Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

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Billie Holiday
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Billie Holiday »

zollagent hat geschrieben:(18 Jun 2016, 16:41)

Beim Goldenen M eher nicht. Aus dem Adlon würde er hinauskomplimentiert werden.
Der Künstler, der fleckige Finger hat, nicht. Hauptsache, das Portemonnaie ist prall.
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cleopatra
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von cleopatra »

Billie Holiday hat geschrieben:(18 Jun 2016, 17:31)

Nicht unbedingt. Hier ist es üblich, dass der eine oder andere Handwerker in der Mittagspause oder nach Feierabend schnell was aus dem Laden holt. Niemand guckt hier abwertend auf jemanden, der augenscheinlich sein Geld mit körperlicher oder dreckiger Arbeit verdient.

Was ätzend ist, wenn jemand, der den ganzen Tag Zeit hat, kurz vor 22 Uhr seinen Großeinkauf macht, den lieben die Kassiererinnen, auch wenn dessen Hände vom Nichtstun schön sauber sind.
Woher wissen die Kassiereninnen, dass der kurz vor 22 Uhr Kunde den ganzen Tag Zeit hatte? Von wenigen Ausnahmen in einem Dorfladen mal abgesehen....

Außerdem spricht gar nichts dagegen, kurz vor Ladenschluss noch einkaufen zu gehen, selbst wenn man auch zwei Stunden früher Zeit gehabt hätte. Hab ich auch schon gemacht, einfach weil ich genau um die Zeit noch ne Radtour gemacht und das damit verband. Auch wenn denen das nicht passt, wenn kurz vor Schluss noch so etwas nerviges wie ein Kunde auftaucht, der auch noch einkaufen möchte, solange das Geschäft geöffnet ist, hat ein Kunde dort die gleiche Freundlichkeit zu erwarten wie morgens um 7 Uhr. Was vielen Verkaufsangestellten übrigens auch nicht passt, denn dann sind sie mit Ausräumen und Sortierarbeiten beschäftigt und herumstreunende Kunden stören nur.

Es ist wohl ein Unterschied, ob ein beliebiger Handwerker mit Arbeitskleidng mal schnell mittags was zu essen holt oder jemand aus reiner Faulheit und Bequemlichkeit in regelmäßig eingeschmutzter öliger Kleidung ohne Händereinigung öffentliche Verkehrsmittel benutzt.... ohne Rücksicht auf andere Menschen, die sich womöglich als Geringverdiener ihre wertvolle Kleidung durch Nutzung derselben Sitzplätze ruinieren (könnten), um mal in deinen sozialen Klischees zu bleiben.

Ich hab auch schon Drecktätigkeiten ausgeführt, u.a. auch Malerei, mache mir vor dem Zusammentreffen mit Anderen dann doch die Mühe und reinige die Hände und Fingernägel. Auch wenn ich das dreimal am Tag machen muss.... das ist ja wohl selbstverständlich!
Ich musste mal mit fettölverdreckten Fingern in unsere Bank, da mir unterwegs die Fahrradkette abgesprungen war und ich es eilig hatte und nicht wirklich was zum Säubern dabei (außer Tempos), das war mir schon sehr unangenehm.
So hat eben jeder seine Ansprüche an sich selbst!
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Billie Holiday
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Billie Holiday »

cleopatra hat geschrieben:(18 Jun 2016, 19:44)

Woher wissen die Kassiereninnen, dass der kurz vor 22 Uhr Kunde den ganzen Tag Zeit hatte? Von wenigen Ausnahmen in einem Dorfladen mal abgesehen....

Außerdem spricht gar nichts dagegen, kurz vor Ladenschluss noch einkaufen zu gehen, selbst wenn man auch zwei Stunden früher Zeit gehabt hätte. Hab ich auch schon gemacht, einfach weil ich genau um die Zeit noch ne Radtour gemacht und das damit verband. Auch wenn denen das nicht passt, wenn kurz vor Schluss noch so etwas nerviges wie ein Kunde auftaucht, der auch noch einkaufen möchte, solange das Geschäft geöffnet ist, hat ein Kunde dort die gleiche Freundlichkeit zu erwarten wie morgens um 7 Uhr. Was vielen Verkaufsangestellten übrigens auch nicht passt, denn dann sind sie mit Ausräumen und Sortierarbeiten beschäftigt und herumstreunende Kunden stören nur.

Es ist wohl ein Unterschied, ob ein beliebiger Handwerker mit Arbeitskleidng mal schnell mittags was zu essen holt oder jemand aus reiner Faulheit und Bequemlichkeit in regelmäßig eingeschmutzter öliger Kleidung ohne Händereinigung öffentliche Verkehrsmittel benutzt.... ohne Rücksicht auf andere Menschen, die sich womöglich als Geringverdiener ihre wertvolle Kleidung durch Nutzung derselben Sitzplätze ruinieren (könnten), um mal in deinen sozialen Klischees zu bleiben.

Ich hab auch schon Drecktätigkeiten ausgeführt, u.a. auch Malerei, mache mir vor dem Zusammentreffen mit Anderen dann doch die Mühe und reinige die Hände und Fingernägel. Auch wenn ich das dreimal am Tag machen muss.... das ist ja wohl selbstverständlich!
Ich musste mal mit fettölverdreckten Fingern in unsere Bank, da mir unterwegs die Fahrradkette abgesprungen war und ich es eilig hatte und nicht wirklich was zum Säubern dabei (außer Tempos), das war mir schon sehr unangenehm.
So hat eben jeder seine Ansprüche an sich selbst!
Ja ja ist ja gut :D

Ich wollt nur festhalten, dass in meiner Kleinstadt zum einen die Pappenheimer bekannt sind und zum anderen der dreckige Handwerker nicht abwertend angeguckt wird. Drecksäcke, die immer und grundsätzlich verdreckt sind, kenne ich nicht. Mit denen hast Du natürlich recht, also ganz ruhig. :cool:
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Cat with a whip
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Cat with a whip »

JJazzGold hat geschrieben:(26 Apr 2016, 09:58)

Ich fasse es ganz kurz zusammen, das Proletariat diente immer als scharfe Abgrenzung zur Mittelschicht. Jahrzehntelang gab es Bemühungen, sich vom Proletariat in die Mittelschicht hochzuarbeiten. Heute ist die Grenze nach unten durchlässiger geworden. Der untere Rand der Mittelschicht läuft heute umgekehrt leichter Gefahr ins Proletariat abzugleiten. Das ruft meines Erachtens u.a. die Verschärfung der Verachtung hervor.
Oder auch anders zusammengefasst:

Bezeichnend ist es alleine ja schon den Begriff "Proletariat" pejorativ zu benutzen um Einkommensunterschiede zu definieren, wie auch die eigentlich absurde Gegenüberstellung zum Begriff Mittelschicht. In Ihrem Beispiel spiegelt sich die Absicht eine gefühlte Grenze der relativen Armut in einer Gesellschaft neu definieren zu wollen.

Wollen nur die wenigsten heute wissen: Tatsächlich ist ja heute im wesentlichen auch die Mittelschicht Proletariat. Sie hats über die Jahzehnte vergessen und verdrängt, weil die poltitsche Hauptströmung in Deutschland auf Sicherung der einmal erreichten Einkommen abzielte. Und das recht erfolgreich.

Dieses Paradigma wurde schon in der Ära Kohl mit zunehmenden Druck auf das Proletariat verlassen, indem statt nunmehr Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosen selbst bekämpft wurden und der Sozialneid gezielt und nachhaltig propagandisitsch geschürt wurde. Dahinter stand natürlich die Oberschicht in Deutschland und die Interessen des Kapitals. Mit der Regierung Schröder kam kein politischer Wandel, sondern ab da wurden die wahren Akteure nur immer ungenierter. Staatliche Sicherungssysteme wurden umgebaut und privatisiert und parallel Arbeitgeber entlastet, der Staat zog sich immer weiter zurück und das weiter anwachsende Prekariat wurde hinter Statistiken verschleiert.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Fuerst_48 »

Cat with a whip hat geschrieben:(19 Jun 2016, 19:34)

Oder auch anders zusammengefasst:

Bezeichnend ist es alleine ja schon den Begriff "Proletariat" pejorativ zu benutzen um Einkommensunterschiede zu definieren, wie auch die eigentlich absurde Gegenüberstellung zum Begriff Mittelschicht. In Ihrem Beispiel spiegelt sich die Absicht eine gefühlte Grenze der relativen Armut in einer Gesellschaft neu definieren zu wollen.

Wollen nur die wenigsten heute wissen: Tatsächlich ist ja heute im wesentlichen auch die Mittelschicht Proletariat. Sie hats über die Jahzehnte vergessen und verdrängt, weil die poltitsche Hauptströmung in Deutschland auf Sicherung der einmal erreichten Einkommen abzielte. Und das recht erfolgreich.

Dieses Paradigma wurde schon in der Ära Kohl mit zunehmenden Druck auf das Proletariat verlassen, indem statt nunmehr Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosen selbst bekämpft wurden und der Sozialneid gezielt und nachhaltig propagandisitsch geschürt wurde. Dahinter stand natürlich die Oberschicht in Deutschland und die Interessen des Kapitals. Mit der Regierung Schröder kam kein politischer Wandel, sondern ab da wurden die wahren Akteure nur immer ungenierter. Staatliche Sicherungssysteme wurden umgebaut und privatisiert und parallel Arbeitgeber entlastet, der Staat zog sich immer weiter zurück und das weiter anwachsende Prekariat wurde hinter Statistiken verschleiert.
Gibt es im reichen Deutschland überhaupt ein "Proletariat" ?? :mad2: :mad2:
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Wildermuth »

Fuerst_48 hat geschrieben:(19 Jun 2016, 19:38)

Gibt es im reichen Deutschland überhaupt ein "Proletariat" ?? :mad2: :mad2:
Es gibt sogar noch einiges darunter: echte armut.
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Darkfire
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Darkfire »

Billie Holiday hat geschrieben:(18 Jun 2016, 22:25)

und zum anderen der dreckige Handwerker nicht abwertend angeguckt wird.
Im Gegenteil, dem sieht man ja wenigstens an das er Arbeit hat :thumbup:
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Bielefeld09
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Bielefeld09 »

Wildermuth hat geschrieben:(19 Jun 2016, 20:54)

Es gibt sogar noch einiges darunter: echte armut.
Wer will das wissen?
Es gibt in Deutschland Poor Persons.
Im fast reichsten Land der Welt.
Wir reden darüber erst mal gar nicht.
Wir verachten nicht,
wir verschweigen!
Easy going!
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Fuerst_48 hat geschrieben:(19 Jun 2016, 19:38)

Gibt es im reichen Deutschland überhaupt ein "Proletariat" ?? :mad2: :mad2:
Proletarier im engeren Sinne ist zunächst formal unabhängig von der Frage arm oder reich, Ein Proletarier ist jemand, der objektiv gezwungen ist, seine Arbeitskraft zu verkaufen. Wenn Arbeitskraft ein teures Produkt ist, sind Proletarier potenziell wohlhabend. Der wesentliche Punkt ist, dass "Arbeitskraft" inzwischen ein so völlig undifferenzierter Begriff in einer zunehmend differenzierten Welt ist wie "Waschpulver" oder "Seife" in der Welt der Drogeriemärkte.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Fazer »

Wildermuth hat geschrieben:(19 Jun 2016, 20:54)

Es gibt sogar noch einiges darunter: echte armut.
Sehr wenig.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Wildermuth »

Fazer hat geschrieben:(19 Jun 2016, 23:51)

Sehr wenig.
Durch wegschauen werden es weniger. Ist mit jeder form von unterschicht so. Auch mit ersaufenden flüchtlingen.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Ich würde sagen: Es gibt - im Vergleich zu früher oder woanders - in Deutschland sehr wenig unvermeidbare Armut. Das wertet unsere Gesellschaft jedoch moralisch noch mehr ab, als objektive Armut und Perspektivlosigkeit. Und hat in der Tat etwas mit Ignoranz und Wegschauen zu tun.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Wildermuth »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Jun 2016, 06:31)

Ich würde sagen: Es gibt - im Vergleich zu früher oder woanders - in Deutschland sehr wenig unvermeidbare Armut.
Nein. Uvermeidbare Armut gibt es nirgends. Nicht in D, nicht in Indien oder russland.

Das ist ja das!

Das wertet unsere Gesellschaft jedoch moralisch noch mehr ab, als objektive Armut und Perspektivlosigkeit. Und hat in der Tat etwas mit Ignoranz und Wegschauen zu tun.
Ignoranz und wegschauen hat etwas mit ignoranz und wegschauen zu tun. Volle zustimmung!
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Wildermuth hat geschrieben:(20 Jun 2016, 06:54)

Nein. Uvermeidbare Armut gibt es nirgends. Nicht in D, nicht in Indien oder russland.
Das ist zwar ebenso richtig wie die Tatsache, dass die globale Erwärmung vermeidbar ist ... die Frage ist jedoch, ob es auch bei der weltweiten Armut einen Punkt der Irreversibilität gibt. Der wirtschaftliche und soziale Aufstieg Chinas spricht eigentlich klar dagegen - was die Armut anbetrifft. Was die Existenz sozialer Ungleichheit anbetrifft, so spricht gerade das Beispiel China dafür, dass hinsichtlich der Zunahme derselben der point of no return bereits überschritten ist.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Fazer »

Wildermuth hat geschrieben:(20 Jun 2016, 03:25)

Durch wegschauen werden es weniger. Ist mit jeder form von unterschicht so. Auch mit ersaufenden flüchtlingen.
"Relative Armut" gibt es. Denn die gibt es auch in einer reichen Gesellschaft, ein völlig unsinniger Begriff der von linken noch durch den Bereich "Armutsgefährdet" angereichert wird, um es zu dramatisieren.

Echte Armut in dem Sinne, dass jemand sich nicht das lebensnotwendige leisten kann gibt es in D fast gar nicht. Wer Sozialhilfe und Hartz IV bezieht fällt nicht darunter. Betroffen sind Leute, die das nicht hinbekommen, z.B. Leute die auf der Strasse leben. Nötig wäre das nicht.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Yossarian »

Nun, früher wollten die linken Intellektuellen das Proleteriat befreien und erziehen. Das fand das Proleteriat aber meistens gar nicht mal so geil, da finde ich es nur folgerichtig das Selbe zum Feindbild hochzustilisieren.
Wenn ich einen Vogel sehe der wie eine Ente watschelt und wie eine Ente schwimmt und wie eine Ente quakt dann nenne ich ihn eine Ente. Und wenn der Vogel dementiert eine Ente zu sein ist es eine russische Ente.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Yossarian hat geschrieben:(20 Jun 2016, 10:28)

Nun, früher wollten die linken Intellektuellen das Proleteriat befreien und erziehen. Das fand das Proleteriat aber meistens gar nicht mal so geil, da finde ich es nur folgerichtig das Selbe zum Feindbild hochzustilisieren.
;)
Dieser Beitrag hat mich eben ein bissel amüsiert. Nimms mir nicht übel, Yossarian. Und wenn Deutsch nicht Deine Muttersprache ist, dann schon gar nicht. Jahrzehntelang war die Nichtbeherrschung rein formaler Bildungskriterien wie Beherrschung von Rechtschreibung und Grammatik das Hauptargument bei der Feindbildung "Proletariat". Dass man eine soziale Gruppe meint, zum Feindbild hochzustilisieren (und nicht einfach herunterzumachen), dürfte dieselben sozialpsychologischen Ursachen haben wie die Ambivalenz von Bewunderung und Verachtung von Antisemiten gegenüber Juden.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von HugoBettauer »

Fuerst_48 hat geschrieben:(19 Jun 2016, 19:38)

Gibt es im reichen Deutschland überhaupt ein "Proletariat" ?? :mad2: :mad2:
Klar. Was denkst du denn, woher der Reichtum kommt? Vom Sozialamt? Von der Sparkasse? Ein Hinweis: Nein.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Fazer »

HugoBettauer hat geschrieben:(20 Jun 2016, 22:18)

Klar. Was denkst du denn, woher der Reichtum kommt? Vom Sozialamt? Von der Sparkasse? Ein Hinweis: Nein.
Von der Fähigkeit der Marktwirtschaft, allen Wohlstand zu bringen, weil Wirtschaft kein Nullsummenspiel ist? Ein Hinweis: JA
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von HugoBettauer »

Ohne die Proleten schafft sich da gar nichts.
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Yossarian
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Yossarian »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Jun 2016, 21:41)

;)
Dieser Beitrag hat mich eben ein bissel amüsiert. Nimms mir nicht übel, Yossarian. Und wenn Deutsch nicht Deine Muttersprache ist, dann schon gar nicht. Jahrzehntelang war die Nichtbeherrschung rein formaler Bildungskriterien wie Beherrschung von Rechtschreibung und Grammatik das Hauptargument bei der Feindbildung "Proletariat". Dass man eine soziale Gruppe meint, zum Feindbild hochzustilisieren (und nicht einfach herunterzumachen), dürfte dieselben sozialpsychologischen Ursachen haben wie die Ambivalenz von Bewunderung und Verachtung von Antisemiten gegenüber Juden.
Nimms mir nicht übel wenn ich deine intellektuelle Kapazität anzweifele diese Aussage zu verstehen, aber vielleicht reichts ja dazu im Duden nachzuschlagen das nächste mal. Amüsiert hat mich dein Beitrag nicht, schockiert wäre das Adjektiv der Wahl.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von HugoBettauer »

Mit den proleten ist es wie mit den Krüppeln, die historisch Invaliden, Behinderte und so weiter hießen. Neue vermeintlich saubere Begriffe für den wenig begeisternden Zustand haben die Welt nicht angepasst.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Alucard »

cleopatra hat geschrieben:(18 Jun 2016, 16:29)

Wäre ich die Kassiererin oder Nebenkundin, tät ich auch mit Stirnrunzeln auf deine eingesauten Klamotten sowie ungereinigten Finger schauen. Das ist schlicht unappetitlich in einem Supermarkt. Ich hoffe sehr, du pilgerst in dieser Montur nicht auch noch in einen Fresstempel und bist hochbeleigt, weil du komisch angeguckt wirst :D
Ich glaube, nicht mal Ärzte waschen sich ihre Hände so oft wie ich. Aber wahrscheinlich hast du keine Ahnung, wie Beizen und Anilinfarben darauf reagieren. Überaus stoisch nämlich...:-)
Und was die Farbkleckse angeht, brauche ich mich eigentlich nicht zu schämen, in einem künstlerischen Beruf zu arbeiten. Und zu verstecken erst recht nicht...
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Welfenprinz »

ich bin als Sohn gutsituierter Bauern in den 60er Jahren aufgewachsen und hab natürlich die volle Bandbreite sozialer Unterschiede erlebt., ab einem gewissen Alter erkennt man das ja schliesslich. Wir haben alle sowohl in der Schule als auch nachmittags auf der Fussballwiese oder dem Wald zusammen unsere Zeit verbracht. Flüchtlingskinder, Gutsarbeitersöhne , Bauernkinder, Angestellten und Beamtenkinder.
Wir waren uns -soweit das als Kind oder Jugendlicher geht- sehr wohl der Standesunterschiede bewusst. Dass meine Eltern es leichter hatten ein Auto zu besitzen oder mir einen Cassettenrecorder zu schenken als meinem Freund, dem Sohn des Hilfsarbeiters ,war auch einem 10jährigen klar.
Aber......... meine Eltern hätten niemals auf andere herab geblickt, ich hab niemals zuhause ein verächtliches Wort über den Hanomagarbeiter oder den Gutsgärtnergehilfen gehört.Eher im Gegenteil.
Und andersrum ist auch nie einer der Eltern meiner Freunde vor mir irgendwie in Ehrfurcht erstarrt......... wenn wir Mist gemacht haben, gabs casalla, egal welches Konto dahinter steckte.

Das ist heute tatsächlich anders. Meine Kinder -93 und 95 geboren- haben von den Schulhöfen und den Cliquen tatsächlich sehr früh die Verachtung anderer mitgebracht. Die gewissen Wohnviertel in der Kleinstadt, andere Milieus (auch die Reicheren, von denen man sich abgrenzt) und die Familienverhältnisse(meine Söhne hatten eine zeit lang nur Freunde, die ebenfalls alleinerziehende Väter haben)......... Merkmale, an denen sich abgegrenzt und distanziert wurde.

Es hat mich natürlich erschrocken. und da ich ja meine Eltern als Vorbild hatte, müsste ich mir sagen, dass ich in der Erziehung irgendwas falsch gemacht habe.
Trotz intensiven Grübelns bin ich aber immer noch der Meinung, dass das nciht der Fall ist. :D

Das einzige , was mich etwas beruhigt, ist dass das mit dem Erwachsen werden sich langsam ändert. Wenn man 4 oder 5 Jahre polnische, deutsch-russische , arme und reiche Arbeitskollegen hat und nicht ganz mit geschlossenen Augen durch die Welt geht, lernt man dann doch, dass ein mensch ein mensch ist.
Sterben kann nicht so schlimm sein,sonst würden es nicht so viele tun.
Lt. griinpissstudien stirbt eine Ratte, wenn ihr ein 200l-Fass Glyphosat auf den Kopf fällt.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von frems »

Angesichts jüngst sowie bevorstehender Wahlen nochmal zwei Artikel, die sich mit den "Abgehängten" beschäftigen.
Die AfD ist rechtsradikal und fremdenfeindlich. Doch anstatt sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, erhebt sich das liberale Bürgertum über die Partei und ihre Wähler. Diese Selbstgefälligkeit nährt den Erfolg der AfD. [...]

Meine Botschaft ist kurz. Sie lautet: Bitte mehr Selbstkritik! Wenn aufgeklärte Menschen sich nicht die Arbeit machen wollen, den blinden Fleck aufgeklärter Menschen auszuleuchten, dann kultivieren sie Überheblichkeit und Ignoranz und werden dafür bestraft.

Die aufgeklärten Bürger an der Ost- und Westküste der USA haben nicht verhindern können, dass die abfällig "fly-overs" genannten Bewohner des Landesinneren Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt haben. Ja, die "fly-overs" haben die Luftschiffe, in denen vorgeblich aufgeklärte Küstenbewohner dahinschwebten, einfach abgeschossen.
https://causa.tagesspiegel.de/politik/w ... ommen.html
Die "Abgehängten" – noch so ein abfälliges Wort – suchten sich jenseits der alten Linken, wie der SPD, neue systemkritische Kräfte. Und das sind in vielen westlichen Ländern heute die Rechtspopulisten. Manche rechtspopulistischen Parteien, wie der Front National in Frankreich, sind bereits zu Vorkämpfern der Arbeiterklasse und der "Abgehängten" avanciert. [...]

Es war falsch, dass die Gewinner der Globalisierung nur noch Toleranz und Weltoffenheit gepredigt haben und alles andere darüber vergaßen. Einigen kosmopolitischen Linken – die mittlerweile auch in einem ökonomischen Sinn neoliberal denkende Menschen sind – ging und geht es dabei oft einfach nur darum, ihr eigenes Gewissen zu beruhigen. [...]

Martin Schulz hat diese Überheblichkeit der kosmopolitischen Klasse verstanden. Er, der aus der Kleinstadt Würselen kommt und immer noch da lebt, ist ein Klartext-Mann. Außerdem zeigt Schulz, dass auch jemand ohne Abitur, sogar mit zeitweiligen Alkoholproblemen, ein kluger Mann sein kann. Man muss keinen Doktortitel haben, um die Gesellschaft voranbringen zu können.

Damit bricht Schulz etwas auf, was vielen Arbeitern in den letzten Jahren sauer aufstieß. Man hat ihnen nämlich suggeriert, dass nur noch Akademiker etwas wert sind, die feine Manieren, ein wohlgefeiltes kosmopolitisches Auftreten und gute Studienabschlüsse haben. Man hat ihnen auch gesagt: Die New Economy und die Start-ups seien die Zukunft. Bald werde es nur noch digitale Kreativarbeiter geben. Überall Hipster mit MacBook. Man hat den Arbeitern so zu verstehen gegeben, dass man vor allem Politik für hippe Akademiker – vorrangig aus Großstädten – macht.
http://www.zeit.de/politik/deutschland/ ... ettansicht
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Teeernte »

frems hat geschrieben:(20 Feb 2017, 20:28)

Angesichts jüngst sowie bevorstehender Wahlen nochmal zwei Artikel, die sich mit den "Abgehängten" beschäftigen.
Die Abgehängten - sitzen bei Hartz auf der Bank. Arbeiter (Proletariat) arbeiten....

Ich finds ja putzig - wie der Stahlarbeiter Grubenkumpel Schulz zum Proleten "geschlagen" wurde. - vom ehemaligen König Gabi.

Verachtung ? Hmmmm.... ist schon irgendwie SELTSAM, dass sich Zahnärzte, Juristen und Einkäufer zum SUV nen Hänger mit Harley kaufen - 5 km vor dem Treffen die Harley und die Lederklamotten entladen und auf "Harten" Kerl machen.

-----oder Fanverkleidung an - und FUUUUUUUUssball Ultra HOOL sind.. so ein paar Stunden - wie Mutti zu Hause staubsaugt...
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Hyde »

Mindestens genauso so problematisch ist doch mittlerweile die Verachtung gegenüber den "Eliten" und gegenüber den "Intellektuellen".

Hetze gegen die politische Klasse, die Verachtung von (politischem) Fachwissen und damit einhergehend die Selbstüberschätzung von Teilen des Volkes (die dann zu allem Möglichen Volksabstimmungen haben wollen, da man ja eh alles besser weiß als die dumme Politik) ist auch sehr gefährlich.

In den USA haben diese Leute nun in Trump einen prominenten Fürsprecher.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Odin1506 »

Hyde hat geschrieben:(21 Feb 2017, 16:24)

Mindestens genauso so problematisch ist doch mittlerweile die Verachtung gegenüber den "Eliten" und gegenüber den "Intellektuellen".

Hetze gegen die politische Klasse, die Verachtung von (politischem) Fachwissen und damit einhergehend die Selbstüberschätzung von Teilen des Volkes (die dann zu allem Möglichen Volksabstimmungen haben wollen, da man ja eh alles besser weiß als die dumme Politik) ist auch sehr gefährlich.

In den USA haben diese Leute nun in Trump einen prominenten Fürsprecher.
Ist das ein Wunder? Dieses politische fachwissen ist für den "einfachen Mann" wie Fachchinesisch. Er versteht nicht was die Politker/innen unserer regierung mit ihren teilweise leeren Reden sagen wollen. Und die Bevölkerung ist es langsam leid, dass über den Köpfen der Menschen hinweg entschieden wird.
Ich bin keine Signatur, ich putze hier nur!!! :p
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von frems »

Hyde hat geschrieben:(21 Feb 2017, 16:24)

Mindestens genauso so problematisch ist doch mittlerweile die Verachtung gegenüber den "Eliten" und gegenüber den "Intellektuellen".

Hetze gegen die politische Klasse, die Verachtung von (politischem) Fachwissen und damit einhergehend die Selbstüberschätzung von Teilen des Volkes (die dann zu allem Möglichen Volksabstimmungen haben wollen, da man ja eh alles besser weiß als die dumme Politik) ist auch sehr gefährlich.

In den USA haben diese Leute nun in Trump einen prominenten Fürsprecher.
Das ist durchaus möglich bzw. wohl sogar richtig, aber dann bitte hier entlang ;) -> http://www.politik-forum.eu/viewtopic.p ... 4#p3794424
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
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