Jekyll hat geschrieben:(18 Mar 2017, 10:36)
Solange demokratische Spielregeln eingehalten werden ist jede Art des Eingriffs in diesen Prozess auch ein Eingriff in die demokratischen Grundprinzipien. Gerade in Deutschland ist der Anteil der Erdogan-Befürworter proportional hoch, ihnen ihre demokratischen Grundrechte einzuschränken ist eine Missachtung sowohl der demokratischne Prinzipien als auch der Menschen, die sich darauf berufen.
Demokratische Prinzipien quasi außer Gefecht zu setzen, nur weil den hiesigen Politikern und den potentiellen Wählern (Stichwort Populismus!) die Person Erdogans nicht gefällt oder man mit der Politik in deren Heimatland nicht einverstanden ist, lässt auf ein Demokratieverständnis derselben schließen, dem es an Substanz und Integrität fehlt. Ein Armutszeugnis, ein moralisches Totalversagen.
qed
Das ist aber genau die Art von Unterstellung, auf deren Grundlage gerade die Erdogan- und Türkei-Kritiker ihre pauschale Vorgehensweise legitimieren können.
Selbst wenn Sie ihr laienhaftes, zudem schwarzweisses, "Verfassungsrechtswissen" als sog. Expertenwahrheit suggerieren und dies noch hundertmal hier posten, wird das an Ihrer staats- und verfassungsrechtlich irrenden Sichtweise nichts ändern:
Vielleicht nehmen Sie ja das jüngste Urteil der BVG zur Kenntnis. Hinsichtlich der Bewertung und Gewährung des Rechts von ausländischen Politikern und Amtsträgern,
in Deutschland Wahlkampf für ihr Land machen zu können bzw. zu dürfen. Und der Feststellung des Verfassungsgerichts, dass ein Auftrittsverbot weder Grundrechte unserer Verfassung
tangiert oder sie einschränkt. usw. - Lesen Sie es einfach mal nach. Gell.
Weder würde ein Auftrittsverbot, das aufgrund rein politischer Erwägungen der Bundesregierung zur Entscheidung obliegt, irgendein Grundrecht einschränken oder berühren, noch besteht ein
entsprechend unserer demokratischen Verfassung verbrieftes oder garantiertes Grundrecht darauf, auf welches diese ausländischen Politiker irgendeinen
Anspruch hätten. So lässt sich in Kürze der wesentliche Inhalt des BVG-Urteils zusammenfassen. Dass also ein Wahlkampfauftrittsverbot türkischer Minister oder ihres Präsidenten
die Grundrechte der hier lebenden Türkinnen und Türken (mit türkischer Staatsbürgerschaft) einschränkt, ist schlicht ein staatsrechtliches Märchen.
Selbst die Türkische Verfassung verbietet das. Wenngleich dieser klare Rechtsbruch seitens türkischer Regierungsmitglieder nicht geahndet und sanktioniert wird.
Was uns zu einem weiteren Märchen führt: Einer unabhängigen türkischen Justiz...
Es ist eine großzügige und im politischen Ermessen der Bundesregierung liegende Entscheidung, solche Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder, Minister
oder Politiker der TÜRKISCHEN Partei AKP in D zu gestatten. Schließlich betreffen die darin beworbenen politischen Veränderungen weder individualrechtlich noch
staatsrechtlich Deutschland und die hier lebenden Türken und -innen. Im Gegenteil. Selbst im Falle rechtlicher, weil repressiverer und autoritärer Staatsmacht in der Türkei,
die auch individuelle Rechteeinschränkungen der in der Türkei lebenden Menschen zu Folge hat, werden diese Menschen mit Aufenthaltsrecht in D, sogar von diesen antidemokratischen und
rechteeinschränkenden Maßnahmen nicht betroffen sein, solange sie in Deutschland bleiben. Weil sie hier unserer Rechtsstaatlichkeit incl. aller ihnen genauso gewährten Grundrechte geschützt werden.
Womit eigentlich schon alles gesagt ist hinsichtlich der Rechteeinschränkung, die angeblich Wahlkampfauftrittsverbote den hier lebenden türkischen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen
bringen würden.
Passiert einem hier lebenden Türken oder einer Türkin deshalb irgendetwas, weil er sich offen zu den diktatorischen und totalitären Zielen der aktuellen Machthaber in der Türkei bekennt?
Werden sie dafür ins Gefängnis gesteckt oder mit Berufsverbot, Enteignung, Passentzug oder Ausweisung bedroht? Sie werden nicht.