Bielefeld09 hat geschrieben:(14 Dec 2016, 01:01)
Nein, das sind wir nicht.
Wir sind Menschen mit gestaltendem Willen,
das sind wir.
Und das machen wir so weiter.
Und so verkehrt ist das nicht.
Das glaubt jeder, aber es machen nicht viele. Wenn ich ein kleines, für mich persönlich interessantes Beispiel aus dem Buch grob wiedergeben darf (ich bin kein Ernährungswissenschaftler): in Mecklenburg-Vorpommern ging vor 20 Jahren durch die Presse, dass die Fische eine "extrem hohe" Quecksilberbelastung hätten und dies krebserregend sei. Und tatsächlich stieg der Wert ums Zehnfache an. Das klingt erstmal erschreckend viel, aber vor einem gesundheitsgefährdenden Wert war man noch so weit entfernt, dass man jeden Tag etliche Kilo Fisch essen müsste, bevor es problematisch wird. Für eine Überschreitung der Richtwerte hätte es schon mehr als eine Verhundertfahrung benötigt und die Richtwerte sind schon sehr strikt in der EU bemessen.
Der Fischverkauf brach rasant ein und fast im selben Umfang stieg der Verkauf von Schweine- und Rindfleisch. Problem: das fettige Tierfleisch ist viel ungesünder und krebserregender als Fisch. In der Gesamtbetrachtung hat die Bevölkerung in ihrer Hysterie ihr Krebsrisiko durch den gestiegenen Fleischkonsum sogar erhöht, obwohl man es doch beim Einkauf reduzieren wollte. Natürlich handelte nicht jedes Individuum so, aber eben die breite Masse im Durchschnitt. Die Zahlen lagen alle auf dem Tisch und die Gefährdung war bekannt. Tägliche "Verzehnfachung der krebserregenden Fisch-Werte!"-Schlagzeilen waren aber lauter, selbst für jene Fischsorten, die gar nicht betroffen waren, z.B. weil man sie importierte statt aus der Ostsee zu fischen, wo sie gar nicht existieren.
Oder ein anderes Beispiel: es ist noch gar nicht so lange her, dass in Bayern bedauerlicherweise zehn Menschen durch ein Zugunglück starben. Alle bundesweiten Medien berichteten darüber, Experten wurden interviewt, Politiker äußerten sich, Talkshows liefen Abend zu diesem Thema usw. usf. Viele Eisenbahnverkehrsunternehmen registrierten auch einen Rückgang der Nachfrage. Für mich war das recht frustrierend, denn zehn Verkehrstote ist grob die Zahl jener, die jeden Tag in Deutschland sterben bzw. etwa 3.500 pro Jahr. Also fuhren Leute aus Angst, ausgelöst durch diesen Unfall, häufiger mit dem Pkw, mit dem sie ein 40-mal größeres Todesrisiko haben als mit ÖPNV und SPFV -- und ihre Mitmenschen, ob im Auto, zu Fuß oder auf dem Rad, ebenfalls einem höheren Risiko ausgesetzt werden. Tja, was willst Du da machen? Die Leute werden aus allen Richtungen beschallt, sehen schlimme Bilder vom Unfallort und kriegen Angst. Zehn Verkehrstote, aufgeteilt auf zehn Lokalblätter, erzeugen solch eine Wirkung nicht einmal Ansatzweise.