Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Ich würde ja gern mal wissen, ob du den Erfolg einer auf Unkonventionalität beruhenden neuen Produktentwicklung oder Theaterinszenierung als abzulehnenden "exzessiven Individualismus" sehen würdest. Dass Demokratie es überhaupt erst ermöglicht, verbindende Kulturpraktiken abzulehnen, ist nicht etwa ein eben halt zu akzeptierender Nebeneffekt sondern ganz wesentlicher Inhalt, Aspekt der Liberalität von Demokratie.Dark Angel hat geschrieben:(29 Oct 2017, 10:16)
Ja - der Threadtitel beginnt mit "gibt es ..." und es gibt durchaus Konsens darüber, dass es eine verbindende deutsche Kultur jenseits der Sprache gibt. Das ist gesellschaftliche Wirklichkeit, auch denn wenn es einige Zeitgenossen gibt, die aufgrund exzessiven Individualismus bzw weil sie sich als Kosmopoliten sehen, diese verbindende Kultur ablehnen und/oder leugnen.
Da wird keinesfalls - wie du behauptest - aneinander vorbei geredet.
Es war auch nicht die Rede von "ungeschriebenen Gesetzen", sondern von "ungeschriebenen Regeln, Normen, Wert- und Moralvorstellungen, die auf intersubjektiven Konsens basieren". Natürlich gibt es Menschen, die diesen intersubjektiven Konsens nicht anerkennen/nicht anerkennen wollen bzw sich auch bewusst dagegen stellen, nur sind das halt Außenseiter/Outlaws und keine "Avantgardisten".
Und etwas, was ungeschrieben ist, kann man auch nicht umschreiben.
Demokratie IST ein Teil verbindender Kultur, was du partout nicht kapieren willst und die Demokratie - der Teil verbindender Kultur - ist es auch, die es Zeitgenossen wie dir, überhaupt erst ermöglicht, verbindende Kultur zu leugnen und abzulehnen.
Tatsache ist allerdings auch, dass es in einer existierenden verbindenden Kultur auch Bedingungen - ein Sollen - gibt, an die sich Zuwanderer zu halten haben.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Ein Terraner hat geschrieben:(30 Oct 2017, 16:17)
Nein es ist Teil der Deutschen Gesetzgebung, und keine kulturellen Vorschriften oder Regeln die hier dauern so betont werden wie Hände Schütteln oder was auch sonst.
Aber ich vergaß, alles ist ja Kultur, also alles bis auf das undeutsche Zeug mit dem man nichts zu tun haben möchte.
Was soll Hände schütteln , oder dich begrüßen ,bitte schön mit sogenannter Kultur zu tun haben??? Blanker Schwachsinn.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Ich selbst bin Kosmopolit , gefühlt Weltbürger und kein Staatsbürger, diese beschränkte Tellerrand Mentalität der Nationalen und Völkischen nebst deren Überhöhung der Begriffe: Nation , Identität und Kultur ist mir ohnehin völlig suspekt. Diese ganze patriotistisch durchhauchte Ideologie ist doch eh Schnee von vorgestern.
Zuletzt geändert von Alpha Centauri am Di 31. Okt 2017, 10:06, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Hm, und welchen Paß hast Du in der Tasche?Alpha Centauri hat geschrieben:(31 Oct 2017, 09:25)
Ich selbst bin Kosmopolit , gefühlt Weltbürger und kein Staatsbürger, dieses beschränkte Tellerrand Mentalität der Nationalen und Völkischen nebst deren Überhöhung der Begriffe: Nation , Identität und Kultur ist mir ohnehin völlig suspekt. Diese ganze patriotistisch durchhauchte Ideologie ist doch eh Schnee von vorgestern.
Der Altphilologe Manfred Fuhrmann (*) hat es in folgender Weise formuliert:
- "Mancher scheint nichts mehr von unserer Herkunft aus Jerusalem, Athen und Rom zu wissen; (...)
als ob Europa keine Vergangenheit hätte, als ob es mittellos und ohne Erbe dastünde.(...)
Allerdings pflegt, wie sich durch Beispiele aus der Geschichte belegen lässt, derjenige, der keine Vergangenheit hat, auch keine Zukunft zu haben."
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Antonius hat geschrieben:(31 Oct 2017, 09:52)
Hm, und welchen Paß hast Du in der Tasche?
Der Altphilologe Manfred Fuhrmann (*) hat es in folgender Weise formuliert:
(*) Manfred Fuhrmann: Bildung - Europas kulturelle Identität. Reclam, Stuttgart 2002.
- "Mancher scheint nichts mehr von unserer Herkunft aus Jerusalem, Athen und Rom zu wissen; (...)
als ob Europa keine Vergangenheit hätte, als ob es mittellos und ohne Erbe dastünde.(...)
Allerdings pflegt, wie sich durch Beispiele aus der Geschichte belegen lässt, derjenige, der keine Vergangenheit hat, auch keine Zukunft zu haben."
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Deswegen ja "gefühlt" ein Pass ist ein Dokument, eine emotionale Identität schon wieder was ganz anderes. Deshalb betrachtet ich mich auch als Weltbürger und nicht Staatsbürger. Mein Heimatland ist die Erde.Antonius hat geschrieben:(31 Oct 2017, 09:52)
Hm, und welchen Paß hast Du in der Tasche?
Der Altphilologe Manfred Fuhrmann (*) hat es in folgender Weise formuliert:
(*) Manfred Fuhrmann: Bildung - Europas kulturelle Identität. Reclam, Stuttgart 2002.
- "Mancher scheint nichts mehr von unserer Herkunft aus Jerusalem, Athen und Rom zu wissen; (...)
als ob Europa keine Vergangenheit hätte, als ob es mittellos und ohne Erbe dastünde.(...)
Allerdings pflegt, wie sich durch Beispiele aus der Geschichte belegen lässt, derjenige, der keine Vergangenheit hat, auch keine Zukunft zu haben."
Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Wenn dir auf deiner Heimat Erde das unerwartete Glück widerfahren sollte, in einem türkischen Knast zu landen, würdest du als überzeugter Kosmopolit vermutlich darauf verzichten, von beispielsweise dem Altbundeskanzler Gerhard Schröder auf informellem Weg herausgeholt zu werden. Denn auf dein Staatsbürgerturm gibst du ja nichts.Alpha Centauri hat geschrieben:(31 Oct 2017, 10:05)
Deswegen ja "gefühlt" ein Pass ist ein Dokument, eine emotionale Identität schon wieder was ganz anderes. Deshalb betrachtet ich mich auch als Weltbürger und nicht Staatsbürger. Mein Heimatland ist die Erde.
Ein Leben ausschließlich auf eigene Rechnung zu führen, finde ich sehr anerkennenswert. Fragt sich halt, wie weit es über den verbalen Gratisbekennermut einer schieren Luxusexistenz hinausreicht.
Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Richtig.schokoschendrezki hat geschrieben:(31 Oct 2017, 07:42)
Dass Demokratie es überhaupt erst ermöglicht, verbindende Kulturpraktiken abzulehnen, ist nicht etwa ein eben halt zu akzeptierender Nebeneffekt sondern ganz wesentlicher Inhalt, Aspekt der Liberalität von Demokratie.
Das Recht, Elemente der bestehenden Kultur ganz oder teilweise abzulehnen, ist allerdings selbst eine Errungenschaft dieser Kultur. Die Bedingungen der eigenen freiheitlichen Existenz zu ignorieren, führt unweigerlich zum Verlust der Freiheit.
Eine freiheitliche Gesellschaft enthält ihre eigene Negation als Möglichkeit. Soll diese Negation als Möglichkeit erhalten bleiben, darf sie nicht Wirklichkeit werden.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
DU redest von "gedanklicher Klarheit", kriegst aber nicht auf die Reihe, dass verbindende Elemente einer Kultur, die auf intersubjektivem Konsens basieren und "privater Geschmack" nichts miteinander zu tun haben. Du kriegst es nichtmal gebacken, dass die Entwicklung neuer Produkte nichts mit Unkonventionalität zu tun haben, sondern das Ergebnis von Entwicklungsreihen und gegenwärtigem Wissensstand sind. Auch neue Erfindungen und Entdeckungen fallen a) nicht vom Himmel und geschehen b) nicht im luftleeren Raum. Sie benötigen immer einen ganz bestimmten kulturellen Rahmen.schokoschendrezki hat geschrieben:(31 Oct 2017, 07:42)
Ich würde ja gern mal wissen, ob du den Erfolg einer auf Unkonventionalität beruhenden neuen Produktentwicklung oder Theaterinszenierung als abzulehnenden "exzessiven Individualismus" sehen würdest. Dass Demokratie es überhaupt erst ermöglicht, verbindende Kulturpraktiken abzulehnen, ist nicht etwa ein eben halt zu akzeptierender Nebeneffekt sondern ganz wesentlicher Inhalt, Aspekt der Liberalität von Demokratie.
Du kriegst ja nichtmal auf die Reihe, dass es so etwas wie "Kulturpraktik" gar nicht gibt, geschweige denn, dass ein "verbindendes Element einer Kultur" nicht "praktiziert werden" kann.
Verbindende Elemente einer Kultur stellen Gemeinsamkeiten dar, die Menschen haben - völlig unabhängig von Demokratie und Liberalität.
Die ganz spezielle Geschichte, die Deutsche gemeinsam haben, die sie verbindet und die daraus erwachsende Verantwortung, kannst du nicht ablehnen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Natürlich kann ich eine bestimmte Kultur ablehnen. Wer will mich denn zwingen?Dark Angel hat geschrieben:(31 Oct 2017, 12:57)
Die ganz spezielle Geschichte, die Deutsche gemeinsam haben, die sie verbindet und die daraus erwachsende Verantwortung, kannst du nicht ablehnen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
MOD - letzte Warnung: wer noch mal spamt, persönlich wird/beleidigt oder themenfremd schreibt, erhält eine Sanktion. Ich empfehle JEDEM, der hier jetzt Beiträge von sich vermisst, sich das zu Herzen zu nehmen. Danke.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Ja und nichts anderes ist Kultur. Umgangsformen, Etikette, Küche, etc. all das fällt unter Kultur.Dark Angel hat geschrieben:(31 Oct 2017, 12:57)
Verbindende Elemente einer Kultur stellen Gemeinsamkeiten dar, die Menschen haben - völlig unabhängig von Demokratie und Liberalität.
Was typisch Deutsch ist, ist die deutsche Kultur, dass sie nicht komplett auf jedes Individuum zutrifft ist ja normal. Und das die Individualisierung die "Massenkultur" Kultur verdrängt ist halt dem Internet und seiner Vernetzung zu verdanken.
Aufgrund der deutschen Geschichte hat ein Deutscher keine andere Verantwortung als jeder andere Mensch auch. Man ist nicht für die Verfehlungen seiner Vorfahren verantwortlich.Die ganz spezielle Geschichte, die Deutsche gemeinsam haben, die sie verbindet und die daraus erwachsende Verantwortung, kannst du nicht ablehnen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Ach das is ja mal was ganz Neues - Deutsche haben keine andere Verantwortung als jeder andere Mensch auch?ryu1850 hat geschrieben:(31 Oct 2017, 18:04)
Ja und nichts anderes ist Kultur. Umgangsformen, Etikette, Küche, etc. all das fällt unter Kultur.
Was typisch Deutsch ist, ist die deutsche Kultur, dass sie nicht komplett auf jedes Individuum zutrifft ist ja normal. Und das die Individualisierung die "Massenkultur" Kultur verdrängt ist halt dem Internet und seiner Vernetzung zu verdanken.
Aufgrund der deutschen Geschichte hat ein Deutscher keine andere Verantwortung als jeder andere Mensch auch. Man ist nicht für die Verfehlungen seiner Vorfahren verantwortlich.
Jeder andere Mensch trägt aber KEINE Verantwortung für die Verbrechen die Deutsche begangen haben - für den Genozid am jüdischen Volk. Die Verantwortung dafür, dass derartige Verbrechen nie wieder geschehen dürfen, tragen ganz besonders wir Deutschen, eben weil diese Verbrechen von Deutschen geplant und systematisch durchgeführt wurden.
Diese Verantwortung kann uns niemand abnehmen und es kann uns auch niemand von dieser Verantwortung freisprechen!
Es geht nicht um die Vergangenheit, sondern um die Zukunft!
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Genau, niemand der lebt trägt Verantwortung für irgendwelche Verbrechen vor seiner Geburt.Dark Angel hat geschrieben:(31 Oct 2017, 20:48)
Jeder andere Mensch trägt aber KEINE Verantwortung für die Verbrechen die Deutsche begangen haben.
alle Menschen der Welt gleichermaßen. Weil jeder aus der Geschichte der Menschheit gelernt haben sollte.Die Verantwortung dafür, dass derartige Verbrechen nie wieder geschehen dürfen, tragen
Nein, niemand sollte "besonders viel" aus der Geschichte seines Volkes gelernt haben. Die Geschichte sollte allen Menschen Gleichviel eine Lehre sein.ganz besonders wir Deutschen, eben weil diese Verbrechen von Deutschen geplant und systematisch durchgeführt wurden.
Jeder solle wissen, dass Sklaverei, Deportation und Völkermord nicht dem moralischen Ok entsprechen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Ich finds ja gar nicht mal so unschmeichelhaft, dich immer wieder so provozieren zu können.Dark Angel hat geschrieben:(31 Oct 2017, 12:57)
DU redest von "gedanklicher Klarheit", kriegst aber nicht auf die Reihe, dass verbindende Elemente einer Kultur, die auf intersubjektivem Konsens basieren und "privater Geschmack" nichts miteinander zu tun haben. Du kriegst es nichtmal gebacken, dass die Entwicklung neuer Produkte nichts mit Unkonventionalität zu tun haben, sondern das Ergebnis von Entwicklungsreihen und gegenwärtigem Wissensstand sind. Auch neue Erfindungen und Entdeckungen fallen a) nicht vom Himmel und geschehen b) nicht im luftleeren Raum. Sie benötigen immer einen ganz bestimmten kulturellen Rahmen.
Du kriegst ja nichtmal auf die Reihe, dass es so etwas wie "Kulturpraktik" gar nicht gibt, geschweige denn, dass ein "verbindendes Element einer Kultur" nicht "praktiziert werden" kann.
Verbindende Elemente einer Kultur stellen Gemeinsamkeiten dar, die Menschen haben - völlig unabhängig von Demokratie und Liberalität.
Die ganz spezielle Geschichte, die Deutsche gemeinsam haben, die sie verbindet und die daraus erwachsende Verantwortung, kannst du nicht ablehnen.
Entwicklungsreihen und Wissensstand sind notwendige Bedingungen. Hinreichend für Innovativität (egal ob wissenschaftlich, künstlerisch, technisch, sozial) ist darüber hinaus Unkonventionalität. Konvention heißt "Übereinkunft". Die in pluralistischen Gesellschaften völlig zurecht hochgeschätzte Unkonventionalität als Kern von Kreativität bedeutet, sich - im Rahmen der Rechtsordnung natürlich - nicht an die Übereinkünfte oder anders gesagt an die "ungeschriebenen Gesetze" zu halten. Nicht.
Aber gottseidank leben wir ja gar nicht in so einer langweilig-konventionellen Welt. Überschreitungen werden gefeiert, bewundert. Ja teilweise regelrecht angebetet in einer Weise, die vielleicht auch nicht mehr ganz gesund ist.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Das ist ein Paradoxon. Na klar. Demokaratie enthält immament die Möglichkeit der demokratischen Selbstauflösung. Gegen dieses Katze-beißt-sich-den-Schwanz hilft nur die Setzung eines absoluten Bezugspunkts. Und genau das ist die Rechtsordnung als Basis von Liberalismus und Freiheit. Die Rechtsordnung ist als absolut zu betrachten. Wie ein Naturgesetz. Und in dieser Betrachtung wird sie im Grunde "entkulturalisiert". Die Art der Schaffung einer Rechtsordnung (durch Arbeit der Legislative) ist sicherlich Bestandteil demokratischer Kultur. Aber sind Gestze einmal beschlossen und verabschiedet, sind sie quasi als Naturgesetz zu betrachten. Und also nicht mehr "Kultur". Auch wenn sie natürlich dennoch menschengeschaffen bleiben. Ohne einen solchen "Trick" und Willkürakt, ist dieses Paradoxon der Selbstauflösungsmöglichkeit nicht aus der Welt zu schaffen.Zunder hat geschrieben:(31 Oct 2017, 12:37)
Richtig.
Das Recht, Elemente der bestehenden Kultur ganz oder teilweise abzulehnen, ist allerdings selbst eine Errungenschaft dieser Kultur. Die Bedingungen der eigenen freiheitlichen Existenz zu ignorieren, führt unweigerlich zum Verlust der Freiheit.
Eine freiheitliche Gesellschaft enthält ihre eigene Negation als Möglichkeit. Soll diese Negation als Möglichkeit erhalten bleiben, darf sie nicht Wirklichkeit werden.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Eine Rechtsordnung kann nur dann als absolut angesehen werden, wenn sie von Gott kommt. Alternativ ginge auch ein biologistisch begründetes Naturrecht.schokoschendrezki hat geschrieben:(31 Oct 2017, 22:03)
Das ist ein Paradoxon. Na klar. Demokaratie enthält immament die Möglichkeit der demokratischen Selbstauflösung. Gegen dieses Katze-beißt-sich-den-Schwanz hilft nur die Setzung eines absoluten Bezugspunkts. Und genau das ist die Rechtsordnung als Basis von Liberalismus und Freiheit. Die Rechtsordnung ist als absolut zu betrachten. Wie ein Naturgesetz. Und in dieser Betrachtung wird sie im Grunde "entkulturalisiert". Die Art der Schaffung einer Rechtsordnung (durch Arbeit der Legislative) ist sicherlich Bestandteil demokratischer Kultur. Aber sind Gestze einmal beschlossen und verabschiedet, sind sie quasi als Naturgesetz zu betrachten. Und also nicht mehr "Kultur". Auch wenn sie natürlich dennoch menschengeschaffen bleiben. Ohne einen solchen "Trick" und Willkürakt, ist dieses Paradoxon der Selbstauflösungsmöglichkeit nicht aus der Welt zu schaffen.
Das Legitimationsproblem läßt sich nicht aus der Welt schaffen, indem ein Absolutes behauptet wird, das seinem Wesen nach nicht absolut sein kann.
Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, welche Gesetze schon gegolten haben, um zu erkennen, welcher Unsinn bei einem solchen Rechtsverständnis herauskäme.
Ohne die Anerkennung der Grundwerte fehlt den Grundrechten das Fundament. Letztendlich kann nur die Gesellschaft den Bestand der Demokratie garantieren. Der Staat kann es nicht.
Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Dazu passt das hier sehr gut (Zitat):schokoschendrezki hat geschrieben:(31 Oct 2017, 21:41)
Ich finds ja gar nicht mal so unschmeichelhaft, dich immer wieder so provozieren zu können.
Entwicklungsreihen und Wissensstand sind notwendige Bedingungen. Hinreichend für Innovativität (egal ob wissenschaftlich, künstlerisch, technisch, sozial) ist darüber hinaus Unkonventionalität. Konvention heißt "Übereinkunft". Die in pluralistischen Gesellschaften völlig zurecht hochgeschätzte Unkonventionalität als Kern von Kreativität bedeutet, sich - im Rahmen der Rechtsordnung natürlich - nicht an die Übereinkünfte oder anders gesagt an die "ungeschriebenen Gesetze" zu halten. Nicht.
Aber gottseidank leben wir ja gar nicht in so einer langweilig-konventionellen Welt. Überschreitungen werden gefeiert, bewundert. Ja teilweise regelrecht angebetet in einer Weise, die vielleicht auch nicht mehr ganz gesund ist.
Unter der Überschrift "Desintegriert Euch!" versammelt der 3. Berliner Herbstsalon Arbeiten von rund 100 bildenden und darstellenden Künstler*innen, die sich kritisch mit Konstruktionen von Identität und Einheit auseinandersetzen.
http://www.berliner-herbstsalon.de/drit ... erbstsalon
Dazu noch dieser interessante Hintergrundbeitrag:
http://www.deutschlandfunkkultur.de/neu ... _id=394964
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
In einem Staat als politische Ordnung mit einer Regierung ist diese Regierung ohnehin nur für die Umsetzung, Durchsetzung einer Rechtsordnung zuständig. Man muss noch nichteinmal irgendein sozialwissenschaftliches Fach studiert haben, um einfach logisch und systemisch zu erkennen, dass in einer liberalen Gesellschaft eine Rechtsordnung den Rahmen bildet, innerhalb dessen Kultur stattfindet, die auch individuelle Freiheit gewährt. Aber du kannst es auch ganz explizit haben: Max Weber, der Begründer der Soziologie: "„Rechtsordnung“, keine „Rechtskultur“" (http://literaturkritik.de/id/15760). Es ist der zentrale Kern einer liberalen Gesellschaft, eine Rechtsordnung anstelle eines Wertesystems zu setzen. Diese Rechtsordnung beruht natürlich auf einem Wertesystem. Dem nämlich einer gewählten Legislative, die auf demokratische Art die Bürgergesellschaft repäsentiert. Aber diese Rechtsordnung ist, wenn sie gültig ist, "entkulturalisiert" damit in ihr Kultur in Freiheit überhaupt möglichh ist. Oder nochmal etwas deutlicher und expliziter:Zunder hat geschrieben:(31 Oct 2017, 23:40)
Eine Rechtsordnung kann nur dann als absolut angesehen werden, wenn sie von Gott kommt. Alternativ ginge auch ein biologistisch begründetes Naturrecht.
Das Legitimationsproblem läßt sich nicht aus der Welt schaffen, indem ein Absolutes behauptet wird, das seinem Wesen nach nicht absolut sein kann.
Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, welche Gesetze schon gegolten haben, um zu erkennen, welcher Unsinn bei einem solchen Rechtsverständnis herauskäme.
Ohne die Anerkennung der Grundwerte fehlt den Grundrechten das Fundament. Letztendlich kann nur die Gesellschaft den Bestand der Demokratie garantieren. Der Staat kann es nicht.
(http://www.iwm.at/transit/transit-onlin ... tsordnung/. Da ist ganz präzise und genau formuliert, wie das Verhältnis zwischen Rechtsordnung und freiheitlicher Kultur zu verstehen ist. Und der entsprechende Aufsatz heißt nicht umsonst "Europa – Wertegemeinschaft oder Rechtsordnung?" Das was du verlangst, wird in einer religiösen oder auch ideologisierten Gesellschaft praktiziert. Wo es neben einer Rechtsordnung noch zusätzliche ungeschriebene Handlungsrichtilinien gibt. Die ganz aktuelle politische Entwicklung weg von Demokratie und hin zu Autoritarismus (Stichwort Trump, Le Pen, Orbán, Erdogan, Putin usw.= wird in zahlreichen Aufsätzen, Beiträgen usw. genau auf diesen Kern gebracht: Weg von einer Rechtsordnung und hin zu einer "Wertegemeinschaft". Ein entscheidender Unterschied zwischen "Rechtsordnung" und "Wertegemeinschaft" besteht darin, dass erstere auch für die gilt, die sie ablehnen. Das genau ist die Absolutierung, Entkulturalisierung. Sie gilt für alle. So als käme (Konjunktiv!) sie "von Gott". Und das genau ist der systemische und logische Schritt, der eine irgendwie vor sich hin mäandernde "Kultur" in einen festen Rahmen zwingt und sie damit überhaupt erst in einem freiheitlichen Sinne möglich macht.Der Rede von Werten, der Berufung auf Werte haftet eine tiefe Zweideutigkeit an. Sie ist entweder trivial oder gefährlich. Oder besser: sie ist trivial und gefährlich zugleich ... Jede Rechtsordnung ist eine Zwangsordnung. Nur so kann sie die Freiheit eines jeden garantieren. Die Gesetze erzwingen Gehorsam auch von denen, die ihnen nicht zustimmen. Das klingt unfreundlich, aber man kann dasselbe auch freundlich ausdrücken und sagen: die Gesetze des modernen Rechtsstaats schreiben nicht vor, dass man den Wertschätzungen zustimmt, die ihnen zugrundeliegen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Ja natürlich. Es ist doch kein Zufall, dass in einer pluralistischen Gesellschaft und insbesondere in kreativen Sozialmillieus der Begriff "Unkonventionalität" eine so ausgeprägt positive Konnotation hat. Und Unkonventionalität heißt auf Deutsch nichts anderes, als sich nicht an ungeschriebene Übereinkünfte zu halten. Das Problem der meisten muslimischen Einwanderer besteht eher darin, dass sie in Bezug auf ihre eigenen Übereinkünfte konventionell handeln. Setzt man dem so etwas wie "Leitkultur" entgegen, übernimmt man genau dies: Wertegemeinschaft statt Rechtsordnung. Dass diese vorgeschlagene "Leitkultur" andere Punkte enthält als die Konventionen islamischer Kulturen ist demgegenüber zweitrangig.Selina hat geschrieben:(01 Nov 2017, 23:00)
Dazu passt das hier sehr gut (Zitat):
Unter der Überschrift "Desintegriert Euch!" versammelt der 3. Berliner Herbstsalon Arbeiten von rund 100 bildenden und darstellenden Künstler*innen, die sich kritisch mit Konstruktionen von Identität und Einheit auseinandersetzen.
http://www.berliner-herbstsalon.de/drit ... erbstsalon
Dazu noch dieser interessante Hintergrundbeitrag:
http://www.deutschlandfunkkultur.de/neu ... _id=394964
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Weitere Belege:
usw. usf. zig Beispiele.
Es geht hier nicht etwa um irgendein akademisches oder wissenschaftliches "falsch" oder "richtig", sondern darum dass hier mit "Wertegemeinschaft" vs. "Rechtsordnung" zwei politische Konzepte vorliegen, die sich gegenüberstehen. Und die zwei aktuelle poliitische Richtungen repäsentieren. Liberale, progressiv denkende Menschen warnen gegenwärtig unaufhörlich vor der herrschenden Tendenz, "Rechtsordnung" durch "Wertegemeinschaft" zu ersetzen. Und zwar völlig zurecht.
(NZZ)Europa - Rechtsordnung oder Wertegemeinschaft?
Ein kritischer Blick auf unsere politisch-soziale Wirklichkeit zeigt, dass es eine Tendenz gibt, die Institutionen des Rechtsstaats in die Richtung von Werten und Überzeugungen zu belasten. Diese Entwicklung gefährdet aber die Unabhängigkeit der Rechtsordnung.
...
In der Öffentlichkeit fast ohne Widerspruch, breitet sich das Reden von Werten und von der Wertegemeinschaft aus.
...
Was hier droht, ist nicht harmlos. «Grundwerte» sind im Begriff, die Grundrechte zu unterlaufen, die Wertegemeinschaft droht an die Stelle der Rechtsordnung zu treten, die Pflicht, sich zu bestimmten Werten zu bekennen, an die Stelle der Pflicht, den Gesetzen zu gehorchen.
(cicero)Europa ist kein Werteverbund
Man spricht wieder von gemeinsamen Werten, die Konservativen rufen danach, die Linken entdecken sie neu. Doch Europa liefe in eine böse Falle, wenn es das jeweils politisch Korrekte zum Maßstab erheben würde. Argumente wider die Gesinnungsdiktatur.
usw. usf. zig Beispiele.
Es geht hier nicht etwa um irgendein akademisches oder wissenschaftliches "falsch" oder "richtig", sondern darum dass hier mit "Wertegemeinschaft" vs. "Rechtsordnung" zwei politische Konzepte vorliegen, die sich gegenüberstehen. Und die zwei aktuelle poliitische Richtungen repäsentieren. Liberale, progressiv denkende Menschen warnen gegenwärtig unaufhörlich vor der herrschenden Tendenz, "Rechtsordnung" durch "Wertegemeinschaft" zu ersetzen. Und zwar völlig zurecht.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Richtig. Und wenn man sich immer mal an den "Nationalsozialismus" erinnert (auch wenn es dann sofort Prügel gibt aus bestimmten Ecken), da taucht dort auch so etwas wie eine "Wertegemeinschaft" auf, zumindest als Ziel des Sprachgebrauchs. Interessant.schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Nov 2017, 11:24)
Weitere Belege:
(NZZ)
(cicero)
usw. usf. zig Beispiele.
Es geht hier nicht etwa um irgendein akademisches oder wissenschaftliches "falsch" oder "richtig", sondern darum dass hier mit "Wertegemeinschaft" vs. "Rechtsordnung" zwei politische Konzepte vorliegen, die sich gegenüberstehen. Und die zwei aktuelle poliitische Richtungen repäsentieren. Liberale, progressiv denkende Menschen warnen gegenwärtig unaufhörlich vor der herrschenden Tendenz, "Rechtsordnung" durch "Wertegemeinschaft" zu ersetzen. Und zwar völlig zurecht.
Zitat:
Politische Ziele des Sprachgebrauchs
Der Sprachgebrauch des Vokabulars zielte vor allem auf Nicht-Nationalsozialisten. Nicht-Mitglieder sollten von den Zielen dieser Partei und der von ihr besetzten Ämter überzeugt werden. Nur zum Teil war die Sprache des Nationalsozialismus auch auf die Binnenwirkung bereits überzeugter Parteigenossen (PGs) ausgerichtet. Je mehr der Staatsapparat von Nationalsozialisten genutzt werden konnte, umso prägender traten das Vokabular und die anderen Besonderheiten des Sprachgebrauchs im Leben der ganzen Bevölkerung in Erscheinung. Oft war es nur noch die Familie, in der sich Sprechende nicht von dieser Sprache und den dazugehörenden NS-Funktionären umgeben fühlen konnten. Die Flüsterpropaganda und das private Gespräch waren in der Kriegszeit ständig von der Ausspähung durch andere bedroht. Die Aufzählung der Ziele hier folgt keiner Systematik oder Chronologie:
- Nutzung als Erkennungsmerkmal Gleichgesinnter (besonders in der Zeit vor 1933)
- Schaffung einer emotionalen Zusammengehörigkeit und Wertegemeinschaft
- Innerparteiliche Formierung und Motivation der Mitgliedschaft, um weitergehende Maßnahmen gegenüber Gegnern oder zu verfolgenden Personengruppen vorzubereiten, in extremer Weise zu hören in Heinrich Himmlers geheimen „Posener Reden“ vom Oktober 1943 zur nachträglichen Rechtfertigung des Holocaust.
- Ausgrenzung Andersdenkender, Einschüchterung
- Nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wurde der Hitlergruß verpflichtend für die Wehrmacht angeordnet, um damit deren Loyalität zu Hitler zu zeigen. Bis dahin galt die Wehrmacht als einer der wenigen Bereiche, innerhalb derer man um den damit verbundenen Personenkult herumkommen konnte (siehe aber Führereid).
- Propaganda der parteilichen Ziele, insbesondere durch die Parteipresse (Völkischer Beobachter, Der Angriff; weitere siehe beim Parteiverlag Franz-Eher-Verlag, München, der die Spitze eines großen Pressekonzerns darstellte) sowie durch das Hetzblatt Der Stürmer
- zur Vermeidung inhaltlicher Argumentation, fast im wörtlichen Sinne eines Totschlagarguments
https://de.wikipedia.org/wiki/Sprache_d ... ozialismus
Denn wie hattest du gleich aus der NZZ zitiert? Ich wiederhole: Was hier droht, ist nicht harmlos. «Grundwerte» sind im Begriff, die Grundrechte zu unterlaufen, die Wertegemeinschaft droht an die Stelle der Rechtsordnung zu treten, die Pflicht, sich zu bestimmten Werten zu bekennen, an die Stelle der Pflicht, den Gesetzen zu gehorchen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Natürlich liegt jeder Rechtsordnung auch ein Wertesystem zugrunde: Das der gesetzesentwerfenden Institutionen, die nach demokratischen Regeln gebildet werden und somit die Mehrheitsverhältnisse der Gesellschaft und damit auch deren Werte umsetzen. Aber ist ein Recht einmal offiziell gültig und in Kraft, gilt es für alle gleichermaßen. Das ist ja der Punkt. Auch für die, die diese Werte nicht akzeptieren. In diesem Sinne resulitert eine Rechtsordnung zwar aus einem Wertesystem bildet aber nicht die Basis für eine Wertegemeinschaft sondern ermöglicht eher DIfferenz. In dem schon oben zitierten Aufsatz wird das so ausgedrückt:
Und nocheinmal NZZ:Jede Rechtsordnung ist eine Zwangsordnung. Nur so kann sie die Freiheit eines jeden garantieren. Die Gesetze erzwingen Gehorsam auch von denen, die ihnen nicht zustimmen. Das klingt unfreundlich, aber man kann dasselbe auch freundlich ausdrücken und sagen: die Gesetze des modernen Rechtsstaats schreiben nicht vor, dass man den Wertschätzungen zustimmt, die ihnen zugrundeliegen.
Und in demselben Beitrag wird auch noch einmal die Vorhandenheit von verbindenden Kulturen betont und bejaht. Das, worum es vom Threadtitel her eigentlich geht. Schon allein Sprachen zeigen, dass es einen gemeinsamen Assoziationshintergrund gibt, ohne den Kommunikation nicht möglich ist. Aber dies ist ein "Sein" wie das Wetter oder das Meer und kein "Sollen". Das genau unterscheidet natürliche Sprachen von Varianten, in denen sie zum Zweck eines "Sollens" (zum Beispiel der Gemeinschaftsstiftung) eingesetzt werden wie etwa die Sprache des Nationalsozialismus.Das Phantasma einer identitären Wertegemeinschaft oder «Leitkultur» ist gefährlich. Es verwischt die wichtige Differenz zwischen pluralen Wertorientierungen und demokratischer Rechtsordnung.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
So abstrakt gesagt, kann ich dem nicht zustimmen. Die von einer Mehrheit der Gesellschaft geteilten Werte müssen nicht liberal sein. Die Schaffung von Institutionen auf Basis mehrheitlich geteilter Wertvorstellungen ist demnach potentielle Basis einer allumfassenden Wertegemeinschaft. Es hängt eben doch von konkreten Werten wie den Menschenrechten ab. Einerseits. Andererseits und der Vollständigkeit halber muss die Verfasstheit der Institutionen garantieren, dass den Werten (auf Basis der Gesetze) Gültigkeit verliehen werden muss, selbst wenn manche Institutionen in Gestalt führender Beamter diese nicht teilen und in anderem Sinne zu handlen trachten.schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Nov 2017, 13:51)
Natürlich liegt jeder Rechtsordnung auch ein Wertesystem zugrunde: Das der gesetzesentwerfenden Institutionen, die nach demokratischen Regeln gebildet werden und somit die Mehrheitsverhältnisse der Gesellschaft und damit auch deren Werte umsetzen. Aber ist ein Recht einmal offiziell gültig und in Kraft, gilt es für alle gleichermaßen. Das ist ja der Punkt. Auch für die, die diese Werte nicht akzeptieren. In diesem Sinne resulitert eine Rechtsordnung zwar aus einem Wertesystem bildet aber nicht die Basis für eine Wertegemeinschaft sondern ermöglicht eher DIfferenz.
Der Punkt ist, dass die Grundlage eines demokratischen Rechtsstaats eine die Differenz ermöglichende Wertegemeinschaft sein muss, sonst besteht die Gefahr einer die Differenz nivellierenden Wertegemeinschaft. Gesetze werden optimalerweise aus Einsicht, im Zweifelsfall aber aufgrund der Repression befolgt - Werte hingegen nur aus Einsicht geachtet. Diese Achtung bildet die Basis, ohne läufst du zwangsläufig in die Gefahr des Autoritarismus.
Ja. Fehlt allerdings die breite Wertschätzung, wird das eher früher als später von Regierungen und den sie stützenden Parteien aufgegriffen. Gesetze lassen sich ändern. Und gerade jene, die keine Wertschätzung vorschreiben, sind die unliebsamen, weil sie zum Dissens einladen. Die Absolutsetzung grundlegender Gesetze - also Menschenrechte als Naturrecht - hält auch nicht ewig. Gesetze bleiben trotz anderslautender Proklamationen von Menschen gemacht. Und wenn die Basis der Einsicht fehlt, dann sind die Gründe vielfältig, die zur Verletzung bzw. Abschaffung jener Gesetze führen. Ich sehe es so, dass die Möglichkeit zum Widerspruch gegen grundlegende Werte letztlich von den Werten überzeugt. Unproblematisch ist das aber nicht, denn Erfahrungen des Zustimmenmüssens implizieren eine bereits erfolgte Abschaffung bzw. Schleifung.In dem schon oben zitierten Aufsatz wird das so ausgedrückt:
Jede Rechtsordnung ist eine Zwangsordnung. Nur so kann sie die Freiheit eines jeden garantieren. Die Gesetze erzwingen Gehorsam auch von denen, die ihnen nicht zustimmen. Das klingt unfreundlich, aber man kann dasselbe auch freundlich ausdrücken und sagen: die Gesetze des modernen Rechtsstaats schreiben nicht vor, dass man den Wertschätzungen zustimmt, die ihnen zugrundeliegen.
Die "identitäre Wertegemeinschaft" ist sowieso eine Illusion, denn die Akzeptanz und Gültigkeit von Werten lässt sich nicht erzwingen. Das gilt dann auch für Leitkultur in diesem gemeinten Sinn. Die den demokratischen Institutionen zugrundeliegenden Werte, diese Kultur ist eine die Ablehnung ermöglichende. Alleine dadurch weiß sie bereits zu überzeugen.Und nocheinmal NZZ:
Und in demselben Beitrag wird auch noch einmal die Vorhandenheit von verbindenden Kulturen betont und bejaht. Das, worum es vom Threadtitel her eigentlich geht. Schon allein Sprachen zeigen, dass es einen gemeinsamen Assoziationshintergrund gibt, ohne den Kommunikation nicht möglich ist. Aber dies ist ein "Sein" wie das Wetter oder das Meer und kein "Sollen". Das genau unterscheidet natürliche Sprachen von Varianten, in denen sie zum Zweck eines "Sollens" (zum Beispiel der Gemeinschaftsstiftung) eingesetzt werden wie etwa die Sprache des Nationalsozialismus.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Soweit die Theorie. In der politischen Wirklichkeit und in den Medien findet dennoch gegenwärtig eine breite, zunehmende und oft scharfe Auseinandersetzung statt, die sich mit "Wertegemeinschaft vs. Rechtsordnung" auf den Punkt bringen ließe. Da stehen beide Begriffe in der Regel nicht über-, unter- oder ineinenader sondern gegeneinander. Oder sie werden zumindest gegeneinander in Stellung gebracht Auch wenn das zuweilen polemisch und nicht immer in Übereinstimmung mit theoretischen Ansätzen läuft. Zahlreiche Artikel sind ja mehr oder weniger wortwörtlich so überschrieben. Eine der wesentlichen Trennlinien auch in der realen Entwicklung politischer Gebilde wie Staaten und Staatengemeinschaften.Unité 1 hat geschrieben:(02 Nov 2017, 14:57)
So abstrakt gesagt, kann ich dem nicht zustimmen. Die von einer Mehrheit der Gesellschaft geteilten Werte müssen nicht liberal sein. Die Schaffung von Institutionen auf Basis mehrheitlich geteilter Wertvorstellungen ist demnach potentielle Basis einer allumfassenden Wertegemeinschaft. Es hängt eben doch von konkreten Werten wie den Menschenrechten ab. Einerseits. Andererseits und der Vollständigkeit halber muss die Verfasstheit der Institutionen garantieren, dass den Werten (auf Basis der Gesetze) Gültigkeit verliehen werden muss, selbst wenn manche Institutionen in Gestalt führender Beamter diese nicht teilen und in anderem Sinne zu handlen trachten.
Der Punkt ist, dass die Grundlage eines demokratischen Rechtsstaats eine die Differenz ermöglichende Wertegemeinschaft sein muss, sonst besteht die Gefahr einer die Differenz nivellierenden Wertegemeinschaft. Gesetze werden optimalerweise aus Einsicht, im Zweifelsfall aber aufgrund der Repression befolgt - Werte hingegen nur aus Einsicht geachtet. Diese Achtung bildet die Basis, ohne läufst du zwangsläufig in die Gefahr des Autoritarismus.
Ja. Fehlt allerdings die breite Wertschätzung, wird das eher früher als später von Regierungen und den sie stützenden Parteien aufgegriffen. Gesetze lassen sich ändern. Und gerade jene, die keine Wertschätzung vorschreiben, sind die unliebsamen, weil sie zum Dissens einladen. Die Absolutsetzung grundlegender Gesetze - also Menschenrechte als Naturrecht - hält auch nicht ewig. Gesetze bleiben trotz anderslautender Proklamationen von Menschen gemacht. Und wenn die Basis der Einsicht fehlt, dann sind die Gründe vielfältig, die zur Verletzung bzw. Abschaffung jener Gesetze führen. Ich sehe es so, dass die Möglichkeit zum Widerspruch gegen grundlegende Werte letztlich von den Werten überzeugt. Unproblematisch ist das aber nicht, denn Erfahrungen des Zustimmenmüssens implizieren eine bereits erfolgte Abschaffung bzw. Schleifung.
Die "identitäre Wertegemeinschaft" ist sowieso eine Illusion, denn die Akzeptanz und Gültigkeit von Werten lässt sich nicht erzwingen. Das gilt dann auch für Leitkultur in diesem gemeinten Sinn. Die den demokratischen Institutionen zugrundeliegenden Werte, diese Kultur ist eine die Ablehnung ermöglichende. Alleine dadurch weiß sie bereits zu überzeugen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Ähh....nein. Kultur findet nicht innerhalb einer Rechtsordnung statt, sondern die Rechtsordnung ist Teil der Kultur. Historisch ist das gar nicht anders möglich. Daß die Rechtsordnung ihrerseits wieder auf die Kultur wirkt, ergibt sich zwangsläufig - eben weil das Recht nicht folgenlos bleibt.schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Nov 2017, 08:37)
In einem Staat als politische Ordnung mit einer Regierung ist diese Regierung ohnehin nur für die Umsetzung, Durchsetzung einer Rechtsordnung zuständig. Man muss noch nichteinmal irgendein sozialwissenschaftliches Fach studiert haben, um einfach logisch und systemisch zu erkennen, dass in einer liberalen Gesellschaft eine Rechtsordnung den Rahmen bildet, innerhalb dessen Kultur stattfindet, die auch individuelle Freiheit gewährt.
"Recht ist immer Teil, „Sphäre“ einer Kultur. Es ist ein Produkt des Umgangs einer Kultur mit normativen Fragen. Diese betreffen nicht nur konkrete Norminhalte, sondern auch allgemeine Prinzipien der Begründung und Legitimation von Normen und Verfahren. Recht bildet und entwickelt sich im Kontext einer Normkultur. Als Teilgebiet einer Normkultur steht das Recht in einem Wechselverhältnis mit anderen Teilgebieten, „Sphären“ dieser Kultur: Moral, Politik, Religion, Geschichtsbewusstsein etc. Recht ist kulturgeprägt, aber auch seinerseits kulturprägend. Mit der Gestaltung und Fortbildung von Recht wird diese Normkultur (und mit ihr die Kultur als ganze) weiterentwickelt, in ihrem Charakter fortgestaltet oder verändert. Eine Rechtskultur verweist auf die allgemeine politische Kultur einer Gesellschaft und bietet ihrerseits den normativen Rahmen für die Entwicklung der „Kultur eines politischen Gemeinwesens“ (Häberle 1987)."
http://www.unesco-phil.uni-bremen.de/Te ... kultur.pdf
Und so wie das angewandte Recht die Kultur verändert, wirkt die sich verändernde Kultur auf die Rechtsordnung.
Weder die Kultur noch die Rechtsordnung können einen Absolutheitsanspruch begründen.
Du hättest die Quelle einfach mal lesen sollen.schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Nov 2017, 08:37)
Aber du kannst es auch ganz explizit haben: Max Weber, der Begründer der Soziologie: "„Rechtsordnung“, keine „Rechtskultur“" (http://literaturkritik.de/id/15760).
"Bei ihm [Max Weber; Zunder] ist von Rechtskultur an keiner Stelle die Rede, er warf vielmehr einen nüchternen und sachlichen Blick auf die Rechtsordnung, und zwar aus soziologischer Sicht: Diese „fragt: was innerhalb einer Gemeinschaft faktisch um deswillen geschieht, weil die Chance besteht, daß am Gemeinschaftshandeln beteiligte Menschen, darunter insbesondere solche, in deren Händen ein sozial relevantes Maß von faktischem Einfluß auf dieses Gemeinschaftshandeln liegt, bestimmte Ordnungen als geltend subjektiv ansehen und praktisch behandeln, also ihr eigenes Handeln an ihnen orientieren.“
Dass Max Weber den Begriff „Kultur“ durchgehend zu verwenden wusste, jedoch ausschließlich dort, wo es ihm angemessen erschien, wird kein Kenner seines Werkes leugnen wollen. Besonders markant ist sicherlich das famose Diktum zur Eröffnung der „Vorbemerkung“ [zu den Gesammelten Aufsätzen zur Religionssoziologie], wo er sich selbst als „Sohn der modernen europäischen Kulturwelt“ präsentiert, die unzähligen Passagen über Kultur und Kulturen, bürgerliche Kultur, kapitalistische Kultur, Kulturanalyse, Kulturbedeutsamkeit, Kulturbedeutung, Kulturbedingungen, Kulturerscheinungen, Kulturgemeinschaft, Kulturgüter, Kulturideale, Kulturinteressen, Kulturkreise, Kulturleben, Kulturwissenschaft zeigen eindrücklich, dass dieser deutsche Gelehrte, der von der „innerweltlichen Selbstvervollkommnung zum Kulturmenschen“ schrieb, dem Kulturbegriff eine eminente Bedeutung zuwies. Wenn er ihn im Zusammenhang mit dem Recht absichtsvoll nicht verwendet, sollte man das respektieren."
http://literaturkritik.de/id/15760
Über den Begriff der Rechtskultur kannst du dich hier informieren:
http://www.unesco-phil.uni-bremen.de/Te ... kultur.pdf
Als wesentlicher Bestandteil von Kultur kann eine Rechtsordnung schlechterdings nicht "entkulturalisiert" werden.schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Nov 2017, 08:37)
Es ist der zentrale Kern einer liberalen Gesellschaft, eine Rechtsordnung anstelle eines Wertesystems zu setzen. Diese Rechtsordnung beruht natürlich auf einem Wertesystem. Dem nämlich einer gewählten Legislative, die auf demokratische Art die Bürgergesellschaft repäsentiert. Aber diese Rechtsordnung ist, wenn sie gültig ist, "entkulturalisiert" damit in ihr Kultur in Freiheit überhaupt möglichh ist.
Daß Robert Spaemann 2001 mit diesem Beitrag gegen die rot-grüne Bundesregierung polemisiert hat, ist dir aber schon aufgefallen?schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Nov 2017, 08:37)
Oder nochmal etwas deutlicher und expliziter:
(http://www.iwm.at/transit/transit-onlin ... tsordnung/.
Na ja, wahrscheinlich nicht.
Ich verlange gar nichts. Noch viel weniger behaupte ich einen Absolutheitsanspruch für irgendwelche Gesetze. Das ist ja vollkommen irre.schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Nov 2017, 08:37)
Da ist ganz präzise und genau formuliert, wie das Verhältnis zwischen Rechtsordnung und freiheitlicher Kultur zu verstehen ist. Und der entsprechende Aufsatz heißt nicht umsonst "Europa – Wertegemeinschaft oder Rechtsordnung?" Das was du verlangst, wird in einer religiösen oder auch ideologisierten Gesellschaft praktiziert.
So richtig begriffen hast du offensichtlich nicht, daß die Grundwerte nicht im Widerspruch zur Rechtsordnung stehen, sondern sie begründen.schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Nov 2017, 08:37)
Wo es neben einer Rechtsordnung noch zusätzliche ungeschriebene Handlungsrichtilinien gibt. Die ganz aktuelle politische Entwicklung weg von Demokratie und hin zu Autoritarismus (Stichwort Trump, Le Pen, Orbán, Erdogan, Putin usw.= wird in zahlreichen Aufsätzen, Beiträgen usw. genau auf diesen Kern gebracht: Weg von einer Rechtsordnung und hin zu einer "Wertegemeinschaft". Ein entscheidender Unterschied zwischen "Rechtsordnung" und "Wertegemeinschaft" besteht darin, dass erstere auch für die gilt, die sie ablehnen. Das genau ist die Absolutierung, Entkulturalisierung. Sie gilt für alle. So als käme (Konjunktiv!) sie "von Gott". Und das genau ist der systemische und logische Schritt, der eine irgendwie vor sich hin mäandernde "Kultur" in einen festen Rahmen zwingt und sie damit überhaupt erst in einem freiheitlichen Sinne möglich macht.
Robert Spaemann:
"Natürlich ist es wünschenswert und in einer Demokratie unerlässlich, dass die Mehrheit der Menschen, die zum Gesetzesgehorsam verpflichtet sind, die Wertintuitionen teilen, die diesen Gesetzen zugrunde liegen. Andernfalls werden auf die Dauer die Gesetze selbst keinen Bestand haben."
https://www.nzz.ch/article73LH8-1.456061
Das ist der entscheidende Punkt. Ohne die Anerkennung des Wertes der persönlichen Freiheit ist das Recht auf persönliche Freiheit keinen Pfifferling wert.
Ein Zitat von Robert Spaemann, an dem sich der Unfug dieses Gesetzesabsolutismus aufzeigen läßt:
"Das Dritte Reich war zweifellos eine Wertegemeinschaft, sie nannte sich „Volksgemeinschaft”. Die damals als die höchsten betrachteten Werte: Nation, Rasse, Gesundheit standen allemal über dem Recht, und der Staat war, ähnlich wie im Marxismus, nur eine Agentur dieser höchsten Werte. Darum stand die Partei, die den Werten unmittelbar verpflichtet war, im Zweifelsfall immer über dem Staat."
http://www.iwm.at/transit/transit-onlin ... tsordnung/
Diese Darstellung ist schlicht und ergreifend falsch.
Das Dritte Reich war ein verbrecherischer Staat, der vollkommen legal entstanden ist und mit selbstgeschaffenen Rechtsnormen die Werte der Aufklärung und des Humanismus, die in der WRV als Grundrechte verankert waren, pulverisierte.
Man braucht sich doch nur die von den Nazis erlassenen Gesetze anzuschauen, um unmittelbar einzusehen, daß Rechtsnormen grundlegende Werte überhaupt nicht erhalten können.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Diese Frage ist zur Zeit gar nicht mehr (nur) eine Angelegenheit des Einordnens in irgendein kanonisches Begriffssystem sondern Teil einer aktuellen laufenden und immer mehr polarisierenden allgemeinen politischen Debatte. Das ist dir hoffentlich nicht entgangen. Diese Debatte erzwingt förmlich eine Postionierung oder auch Neupositionierung. Wenn man sich denn beteiligt.Zunder hat geschrieben:(03 Nov 2017, 01:45)
Ähh....nein. Kultur findet nicht innerhalb einer Rechtsordnung statt, sondern die Rechtsordnung ist Teil der Kultur. Historisch ist das gar nicht anders möglich. Daß die Rechtsordnung ihrerseits wieder auf die Kultur wirkt, ergibt sich zwangsläufig - eben weil das Recht nicht folgenlos bleibt.
Der Begriff der "Rechtskultur" selbst ist erstens ziemlich ambivalent, wird in mehreren unterschiedlichen Bedeutungen verwendet und ist zweitens in größerem Umfang überhaupt erst seit Anfang der 1980er in Umlauf (Handbuch der Politischen Philosophie und Sozialphilosophie, genau dein "Empfehlungsdokument" beginnt mit dieser Feststellung).
Du kannst Dir also den belehrenden Tonfall sparen und anstelle dessen für deine persönliche Positionierung argumentieren.
Aus dem "Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland", 2.Auflage, 2002, Seite 502: Definition des Begriffs "Rechtskultur":
Komplementäre Dinge können nicht ineinander enthalten sein. Oder, wenn man es von der anderen Richtung sieht: Die Rechtsordnung ist - u.a. weil sie für alle gilt, auch für die, die sie nicht anerkennen - von einer "Kulturpraxis" losgelöst. Sie steht ihr gegenüber.Der Begriff „Rechtskultur“(R.) wird auf mehreren Ebenen komplementär zur juristischen Begrifflichkeit [also der "Rechtsordnung"] gebraucht.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Ich habe nicht behauptet, dass sie im Widerspruch stehen sondern dass eine "Rechtsordnung" über demokratische, institutionalisierte Wege aus ihnen entstehen und ihnen dann "gegenüberstehen". "Gegenüberstehen" ist etwas anderes als "im Widerspruch stehen". "Verrechtlichung" macht aus den Werten einer die Mehrheitsverhältnisse repäsentierenden Legislative einen formalen Apparat. Einen Rahmen, in dem wir uns alle bewegen. Auch die, die gar nix mit diesen Werten zu tun haben wollen.Zunder hat geschrieben:(03 Nov 2017, 01:45)
So richtig begriffen hast du offensichtlich nicht, daß die Grundwerte nicht im Widerspruch zur Rechtsordnung stehen, sondern sie begründen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Das Zitat lautet:schokoschendrezki hat geschrieben:(03 Nov 2017, 07:27)
Aus dem "Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland", 2.Auflage, 2002, Seite 502: Definition des Begriffs "Rechtskultur":Code: Alles auswählen
Der Begriff „Rechtskultur“(R.) wird auf mehreren Ebenen komplementär zur juristischen Begrifflichkeit [also der "Rechtsordnung"] gebraucht.
"Der Begriff „Rechtskultur“(R.) wird auf mehreren Ebenen komplementär zur juristischen Begrifflichkeit gebraucht (Nelken 1997). Entsprechend den Erkenntnisinteressen bedienen sich Autoren dabei normativer, beschreibender oder auch erklärender Definitionskriterien und Konnotationen."
Die "Rechtsordnung (auch Rechtssystem genannt) bezeichnet die Gesamtheit des gültigen objektiven Rechts in dessen Anwendungsbereich, beispielsweise das Recht eines Staates."
Das ist etwas anderes als die juristische Begrifflichkeit. Das System der geltenden Gesetze ist selbstverständlich Teil der Rechtskultur. Da hilft dir deine erbärmliche Zitatfälscherei auch nicht weiter.
Anm.: Die "Code"-Funktion habe ich benutzt, weil in der "Quote"-Funktion der zitierte Text nicht angezeigt wird. - Zunder
Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Diese von dir gebrachten "zig Beispiele" stammen ausnahmslos von Robert Spaemann, der manches ist, aber bestimmt kein liberaler, progressiv denkender Mensch.schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Nov 2017, 11:24)
Weitere Belege:
(NZZ)
(cicero)
usw. usf. zig Beispiele.
Es geht hier nicht etwa um irgendein akademisches oder wissenschaftliches "falsch" oder "richtig", sondern darum dass hier mit "Wertegemeinschaft" vs. "Rechtsordnung" zwei politische Konzepte vorliegen, die sich gegenüberstehen. Und die zwei aktuelle poliitische Richtungen repäsentieren. Liberale, progressiv denkende Menschen warnen gegenwärtig unaufhörlich vor der herrschenden Tendenz, "Rechtsordnung" durch "Wertegemeinschaft" zu ersetzen. Und zwar völlig zurecht.
Der "aktuelle" Bezug ist aus dem Jahr 2001.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Dein zitierten Poster sollte sich mit spaemanns gedanken zu den grenzen des ethischen Handelns befassen , könnte erhellend wirken. Weiter gibt es keinen gegensatz innerhalb und zwischen den begriffen rechtsordnung und wertegemeinschaft. Den konstruieren nur libertinäre um ihre deutungshoheit von wert jeweils den ihnen genehmen politischen zielen unterzuordnen. Recht entsteht durch kanonisierung von werten. Werte in positiv fortschreitenden sinne gestalten die rechtsordnung.Zunder hat geschrieben:(03 Nov 2017, 19:24)
Diese von dir gebrachten "zig Beispiele" stammen ausnahmslos von Robert Spaemann, der manches ist, aber bestimmt kein liberaler, progressiv denkender Mensch.
Der "aktuelle" Bezug ist aus dem Jahr 2001.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Das ist richtig. Und ich habe schon weiter oben geschrieben, dass ich nirgends etwas von einem Widerspruch oder Gegensatz geschrieben habe. Indem Werte durch die Legislative zu Recht kanonisiert werden, stehen sie dennoch diesen Werten gegenüber. Gegenüberstehen, Disjunktheit heißt noch lange nicht "im Widerspruch". Im Gegenteil: Heißt zu einem Ganzen ergänzend. Gesetze sind im Gegensatz zu Werten nicht mehr verhandelbar und gelten auch für die, die diese Werte nicht akzeptieren. Oder anders formuliert: Die Rechtsordnung ist gleichzeitig eine Legalisierung der Distanz zur "Wertegemeinschaft".Tinkerbell hat geschrieben:(04 Nov 2017, 12:51)
Dein zitierten Poster sollte sich mit spaemanns gedanken zu den grenzen des ethischen Handelns befassen , könnte erhellend wirken. Weiter gibt es keinen gegensatz innerhalb und zwischen den begriffen rechtsordnung und wertegemeinschaft. Den konstruieren nur libertinäre um ihre deutungshoheit von wert jeweils den ihnen genehmen politischen zielen unterzuordnen. Recht entsteht durch kanonisierung von werten. Werte in positiv fortschreitenden sinne gestalten die rechtsordnung.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Die Bundesanstalt für politische Bildung führt gerade ein Projekt zum Thema "Werte" durch. Das weiß ich, weil meine Lebensgefährtin im Rahmen des Projektes interviewt wird.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Das klingt spannend.....man könnte sich immer auf das GG zurück ziehen.....aber das ist ja nicht wirklich Alles oder......... ?Provokateur hat geschrieben:(06 Nov 2017, 08:21)
Die Bundesanstalt für politische Bildung führt gerade ein Projekt zum Thema "Werte" durch. Das weiß ich, weil meine Lebensgefährtin im Rahmen des Projektes interviewt wird.
Was ich eigentlich sagen möchte wäre toll darüber mehr zu erfahren.
Verbindende deutsche Kultur ? Ich bleibe dabei......die "Romantik" ..........im Sinne von : https://de.wikipedia.org/wiki/Romantik
"Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte, aber auch die Gebiete Geschichte, Theologie und Philosophie sowie Naturwissenschaften und Medizin umfasste. In der Literatur der Romantik (ca. 1795–1848) unterscheidet man Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). In der Malerei dauert die Spätromantik bis Ende des 19. Jahrhunderts, in der Musik bis Anfang des 20. Jahrhunderts"
Auf der Anderen Seite...bei soviel Nabelschnur Betrachtung......sollte man dann doch ehrlich bleiben. Und gerade bei sowas helfen "andere Augen" die eine deutsche Kultur von Außen betrachten können.......
Mal witzig : [youtube][/youtube]
Oder eben eher ernst........: [youtube][/youtube]
Ich bleib dabei......es ist die Epoche der Romantik.... . Das ist typisch DEUTSCH
Zuletzt geändert von BingoBurner am Mo 6. Nov 2017, 09:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Das Grundgesetz macht aber mehr Aussagen über Normen als über Werte; es regelt zudem das Verhältnis von Staat und Bürger und nicht so sehr das Verhalten der Bürger untereinander.BingoBurner hat geschrieben:(06 Nov 2017, 09:31)
Das klingt spannend.....man könnte sich immer auf das GG zurück ziehen.....aber das ist ja nicht wirklich alles oder......... ?
Werte sind das, was von der Gesellschaft oder ihren Individuen "belohnt" wird, sei es nur durch Aufmerksamkeit.
Zivilcourage ist zum Beispiel ein Wert.
Normen sind alles, was befolgt werden soll - und bei Nichtbefolgen gibt es Strafe; sei es nur ein Naserümpfen.
Tischsitten und Gesetze sind Normen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Ist das wirklich so bzw. siehst du das so.....? Ich bin mir da nicht so sicher........Provokateur hat geschrieben:(06 Nov 2017, 09:38)
Das Grundgesetz macht aber mehr Aussagen über Normen als über Werte; es regelt zudem das Verhältnis von Staat und Bürger und nicht so sehr das Verhalten der Bürger untereinander.
Um es mal dumm zu formulieren............1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt?
Was ist da Wert, was ist da Norm ?
Ich denke, ich erahne worauf du hinaus willst.....und da gehe ich auch mit. Aber wie gesagt wäre toll darüber mehr zu erfahren. Mir fällt es nämlich manchmal schwer "deutsche" Werte zu erkennen.....da mir klar ist das ich als weißer Europäer eh die Glückskarte auf diesen Planeten gezogen habe........jedoch ist mein Blickwinkel vielleicht einfach zu verquer. Kann mich nicht besser ausdrücken........
Wäre toll wie gesagt was deine Lebensgefährtin dazu sagen würde. Welchen Standpunkt Sie hat.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Die Achtung der Würde ist die Norm. Sie muss es auch sein. Würde bedeutet, keinen Menschen als Objekt zu behandeln; genau das finden wir in jedem gesetzlichen Handeln verwirklicht. Dass wir uns in unserer Verfassung einer solchen Norm unterwerfen, ist eine weltweit nahezu einzigartige Besonderheit.BingoBurner hat geschrieben:(06 Nov 2017, 10:08)
Um es mal dumm zu formulieren............1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt?
Was ist da Wert, was ist da Norm ?
Ich bin auch gespannt. Ich werde das Interview und die Studie auf jeden Fall lesen und auch, sofern online verfügbar, gerne zur Verfügung stellen.BingoBurner hat geschrieben:(06 Nov 2017, 10:08)
Wäre toll wie gesagt was deine Lebensgefährtin dazu sagen würde. Welchen Standpunkt Sie hat.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Die "Gesellschaft" versucht - etwa mit dem wenn auch etwas schwierigen Strafgesetzparagraphen der "Unterlassenen Hilfeleistung" - zumindest einen Teil dessen, was Zivilcourage ist, zu verrechtlichen. Ansonsten halte ich DInge wie Zivilcourage, Freundlichkeit, Offenheit, Gewaltverzicht usw. für menschliche Eigenschaften, die natürlich auch von Gemeinschaften belohnt werden und die der eine mehr und der andere weniger hat. Würden wir jedoch Eigenschaften wie Freundlichkeit/Unfreundlichkeit in den Teilen, die nicht verrechtlicht sind, nicht als ein "Sein" sondern ein "Sollen" auffassen, müssten wir in irgendeiner Form etwa die Unfreundlichen von der Gesellschaft ausschließen. Sie womöglich außerhalb von Recht und Gesetz stellen. Nicht auszudenken, wohin das führen würde.Provokateur hat geschrieben:(06 Nov 2017, 09:38)
Das Grundgesetz macht aber mehr Aussagen über Normen als über Werte; es regelt zudem das Verhältnis von Staat und Bürger und nicht so sehr das Verhalten der Bürger untereinander.
Werte sind das, was von der Gesellschaft oder ihren Individuen "belohnt" wird, sei es nur durch Aufmerksamkeit.
Zivilcourage ist zum Beispiel ein Wert.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Alles von dir genannte, außer Gewaltverzicht, sind Werte. Der Gewaltverzicht ist eine Norm. Nicht nur, weil es "normal" ist, auf Gewalt zu verzichten, sondern weil Gewalt bestraft wird. In unserer Gesellschaft.schokoschendrezki hat geschrieben:(06 Nov 2017, 10:27)
Die "Gesellschaft" versucht - etwa mit dem wenn auch etwas schwierigen Strafgesetzparagraphen der "Unterlassenen Hilfeleistung" - zumindest einen Teil dessen, was Zivilcourage ist, zu verrechtlichen. Ansonsten halte ich DInge wie Zivilcourage, Freundlichkeit, Offenheit, Gewaltverzicht usw. für menschliche Eigenschaften, die natürlich auch von Gemeinschaften belohnt werden und die der eine mehr und der andere weniger hat.
Wenn es eine Dichotomie von Freundlichkeit/Unfreundlichkeit gäbe, müssten wir das. Gibt es aber nicht. Es gibt auch neutrales Auftreten, in der Sache und formal korrekt, ohne dem anderen Honig in den Bart zu schmieren. Freundlichkeit ist ein Wert, er wird mit Gegenfreundlichkeit belohnt.schokoschendrezki hat geschrieben:(06 Nov 2017, 10:27)
Würden wir jedoch Eigenschaften wie Freundlichkeit/Unfreundlichkeit in den Teilen, die nicht verrechtlicht sind, nicht als ein "Sein" sondern ein "Sollen" auffassen, müssten wir in irgendeiner Form etwa die Unfreundlichen von der Gesellschaft ausschließen. Sie womöglich außerhalb von Recht und Gesetz stellen. Nicht auszudenken, wohin das führen würde.
Nicht-Unfreundlich-sein ist die Norm. Wer nicht nicht unfreundlich ist, wird mit Gegenunfreundlichkeit bestraft.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Nach der Logik müssten dann zwar die Freundlichen Gegenfreundlichkeit erwarten, die Neutralen Neutralität. Und die Unfreundlichen? Bestandteil einer (Rechts)Norm ist die Freundlichkeitsfrage ohnehin nicht. Aber: Ist Freundlichkeit wirklich eine gesellschaftlich relevante oder doch eine rein private Frage. Ich halte das für ziemlich wichtig. Kindern in der Schule wird zwar versucht, Freundlichkeit beizubringen aber die unfreundlichen Kinder werden dennoch nicht vom Unterricht entfernt oder schlechter benotet. Sollten sie jedenfalls nicht. (Solange sie sich an die Schulordnung halten). Das ist der Unterschied zum Erziehungssystem im sogenannten Realsozialismus. Dort wurden Verhaltensweisen sanktioniert (negativ wie positiv), die nicht Bestandteil einer formalen Rechtsordnung oder Schulordnung waren. Der Arm der Gesellschaft griff in den Privatbereich hinein.Provokateur hat geschrieben:(06 Nov 2017, 10:39)
Wenn es eine Dichotomie von Freundlichkeit/Unfreundlichkeit gäbe, müssten wir das. Gibt es aber nicht. Es gibt auch neutrales Auftreten, in der Sache und formal korrekt, ohne dem anderen Honig in den Bart zu schmieren. Freundlichkeit ist ein Wert, er wird mit Gegenfreundlichkeit belohnt.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Gewaltverzicht ist in erster Linie ein persönlicher Wert. Erst gesellschaftliche Gesetze machen es auch zu einer gesellschaftlichen Norm, die aber nicht allumfassend ist, denn das Gewaltmonopol liegt bei uns beim Staat, also der Staat ansich hat diese Werte nicht.Provokateur hat geschrieben:(06 Nov 2017, 10:39)
Alles von dir genannte, außer Gewaltverzicht, sind Werte. Der Gewaltverzicht ist eine Norm. Nicht nur, weil es "normal" ist, auf Gewalt zu verzichten, sondern weil Gewalt bestraft wird. In unserer Gesellschaft.
Zwischenmenschliches Verhalten lässt sich m.M. nicht so einfach zuordnen.Wenn es eine Dichotomie von Freundlichkeit/Unfreundlichkeit gäbe, müssten wir das. Gibt es aber nicht. Es gibt auch neutrales Auftreten, in der Sache und formal korrekt, ohne dem anderen Honig in den Bart zu schmieren. Freundlichkeit ist ein Wert, er wird mit Gegenfreundlichkeit belohnt.
Ne das ist keine Norm. Zwischenmenschliche Kontakte lassen sich m.M. gar nicht in einen Norm pressen, schon gar nicht eine die ständig passt.Nicht-Unfreundlich-sein ist die Norm. Wer nicht nicht unfreundlich ist, wird mit Gegenunfreundlichkeit bestraft.
Wir können natürlich uber eine größere Wahrscheinlichkeit sprechen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Von Theorien darüber weiß ich nichts, das sind meine Beobachtungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit. "Wertegemeinschaft" ist im Grunde ein leerer Begriff, der nach mehr klingt als er ist. Die Betonung liegt auf der Gemeinschaft, nicht auf den Werten. Erwartet wird die Unterordnung durch Einschwörung auf ein einendes Band. In dem Sinne steht "Wertegemeinschaft" tatsächlich dem Rechtsstaat gegenüber. Wobei es ehrlicher ist, von Gemeinschaft und Gesellschaft zu sprechen; von Werten des Gemeinschaftlichen und Werten des Gesellschaftlichen. Die konkreten Werte sind entscheidend, verbindend und verbindlich sind beide. Werte und Recht stehen jedenfalls nicht wesensmäßig gegeneinander. Sie lassen sich nur gegeneinander in Stellung bringen, wenn der gültigen Rechtsordnung Werte abgesprochen werden, denen folglich auf anderem Wege Geltung verschafft werden müsse. Die "Gemeinschaft" der Werte lässt sogar eine Verpflichtung dazu anklingen.schokoschendrezki hat geschrieben:(02 Nov 2017, 16:27)
Soweit die Theorie. In der politischen Wirklichkeit und in den Medien findet dennoch gegenwärtig eine breite, zunehmende und oft scharfe Auseinandersetzung statt, die sich mit "Wertegemeinschaft vs. Rechtsordnung" auf den Punkt bringen ließe. Da stehen beide Begriffe in der Regel nicht über-, unter- oder ineinenader sondern gegeneinander. Oder sie werden zumindest gegeneinander in Stellung gebracht Auch wenn das zuweilen polemisch und nicht immer in Übereinstimmung mit theoretischen Ansätzen läuft. Zahlreiche Artikel sind ja mehr oder weniger wortwörtlich so überschrieben. Eine der wesentlichen Trennlinien auch in der realen Entwicklung politischer Gebilde wie Staaten und Staatengemeinschaften.
Wäre das Gesellschaftliche in Form des Rechtsstaates wertelos, dann besteht die Gefahr der Beliebigkeit und in der Folge des Partikularimus grundlegender Werte. Somit muss ein liberaler Rechtsstaat selbst die Werte fundieren, auf denen er fußt. Es bringt mMn keinen Erkenntnisgewinn, das gegeneinander auszuspielen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Naja, es wird Gegenunfreundlichkeit geben, auch wenn diese so nicht offen geäußert wird. Aber fast jeder, der schon mal was verkauft hatte und einen Arschlochkunden hatte, wird hinterher zu den Kollegen gegangen sein und gesagt haben "Also gerade hatte ich wieder ein Arschloch..."schokoschendrezki hat geschrieben:(06 Nov 2017, 12:58)
Nach der Logik müssten dann zwar die Freundlichen Gegenfreundlichkeit erwarten, die Neutralen Neutralität. Und die Unfreundlichen?
Es ist eben die Norm, nicht unfreundlich zu sein. Wer aber lächelt und freundlich ist, wird mit einem lächeln belohnt. Das ist sogar eine anthropologische Konstante.
Das ist der Kern der gesamten Leitkulturdebatte. Wie weit wollen wir Normen kodifizieren? Wenn ein Politiker nämlich "Leitkultur" vorschlägt, ist der nächste Schritt (weil Legislative) ein "Leitkulturgesetz". Was soll da rein? "Wer einen Deutschen Kartoffel nennt, wird mit einem Bußgeld nicht unter 7000 Tagessätzen bestraft." oder "Wer am Tisch schmatzt, kann zum Belegen eines Sittenkurses verurteilt werden." oder wie oder was?schokoschendrezki hat geschrieben:(06 Nov 2017, 12:58)
Bestandteil einer (Rechts)Norm ist die Freundlichkeitsfrage ohnehin nicht. Aber: Ist Freundlichkeit wirklich eine gesellschaftlich relevante oder doch eine rein private Frage. Ich halte das für ziemlich wichtig. Kindern in der Schule wird zwar versucht, Freundlichkeit beizubringen aber die unfreundlichen Kinder werden dennoch nicht vom Unterricht entfernt oder schlechter benotet. Sollten sie jedenfalls nicht. (Solange sie sich an die Schulordnung halten). Das ist der Unterschied zum Erziehungssystem im sogenannten Realsozialismus. Dort wurden Verhaltensweisen sanktioniert (negativ wie positiv), die nicht Bestandteil einer formalen Rechtsordnung oder Schulordnung waren. Der Arm der Gesellschaft griff in den Privatbereich hinein.
Das sehe ich wie du; das ist unheimlich schwierig.
Auch unser Staat verzichtet in erster Linie auf Gewalt; er legt sich beim Anwenden eben jener strenge Maßstäbe an. Und deswegen ist es die Norm. "Normal" ist staatliches Handeln ohne Gewalt; das Knöllchen, der Bebauungsplan und die Lizenz zur Rinderausfuhr kommen ohne begleitende Backpfeife. Jeder Akt staatlicher Gewalt ist in engen Grenzen reglementiert. Ich kann auch nicht sagen "Koffer auf!" und bei einer patzigen Antwort mit einem Curb Stomp reagieren. Das wäre nicht normal. Dafür würde ich in den Knast kommen. Zurecht.relativ hat geschrieben: Gewaltverzicht ist in erster Linie ein persönlicher Wert. Erst gesellschaftliche Gesetze machen es auch zu einer gesellschaftlichen Norm, die aber nicht allumfassend ist, denn das Gewaltmonopol liegt bei uns beim Staat, also der Staat ansich hat diese Werte nicht.
Und auch Gewalttäter mit kurzer Zündschnur verbringen die meisten ihrer Tage ohne die Anwendung von Gewalt; wer keinen Tag ohne hinbekommt, dürfte eingewiesen werden. Und chemisch fixiert. Denn dann liegt ein Problem vor.
Klar ist das ne Norm. Zum Thema "Abgrenzung Wert und Norm" empfehle ich von Hans Joas "Die Entstehung der Werte" und "Das Kreuz mit den Werten". Könnte sei, dass es die nur noch antiquarisch gibt.relativ hat geschrieben: Ne das ist keine Norm. Zwischenmenschliche Kontakte lassen sich m.M. gar nicht in einen Norm pressen, schon gar nicht eine die ständig passt.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Wäre wirklich cool........ ......Danke, wenn es klappt..Provokateur hat geschrieben:(06 Nov 2017, 10:15)
Ich bin auch gespannt. Ich werde das Interview und die Studie auf jeden Fall lesen und auch, sofern online verfügbar, gerne zur Verfügung stellen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Aber ist denn das so? Rein formal haben in Deutschland Politiker des Bundestags, des Bundesrats und der Bundesregierung das Gesetzesinitiativrecht. Der nächste Schritt ist aber keineswegs ein fertiges und gültiges Gesetz sonder die erste, zweite und dritte Lesung im Bundestag. Und dabei kann die Gesetzesinitiative durchaus Scheitern. Dann wird der vorschlagende Politiker sich überlegen, ob er die Initiative wiederholt, abändert oder aufgibt ... und am Ende gibts einen Kompromiss, der im Großen und Ganzen die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und damit auch die Wertevorstellung der Wahlbevölkerung wiederspiegelt.Provokateur hat geschrieben:(06 Nov 2017, 14:30)
Das ist der Kern der gesamten Leitkulturdebatte. Wie weit wollen wir Normen kodifizieren? Wenn ein Politiker nämlich "Leitkultur" vorschlägt, ist der nächste Schritt (weil Legislative) ein "Leitkulturgesetz". Was soll da rein? "Wer einen Deutschen Kartoffel nennt, wird mit einem Bußgeld nicht unter 7000 Tagessätzen bestraft." oder "Wer am Tisch schmatzt, kann zum Belegen eines Sittenkurses verurteilt werden." oder wie oder was?
Das sehe ich wie du; das ist unheimlich schwierig.
Tritt das Gesetz dann in Kraft, so widerspiegelt es natürlich diese demokratisch zustande gekommenen Wertevorstellungen. Aber, ich bleibe dabei, die gültige Rechtsordnung steht den Werten gleichzeitig gegenüber. Denn Gesetze werden nicht in einem Diskurs immer wieder neuverhandelt sondern sind einfach gültig. Und zwar für alle gleichermaßen. In einer vernünftigen Demokratie (und nicht in einem Große-Koalitionsbrei) werden Gesetzesinitiativen üblicherweise scharf und kontrovers diskutiert. Oftmals mit halbe halbe Abgeordnete strikt pro und strikt kontra. Auch dann können Gesetze zustande kommen. Die nicht im entferntesten die Werte einer Gemeinschaft oder der Gesellschaft widerspiegeln sonndern nur die eines Teils. Und die dennoch auch für die Kontra-Fraktion und ihre Anhänger gültig sind.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Das Gesetzgebungsverfahren der Bundesrepulbik ist an sich ja noch komplizierter. Zur Inititativberechtigung und den Lesungen im Bundestag kommt noch der Bundespräsident und gegebenenfalls der Vermittlungsausschuss und das ganze geht unter Umständen auch ein paar mal hin und her. Inwiefern also wiederspiegelt die Rechtsordnung die Werte unserer Gesellschaft? Sie wiederspiegelt zunächst mal - wenn man dieses Verfahren betrachtet die - in der Regel - unterschiedlichen Wertvorstellungen der Fraktionen und beteiligten Institutionen. Das betrifft auch die Grundwerte der Verfassung bei Verfassungsänderungen. Dass ein Gesetz zu irgendeiner Frage einen bestimmten gesellschaftlichen Wert wiederspiegele, setzt logisch voraus, dass eine solche einheitliche Wertvorstellung überhaupt existiert. Diese Vorstellungen sind in einer pluralistischen Gesellschaft jedoch - mathematisch gesprochen - kein Skalar sondern ein Vektor. Das sagt ja schon das Wort "pluralistisch". Die ganze Wertwiederspiegelungstheorie kann - so jedenfalls - logisch, systemisch nicht funktionieren. Das Gesetzgebungsverfahren - auch zur Verfassung - stellt aus diesen unterschiedlichen Werten per Kompromiss, Diskussion, Durchschnittsbildung oder was auch immer eine solche Bewertung erst her.
Eine Ausnahme bilden lediglich die in den "Ewigkeitsklauseln" des Grundgesetzes festgehaltenen Grundprinzipien. Also Staatsform Republik, Prinzip Demokratie usw.
Ein Land wie Ungarn befindet sich allerdings auf einem Weg, wo tatsächlich die Gesetze, insbesondere die jüngst in Kraft getretene neue Verfassung in großem Umfang die Werte der Gesellschaft wiederspiegelt. Und zwar einfach deshalb, weil es eine - wenn auch demokratisch zustande gekommene - Übermacht einer einzelnen Partei gibt. Und dort, insbesondere in der Präambel, wird ausdrücklich Ungarn historisch, religiös, ethnisch usw. ganz konkret verortet. Und das wiederspiegelt tatsächlich die Werte der Mehrheitsgesellschaft. Die Frage ist, ob wir diesen antipluralistischen Weg tatsächlich auch gehen wollen.
Eine Ausnahme bilden lediglich die in den "Ewigkeitsklauseln" des Grundgesetzes festgehaltenen Grundprinzipien. Also Staatsform Republik, Prinzip Demokratie usw.
Ein Land wie Ungarn befindet sich allerdings auf einem Weg, wo tatsächlich die Gesetze, insbesondere die jüngst in Kraft getretene neue Verfassung in großem Umfang die Werte der Gesellschaft wiederspiegelt. Und zwar einfach deshalb, weil es eine - wenn auch demokratisch zustande gekommene - Übermacht einer einzelnen Partei gibt. Und dort, insbesondere in der Präambel, wird ausdrücklich Ungarn historisch, religiös, ethnisch usw. ganz konkret verortet. Und das wiederspiegelt tatsächlich die Werte der Mehrheitsgesellschaft. Die Frage ist, ob wir diesen antipluralistischen Weg tatsächlich auch gehen wollen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Wie sich verändernde Wertvorstellungen im Gesetzgebungsverfahren widerspiegeln, läßt sich am Umgang mit der Homosexualität ziemlich leicht ablesen. Man muß es nur wollen.
Daß dabei so gut wie nie ein vollständiger gesellschaftlicher Konsens erreicht wird, ist ein banales Allerweltsereignis. Alles andere würde eine gleichgeschaltete Masse gehirngewaschener Subjekte voraussetzen.
Daß dabei so gut wie nie ein vollständiger gesellschaftlicher Konsens erreicht wird, ist ein banales Allerweltsereignis. Alles andere würde eine gleichgeschaltete Masse gehirngewaschener Subjekte voraussetzen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Ich würde das weniger als Wert verstehen, vielmehr als eine Öffnung und Liberalisierung der Norm. Von "Wir strafen sie mit KZ" über "Wir strafen sie mit Geldzahlungen" zu "Wir strafen sie nicht mehr, weil wir erkennen, dass dieses Verhalten der Gesellschaft nicht schadet".Zunder hat geschrieben:(07 Nov 2017, 10:04)
Wie sich verändernde Wertvorstellungen im Gesetzgebungsverfahren widerspiegeln, läßt sich am Umgang mit der Homosexualität ziemlich leicht ablesen. Man muß es nur wollen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?
Die Nichtdiskriminierung von Homosexuellen ist letztendlich die sehr verspätete Anwendung des unter Ewigkeitsbindung stehenden Artikels 1 sowie des Artikels 2 (freie Entfaltung) des Grundgesetzes auf eine davon bis dato unrechtmäßig ausgeschlossene Menschengruppe. Allgemein ist die (tolerante) Einstellung zur Homosexualität eine im Zuge sozusagen verspäteter Aufklärung in großen Teilen der Welt sich vollziehende Entwicklung und die Änderung der Rechtsordnung in der Bundesrepublik eher ein Nachvollzug. Die Abstimmungen zur gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft (2001) und zur gleichgeschlechtlichen Ehe (2017) verliefen kontrovers. Selbst die Bundeskanzlerin hat anders gestimmt als die Mehrheit der Abgeordneten. Ich würde nicht sagen, dass die Rechtsordnung der Bundesrepublik in Fragen zur Homosexualität eine auch nur halbwegs einheitliche und repräsentative Wertvorstellung der Gesellschaft wiederspiegelt. Wesentlich ist, dass sie ohne Ausnahme für alle gilt. Auch für die, die sie ablehnen.Zunder hat geschrieben:(07 Nov 2017, 10:04)
Wie sich verändernde Wertvorstellungen im Gesetzgebungsverfahren widerspiegeln, läßt sich am Umgang mit der Homosexualität ziemlich leicht ablesen. Man muß es nur wollen.
Daß dabei so gut wie nie ein vollständiger gesellschaftlicher Konsens erreicht wird, ist ein banales Allerweltsereignis. Alles andere würde eine gleichgeschaltete Masse gehirngewaschener Subjekte voraussetzen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)