http://www.zeit.de/politik/deutschland/ ... inge-5vor8
Im Kontrast zur heutigen Debatte zeigt die differenzierte und prinzipiengeleitete Argumentation Sommers wie retardiert und vergiftet die heutige Diskussion geführt wird. Zur Illustration einige Punkte Sommers, denen ich mich voll anschließe (Hervorhebungen von mir):
Sosehr jede staatliche Gemeinschaft in Europa auf einen Grundkanon der Zugehörigkeit angewiesen ist und jedes Volk 'einen gewissen Begriff von sich selbst' (Ralf Dahrendorf) braucht, ein Bewusstsein von Identität, so richtig ist es andererseits, dass in unserem Teil der Welt das nationale Erbe der Völker aus einem gemeinsamen Fundus stammt. Dies hat schon Ortega y Gasset erkannt: 'Vier Fünftel unserer inneren Habe sind europäisches Gemeingut.' Wenn schon Leitkultur, dann muss sie europäisch verstanden werden.
Auf der anderen Seite aber hatte ich nicht das Geringste übrig für die unbedarfte Forderung der Grünen nach 'offenen Grenzen' und ihre welt- und wirklichkeitsfremden Multikulti-Illusionen. (...) Gegenüber dem Begriff multikulturell habe ich immer starke Vorbehalte gehabt. Es haftet ihm zu viel Fragwürdiges an. (...) Deswegen redete ich lieber von 'multiethnisch'.
Die Diskussion über die Absorptionskraft unserer Gesellschaft ist keinesfalls eine spezifisch deutsche Erscheinung. Sie wird überall geführt: in Frankreich, in Großbritannien und der Schweiz, in Italien und Spanien, sogar in den klassischen Einwanderungsländern.
Die Diskussion der vergangenen Wochen lehrt, dass der Ausdruck Leitkultur zu Missverständnissen Anlass gibt. Leitkultur? Ähnliche Begriffe gibt es überall: culture dominante, defining culture, cultura dominante, culture de référence, American way of life. Kaum einer nimmt anderswo Anstoß daran.