Nein ... der Richter muss nicht der Anklage folgen.Amtsschimmel hat geschrieben:(17 Oct 2016, 23:09)
Nochmal zur Aufklärung, ich denke, das wird hier nicht richtig verstanden: Totschlag ist kein "Mord light" oder "Tötung im Affekt". Sowohl Totschlag als auch Mord sind vorsätzliche Tötungsdelikte. Nach herrschender Rechtsprechung (entgegen der herrschenden Lehre!) sind Mord und Totschlag zwei unterschiedliche Tatbestände. Der Mord verlangt das Vorliegen von diversen Mordmerkmalen bei der Tötung. § 211 StGB umfasst unter anderem die Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln. Definition der gemeingefährlichen Mittel ist folgende:
"Gemeingefährlich sind Mittel, deren Wirkung auf Leib oder Leben einer Mehrzahl anderer Menschen, der Täter nach den konkreten Umständen nicht in der Hand hat." (Lackner/Kühl, 28. Auflage München 2014, § 211 Rdn. 11)
Das Mordmerkmal ist unzweifelhaft bei einem solchen Fall gegeben, Vorsatz ebenfalls (Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung ist gegeben). Frage ist, ob er rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Der Tatbestand steht nicht zur Diskussion und wird im Übrigen von der zumindest juristischen "Schuldig"-Fraktion auch nicht bestritten. Wenn, dann kann er nur wegen Mordes verurteilt werden.
Dann ist aber die Frage: Wie will man das denn beheben, ohne gegen die Menschenwürde zu verstoßen? Art. 1 GG ist unabänderlich. Die Menschenwürde kann nicht eingeschränkt werden, auch nicht mit 2/3-Mehrheit. Es bedürfte einer neuen Verfassung. Und selbst da ist fraglich, wie man sowas formulieren will.
Dass die Staatsanwaltschaft auf Mord klagt ist eine Sache, das heisst aber nicht, dass das Urteil auch auf Mord zwingend ist.
Der Richter kann das moralische Dilemma in der sich der Pilot befand, mit in die Bewertung einbeziehen und damit auch die urspruengliche Anklage verwerfen, ohne den Angeklagten frei sprechen zu muessen.
Aber es ist ein Theaterstueck, das zuspitzt.
Nur in dieser Zuspitzung verliert das Stueck all die Grautoene des realen Lebens und das zeigt sich meiner Meinung nach auch im Abstimmungsverhalten.
Unser Rechtssystem ist zum Glueck besser als das Theaterstueck von Schirach und auch besser als die anschliessende Diskussion bei Plasberg.