Hyde hat geschrieben:(11 May 2017, 01:49)
Dann wird derjenige zwar nicht gesetzlich bestraft, jedoch von der Leitkultur sanktioniert und zwar insofern, als dass er mit sozialer Ächtung und Ausgrenzung durch die Gesellschaft rechnen muss.
Richtig. Die Frage ist doch, weshalb es dann eine Debatte benötigt. Entweder ist man sich in Deutschland also unsicher darüber, ob dieser Wert, dass mit sozialer Ächtung bei Hass auf Frauen zu rechnen ist, noch besteht - dann wäre er keine Leitkultur, sondern wünschenswerte Leitkultur. Oder der Wert an sich, dass man Frauen als gleichberechtigt sieht besteht, dann benötigt es doch aber keine Debatte darüber. Die Mechanismen, welche zu sozialer Ächtung und Ausgrenzung führen, sind doch aus der Gesellschaft heraus entstanden, aus den Interaktionen der Individuen untereinander.
Hyde hat geschrieben:(11 May 2017, 01:49)Diese Aufgabe kann nicht der Staat und nicht die Politik leisten (sie kann höchstens durch Debatten die Sinne dafür schärfen), sondern das ist Aufgabe von jedem Einzelnen von uns.
Richtig, der Meinung bin ich doch auch. Aber genau das wird doch tagtäglich in den Interaktionen der Menschen getan. Dazu braucht es keine Leitkultur-Debatte, angezettelt vom Innenminister. Eine Leitkultur existiert, wenn man so will, auch wenn ich den Begriff dafür nicht verwenden würde, weil in meinen Augen der Wortteil Leit- mit den von Selina angeführten Begriffen verbunden wird, wie Leitfaden und es nicht passend ist. Denn ein Leitfaden schreibt eine Expertengruppe zusammen und sagt: So sollte man etwas verwenden, so wird das gehandhabt. Bei der Kultur hat aber niemand sich zusammen gesetzt und gesagt "So sind wir als westliche Gesellschaft und so machen wir das" sondern die Gesamtkultur der Gesellschaft ergibt sich aus den einzelnen Interaktionen in der Gesellschaft ist wandelbar. Die kulturellen Einstellungen zum Geschlechterverhältnis zwischen Mann und Frau haben sich verändert, weil durch Feministinnen in den 60/70 Jahren darauf aufmerksam gemacht wurde und in den Interaktionen, Gesprächen zwischen den Menschen erkannt wurde, dass es vernünftiger ist im Alltag Mann und Frau gleichberechtigt zu sehen. Und nicht, weil sich ein Politiker in den 70er Jahren hinstellte und sagte "Wir brauchen eine Leitkultur-Debatte über Mann und Frau und fortan sagt die Leitkultur, dass man und Frau gleichberechtigt sind, setzt das um, liebes Volk!"
Hyde hat geschrieben:(11 May 2017, 01:49)
Gerade diejenigen, die sich gegen den Leitkulturbegriff am meisten wehren (also vor allem das linksgrüne Spektrum), sind paradoxerweise meist die, die unsere Leitkultur am vorbildlichsten im Alltag leben und verteidigen - indem sie sich beispielsweise gegen Diskriminierungen (von Frauen, Schwulen, Migranten usw) einsetzen und für aufklärerische Ideale einstehen, und sie diejenigen bekämpfen, welche diese Ideale nicht teilen, sprich diejenigen bekämpfen welche die westliche Leitkultur gefährden.
Siehe oben. Meines Erachtens - oder ich kann da nur für mich sprechen - wehrt man sich
a) gegen den Begriff an sich, weil er nicht passend ist - passender wäre sowas wie "zusammengefasste kulturelle Einstellungen der west. Gesellschaft"
b) Konservative und andere Mitte-Mitte Bürger es immer wieder in Zusammenhang bringen mit "so soll in Deutschland gelebt werden nach unseren Vorstellungen", wodurch es einen autoritären Charakter erhält
c) es so wirkt, als solle es (dazu empfehle ich die Beiträge von schokoschendrezki) staatlich vorgegeben sein. Ich habe Einwände gegen staatlich vorgegebene Leitkultur.
Am sinnvollsten sind also Maßnahmen - meinetwegen staatlich - die ein Bewusstsein fördern, sich an den Werten des GG zu orientieren. Durch Vorträge, Informationsveranstaltungen, Reihen, usw, wie eben am Beispiel der Erkämpfung der Frauenrechte. Und nicht durch "In Deutschland gibt man sich die Hände, wer das nicht tut ist nicht Teil der Leitkultur"