vor allem im Zusammenhang mit der Säkularisierung des Staats entstanden. Der Staat schafft aber etwa mit Bildungssystem und Bemühung um sozialen Ausgleich durchaus auf freiheitliche Art Voraussetzungen, mit denen er die eigene freiheitliche Fortexistenz - wenn vielleicht nicht garantieren - aber weitgehend absichern kann. Eine Art "Zivilreligion" wie Böckenförde sie fordert ist nicht nötig.

Das ganze ist aber auch einfach aus der Zeit gefallen.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/b ... 50342.html
Interessant im Zusammenhang mit Böckenförde finde ich auch das (sorry für OT):

Zitat:

Im Jahr 2009 publizierte Böckenförde vor dem Hintergrund der globalen Wirtschaftskrise seit 2007 den kapitalismuskritischen Text "Woran der Kapitalismus krankt", in dem er den modernen Kapitalismus im Anschluss an Hans Freyers Theorie des gegenwärtigen Zeitalters als sekundäres System beschreibt, vom „inhumanen Charakter“ des Kapitalismus spricht und dafür plädiert, die Katholische Soziallehre „aus ihrem Dornröschenschlaf auf(zu)wecken“.

https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst-Wol ... f%C3%B6rde
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Dec 2017, 11:18)

Dieses mittlerweile fast totzitierte Böckenförde-Diktum ist vor allem im Zusammenhang mit der Säkularisierung des Staats entstanden. Der Staat schafft aber etwa mit Bildungssystem und Bemühung um sozialen Ausgleich durchaus auf freiheitliche Art Voraussetzungen, mit denen er die eigene freiheitliche Fortexistenz - wenn vielleicht nicht garantieren - aber weitgehend absichern kann. Eine Art "Zivilreligion" wie Böckenförde sie fordert ist nicht nötig.

Das ganze ist aber auch einfach aus der Zeit gefallen.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/b ... 50342.html
Es war nie so aktuell wie jetzt. Du hast hier oder im Nachbarthread die Entwicklung des Zerfalls (Achtung: ich sage ZERfall und nicht VERfall) in der modernen Gesellschaft beschrieben. Unter fluiden Identitäten, die sich je nach der ebenso fluiden Wertewelt richten, wobei Werte jederzeit wieder entwertet werden können, in dieser allen allgemeinen Beindungen entzogenen Welt der Einzelnen gibt es über ein immer dichter geknüpftes Netz rechtlicher Vorschriften für den Umgang keine gesamtgesellschaftliches Bindeglied mehr. Was sich bisher aus dem Inneren der Gesellschaft entwickelt hat, was immer ein langsamer Prozess ist, wird nun immer stärker dekretiert werden müssen, weil die multiplen, fluiden Grüppchen ihre jeweiligen Ansprüche und Bedürfnisse ja nur auf dem Rechtsweg und nicht mehr auf dem Weg gesellschaftlicher Prozesse durchsetzen können. Denn wie oben gesagt wurde: Es verbindet nur die Einhaltung der Gesetze, also müssen die entsprechenden Gesetze auch her, um die multiplen Identitäten und Werte und ihre möglichen und unmöglichen Beziehungen abzubilden.

Dass das ein Ideal ist, sehe ich schon. Dass das tragfähig sein könnte, nicht. Es ist ein Sprungbrett fürs Totalitäre. Bestenfalls eine Nomokratie, aber etwas Liberales hält sich dort nicht mehr. Denn welchen Sinn sollte ein Staat überhaupt noch haben in so einem Modell? Wer würde ihn ggf. gegen Druck von außen wie verteidigen?
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Dark Angel »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(04 Dec 2017, 12:47)

Es war nie so aktuell wie jetzt. Du hast hier oder im Nachbarthread die Entwicklung des Zerfalls (Achtung: ich sage ZERfall und nicht VERfall) in der modernen Gesellschaft beschrieben. Unter fluiden Identitäten, die sich je nach der ebenso fluiden Wertewelt richten, wobei Werte jederzeit wieder entwertet werden können, in dieser allen allgemeinen Beindungen entzogenen Welt der Einzelnen gibt es über ein immer dichter geknüpftes Netz rechtlicher Vorschriften für den Umgang keine gesamtgesellschaftliches Bindeglied mehr. Was sich bisher aus dem Inneren der Gesellschaft entwickelt hat, was immer ein langsamer Prozess ist, wird nun immer stärker dekretiert werden müssen, weil die multiplen, fluiden Grüppchen ihre jeweiligen Ansprüche und Bedürfnisse ja nur auf dem Rechtsweg und nicht mehr auf dem Weg gesellschaftlicher Prozesse durchsetzen können. Denn wie oben gesagt wurde: Es verbindet nur die Einhaltung der Gesetze, also müssen die entsprechenden Gesetze auch her, um die multiplen Identitäten und Werte und ihre möglichen und unmöglichen Beziehungen abzubilden.

Dass das ein Ideal ist, sehe ich schon. Dass das tragfähig sein könnte, nicht. Es ist ein Sprungbrett fürs Totalitäre. Bestenfalls eine Nomokratie, aber etwas Liberales hält sich dort nicht mehr. Denn welchen Sinn sollte ein Staat überhaupt noch haben in so einem Modell? Wer würde ihn ggf. gegen Druck von außen wie verteidigen?
Was bei diesem "Ideal" aber gerne übersehen wird, dass eben diese "Vereinzelten", mit ihren fluiden Identitäten, ohne jegliche allgemeine Bindung und ohne gesamtgesellschaftliches Bindeglied, ganz wunderbar manipulierbar, indoktrinierbar und damit auch instrumentalisierbar sind. Menschliche Roboter!
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(04 Dec 2017, 12:47)

Es war nie so aktuell wie jetzt. Du hast hier oder im Nachbarthread die Entwicklung des Zerfalls (Achtung: ich sage ZERfall und nicht VERfall) in der modernen Gesellschaft beschrieben. Unter fluiden Identitäten, die sich je nach der ebenso fluiden Wertewelt richten, wobei Werte jederzeit wieder entwertet werden können, in dieser allen allgemeinen Beindungen entzogenen Welt der Einzelnen gibt es über ein immer dichter geknüpftes Netz rechtlicher Vorschriften für den Umgang keine gesamtgesellschaftliches Bindeglied mehr. Was sich bisher aus dem Inneren der Gesellschaft entwickelt hat, was immer ein langsamer Prozess ist, wird nun immer stärker dekretiert werden müssen, weil die multiplen, fluiden Grüppchen ihre jeweiligen Ansprüche und Bedürfnisse ja nur auf dem Rechtsweg und nicht mehr auf dem Weg gesellschaftlicher Prozesse durchsetzen können. Denn wie oben gesagt wurde: Es verbindet nur die Einhaltung der Gesetze, also müssen die entsprechenden Gesetze auch her, um die multiplen Identitäten und Werte und ihre möglichen und unmöglichen Beziehungen abzubilden.

Dass das ein Ideal ist, sehe ich schon. Dass das tragfähig sein könnte, nicht. Es ist ein Sprungbrett fürs Totalitäre. Bestenfalls eine Nomokratie, aber etwas Liberales hält sich dort nicht mehr. Denn welchen Sinn sollte ein Staat überhaupt noch haben in so einem Modell? Wer würde ihn ggf. gegen Druck von außen wie verteidigen?
Im Augenblick zumindest in Europa oder zumindest in der EU ist der demokratische Staat dort am stärksten bedroht, wo es in einem demokratischen System auf demokratischem Weg zu forcierten Homogenisierungen der Gesellschaft gekommen ist: In Polen und Ungarn. Sollte einem das nicht zu denken geben?

Das Böckenförde-Diktum ist vor allem eines: Eine Tautologie. Kein Ding der Welt kann die Voraussetzungen herbeiführen, unter denen es einmal neu entstanden ist.
Die Voraussetzungen, von denen etwas lebt, sind nicht die, unter denen es das erste Mal in die Welt trat.
Sehr empfehlenswert ein Artikel in der FR, in der das Böckenförde-Diktum als Böckenförde-Dilemma herausgestellt wird. http://www.fr.de/kultur/staatswesen-das ... a-a-355086. Das Böckenförde-Diktum ist einfach eine Binsenweisheit. Wenn ich meine Existenz als Mensch garantieren wollte, müsste ich zu jederzeit meine eigene Zeugung und nachfolgende Geburt reproduzierbar machen können. Sehr kurioser Gedanke.

Das Problem ist nur, dass dieses Diktum quasi als Universalbrechstange benutzt wird, um allen möglichen Scheiß als Forderung in die Gesellschaft hineinzutragen. Es ist, wie zigfach richtig festgestellt wurde, ein Sonntagsreden-Argument. Es hat dieses Potenzial zu dieser "Genau. So ist es. Der sagt es"-Beipflichtung.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(04 Dec 2017, 13:37)

Was bei diesem "Ideal" aber gerne übersehen wird, dass eben diese "Vereinzelten", mit ihren fluiden Identitäten, ohne jegliche allgemeine Bindung und ohne gesamtgesellschaftliches Bindeglied, ganz wunderbar manipulierbar, indoktrinierbar und damit auch instrumentalisierbar sind. Menschliche Roboter!
Nur weil Du nicht weißt, welchen Bindungen sich Individuen verpflichtet fühlen, die solche Bindungen als Privatsache ansehen, heißt das noch lange nicht, dass es solche Bindungen nicht gibt.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Und im Übrigen. Ich habe das auch weiter oben schon geschrieben. Ein Bezug auf die "Rechtsordnung" bedeutet weit mehr als nur die Beachtung der Paragraphen des Strafgesetzbuches. Auch die Verfassung mit ihren allgemeinen Prinzipien ist Teil der Rechtsordnung. Es müsste doch eigentlich klar sein, dass Entitäten, die sich dem Grundgesetz verpflichtet fühlen (egal ob Einzelindividuen oder soziale Gruppen) durchaus verschieden aber keine herummäandernden Spukwesen sein können.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(04 Dec 2017, 11:28)

Interessant im Zusammenhang mit Böckenförde finde ich auch das (sorry für OT):

Zitat:

Im Jahr 2009 publizierte Böckenförde vor dem Hintergrund der globalen Wirtschaftskrise seit 2007 den kapitalismuskritischen Text "Woran der Kapitalismus krankt", in dem er den modernen Kapitalismus im Anschluss an Hans Freyers Theorie des gegenwärtigen Zeitalters als sekundäres System beschreibt, vom „inhumanen Charakter“ des Kapitalismus spricht und dafür plädiert, die Katholische Soziallehre „aus ihrem Dornröschenschlaf auf(zu)wecken“.

https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst-Wol ... f%C3%B6rde
Es kann für diesen scheinbar fehlenden gesellschaftlichen Term alles mögliche herangezogen werden. Religion, Sport, nationale Kulturtraditionen. Hauptsache irgendein Kitt. Wenn das mal nicht brandgefährlich ist.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(04 Dec 2017, 12:47)

Es war nie so aktuell wie jetzt. Du hast hier oder im Nachbarthread die Entwicklung des Zerfalls (Achtung: ich sage ZERfall und nicht VERfall) in der modernen Gesellschaft beschrieben. Unter fluiden Identitäten, die sich je nach der ebenso fluiden Wertewelt richten, wobei Werte jederzeit wieder entwertet werden können, in dieser allen allgemeinen Beindungen entzogenen Welt der Einzelnen gibt es über ein immer dichter geknüpftes Netz rechtlicher Vorschriften für den Umgang keine gesamtgesellschaftliches Bindeglied mehr. Was sich bisher aus dem Inneren der Gesellschaft entwickelt hat, was immer ein langsamer Prozess ist, wird nun immer stärker dekretiert werden müssen, weil die multiplen, fluiden Grüppchen ihre jeweiligen Ansprüche und Bedürfnisse ja nur auf dem Rechtsweg und nicht mehr auf dem Weg gesellschaftlicher Prozesse durchsetzen können. Denn wie oben gesagt wurde: Es verbindet nur die Einhaltung der Gesetze, also müssen die entsprechenden Gesetze auch her, um die multiplen Identitäten und Werte und ihre möglichen und unmöglichen Beziehungen abzubilden.
Aber es muss doch gar nicht alles immer neu geregelt werden. Die Religionsfreiheit - als Beispiel - gilt ganz allgemein. Und sowohl mit der wachsenden Zahl von Muslimen in Deutschland als auch bei der theoretisch möglichen Entstehung einer ganz neuen Religion entsteht keineswegs die Notwendigkeit, extra nochmal einen neuen Absatz zum Prinzip der Religionsfreiheit abzufassen. Auch das Verbot von Mord und Gewaltanwendung sieht für Muslime keinen Deut anders aus als für Christen oder Nichtgläubige.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Dec 2017, 13:54)

Im Augenblick zumindest in Europa oder zumindest in der EU ist der demokratische Staat dort am stärksten bedroht, wo es in einem demokratischen System auf demokratischem Weg zu forcierten Homogenisierungen der Gesellschaft gekommen ist: In Polen und Ungarn. Sollte einem das nicht zu denken geben?
Sollte es, wie ich schon mehrfach betont habe, denn in diese Richtung löst sich der Liberalismus auf, wenn nicht die reinen fluid-identitären reinen Gesetzesbefolger gewinnen, sondern deren autoritär orientierte Gegner. Mal davon abgesehen, dass Polen und Ungarn ihre Regierungen in freien Wahlen mit eindeutigen Mehrheiten gewählt haben. Daran zumindest ist nichts auszusetzen, ob einem die Richtung nun passt oder nicht.
schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Dec 2017, 13:54)
Das Böckenförde-Diktum ist vor allem eines: Eine Tautologie. Kein Ding der Welt kann die Voraussetzungen herbeiführen, unter denen es einmal neu entstanden ist.
Es ist auch nicht von herbeiführen die Rede, sondern von garantieren, und was garantiert werden soll, ist vor allem ein Versprechen: Freiheit. Die ist aber nicht bedingungslos und voraussetzungslos zu haben. Man muss verstehen, was eigentlich diesen freiheitlichen Staat im Innersten wirklich zusammenhält.
schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Dec 2017, 13:54)
Das Problem ist nur, dass dieses Diktum quasi als Universalbrechstange benutzt wird, um allen möglichen Scheiß als Forderung in die Gesellschaft hineinzutragen. Es ist, wie zigfach richtig festgestellt wurde, ein Sonntagsreden-Argument. Es hat dieses Potenzial zu dieser "Genau. So ist es. Der sagt es"-Beipflichtung.
Diese Beipflichtungen zu "allem möglichen Scheiß" finde ich hier in jedem Thread, das überzeugt mich eher nicht als Argument. Böckenfördes Sprüchlein ist eine Einladung, über das nachzudenken, was den Nationalstaat in seiner jetzt in Auflösung begriffenen Form einmal ausgemacht hat, was seine Grundlagen waren, was durch ihn ermöglicht wurde. Also auch darüber, weswegen manche Gesellschaften erfolgreicher als andere sind, was so als "soziales Kapital" vorhanden sein muss, um nach innen und außen ein Gleichgewicht zu haben. Recht ist ein wichtiger Teil, aber nicht der einzige. Normen lassen sich in Rechts-, Moral- und Sittennormen unterteilen. Sitten sind keine universal gültigen Normen, wer im weißen Anzug zur Beerdigung kommt, wird nicht zu Rechenschaft gezogen. Rechtsnormen sind für ihren Geltungsbereich von der Intention her allgemeingültig, Moralnormen universell angelegt, aber sie sind das Problem beim stabilitätsbildenden Normenmix. Je stärker versucht wird, Moralnormen gegen die Interessen der Beteiligten durchzusetzen, oder sie gar zu verrechtlichen und nicht dem freien gesellschaftlichen Spiel der Kräfte zu überlassen, desto illiberaler wird eine Gesellschaft.

Die Situation für den Liberalismus ähnelt also dem Spaß, den Nietzsche einst so ausdrückte: In der Einsamkeit frisst sich der Einsame selbst auf, in der Vielsamkeit fressen ihn die Vielen. Nun wähle.

So geht's dem Liberalismus, der seine Grundlagen ignoriert: In den Nomokratie wird die Freiheit von den vielen vielen Gesetzen gefressen, in der autoritären Demokratie von den Gesetzen, die ihr engste Grenzen setzen. Der Wähler möge wählen. :D
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Dec 2017, 14:25)

Aber es muss doch gar nicht alles immer neu geregelt werden. Die Religionsfreiheit - als Beispiel - gilt ganz allgemein. Und sowohl mit der wachsenden Zahl von Muslimen in Deutschland als auch bei der theoretisch möglichen Entstehung einer ganz neuen Religion entsteht keineswegs die Notwendigkeit, extra nochmal einen neuen Absatz zum Prinzip der Religionsfreiheit abzufassen. Auch das Verbot von Mord und Gewaltanwendung sieht für Muslime keinen Deut anders aus als für Christen oder Nichtgläubige.
Sorry, aber da schreibst du ganz schönen Stuss zusammen!
Islam kennt keine Religionsfreiheit, keine persönlichen Freiheitsrechte, der kennt nichtmal Individualismus.
Man kann die Errungenschaften einer modernen aufgeklärten Gesellschaft/Kultur nicht mal eben 1:1 auf eine archaische Religion/Ideologie übertragen. Das funktioniert nicht! Wenn man die Unterschiede erkennen und verstehen will, muss man sich zwingend mit Hintergründen, mit Geschichte - insbesondere mit der Geschichte des Islam - und seinen Zielen beschäftigen.
Das Verbot von Mord und Gewaltanwendung gibt es im Islam gerade NICHT!
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

@schokoschendrezki

Um etwas weniger abstrakt zu sein: Hast du dir eigentlich mal überlegt, warum jemand in diesem Land den Höchststeuersatz zahlen sollte, um irgendwelchen "Hungerleidern und Versagern" qua Umverteilung ihr Leben zu finanzieren? Wäre in einem Staat ohne verbindende Kultur nicht ein Modell, wie es Ayn Rand und libertäre Freunde vertreten, die "natürlichere" Variante? Wäre ja auch wesentlich billiger, notfalls die Polizei oder private Schutzdienste aufmarschieren zu lassen, falls die "Hungerleider und Versager" sich nicht an die Gesetze halten wollen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Dec 2017, 14:11)

Es kann für diesen scheinbar fehlenden gesellschaftlichen Term alles mögliche herangezogen werden. Religion, Sport, nationale Kulturtraditionen. Hauptsache irgendein Kitt. Wenn das mal nicht brandgefährlich ist.
Ja, sicher. Wobei ich Kapitalismuskritik nicht zu "irgendeinem Kitt" zählen würde. Denn diese Rechtsdrift einschließlich Kulturalismus gedeiht ja nicht im luftleeren Raum, ökonomisch und gesellschaftspolitisch gesehen.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Sextus Ironicus
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Dec 2017, 13:54)

Im Augenblick zumindest in Europa oder zumindest in der EU ist der demokratische Staat dort am stärksten bedroht, wo es in einem demokratischen System auf demokratischem Weg zu forcierten Homogenisierungen der Gesellschaft gekommen ist: In Polen und Ungarn. Sollte einem das nicht zu denken geben?
Ich möchte das noch einmal von einer anderen Seite her aufgreifen.

Wenn du liest, was so geantwortet wurde zum Thema, wäre es ja mal an der Zeit, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen. Oben war die Frage nach dem Verbindenden mit dem Hausmeister, Lehrer und Aufsichtsratsvorsitzendes negativ beantwortet worden, also nichts zu finden über die Gesetztestreue hinaus. Ok, ich akzeptiere das einmal für mich und nehme auch auch deine Freiheit, die ganz beim Individuum liegt.
Ich hab' also mein Sach auf nichts gestellt, wie es bei Stirner heißt, "Ich bin Eigner der Welt, der Dinge und Ich bin Eigner der Welt des Geistes." Was, so lautet jetzt die Frage, soll mir dann dein Ungarnbeispiel noch? Da kommt dann ein deutscher Herr Orban, und was passiert? Ich stehe morgens auf, frühstücke, gehe zur Arbeit, komme nach Hause, erledige den Haushalt greife zum Buch oder zur Gitarre, gehe ins Kino, ins Konzert, besuche Freunde oder gehe zum Kartenspielen, esse gut, der Wein aus der Gegend ist gut, mein Schlaf ist ordentlich und die Verdauung sowieso. Wo ist also für mich Unverbundenen jetzt das Problem mit dem deutschen Orban? Was kümmert der mich? Was ändert sich an meinem unverbundenen gesetzestreuen Leben :?: Und warum sollte ich, wenn ich schon keine Verbindung bei mir finde zu den dreien eine Verbindung finden zu irgendwem in Afrika oder zu den Steuervermeidern aus Griechenland?
Fort denn mit jeder Sache, die nicht ganz und gar Meine Sache ist! Ihr meint, Meine Sache müsse wenigstens die »gute Sache« sein? Was gut, was böse! Ich bin ja selber Meine Sache, und Ich bin weder gut noch böse. Beides hat für Mich keinen Sinn.

Das Göttliche ist Gottes Sache, das Menschliche Sache »des Menschen«. Meine Sache ist weder das Göttliche noch das Menschliche, ist nicht das Wahre, Gute, Rechte, Freie usw., sondern allein das Meinige, und sie ist keine allgemeine, sondern ist – einzig, wie Ich einzig bin.
Welches Problem soll ich also noch mit Orban haben? Individuell frei sei, wer keinem Menschen verantwortlich ist, sagt Stirner auch, und damit kann mir eigentlich auch wurscht sein, was der deutsche Orban will. Meinen Tagesablauf ändert der nicht. Und wenn's um die Freiheit von irgendwelchen anderen geht? "Kein Anschluss unter dieser Nummer". "Mir geht nichts über Mich!" (Stirner again).
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Dec 2017, 10:15)

Grundverkehrt. Für die Freiheit ist jedes Individuum selbst verantwortlich. Indem es sie entweder wahrnimmt oder eben nicht.
Deniz Yücel sollte endlich mal seine Freiheit wahrnehmen, der Depp.

(Denkst du gelegentlich auch über das, was du schreibst, wenigstens ein bißchen nach?)
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Zunder
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(04 Dec 2017, 13:54)
Kein Ding der Welt kann die Voraussetzungen herbeiführen, unter denen es einmal neu entstanden ist.[....]
Das Böckenförde-Diktum ist einfach eine Binsenweisheit.
Richtig.
Manch einer braucht halt ein bißchen länger, um eine Binsenweisheit zu erfassen.

"Die Rechtsordnung ist als absolut zu betrachten. Wie ein Naturgesetz."

Vielleicht hast du ja inzwischen verstanden, was für einen Unfug du mit dieser Aussage verzapft hast.
Dann hätte die Binsenweisheit ihren Zweck erfüllt.
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