Was ist eigentlich "Kultur"?

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Agesilaos Megas
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Agesilaos Megas »

schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 08:27)

Die Konsequenz des Gedankens wäre die globale Einheitskultur.
Da überschätzt Du die menschlichen Fähigkeiten, zu lernen. Die Menschen schaffen (und wollen) es nicht einmal, innerhalb engerer Räume nationale "Einheitskulturen" zu schaffen. Wäre "Kultur" aber auch kein Lernprozess, dann frage ich mich, wie das "Erbe" überhaupt tradiert werden könnte...
schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 08:27)Das verbindende innerhalb einer Kultur beschreibt das jeweilige Maß an Unterstützung oder Widerstand, je nach grundsätzlicher Ausrichtung der Verbindlichkeit.
Und deswegen gibt es ja auch Myriaden an Kulturen allein in Deutschland; jeder findet seine Nische.
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relativ
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von relativ »

schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 01:09)

Im Stadtbezirk einer meiner Wohnsitze ( Offenbach ) beträgt der Migrationshintergrund ca. 78 %. Glaube nicht, um ca. 90 % zu erreichen, bedürfe es weiterer 100 Jahre. Ab wann eigentlich dürfte ich ohne mit den Keulen der PC bearbeitet zu werden da von Überfremdung reden ? Wäre 80 % Migrationshintergrund noch zu wenig ?
Da wir Bewegungsfreiheit und Meinungsfreiheit haben, ist deine Argument einfach keins. Dein PC gejammere kannst du auch mal abstellen, oder meinst du hier hat noch jemand Mitleid mit dir?
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von pikant »

schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 01:09)

Im Stadtbezirk einer meiner Wohnsitze ( Offenbach ) beträgt der Migrationshintergrund ca. 78 %. Glaube nicht, um ca. 90 % zu erreichen, bedürfe es weiterer 100 Jahre. Ab wann eigentlich dürfte ich ohne mit den Keulen der PC bearbeitet zu werden da von Überfremdung reden ? Wäre 80 % Migrationshintergrund noch zu wenig ?
Wo ich wohne betraegt der Auslaenderanteil 84% im Viertel und dort hat man bei der Kommunalwahl vor 2 Wochen Liberal, Gruen und Christdemokratisch gewaehlt und von Ueberfremdung habe ich dort noch nie ein Wort gehoert, und eine grosse Bank hat vor ein paar Wochen im Viertel eroeffnet - sollte auch mal Offenbach versuchen mit mehr Kapitalismus anzusiedeln in diesen Vierteln :)
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Keoma
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von Keoma »

pikant hat geschrieben:(20 Oct 2017, 08:54)

Wo ich wohne betraegt der Auslaenderanteil 84% im Viertel und dort hat man bei der Kommunalwahl vor 2 Wochen Liberal, Gruen und Christdemokratisch gewaehlt und von Ueberfremdung habe ich dort noch nie ein Wort gehoert, und eine grosse Bank hat vor ein paar Wochen im Viertel eroeffnet - sollte auch mal Offenbach versuchen mit mehr Kapitalismus anzusiedeln in diesen Vierteln :)
Die Ausländer werden sich wohl kaum über Überfremdung beschweren.
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schelm
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schelm »

Agesilaos Megas hat geschrieben:(20 Oct 2017, 08:36)

Da überschätzt Du die menschlichen Fähigkeiten, zu lernen. Die Menschen schaffen (und wollen) es nicht einmal, innerhalb engerer Räume nationale "Einheitskulturen" zu schaffen. Wäre "Kultur" aber auch kein Lernprozess, dann frage ich mich, wie das "Erbe" überhaupt tradiert werden könnte...



Und deswegen gibt es ja auch Myriaden an Kulturen allein in Deutschland; jeder findet seine Nische.
Wenn du das verbindende innerhalb einer Kultur außerhalb der Sprache negierst, dann negierst du zwangsläufig unterschiedliche Ergebnisse von Kulturen, die Folge müsste die einer typischen Handschrift gegensätzliche Gleichheit sein. Ist sie aber nicht, weil wie beschrieben am Anfang jeder Kette der individuelle Lernprozess steht, der im Ergebnis Veränderung beansprucht.

Die Ausrichtung dieser beanspruchten Veränderung im Verhältnis zum Maß ihrer Akzeptanz durch die Gruppe stellt Weichen hinsichtlich eines teteologischen Rahmens der Kultur, den diese Gruppe entwickelt; und sie steht nicht unerheblich von objektiven Notwendigkeiten ( Natur ) in direkter Abhängigkeit.

Die Myriaden von Kultur in Deutschland illustrieren nicht das Fehlen des verbindenden kulturellen Elements; ganz im Gegenteil, sie zeigen sich als Folge dessen, sie bestätigen die Attraktivität des Erfolgsmodelles der deutschen verbindenden Kultur, von der man partizipieren oder an ihr aktiv mitwirken möchte.
Zuletzt geändert von schelm am Freitag 20. Oktober 2017, 09:03, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von pikant »

Keoma hat geschrieben:(20 Oct 2017, 08:58)

Die Ausländer werden sich wohl kaum über Überfremdung beschweren.
die Inlaender auch nicht und ja dort haben rechte Parteien a la AfD keine Chance.
im Land liegt uebrigens der Auslaenderanteil bei 48%, wobei man sagen muss es sind meist EU Buerger zu etwa 85%.
wenn ich die Inlaender mit Migrationshintergrund noch hinzuzaehle dann kommen wir auch im Land auf Werte von 70%, denn hier ist Doppelpass normal.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von schelm »

relativ hat geschrieben:(20 Oct 2017, 08:47)

Da wir Bewegungsfreiheit und Meinungsfreiheit haben, ist deine Argument einfach keins. Dein PC gejammere kannst du auch mal abstellen, oder meinst du hier hat noch jemand Mitleid mit dir?
Um " Mitleid " geht es hier nicht, nur um einen Widerspruch. Thesen wie Überfremdung, Umvolkung oder " heute sind wir tolerant, morgen fremd im eignen Land " gelten als rechtsextremistisch und quasi Horrormärchen um Ressentiments zu schüren.

Also, wenn dem so ist, wo liegt dann das Problem bei der PC ? Mathematik ?
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von pikant »

schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:11)

Um " Mitleid " geht es hier nicht, nur um einen Widerspruch. Thesen wie Überfremdung, Umvolkung oder " heute sind wir tolerant, morgen fremd im eignen Land " gelten als rechtsextremistisch und quasi Horrormärchen um Ressentiments zu schüren.

Also, wenn dem so ist, wo liegt dann das Problem bei der PC ? Mathematik ?
genau ist es ja auch.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von relativ »

schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:11)

Um " Mitleid " geht es hier nicht, nur um einen Widerspruch. Thesen wie Überfremdung, Umvolkung oder " heute sind wir tolerant, morgen fremd im eignen Land " gelten als rechtsextremistisch und quasi Horrormärchen um Ressentiments zu schüren.

Also, wenn dem so ist, wo liegt dann das Problem bei der PC ? Mathematik ?
Wieso sollte Mathematik da eine Rolle spielen. Du kannst hier soviele ZThesen aufstellen wie du willst, aber du solltest nicht jedes mal wenn dir die Leute nicht folgen wollen igrendein PC geheule ablassen.
Du kannst solche Thesen der Überfremdung ect. ja ablassen, Sarrazin hat sogar Bücher darüber rausgegeben, ohne das er im Knast gelandet ist.
Es ist eben entscheidend wie man diese Thesen formuliert und was für Argumente man dazu liefert. Ich sehe diesbezüglich keinen Widerspruch.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von schelm »

pikant hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:12)

genau ist es ja auch.
Wenn man im eignen Land innerhalb einer Großstadt bereits Teil der einfachen Minderheit ist, im konkreten Stadtbezirk Teil einer absoluten Minderheit, was genau ist dann inhaltlich das rechtsextremistische Horrormärchen ?

Das wäre es doch an Hand einfacher Logik nur, würde man es nur an der Ethnie festmachen, nicht an fehlender Integration in das bestehende kulturelle Gefüge.

Ist man eigentlich bereits xenophob, wenn man es in D als fremd empfindet die eigne Sprache in der Öffentlichkeit am Wohnort kaum noch zu hören ?
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von pikant »

schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:29)

Wenn man im eignen Land innerhalb einer Großstadt bereits Teil der einfachen Minderheit ist, im konkreten Stadtbezirk Teil einer absoluten Minderheit, was genau ist dann inhaltlich das rechtsextremistische Horrormärchen ?

Das wäre es doch an Hand einfacher Logik nur, würde man es nur an der Ethnie festmachen, nicht an fehlender Integration in das bestehende kulturelle Gefüge.

Ist man eigentlich bereits xenophob, wenn man es in D als fremd empfindet die eigne Sprache in der Öffentlichkeit am Wohnort kaum noch zu hören ?
Wenn ich Niederlassungsfreiheit von ueber 500 Millionen Menschen automatisch in Deutschland habe und die Einwohner knapp uber 80 Millionen sind, ist das nicht auszuschliessen, wie man an Luxembourg insgesamt sieht.
der Auslaenderanteil in Deutschland ist doch recht ueberschaubar und ich finde das nicht negativ.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von schelm »

relativ hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:21)

Wieso sollte Mathematik da eine Rolle spielen
. Du kannst hier soviele ZThesen aufstellen wie du willst, aber du solltest nicht jedes mal wenn dir die Leute nicht folgen wollen igrendein PC geheule ablassen.
Du kannst solche Thesen der Überfremdung ect. ja ablassen, Sarrazin hat sogar Bücher darüber rausgegeben, ohne das er im Knast gelandet ist.
Es ist eben entscheidend wie man diese Thesen formuliert und was für Argumente man dazu liefert. Ich sehe diesbezüglich keinen Widerspruch.
Das hab ich doch hinterfragt. Also, wenn Überfremdung und Umvolkung nur rechtsextremistische Lügenmärchen sind, ab wann würden es denn keine mehr sein ? Bei 95 % Migrationshintergrund in meinem Stadtbezirk, wenn 78 % dafür nicht reichen ?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von relativ »

schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:00)

Wenn du das verbindende innerhalb einer Kultur außerhalb der Sprache negierst, dann negierst du zwangsläufig unterschiedliche Ergebnisse von Kulturen, die Folge müsste die einer typischen Handschrift gegensätzliche Gleichheit sein. Ist sie aber nicht, weil wie beschrieben am Anfang jeder Kette der individuelle Lernprozess steht, der im Ergebnis Veränderung beansprucht.

Die Ausrichtung dieser beanspruchten Veränderung im Verhältnis zum Maß ihrer Akzeptanz durch die Gruppe stellt Weichen hinsichtlich eines teteologischen Rahmens der Kultur, den diese Gruppe entwickelt; und sie steht nicht unerheblich von objektiven Notwendigkeiten ( Natur ) in direkter Abhängigkeit.

Die Myriaden von Kultur in Deutschland illustrieren nicht das Fehlen des verbindenden kulturellen Elements; ganz im Gegenteil, sie zeigen sich als Folge dessen, sie bestätigen die Attraktivität des Erfolgsmodelles der deutschen verbindenden Kultur, von der man partizipieren oder an ihr aktiv mitwirken möchte.
Sorry, aber ganz ehrlich, ich habe mit einem Sachsen oder Bayer, denn ich persönlich z.B. nicht kenne auch nicht viel mehr gemein als den deutschen Pass.
Das wir zufällig beide Deutsche sind und im selben Kulturkreis, das selbe Land und die selbe Historie teilen, bringt ihn mir als Mensch nicht näher, als z.B. eine Migranten mit deutschen Pass den ich aber gut kenne.
Ich akzeptiere Menschen die ich kenne, die die ich nicht kenne, oder nicht mag, weil ich sie kenne, stehe ich neutral tolerant, oder eben negativ, gegenüber. Ich mache die Akzeptanz nicht von der kulturellen Herkunft abhängig.
Natürlich habe ich auch Heimatgefühle wie jeder andere Mensch auch, aber diese Gefühle habe ich nicht wegen Menschen die ich nicht kenne , aber trotzdem Deutsch sind bzw. meinem "Kulturkreis" angehören.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von relativ »

schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:36)

Das hab ich doch hinterfragt. Also, wenn Überfremdung und Umvolkung nur rechtsextremistische Lügenmärchen sind, ab wann würden es denn keine mehr sein ? Bei 95 % Migrationshintergrund in meinem Stadtbezirk, wenn 78 % dafür nicht reichen ?
Darauf kommt es doch gar nicht an. Wenn du dich mit dem Fremden gut verstehst, ist es doch keine Überfremdung mehr.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von pikant »

schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:36)

Das hab ich doch hinterfragt. Also, wenn Überfremdung und Umvolkung nur rechtsextremistische Lügenmärchen sind, ab wann würden es denn keine mehr sein ? Bei 95 % Migrationshintergrund in meinem Stadtbezirk, wenn 78 % dafür nicht reichen ?
sorry, aber ich habe mit einem Fransosen oft mehr gemein als mit einem Bayer oder Sachse.
nach Deiner Intenion muesste ich von Ueberfremdung sprechen, wenn bei mir einige Bayern das schoene Saarland entern, wo meine Familie wohnt.
nee ich sehe einen Luxembourger in Perl an der Grenze, der dort wohnt nicht als Ueberfremdung an, sondern als Europaer im Herzen Europas :)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schelm »

relativ hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:41)

Sorry, aber ganz ehrlich, ich habe mit einem Sachsen oder Bayer, denn ich persönlich z.B. nicht kenne auch nicht viel mehr gemein als den deutschen Pass.
Doch, weit mehr als du zugeben willst. Wenn du Teil der verbindenden Kultur bist, dann teilst du die Grundlagen eines Weltbildes, welches die Negierung der Individualrechte und der Emanzipation ausschließt, du erwartest für deine durchaus diversitären Bedürfnisse die gleiche effiziente Realisierung, die gleichen Standards an Qualität und Produktsicherheit, eine effiziente Verwaltung und Rechtssicherheit im Konfliktfall, du lehnst Korruption ab und befürwortest ein angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Und du bist dir bewusst darüber, welche sogenannten Sekundärtugenden dazu notwendig sind, die in Mehrheit dafür internalisiert gelebt werden müssen.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von schelm »

pikant hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:45)

sorry, aber ich habe mit einem Fransosen oft mehr gemein als mit einem Bayer oder Sachse.
nach Deiner Intenion muesste ich von Ueberfremdung sprechen, wenn bei mir einige Bayern das schoene Saarland entern, wo meine Familie wohnt.
nee ich sehe einen Luxembourger in Perl an der Grenze, der dort wohnt nicht als Ueberfremdung an, sondern als Europaer im Herzen Europas :)
Ich spreche nicht vom Einzelfall, sondern der Majorität von Beliebigkeit in bestimmten Regionen, einer Beliebigkeit, deren Kohäsionskräfte sich im wesentlichen auf volle Supermarktregale beschränken.. :rolleyes:
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von relativ »

schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:52)

Doch, weit mehr als du zugeben willst. Wenn du Teil der verbindenden Kultur bist, dann teilst du die Grundlagen eines Weltbildes, welches die Negierung der Individualrechte und der Emanzipation ausschließt, du erwartest für deine durchaus diversitären Bedürfnisse die gleiche effiziente Realisierung, die gleichen Standards an Qualität und Produktsicherheit, eine effiziente Verwaltung und Rechtssicherheit im Konfliktfall, du lehnst Korruption ab und befürwortest ein angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Und du bist dir bewusst darüber, welche sogenannten Sekundärtugenden dazu notwendig sind, die in Mehrheit dafür internalisiert gelebt werden müssen.
Du meinst ich Teile das, was der Staat/Gesellschaft mir ermöglicht bzw. vorgibt? Das Teile ich auch mit dem Migranten der nicht meinem Kulturkreis angehört, weil er z.B. ne andere Religion hat, aber es gibt auch Bio- Deutsche die weder religiös ein gemeinsame Identität haben noch bezüglich der kulturellen gesellschaftlichen Sicht eine Gemeinsamkeit aufweisen.
Was noch locker Verbindet sind nach aussen , die historischen kulturellen und gesellschaftlichen gewachsenen Gemeinsamkeiten, in die man einfach hineingeboren wird.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von pikant »

schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:58)

Ich spreche nicht vom Einzelfall, sondern der Majorität von Beliebigkeit in bestimmten Regionen, einer Beliebigkeit, deren Kohäsionskräfte sich im wesentlichen auf volle Supermarktregale beschränken.. :rolleyes:
das ist das freie Europa wo jeder dort wohnen kann wo er will
grosse Errungenschaft und toll :thumbup:
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von relativ »

pikant hat geschrieben:(20 Oct 2017, 10:02)

das ist das freie Europa wo jeder dort wohnen kann wo er will
grosse Errungenschaft und toll :thumbup:
Er kann ja auch nach Ostdeutschland ziehen, wo es kaum Regionen gibt, wo der Migrantenanteil über 10% liegt und die Einstellung zu Fremden der seinen nahe kommt.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von Antonius »

pikant hat geschrieben:(20 Oct 2017, 10:02)

das ist das freie Europa wo jeder dort wohnen kann wo er will
grosse Errungenschaft und toll :thumbup:
Alles schön und gut.
Aber auf die Frage: "Was ist eigentlich ein Deutscher?"
gibt es eine einfache Antwort:
Deutscher ist derjenige, der am Kirchweihfest Gansbraten oder Entenbraten ißt. :thumbup:
SAPERE AUDE - Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.
Immanuel Kant (1724-1804)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von odiug »

Dark Angel hat geschrieben:(08 Sep 2017, 10:03)

Wie wäre es damit:
Kultur = das komplexe Ganze, die Gesamtheit des kummulierten Wissens, der Fähigkeiten, Fertigkeiten, Glaubensvorstellungen und Ethik/Moral (Gesetze) die Menschen als Teil der Gesellschaft in sozialem Lernen erworben haben
Das wäre Zivilisation, nicht Kultur.
Zeigt aber einen Unterschied in den Diskussionskulturen zB zwischen dem angelsächsichen Raum und dem Kulturbegriff im deutschsprachigen Raum.
Im Deutschen wird der Begriff der Kultur oft dem der Zivilisation entgegengestellt als abgrenzendes Merkmal.
Im angelsächsischen Raum wird dagegen die Kultur der Zivilisation untergeordnet.
Es kann dort unter der Zivilisation viele Kulturen geben und es besteht kaum eine unmittelbare Konkurrenz zwischen den Begriffen.
Das ist im Deutschen anders und das ist ein gravierender Unterschied im Weltbild.
Zuletzt geändert von odiug am Freitag 20. Oktober 2017, 10:21, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von relativ »

Antonius hat geschrieben:(20 Oct 2017, 10:12)

Alles schön und gut.
Aber auf die Frage: "Was ist eigentlich ein Deutscher?"
gibt es eine einfache Antwort:
Deutscher ist derjenige, der am Kirchweihfest Gansbraten oder Entenbraten ißt. :thumbup:
In diesem thread bist du nicht mehr. :D
Hier lautet die Frage was ist Kultur. ;)
und da würde ich behaupten, ja das Kirchfest ect. gehört zur Kultur, aber hat mit spezifischer verbindener deutscher Kultur jetzt nur noch wenig zu tun.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von schokoschendrezki »

relativ hat geschrieben:(20 Oct 2017, 10:19)

In diesem thread bist du nicht mehr. :D
Hier lautet die Frage was ist Kultur. ;)
und da würde ich behaupten, ja das Kirchfest ect. gehört zur Kultur, aber hat mit spezifischer verbindener deutscher Kultur jetzt nur noch wenig zu tun.
Nee. Der Threadtitel lautet nicht "Was ist Kultur" sondern "Was ist (eigentlich) ein Deutscher".

Die wesentliche Differenz in den Einstellungen zum Kulturbegriff geht vielleicht gar nicht so sehr in Richtung angelsächsischer vs deutscher Sprachraum sondern eher dahin, ob man "Kultur" als Vorhandenheit oder als Geregeltheit versteht. Als Vorhandenheit ist Kultur schlicht und einfach alles, was Menschen hervorbringen oder ändern und was nicht natürlicherweise so gegeben ist. Geistig oder Materiell. Als Geregeltheit ist Kultur ein System von Vorschreibungen, Gewohnheiten, Gebräuchlichkeiten. Allein schon diieser weithin anerkannte Unterschied in der Sicht auf den "Kultur"-Begriff macht deutlich, dass Ansprüche darauf, zu wissen, was eigentlich "Kultur" sei, nur bedeuten, dass die betreffenden Personen eben überhaupt nicht wissen, was es mit diesem Begriff auf sich hat.
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Re: Was ist eigentlich ein "Deutscher"?

Beitrag von relativ »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Oct 2017, 10:40)

Nee. Der Threadtitel lautet nicht "Was ist Kultur" sondern "Was ist (eigentlich) ein Deutscher".

Die wesentliche Differenz in den Einstellungen zum Kulturbegriff geht vielleicht gar nicht so sehr in Richtung angelsächsischer vs deutscher Sprachraum sondern eher dahin, ob man "Kultur" als Vorhandenheit oder als Geregeltheit versteht. Als Vorhandenheit ist Kultur schlicht und einfach alles, was Menschen hervorbringen oder ändern und was nicht natürlicherweise so gegeben ist. Geistig oder Materiell. Als Geregeltheit ist Kultur ein System von Vorschreibungen, Gewohnheiten, Gebräuchlichkeiten. Allein schon diieser weithin anerkannte Unterschied in der Sicht auf den "Kultur"-Begriff macht deutlich, dass Ansprüche darauf, zu wissen, was eigentlich "Kultur" sei, nur bedeuten, dass die betreffenden Personen eben überhaupt nicht wissen, was es mit diesem Begriff auf sich hat.
Nein, einige Beiträge aus "Was ist eigentlich ein Deutscher" wurden verschoben , weil sie dem threadtitel nicht mehr entsprachen. ;)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Agesilaos Megas »

schelm hat geschrieben:(20 Oct 2017, 09:00)

Wenn du das verbindende innerhalb einer Kultur außerhalb der Sprache negierst, dann negierst du zwangsläufig unterschiedliche Ergebnisse von Kulturen, die Folge müsste die einer typischen Handschrift gegensätzliche Gleichheit sein. Ist sie aber nicht, weil wie beschrieben am Anfang jeder Kette der individuelle Lernprozess steht, der im Ergebnis Veränderung beansprucht.

Die Ausrichtung dieser beanspruchten Veränderung im Verhältnis zum Maß ihrer Akzeptanz durch die Gruppe stellt Weichen hinsichtlich eines teteologischen Rahmens der Kultur, den diese Gruppe entwickelt; und sie steht nicht unerheblich von objektiven Notwendigkeiten ( Natur ) in direkter Abhängigkeit.

Die Myriaden von Kultur in Deutschland illustrieren nicht das Fehlen des verbindenden kulturellen Elements; ganz im Gegenteil, sie zeigen sich als Folge dessen, sie bestätigen die Attraktivität des Erfolgsmodelles der deutschen verbindenden Kultur, von der man partizipieren oder an ihr aktiv mitwirken möchte.
Naja, zuerst äußerte Fr. Ö., nicht ich, dass neben Sprache nichts Spezifisches existiere; dann ignorierst Du aber, dass sie hinzufügte, die fr.-dem. GO müsse dieser Kitt sein. Das wiederum eliminiert das Elaborat des Partizipierens aus Deinem letzten Absatz. Du kannst ja gern darüber streiten, ob die f-d GO nicht längst schon die verbindende Schnur sei, aber das ändert ja erstmal nichts am Postulat. Ich denke, aus rein philologischer Sicht, dass wir uns nicht einmal in der Sprache verbinden können (sonst hätten wir ja keine Schattendiskussionen), sondern höchstens versuchen.

Nachdem nun diese Schattendiskussion aus dem Weg geräumt ist, kommen wir mal zu einem Problem, das ich in Deiner übrigen Ausführung sehe und für das eigentlich menschliche Problem halte:

Ich habe ja zuvor darauf hingewiesen, dass es viele Kulturbegriffe gibt, wahrscheinlich mehr als hundert, zumal sie aus einer Ciceronianischen Metapher entstanden sind; Du greifst den lernpsychologischen Aspekt auf: Lernen führe immer (ich betone "nicht immer") dazu, dass die individuellen Ergebnisse sich an die Erwartungen des Kollektiv und seiner Teleologie anpasse. Das wiederum spricht den Menschen die Fähigkeit ab, wissen zu transferieren und zu reorganisieren. Das jedoch können sogar Schüler. Widerstand gegen Traditionen zu erzeugen und Kulturen, wie auch immer sie aufgefasst sind, zu verändern, ist Teil des menschlichen Lebens, Lernens und Erfahrens. Wir alle haben unterschiedliche Biographien und Lernerfahrungen, folglich weichen wir gerade in den abstrakten Dinge hin und wieder untereinander ab. Angesichts dieser logischen Relativität erscheint mir Deine Interpretation des Verhältnis von Individuum-Gruppe zu undifferenziert und zu statisch, auch ein wenig voreingenommen, da Du ja Deinen Kulturbegriff nicht vorauslegst, sondern ihn als bekannt hinlegst, erwartest. Und da beginnen die Probleme der Menschen. Sie streiten sich, wie man eine Metapher objektiv bewerten könnte. Das ist, wie der Mensch, absurd.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schelm »

Agesilaos Megas hat geschrieben:(20 Oct 2017, 17:20)

Naja, zuerst äußerte Fr. Ö., nicht ich, dass neben Sprache nichts Spezifisches existiere; dann ignorierst Du aber, dass sie hinzufügte, die fr.-dem. GO müsse dieser Kitt sein. Das wiederum eliminiert das Elaborat des Partizipierens aus Deinem letzten Absatz. Du kannst ja gern darüber streiten, ob die f-d GO nicht längst schon die verbindende Schnur sei, aber das ändert ja erstmal nichts am Postulat. Ich denke, aus rein philologischer Sicht, dass wir uns nicht einmal in der Sprache verbinden können (sonst hätten wir ja keine Schattendiskussionen), sondern höchstens versuchen.

Nachdem nun diese Schattendiskussion aus dem Weg geräumt ist, kommen wir mal zu einem Problem, das ich in Deiner übrigen Ausführung sehe und für das eigentlich menschliche Problem halte:

Ich habe ja zuvor darauf hingewiesen, dass es viele Kulturbegriffe gibt, wahrscheinlich mehr als hundert, zumal sie aus einer Ciceronianischen Metapher entstanden sind; Du greifst den lernpsychologischen Aspekt auf: Lernen führe immer (ich betone "nicht immer") dazu, dass die individuellen Ergebnisse sich an die Erwartungen des Kollektiv und seiner Teleologie anpasse. Das wiederum spricht den Menschen die Fähigkeit ab, wissen zu transferieren und zu reorganisieren. Das jedoch können sogar Schüler. Widerstand gegen Traditionen zu erzeugen und Kulturen, wie auch immer sie aufgefasst sind, zu verändern, ist Teil des menschlichen Lebens, Lernens und Erfahrens. Wir alle haben unterschiedliche Biographien und Lernerfahrungen, folglich weichen wir gerade in den abstrakten Dinge hin und wieder untereinander ab. Angesichts dieser logischen Relativität erscheint mir Deine Interpretation des Verhältnis von Individuum-Gruppe zu undifferenziert und zu statisch, auch ein wenig voreingenommen, da Du ja Deinen Kulturbegriff nicht vorauslegst, sondern ihn als bekannt hinlegst, erwartest. Und da beginnen die Probleme der Menschen. Sie streiten sich, wie man eine Metapher objektiv bewerten könnte. Das ist, wie der Mensch, absurd.
Ja, und ? Dieser Widerstand ist in der Regel nur der nächste Schritt innerhalb der Teteologie der spezifischen Kultur. Salopp gesagt, der nächsten Generation ist das Verharren bzw. das Tempo der womöglich saturierten Elterngeneration zu langsam. Der Widerstand ist doch kein radikaler Bruch, aus Rock'n Roll folgt Beat, Rock, Pop, Techno, Rap (...), aber keine Marschmusik oder die Rebellion gegen Musik überhaupt. Aus der Demokratie des Spießbürgertums folgt die diversitäre Individualität, kein Widerstand gegen die Demokratie an sich, kein Bruch mit ihr.

Kurz gesagt : In einer gefestigten Kultur wird das Rad nicht neu erfunden, aber folgelogisch optimiert .
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Agesilaos Megas
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Agesilaos Megas »

schelm hat geschrieben:(21 Oct 2017, 01:19)

Ja, und ? Dieser Widerstand ist in der Regel nur der nächste Schritt innerhalb der Teteologie der spezifischen Kultur. Salopp gesagt, der nächsten Generation ist das Verharren bzw. das Tempo der womöglich saturierten Elterngeneration zu langsam. Der Widerstand ist doch kein radikaler Bruch, aus Rock'n Roll folgt Beat, Rock, Pop, Techno, Rap (...), aber keine Marschmusik oder die Rebellion gegen Musik überhaupt. Aus der Demokratie des Spießbürgertums folgt die diversitäre Individualität, kein Widerstand gegen die Demokratie an sich, kein Bruch mit ihr.

Kurz gesagt : In einer gefestigten Kultur wird das Rad nicht neu erfunden, aber folgelogisch optimiert .

Ja, und genau allein in diesem Detailproblem stecken schon volumina an Chat. Wenn wir die Erstellung des Themas zurückverfolgen, dann steht an dessen Anfang nur einer von vielen Kulturbegriffen und nachfolgende Benutzer eifern darum, das, was mal als Metapher begonnen hat, mit heiliger Objektivität zu füllen. Die Inflation der Kultur führt halt dazu, sich außerhalb des Logischen mit Worten und nichts als Worten zu bombardieren. Und daher akzeptiere und billige ich ja zwar Deine Worte, so sehr ich vermag, und ich sehe Dinge, denen ich zustimmen könnte, aber ich sehe sie halt auch so, dass es nicht darüber hinaus kommt, ein Sprachbild mit bitterernsten Beliebigkeiten zu erhöhen. Das wiederum wird perfekt beherrscht, mit deutsch-neurotischer Besessenheit durchgedrillt. Und je besessener der Deutsche wird, desto enger werden seine Abstrakta. Wir haben ja schon "teleogisch" eingebracht. Mal ein knackiger Terminus, nicht aus einer unmittelbaren Metapher entstanden, das Potenzial habend, die Dinge endlich mal zu klären, und selbst da verheddern wir uns wieder in Beliebigkeiten. "Teleologisch" kann außerhalb genormter Sprache alles sein. Ob Du daran glaubst, dass die Menschheit immer fortschrittlicher werde oder Rom geboren worden sei, um zu erobern, oder ob halt alles einfach nur irgendein Ziel verfolge, selbst wenn das Ziel eben nur die Interpretation der Gegenwart ist, womit das Ziel ein ständiger Wandel wäre, quasi eine gewisse Ziellosigkeit inhärent - wir kommen nicht drüber hinweg, dass wir nur doofe Menschen sind, die klug tun, wenn sie wild schreiend im Kreis laufen und das "Zeremonie" nennen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

odiug hat geschrieben:(20 Oct 2017, 10:17)

Das wäre Zivilisation, nicht Kultur.
Zeigt aber einen Unterschied in den Diskussionskulturen zB zwischen dem angelsächsichen Raum und dem Kulturbegriff im deutschsprachigen Raum.
Im Deutschen wird der Begriff der Kultur oft dem der Zivilisation entgegengestellt als abgrenzendes Merkmal.
Im angelsächsischen Raum wird dagegen die Kultur der Zivilisation untergeordnet.
Es kann dort unter der Zivilisation viele Kulturen geben und es besteht kaum eine unmittelbare Konkurrenz zwischen den Begriffen.
Das ist im Deutschen anders und das ist ein gravierender Unterschied im Weltbild.
Irrtum im angesächsischen Sprachraum wird Kultur der Zivilisation nicht untergeordnet, sondern umgekehrt. Hatte ich bereits im anderen Thread geschrieben.

Kultur = das komplexe Ganze, die Gesamtheit des kummulierten Wissens, der Fähigkeiten, Fertigkeiten, Glaubensvorstellungen und Ethik/Moral (Gesetze) die Menschen als Teil der Gesellschaft in sozialem Lernen erworben haben.

Diese Definition des Kulturbegriffes stammt aus dem angesächsischen Raum und geht auf eine landwirtschaftliche Methapher Ciceros zurück und wird allgemein in der Anthropologie und Archäologie verwendet.
Dieser Kulturbegriff ist sehr viel umfassender als der in den Kultur- oder Sozialwissenschaften verwendete.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Dark Angel hat geschrieben:(22 Oct 2017, 15:01)

Irrtum im angesächsischen Sprachraum wird Kultur der Zivilisation nicht untergeordnet, sondern umgekehrt. Hatte ich bereits im anderen Thread geschrieben.

Kultur = das komplexe Ganze, die Gesamtheit des kummulierten Wissens, der Fähigkeiten, Fertigkeiten, Glaubensvorstellungen und Ethik/Moral (Gesetze) die Menschen als Teil der Gesellschaft in sozialem Lernen erworben haben.

Diese Definition des Kulturbegriffes stammt aus dem angesächsischen Raum und geht auf eine landwirtschaftliche Methapher Ciceros zurück und wird allgemein in der Anthropologie und Archäologie verwendet.
Dieser Kulturbegriff ist sehr viel umfassender als der in den Kultur- oder Sozialwissenschaften verwendete.
Ob es "untergeordnet" wird, weiß ich nicht genau, aber es wird getrennt betrachtet. Huntington hatte auch nicht vom Kampf der Kulturen gesprochen, sondern eigentlich "Clash of Civilisation" gesagt. Leider verwischt sich das im deutschen titel und wird dadurch dramatisiert.

Die Definition finde ich unschärfer als meine, die ich aus dem Bourdieu-Handbuch im anderen Kulturthread gegeben habe.

In der hier gegebenen ist ("die Menschen als Teil der Gesellschaft in sozialem Lernen erworben haben") müsste es wenigstens heißen "die Menschen als Teil EINER Gesellschaft in sozialem Lernen erworben haben."
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Die genetische Varianz des Menschen speist sich zu etwa 15 Prozent aus Populationsunterschieden und zu etwa 85 Prozent aus Individualunterschieden. Und mit der "Kultur" verhält es sich aus meiner Sicht nicht grundlegend anders. Sprich: Es ist nur unwesentlich wahrscheinlicher, dass mir mein deutscher Nachbar "nahe" ist als irgendjemand von irgendwo auf der Welt. (Und wirklich: der reale Nachbar mag vor allem Blondinen und dicke Autos. Mein Geschmack geht in eine ganz andere Richtung. Ich wüsste absolut nicht, worüber ich mich mit dem unterhalten sollte, auch wenn wir die gleiche Sprache sprechen). Mit einem Syrer vor einiger Zeit im Krankenhaus als Bettnachbar bin ich auf Englisch sofort ins gespräch gekommen und wir haben lange interessante Unterhaltungen gehabt.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Ich weiß nicht genau, wofür das ein Beispiel sein soll, denn sowohl diese Feindschaft gegen die Lebensweise des Nachbarn als auch die positive Neugier für den Syrer sind ja ein Teil der verinnerlichten Kultur. Der virile, blondinen- und dickschlittenliebende Nachbar ist halt ein hier nicht so hoch im Kurs stehendes Lebensmodell. Aber die genetische Varianz wäre auch nicht das Thema. Eher dann schon Ontogenese - hier gibt es (auch innerkulturell) die interessanteren Unterschiede.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Nov 2017, 11:04)

Ich weiß nicht genau, wofür das ein Beispiel sein soll, denn sowohl diese Feindschaft gegen die Lebensweise des Nachbarn als auch die positive Neugier für den Syrer sind ja ein Teil der verinnerlichten Kultur. Der virile, blondinen- und dickschlittenliebende Nachbar ist halt ein hier nicht so hoch im Kurs stehendes Lebensmodell. Aber die genetische Varianz wäre auch nicht das Thema. Eher dann schon Ontogenese - hier gibt es (auch innerkulturell) die interessanteren Unterschiede.
Die Genetik war auch nur eine Art Metapher, ein Analogon zu dem, was ich kulturell wahrnehme. Und von Feindschaft war auch nicht die Rede. Nur von fehlender Gemeinsamkeitsbasis (abgesehen von der Sprache). Es sind keine ausgeprägten Vorlieben sondern einfach nur persönliche Erfahrungen, dass die Wahrscheinlichkeit solcher Gemeinsamkeiten sich nicht oder so gut wie nicht erhöht, wenn ich weiß, dass ich einen Landsmann vor mir sitzen habe.

Und Neugier ist ein absolut universalistisches, humanes Merkmal, dass man als Individuum völlig unabhängig von irgendwelchen Zugehörigkeiten hat oder nicht hat.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2017, 11:10)

Die Genetik war auch nur eine Art Metapher, ein Analogon zu dem, was ich kulturell wahrnehme. Und von Feindschaft war auch nicht die Rede. Nur von fehlender Gemeinsamkeitsbasis (abgesehen von der Sprache). Es sind keine ausgeprägten Vorlieben sondern einfach nur persönliche Erfahrungen, dass die Wahrscheinlichkeit solcher Gemeinsamkeiten sich nicht oder so gut wie nicht erhöht, wenn ich weiß, dass ich einen Landsmann vor mir sitzen habe.

Und Neugier ist ein absolut universalistisches, humanes Merkmal, dass man als Individuum völlig unabhängig von irgendwelchen Zugehörigkeiten hat oder nicht hat.
Wenn Neugier das ist, dann ist ihr Umfang und die Objekte, auf die sie sich richtet, zu 100 % von der Zugehörigkeit zu einer Kultur abhängig. Jede Erfindung und Entdeckung war immer das Ergebnis, die Summe dessen, wonach man in einem Kulturraum überhaupt fragen konnte.

Aber ich sehe natürlich, dass das moderne Individuum hierzulande, durch die Aufmerksamkeit und die konzentrierten Mittel, mit denen man es päppelt, glaubt, alles liege im Individuum, das sowohl souveräner Schöpfer als auch Zentralgestirn, um das sich alles dreht, in einem sei. Das ist sehr deutsch (und amerikanisch), in Asien begegnet einem das ebenso selten wie in Afrika. Was logisch ist, die haben eine andere Kultur, die andere Prioritäten und Schwerpunkte setzt (oder auch muss), ein anderes Erbe, ein anderes kollektives Gedächtnis, andere oder anders geprägte Religionen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Nov 2017, 12:00)

Wenn Neugier das ist, dann ist ihr Umfang und die Objekte, auf die sie sich richtet, zu 100 % von der Zugehörigkeit zu einer Kultur abhängig. Jede Erfindung und Entdeckung war immer das Ergebnis, die Summe dessen, wonach man in einem Kulturraum überhaupt fragen konnte.

Aber ich sehe natürlich, dass das moderne Individuum hierzulande, durch die Aufmerksamkeit und die konzentrierten Mittel, mit denen man es päppelt, glaubt, alles liege im Individuum, das sowohl souveräner Schöpfer als auch Zentralgestirn, um das sich alles dreht, in einem sei. Das ist sehr deutsch (und amerikanisch), in Asien begegnet einem das ebenso selten wie in Afrika. Was logisch ist, die haben eine andere Kultur, die andere Prioritäten und Schwerpunkte setzt (oder auch muss), ein anderes Erbe, ein anderes kollektives Gedächtnis, andere oder anders geprägte Religionen.
Sorry, Unsinn. Jede neue ostasiatische Touristengruppe in Europa widerlegt die These von der Populationsabhängigkeit von "Neugier". Dass die gewissermaßen für ihre ganze Familie "mitfotografieren" steht ja noch mal auf einem anderen Blatt. Das ist Familien- und Gemeinschaftssinn.

Die Firma Merck hat 2016 die erste internationale Neugier-Studie veröffentlicht, bei der u.a. auch China einbezogen war. Es gibt nachweislich keinen wesentlichen Unterschied beim "Neugier-Index" etwa zwischen Deutschland, USA und China. Lediglich die prozentuale Zusammensetzung (Wissbegier, Offenheit, Kreativität, Stresstoleranz) der Faktoren unterscheidet sich ein wenig. (https://curiosity.merck.de/docs/Curiosi ... German.pdf). Es sind diese dämlichen nicht aus der Welt zu schaffenden Erzählungen wie "Schwarze haben Rhythmus im Blut". Es bestätigt sich (für mich) immer wieder: Die individuelle Varianz ist auch kulturell wesentlich höher als die zwischen den Populationen. Man ist im wesentlichen der, der man ist und nicht der, zu dem man gemacht wird.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2017, 12:38)

Sorry, Unsinn. Jede neue ostasiatische Touristengruppe in Europa widerlegt die These von der Populationsabhängigkeit von "Neugier". Dass die gewissermaßen für ihre ganze Familie "mitfotografieren" steht ja noch mal auf einem anderen Blatt. Das ist Familien- und Gemeinschaftssinn.

Die Firma Merck hat 2016 die erste internationale Neugier-Studie veröffentlicht, bei der u.a. auch China einbezogen war. Es gibt nachweislich keinen wesentlichen Unterschied beim "Neugier-Index" etwa zwischen Deutschland, USA und China. Lediglich die prozentuale Zusammensetzung (Wissbegier, Offenheit, Kreativität, Stresstoleranz) der Faktoren unterscheidet sich ein wenig. (https://curiosity.merck.de/docs/Curiosi ... German.pdf). Es sind diese dämlichen nicht aus der Welt zu schaffenden Erzählungen wie "Schwarze haben Rhythmus im Blut". Es bestätigt sich (für mich) immer wieder: Die individuelle Varianz ist auch kulturell wesentlich höher als die zwischen den Populationen. Man ist im wesentlichen der, der man ist und nicht der, zu dem man gemacht wird.
Die ostasiatische Gruppe entdeckt vielleicht den Dom oder die unterirdische Toilette im Bahnhof. Ich rede aber von theoretischer Neugier: Ein Einstein ist mit seinen Entdeckungen nur aus seiner Zeit und seiner Kultur zu verstehen. Dass jemand der ist, der er ist, ist eine für unsere Kultur durchaus passende metaphorische Ausdrucksweise, die allerdings bis vor ein paar Jahrzehnten für den Gottesnamen stand. Und im wissenschaftlichen Zeitalter, wo man weiß, was es mit dem Wachstum des Gehirns, mit der Onotgenese auf sich hat, wirkt man ist, der man ist, geradezu frivol :)

Dass der Rhythmus im Blut und solche Dinge nur metaphorisches Sprechen sind, ist ja klar. Es ist eine kulturelle Geschichte.

Und übrigens: Schon mal Kaspar Hauser gehört? Was dann aber etwas von der Kultur wegführen würde.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Nov 2017, 12:53)

Die ostasiatische Gruppe entdeckt vielleicht den Dom oder die unterirdische Toilette im Bahnhof. Ich rede aber von theoretischer Neugier: Ein Einstein ist mit seinen Entdeckungen nur aus seiner Zeit und seiner Kultur zu verstehen.
Einen Einstein wird es (vermutlich) auch in den klassischen westlichen Forschungsnationen nicht so schnell nochmal geben. Das dürfte aber an den Fragestellungen sowie an der allgemeinen und vor allem weltweiten Ökonomisierung von Wissenschaft liegen.

Ansonsten: Ich habe auf diese internationale Neugier-Studie verwiesen, nach der es in China eben nicht signifikant weniger Neugierde gibt als in D oder USA. Und es gibt noch zig weitere aktuelle Artikel, die darüber berichten, dass China gegenwärtig sich anschickt, die USA als Forschungsland Nr. 1 zu überholen. Und natürlich bezieht das auch theoretische Forschung mit ein. Wissen kann man nur mehr oder weniger pyramidenhaft aufschichten.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von zollagent »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2017, 13:26)

Einen Einstein wird es (vermutlich) auch in den klassischen westlichen Forschungsnationen nicht so schnell nochmal geben. Das dürfte aber an den Fragestellungen sowie an der allgemeinen und vor allem weltweiten Ökonomisierung von Wissenschaft liegen.

Ansonsten: Ich habe auf diese internationale Neugier-Studie verwiesen, nach der es in China eben nicht signifikant weniger Neugierde gibt als in D oder USA. Und es gibt noch zig weitere aktuelle Artikel, die darüber berichten, dass China gegenwärtig sich anschickt, die USA als Forschungsland Nr. 1 zu überholen. Und natürlich bezieht das auch theoretische Forschung mit ein. Wissen kann man nur mehr oder weniger pyramidenhaft aufschichten.
Nun ja, ein Herr Steven Hawking dürfte in seiner Bedeutung für die Forschung einem Herrn Einstein nicht wirklich nachstehen.
Wer an Absurditäten glaubt, wird Abscheulichkeiten begehen. (Voltaire)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2017, 13:26)

Einen Einstein wird es (vermutlich) auch in den klassischen westlichen Forschungsnationen nicht so schnell nochmal geben. Das dürfte aber an den Fragestellungen sowie an der allgemeinen und vor allem weltweiten Ökonomisierung von Wissenschaft liegen.

Ansonsten: Ich habe auf diese internationale Neugier-Studie verwiesen, nach der es in China eben nicht signifikant weniger Neugierde gibt als in D oder USA. Und es gibt noch zig weitere aktuelle Artikel, die darüber berichten, dass China gegenwärtig sich anschickt, die USA als Forschungsland Nr. 1 zu überholen. Und natürlich bezieht das auch theoretische Forschung mit ein. Wissen kann man nur mehr oder weniger pyramidenhaft aufschichten.
Ok, pyramidenförmig aufschichten, damit kann ich leben. Aber selbst wenn in zwei Ländern gleichmäßig aufgeschichtet wäre, genügend Neugier da, fehlt u.U. etwas. China ist ein schönes Beispiel. Die können ihre ganzen Devisenreserven in Forschung stecken, sie werden solange nicht ähnlich innovativ sein, solange sie ihre absoluten und zur völligen Unselbstständigkeit erziehenden streng hierarchischen Beziehungsstrukturen nicht ändern. Solange das neueingestellte Genie nicht klüger als schon der nächste Vorgesetzte sein darf, so lange wird das nichts.

Schönes Beispiel für zwei völlig unterschiedliche, vollkommen unterschiedliche Kulturansätze.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Nov 2017, 13:34)

Ok, pyramidenförmig aufschichten, damit kann ich leben. Aber selbst wenn in zwei Ländern gleichmäßig aufgeschichtet wäre, genügend Neugier da, fehlt u.U. etwas. China ist ein schönes Beispiel. Die können ihre ganzen Devisenreserven in Forschung stecken, sie werden solange nicht ähnlich innovativ sein, solange sie ihre absoluten und zur völligen Unselbstständigkeit erziehenden streng hierarchischen Beziehungsstrukturen nicht ändern. Solange das neueingestellte Genie nicht klüger als schon der nächste Vorgesetzte sein darf, so lange wird das nichts.

Schönes Beispiel für zwei völlig unterschiedliche, vollkommen unterschiedliche Kulturansätze.
Ich würde sagen: Schönes Beispiel wie man sich in Europa zum zweiten mal absolut gründlich in seiner oberflächlichen Überheblichkeit irrren kann. Das erstemal wars Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhundert mit der kulturarroganten Sicht auf die USA. Und man kann die Betrachtung übrigens auch umkehren: Wer nicht ein tägliches Update seiner Weltsicht durchführt, wird ganz sicher auch wissenschaftlich zurückbleiben. Es gibt nicht den geringsten Grund, "unselbstständige" Wissenschaftler - wie im Juni dieses Jahres in China - mit einem Weltraum-Röntgenteleskop auszustatten, um schwarze Löcher und Gammablitze zu erforschen. Die "Kulturforscher" werden sich noch mal ziemlich die Augen reiben. Auch die heutigen werden's noch erleben.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

zollagent hat geschrieben:(14 Nov 2017, 13:28)

Nun ja, ein Herr Steven Hawking dürfte in seiner Bedeutung für die Forschung einem Herrn Einstein nicht wirklich nachstehen.
Einen solchen "Rangvergleich" lehnt Hawking (zurecht) ab. Fakt ist: Er führte (u.a.) die Theorien Einsteins fort und wendete sie (und die Ergebnisse der QT) zum Beispiel auf die Physik Schwarzer Löcher an und postulierte dabei Hawking-Strahlung. Bei allem Respekt ... es ist eine bedeutsame Fortführung aber nicht die Umwälzung des Beginns der Modernen Physik. Auch Forschungen zur theoretischen Physik finden heute in in großen Anlagen wie dem CERN statt. Das sind andere Bedingungen. Der Fortschritt ist systematischer, planbarer aber auch aufwändiger und komplexer.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Nov 2017, 12:53)

Die ostasiatische Gruppe entdeckt vielleicht den Dom oder die unterirdische Toilette im Bahnhof.
So richtig witzig ist das nicht. Zumal du das ja wirklich genau so zu meinen scheinst.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Senexx hat geschrieben:(08 Sep 2017, 00:20)

Ich möchte lediglich die Frage klären, was die Gemeinde hier unter "Kultur" versteht.
Kultur ist Vielfalt, Freiheit, Gelassenheit, Toleranz, Miteinander-reden-Können, niemanden im Regen stehenlassen, Altes im Neuen bewahren, Neugier, Offenheit, Verspieltheit, Naivität, Großzügigkeit, Schokotorte (selbst gemachte).
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(14 Nov 2017, 14:50)

So richtig witzig ist das nicht. Zumal du das ja wirklich genau so zu meinen scheinst.
Natürlich meine ich das so - weil das, was ich mit "Entdeckungen" ansprach nichts mit der Ebene zu tun hatte, auf der sich das Beispiel mit der Reisegruppe bewegt hat. Ein einstein, ein Hawking und auch jeder normale Tüftler, Bastler, Theoretiker, der im Zuge der theoretischen Neugier "entdeckt", folgt dem, was in seiner Kultur an Vorwissen usw. aber auch an Möglichkeiten vorhanden ist. Dass Einstein oder Hawking zu einer ganz bestimmten Zeit in einer ganz bestimmten Kultur (westlich, analytisch geprägt) auftauchen und nicht im Mittleren Osten oder in Amazonien hat kulturelle Gründe. Und wenn man aus dieser Tatsache und den bestehenden kulturellen Unterschieden keine moralische Tatsache und keine moralischen Unterschiede oder gar irgendwie biologischen Ableitungen macht, sondern eine, die sich eben aus den Bedingungen und den Möglichkeiten ergeben hat, dann ist das völlig rational. Wo wäre das Problem?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(14 Nov 2017, 14:57)

Kultur ist Vielfalt, Freiheit, Gelassenheit, Toleranz, Miteinander-reden-Können, niemanden im Regen stehenlassen, Altes im Neuen bewahren, Neugier, Offenheit, Verspieltheit, Naivität, Großzügigkeit, Schokotorte (selbst gemachte).
Das ist eine rein romantische, ideelle, individualistische Behauptung, die in einer Kultur wie der unseren entsteht. Mit einem wissenschaftlichen Kulturbegriff hat das nichts zu tun. Ein Poesiealbum ist eben kein Sachbuch.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Cat with a whip »

Kultur ist rechten Verschwörungsspinnern in den Arsch zu treten.
BERLIN taz | Die Verleihung eines Medienpreises an den ehemaligen RBB-Radiomoderator Ken Jebsen, der seit Jahren in verschwörungstheoretischen Kreisen unterwegs ist, wird nicht wie geplant im Berliner Kino Babylon stattfinden. Das bestätigte die Senatsverwaltung für Kultur am Dienstag der taz.

Damit ist der Wunsch von Kultursenator Klaus Lederer (Linke) in Erfüllung gegangen. Der hatte am Montag auf Facebook geschrieben: „Ich bin entsetzt, dass ein Kulturort in Berlin diesem Jahrmarkt der Verschwörungsgläubigen und Aluhüte eine Bühne bietet. Vom Geschäftsführer des Kinos Babylon würde ich mir angesichts dessen die Courage wünschen, zu sagen: Als Plattform für diesen Wahnsinn stehen wir nicht zur Verfügung.“
http://www.taz.de/Querfront-Preisverlei ... /!5463066/
"Die Erde ist ein Irrenhaus. Dabei könnte das bis heute erreichte Wissen der Menschheit aus ihr ein Paradies machen." Joseph Weizenbaum
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Adam Smith »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Nov 2017, 17:53)

Das ist eine rein romantische, ideelle, individualistische Behauptung, die in einer Kultur wie der unseren entsteht. Mit einem wissenschaftlichen Kulturbegriff hat das nichts zu tun. Ein Poesiealbum ist eben kein Sachbuch.
Kultur ist all das was vom Menschen stammt.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Cat with a whip hat geschrieben:(14 Nov 2017, 18:24)

Kultur ist rechten Verschwörungsspinnern in den Arsch zu treten.


http://www.taz.de/Querfront-Preisverlei ... /!5463066/
Einen Staats- oder Sozialkundeunterricht, der den Schulabgängern solche theoretischen Überzeugungen vermittelt, könnte man als indikativ für die Ursachenforschung nach den Bedingungen, die zum Pisaknick führen, heranziehen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Nov 2017, 17:53)

Das ist eine rein romantische, ideelle, individualistische Behauptung, die in einer Kultur wie der unseren entsteht. Mit einem wissenschaftlichen Kulturbegriff hat das nichts zu tun. Ein Poesiealbum ist eben kein Sachbuch.
Ach? Hier geht es um einen "wissenschaftlichen Kulturbegriff"? Alles klar. Welchen von den vielen wissenschaftlichen Kulturbegriffen bevorzugst du denn?

https://de.wikipedia.org/wiki/Kultur_(B ... C3%A4rung)

Die Frage des Threaderstellers war: "Ich möchte lediglich die Frage klären, was die Gemeinde hier unter 'Kultur' versteht." Und da ich schon viel zum Kulturbegriff geschrieben hatte in einem Kultur-Thread, der vor diesem hier eröffnet wurde, hab ich hier mal genau diese Anfangsfrage beantwortet. Eigentlich alles klar verständlich.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Nov 2017, 17:50)

Natürlich meine ich das so - weil das, was ich mit "Entdeckungen" ansprach nichts mit der Ebene zu tun hatte, auf der sich das Beispiel mit der Reisegruppe bewegt hat. Ein einstein, ein Hawking und auch jeder normale Tüftler, Bastler, Theoretiker, der im Zuge der theoretischen Neugier "entdeckt", folgt dem, was in seiner Kultur an Vorwissen usw. aber auch an Möglichkeiten vorhanden ist. Dass Einstein oder Hawking zu einer ganz bestimmten Zeit in einer ganz bestimmten Kultur (westlich, analytisch geprägt) auftauchen und nicht im Mittleren Osten oder in Amazonien hat kulturelle Gründe. Und wenn man aus dieser Tatsache und den bestehenden kulturellen Unterschieden keine moralische Tatsache und keine moralischen Unterschiede oder gar irgendwie biologischen Ableitungen macht, sondern eine, die sich eben aus den Bedingungen und den Möglichkeiten ergeben hat, dann ist das völlig rational. Wo wäre das Problem?
Mir ging es lediglich um deinen Satz "Die ostasiatische Gruppe entdeckt vielleicht den Dom oder die unterirdische Toilette im Bahnhof". Den finde ich überheblich. Oder hab ich ihn nur falsch verstanden?
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